| Titel: | Ueber Sprengstoffe und deren Anwendung. | 
| Fundstelle: | Band 248, Jahrgang 1883, S. 509 | 
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                        Ueber Sprengstoffe und deren
                           								Anwendung.
                        [Ueber Sprengstoffe und deren Anwendung.]
                        
                     
                        
                           Das Vorkommen von Metallstaub im Schieſspulver ist nach
                              										Dolliak darauf zurückzuführen, daſs sich die
                              									verwendeten Maschinen um so mehr abnutzen, je mehr der Pulversatz zerkleinert und je
                              									inniger derselbe gemischt wurde. Ein Theil des sich ablösenden Metallstaubes wird in
                              									Oxyde übergeführt, ein anderer unter Mitwirkung von Feuchtigkeit, Wärme und Schwefel
                              									in Sulfate verwandelt. Kollergänge nutzen sich mehr ab als Kugelmühlen, weil bei
                              									jenen allmählich mehr Wasser angewendet wird, welches durch Beförderung der
                              									Oxydation der reibenden Flächen deren Abnutzung beschleunigt. Nach den bisherigen
                              									Erfahrungen üben aber diese metallischen Beimengungen keinen erkennbar ungünstigen
                              									Einfluſs auf die Wirksamkeit und Haltbarkeit des Schieſspulvers aus. (Vgl. R. Weber 1882 246 278.)
                           Strohnitrocellulose (vgl. 1881 241 31) ist viel weniger beständig als Schieſsbaumwolle, so daſs an deren
                              									Verwendung als Schieſsmittel nicht gedacht werden kann. Obgleich man das Stroh vor
                              									dem Nitriren mit Soda- oder Potaschenlösung behandelt, so wird die Cellulose der
                              									Strohfaser doch nicht rein abgeschieden; es bleiben immer Fett, Wachs, Harz, Pectinstoffe u.s.w.
                              									zurück, welche sich auch nitriren, aber leichter zersetzen und wegen ihrer geringen
                              									chemischen Stabilität nachtheilig auf die Beständigkeit des Explosivstoffes
                              									einwirken. (Nach den Mittheilungen über Gegenstände des
                                 										Artillerie- und Genie-Wesens, 1882 Heft 12 S. 276 und 278.)
                           Zur Herstellung von Schieſs- und Sprengpulver werden
                              									nach C. Himly in Kiel und L. v.
                                    											Trützschler-Falkenstein in Borkowitz
                              										(D. R. P. Kl. 78 Nr. 19432 vom 5. April 1882)
                              									Salpeter, chlorsaures Kalium und ein fester Kohlenwasserstoff (Paraffin, Kautschuk,
                              									Asphalt, Pech u. dgl.) in stöchiometrischen Verhältnissen für vollkommene
                              									Verbrennung unter Zusatz eines flüssigen, flüchtigen Kohlenwasserstoffes gemischt.
                              									Die erhaltene plastische Masse wird in Platten geformt, aus diesen der flüchtige
                              									Kohlenwasserstoff abdestillirt und der feste Rückstand zu verschiedenen Korngröſsen
                              									verarbeitet.
                           W. F. Reid in Stowmarket (Englisches Patent Nr. 619 vom
                              									8. Februar 1882) befeuchtet die Nitrocellulose enthaltenden gekörnten Sprengstoffe mit Holzgeist und trocknet, um ein hartes
                              									und gleichmäſsiges Korn zu erhalten.
                           Um die bei der Entzündung von Sprengstoffen in Bohrlöchern sich entwickelnden Gase unschädlich zu machen, umgibt E. S.
                                    											Clark in Cefny-bedd, England (D. R. P. Kl. 78 Nr. 22006 vom 26. August 1882) den
                              									Sprengstoff seitlich und an beiden Enden mit einem Gemenge aus 90 Tb. Soda, 7 Th.
                              									Kreide, 2 Th. Braunstein und 1 Th. Seife.
                           Nach einem Vortrage von Trauzl im Verein zur Beförderung des Gewerbfleiſses
                                 										(Sitzungsberichte, 1883 S. 9) über neue
                                 										Sprengstoffe entwickelt bei der vollständigen Verbrennung 1k Schwarzpulver 370000mk, Nitroglycerin aber 778000mk,
                              									letzteres zudem in 0,01 der Zeit, welche Pulver gebraucht. Die Einleitung der
                              									Explosion, gleichsam die Auslösung dieser gewaltigen Kraft, ist für die einzelnen
                              									Explosivstoffe sehr verschieden. Nitroglycerin brennt nur ab, wenn es angezündet
                              									wird; es konnte daher erst dann als Sprengstoff verwendet werden, als Nabel im J. 1864 die Detonationszündung erfand, nach
                              									welcher die Detonation von wenig Knallquecksilber genügt, beliebige Mengen
                              									Nitroglycerin zur augenblicklichen Explosion zu bringen. Brown wies dann nach, daſs auch comprimirte Schieſsbaumwolle sich durch
                              									Zündhütchen zur Explosion bringen läſst, und Trauzl
                              									fand im J. 1869, daſs gefrorenes Dynamit, sowie auch nasse Schieſsbaumwolle durch
                              									kleine Patronen aus trockener Schieſsbaumwolle und Nitroglycerin zur Explosion
                              									gebracht werden (vgl. 1876 220 478).
                           Das Kieselguhrdynamit erlaubt keine erheblichen Aenderungen in der Zusammensetzung;
                              									nimmt man mehr als 72 bis 75 Proc. Nitroglycerin, so wird das Sprengmittel Oel
                              									lassend, nimmt man weniger, so explodirt das Dynamit schlecht. Es explodirt ferner
                              									durch den Aufschlag einer Gewehrkugel und gibt unter Wasser Oel ab, Eigenschaften,
                              									welche das- selbe für
                              									Torpedofüllungen u. dgl. unbrauchbar machen. Löst man aber 7 bis 8 Proc.
                              									Collodiumwolle in Nitroglycerin, so erhält man, wie Nobel fand, eine feste gelatinöse Masse, die Sprenggelatine (vgl. 1878 229 396. 484). Nimmt
                              									man weniger Collodiumwolle, so erhält man eine mehr oder weniger consistente, Syrup
                              									bis Gelatine ähnliche Masse, also gleichsam ein verdicktes Nitroglycerin. Dieses
                              									braucht viel weniger Zumischpulver oder viel weniger saugfähiges Zumischpulver, um
                              									in eine plastisch feste Form übergeführt zu werden. Man kann so Sprengmittel
                              									erzeugen, welche vollkommen verbrennliche Aufsaugestoffe, also das zu vollkommenster
                              									Oxydation richtige Verhältniſs zwischen Sauerstoff haltigen und verbrennlichen
                              									Stoffen haben und doch eine so groſse Menge Nitroglycerin enthalten, daſs sie gleich
                              									oder stärker als das Kieselguhrdynamit sind. Man hat es so völlig in der Hand, von
                              									der Stärke des reinen Dynamit herab, Sprengmittel beliebiger Stärke zu erzeugen,
                              									welche auſser der starken, brisanten Wirkung des reinen Kieselguhrdynamites noch
                              									eine mehr oder weniger schiebende Wirkung haben und die zugleich das Nitroglycerin
                              									vermöge seiner zähen Beschaffenheit im Wasser und unter Druck ungleich fester
                              									halten, als dies bei Kieselguhrdynamit der Fall ist. Diese Gelatinedynamite sind dem
                              									Guhrdynamite, wenn sie entsprechend zusammengesetzt sind, in jeder Hinsicht
                              									überlegen und es ist zweifellos, daſs sie dasselbe in nicht zu langer Zeit
                              									vollständig verdrängen werden. In Oesterreich ist dies schon heute der Fall. Das
                              									Guhrdynamit ist daselbst vollständig durch das sogen. Gelatinedynamit I, welches aus
                              									65 Proc. gelatinirtem Nitroglycerin und aus 35 Procent eines Gemenges von Salpeter
                              									und Holzmehl besteht und etwa um 10 Proc. stärker als 75procentiges Guhrdynamit ist,
                              									ersetzt (vgl. 1879 234 * 43. 1880 238 331).
                           Die bei der Verbrennung der Sprengstoffe entstehenden Wärme- und Gasmengen geben
                              									keinen ausreichenden Maſsstab für die Beurtheilung der Wirkung derselben. Werthvolle
                              									Vergleichswerthe gibt die Bleiprobe (1882 246 * 189).
                              									Verglichen mit betriebsmäſsigen Sprengungen ergaben sich z.B. folgende
                              									Verhältniſszahlen:
                           
                              
                                 
                                 Verhältniſsder Hohlräumein der
                                    											Blei-probe
                                 Verhältniſs der Sprengkraft nach
                                    											Versuchen
                                 
                              
                                 
                                 am St Gott-hardt
                                 in Ramsbeck
                                 in Zauke-roda
                                 
                              
                                 Nitroglycerin
                                 1000
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 Sprenggelatine
                                 1000
                                 1000
                                 1000
                                 1000
                                 
                              
                                 Gelatinedynamit
                                   770
                                 –
                                 –
                                   730
                                 
                              
                                 Kieselguhrdynamit
                                   700
                                   698
                                   683
                                   688
                                 
                              
                                 Knallquecksilber
                                   300
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                           W. Siemens glaubt nicht, daſs die Schieſsbaumwolle,
                              									selbst die nasse, zu den hinlänglich stabilen Stoffen zu rechnen sei. Wenn man sie
                              									längere Zeit in warmen Räumen liegen läſst, ist die Aufbewahrung doch ziemlich
                              									gefährlich. Der Versuch mit dem Bleicylinder gibt in so fern kein völlig
                              									zutreffendes Bild von der Wirkung der Sprengstoffe, weil sich Blei ausdehnt, hierbei
                              									somit das Anhaltende des Druckes in Betracht kommt.
                           Nach Th. Steiner (Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und
                                 										Hüttenwesen, 1883 S. 79) kann man wohl als Regel annehmen, daſs brisantere
                              										Sprengstoffe eine billigere Erhauung gestatten als
                              									weniger brisante. Während aber z.B. der Tunnelbauer die Aufgabe hat, die Arbeit in
                              									möglichst kurzer Zeit herzustellen, wird der Leiter einer Grube stets bestrebt sein
                              									müssen, den Unterschied zwischen der Summe des Erlöses für seine Producte und der
                              									Summe der Betriebskosten möglichst groſs zu gestalten. Dieser Unterschied, der
                              									Ertrag der Grube, ist aber nicht immer dann am gröſsten, wenn die
                              									Gestehungskostensumme die kleinste ist, da das Bestreben, die letztere auf das
                              									äuſserste Maſs herabzudrücken, leicht den Nachtheil im Gefolge haben kann, daſs die
                              									erzeugten Producte einen geringeren Marktwerte erhalten, oder daſs ein Theil der
                              									Production überhaupt nicht zur Verwerthung gelangt.
                           Es liegt in der Natur der Sache und ist durch die Erfahrung bestätigt, daſs die
                              									starken Dynamite eine weiter gehende Zertrümmerung der zu sprengenden Massen
                              									bewirken als das Schwarzpulver und die demselben gleichwerthigen Sprengstoffe, ein
                              									Umstand, welcher die Nitroglycerinpräparate z.B. von dem Gebrauche beim
                              									Kohlenbergbaue ausschlieſst. Nachstehende Tabelle zeigt die Betriebsresultate eines
                              									Lignitbergbaues bei Verwendung von Schwarzpulver und Dynamit Nr. II, bei einer
                              									Gesammtproduction von 50000t nach vergleichenden
                              									Versuchen, welche Steiner in Schaflos durchgeführt
                              									hat:
                           
                              
                                 BeiVerwendungvon
                                 
                                    Erlös
                                    
                                 Ge-stehungs-kostenfl.
                                 Betriebs-über-schuſsfl.
                                 
                              
                                 t zu2,60 fl.
                                 t zu1,60 fl.
                                 t ohneWerth
                                 Gesammt-ertrag für50000tfl.
                                 
                              
                                 Schwarzpulver
                                 39400
                                 7100
                                 3500
                                 113800
                                 80500
                                 33300
                                 
                              
                                 Dynamit Nr. II
                                 31600
                                 9200
                                 9200
                                   96880
                                 74000
                                 22880
                                 
                              
                           Wenn dieser Umstand beim Erzbergbaue auch nicht in so auffallender Weise zu Tage
                              									tritt, so ist er doch auch hier wohl zu berücksichtigen, besonders in den Abbauen
                              									auf Bleierze u. dgl. werth volle Mineralien. Ein kleinkörniges, verschmandetes
                              									Hauwerk erschwert vor Allem die Scheidung in der Grube; man wird, um Verluste an
                              									gehaltigem Gefälle zu vermeiden, wenig in alte Verhaue versetzen dürfen, sondern den
                              									allergröſsten Theil des Hauwerkes zu Tage fördern müssen; bei manchen Tiefbauten ist
                              									schon dieser Gesichtspunkt allein von gröſster Bedeutung. Da das Erz milder ist als
                              									die Gangart und das Nebengestein, wird das erstere auch unter der zermalmenden
                              									Wirkung der starken Dynamite am meisten leiden und gewiſs schon in der Grube ein
                              									Theil davon „todt“ geschmettert, ein anderer nicht unbedeutender Theil
                              									derselben in so fein- körnigen Zustand versetzt werden, daſs es einer weit umständlicheren,
                              									kostspieligeren, an Verlust reicheren Arbeit unterworfen werden muſs, als dies bei
                              									einem grobkörnigen Gefälle nöthig wäre.