| Titel: | Die englische Explosivstoff-Industrie; von Fabriksdirector Oscar Guttmann. | 
| Autor: | Oscar Guttmann | 
| Fundstelle: | Band 249, Jahrgang 1883, S. 455 | 
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                        Die englische Explosivstoff-Industrie; von
                           								Fabriksdirector Oscar Guttmann.
                        Mit Abbildungen.
                        Guttmann, über die englische Explosivstoff-Industrie.
                        
                     
                        
                           Als Experte in eine Pulverfabrik nächst London berufen und mit Empfehlung des k.
                              									ungarischen Ministeriums des Innern an die Londoner Botschaft versehen, war es mir
                              									im Mai d. J., trotz des allgemeinen Miſstrauens nach den irisch-fenischen
                              									Attentaten, gegönnt, eine gröſsere Anzahl von Explosivstoff-Fabriken Englands
                              									eingehend zu besichtigen und mir über den Stand dieser Industrie möglichst genaue
                              									Kenntniſs zu verschaffen. Nachfolgend eine Zusammenfassung meiner Erfahrungen. In
                              									den Vereinigten Königreichen wurden mit Ende des J. 1882 folgende Explosivstoffe
                              									erzeugt:
                           1) Schieſs- und Sprengpulver in 28 Fabriken. Die
                              									bedeutenderen sind: Curtis' and Harvey limited in
                              									Bedfont, Hounslow, Glyn Neath und Tunbridge, John Hall and
                                 										Son in Faversham und Eastwood, Pigou Wilks and
                                 										Lawrence lim. in Dartford und Battle, W. H.
                                 										Wakefield und Comp. in Bassinghyll und Gatebeck, Hay, Merricks and Comp. in Roslin, Kennall
                                 										Gunpowder Company in Kennall Vale, Kames Gunpowder
                                 										Company in Kames, Ballincollig Royal Gunpowder
                                 										Mills Company lim. in Cork, Williamson and Comp.
                                 										lim. in Fernilee, F. C. Dickson and Comp. in
                              									Blackbeck, New Sedgwick Gunpowder Company in Sedgwick,
                              										Westfield in Chilworth, Shortridge and Comp. in Barnsley, J. and T. Sharp
                                 										and Comp. in Chilworth u.s.w.
                           2) Espir's Explosivpulver, im Wesentlichen ein
                              									Sprengpulver, das an Stelle der Kohle Galläpfelmehl enthält. Es wird von der Firma
                              										Fairholm and Comp. erzeugt.
                           3) Safety blasting powder (Sicherheits-Sprengpulver),
                              									welches für Rechnung der Safety blasting powder Company
                                 										lim. von der Firma Pigou, Wilks und Lawrence
                                 										lim. in Dartford gefertigt wird und mit dem in Oesterreich-Ungarn und
                              									Frankreich erzeugten, aus Salpeter, Schwefel, Gerberlohe und Ruſs bestehenden Carboazotine identisch ist.
                           4) Asphaline von der Asphaline
                                 										Company in Oernant dargestellt, hat folgende Zusammensetzung: Nr. 1 = 54
                              									Th. chlorsaures Kalium, 4 Th. salpetersaures oder schwefelsaures Kalium, 42 Th.
                              									Kleie, Nr. 2 = 54 Th. chlorsaures Kalium, 20 bis 25 Th. salpetersaures oder
                              									schwefelsaures Kalium, 21 bis 26 Th. Kleie.
                           5) Dynamit Nr. 1 und 2. Wird nach dem ehemaligen Nobel'schen Patente erzeugt von Nobel's Explosives Company lim. in Ardeer, ferner von der Explosives Company lim. in Pembrey.
                           6) Gelatine-Dynamit Nr. 1 bis 4. Erzeuger nach dem Nobel'schen Patente die Nobel's
                                 										Explosives Company lim. in Ardeer.
                           
                           7) Lithofracteur, von der Explosives Company lim. in Pembrey erzeugt; ich konnte nicht erfahren, ob
                              									darunter das gleichnamige Sprengmittel von Gebrüder Krebs
                                 										und Comp. in Kalk bei Köln zu verstehen sei, das in gröſseren Mengen
                              									eingeführt wird.
                           8) Schultze'sches Schieſspulver
                                 										und Sprengpulver. Wird nach der Erfindung des preuſsischen Officiers Schultze aus zerkleinertem und nitrirtem Holze von der
                              										Schultze Gunpowder Company lim. in Newforest,
                              									Hampshire, dargestellt.
                           9) Schieſsbaumwolle. Erzeuger: The Explosives Company lim. in Stowmarket, Cotton
                                 										Powder Company lim. in Faversham, Potentite Company
                                 										lim. in Melling. Um die Schieſswolle für Sprengungszwecke tauglicher zu
                              									machen, wird sie mit verschiedenen, die Brisanz vermindernden Beigaben versehen und
                              									zwar von der Fabrik in Stowmarket mit Kali-Salpeter als salpetrisirte Schieſswolle, dieselbe gekörnt als Gewehr-Schieſswolle, mit in Aether aufgelöstem Aurine (Rosolsäure)
                              									getränkt und gekörnt als E. C. Jagdpulver, mit ebenso
                              									gelöster Pikrinsäure in gleicher Weise bearbeitet als E. C.
                                 										Gewehrpulver; von der Fabrik in Faversham mit Bariumnitrat und Zucker
                              									versetzt und gekörnt als Tonite Nr. 1 und 2, von der
                              									Fabrik in Melling mit Salpeter als Potentite, mit
                              									gewöhnlichem Sägemehle als Sägemehl- und
                                 										Schieſswollpulver, mit nitrirtem Sägemehle als Sägemehl-Schieſspulver.
                           10) Knallquecksilber von 4 Fabriken.
                           In obiger, zum Theile dem Berichte der Explosiv-Inspectoren entnommenen
                              									Zusammenstellung ist die königliche Pulverfabrik von
                              									Waltham-Abbey nicht inbegriffen, welche Schieſs- und Sprengpulver, sowie
                              									Schieſsbaumwolle erzeugt.
                           Pulverfabriken. Die englischen Pulverfabriken
                              									sind zum gröſsten Theile sehr alt; manche bestehen schon seit der Mitte des vorigen
                              									Jahrhunderts und in neuerer Zeit werden nur sehr wenig Licenzen auf solche genommen.
                              									Meistens haben dieselben Flüsse oder Bäche in ihrem Besitzthume, welche in
                              									verschiedenen Kanälen abgezweigt sind; das Fabriksgrundstück ist schön parkirt und
                              									mit dichten Baumpflanzungen versehen. Die Gebäude sind gewöhnlich schon alt, welche
                              									wie die Einrichtungen nur sehr langsam verbessert werden. Man findet Gebäude jeder
                              									Art. Vorherrschend ist Ziegelmauerwerk mit Blechbedachung, sehr häufig auch reines
                              									Holzfachwerk, jedoch nur bei Gebäuden, Hie als gefährlich gelten. Neuestens ist das
                              									leichte und bequem zu verarbeitende verzinkte Wellblech bevorzugt, insbesondere zu
                              									Dächern; doch sind z.B. in Stowmarket auch Gebäude, ja selbst die Einzäunung ganz
                              									aus diesem Materiale hergestellt. Man macht dafür den Vortheil verhältniſsmäſsiger
                              									Billigkeit, groſser Solidität und Stabilität, sowie die geringe Flugfähigkeit im
                              									Falle einer Explosion geltend. Jedes Gebäude muſs vorschriftsmäſsig mit einem
                              									Blitzableiter versehen sein, – ein Schutzmittel, das man bekanntlich nicht überall
                              									als solches betrachtet. Die Gebäude sind innen mit Holz verkleidet und zwar mit in
                              									Nuth und Feder gefalzten, gehobelten Brettern, welche einen waschbaren Anstrich von
                              									lichtem Firnisse erhalten. Der bretterne Fuſsboden ist entweder mit Leinwand oder
                              									Gummi, meistens aber mit dem in England allgemein benutzten, auch auf dem Festlande
                              									bekannten Linoleum bedeckt. Dies gilt jedoch nur für sogen. „danger buildings“ (gefährliche Gebäude), in
                              									welchen bereits fertige oder nahezu trockene Masse verarbeitet wird.
                           In Bezug auf die Entfernung der einzelnen Gebäude von einander gibt es keine
                              									eigentliche Gesetzesvorschrift und nur in so weit es sich um Vorrathsmagazine oder
                              									um Niederlagen für gemahlene Holzkohle handelt. Alle übrigen Einzelheiten der Anlage
                              									werden dem Eigenthümer überlassen, von welchem man den Schutz seiner Interessen
                              									richtig voraussetzt, und sie unterliegen nur der Genehmigung des Staatssecretärs des
                              									Innern bezieh. des Explosiv-Inspectors. Mit Rücksicht auf schon bestehende Anlagen
                              									wurde bei Erlaſs der „Explosives Act“ im J. 1875
                              									Manches nachgesehen und so findet man denn auch oft ganz eigenthümliche Anordnungen.
                              									Eigentliche Erdwälle habe ich überhaupt nicht angetroffen. Neun Zehntel sämmtlicher
                              									Gebäude stehen frei; nur hier und da findet man wegen groſser Nähe anderer Gebäude
                              									auf einer Seite in der Richtung des nächsten Gebäudes eine 48 bis 64cm dicke Ziegelmauer, oder zwischen zwei
                              									Ziegelmauern eingestampfte Erde. An manchen Orten werden die „danger buildings“ mit einem schmalen seichten
                              									Teiche umgeben. Gänge auſserhalb derselben werden als „dangerous way“ (gefährlicher Weg) angesehen, welche man mit
                              									gewöhnlicher Beschuhung nicht betreten darf und die so oft als möglich mit Wasser
                              									bespritzt werden. Sie werden allgemein aus Langhölzern und Querbohlen hergestellt,
                              									wobei ein Verbindungsstück ausgeschaltet wird, wenn sie der Breite nach
                              									überschritten werden sollen.
                           Die Kleidung der Arbeiter ist aus einer Art glänzenden schwarzen Zwilchs hergestellt,
                              									welcher durch Tränkung mit Borax oder ähnlichen Stoffen schwer verbrennbar gemacht
                              									wurde. Die Kleider dürfen keine Taschen haben, damit nicht Zündhölzchen oder
                              									überhaupt fremde Gegenstände eingeschmuggelt werden. Jeder Raum hat eine Vorhalle,
                              									deren Eingang mit einem etwa 40cm hohen Brette
                              									abgeschlossen ist, welches überstiegen werden muſs. Innerhalb dieses Brettes steht
                              									eine Anzahl von Lederschuhen ohne Nagelung, bloſs aus dicken Häuten genäht, in
                              									welche der Arbeiter wie in Holzschuhe hineintritt; sie werden ihrer Unbeholfenheit
                              									wegen „elefant foots“ (Elephantenfüſse)
                              									genannt.
                           Die Einrichtung der Fabriken ist mitunter noch primitiv, in den gröſseren und neueren
                              									Anlagen aber unter groſsem Geldaufwande oft mit allen modernen technischen
                              									Hilfsmitteln hergestellt. Fast jede Fabrik hat ihre eigene Gasanstalt und auch das
                              									elektrische Licht findet immer ausgedehntere Anwendung. Versuche mit leuchtenden
                              									Farben sind in Waltham-Abbey ungünstig ausgefallen.
                           
                           Zum Transporte der Materialien von einem Gebäude zum anderen werden Schiebkarren mit
                              									aufgesetzten verschlieſsbaren Kästen, wo es aber thunlich ist, gedeckte Boote
                              									verwendet, deren Dächer aufzuklappen sind. Der gedeckte Theil des Bootes gilt als
                              											„danger building.“ Sie werden von Hand
                              									mit Stangen vorwärts bewegt. Wenn das Boot in einen Seitenarm (creek) einfährt, so dreht der Schiffer eine an einem
                              									über beide Ufer gespannten Rundeisenbogen befestigte Tafel um, die auf einer Seite
                              									weiſs angestrichen ist, auf der anderen die Inschrift trägt: This creek is closed for gunpowder boats (dieser Arm ist für Pulverboote
                              									geschlossen).
                           Die wenigsten Fabriken haben specielle Techniker oder Chemiker angestellt; der
                              									Fabrikant richtet sein ganzes Augenmerk auf sorgfältige Erzeugung, welche mit
                              									gröſster Genauigkeit und unendlich praktischem Sinne erfolgt. Fremde Literatur und
                              									die anderwärts gemachten Erfahrungen sind so gut wie nirgends berücksichtigt oder
                              									selbst nur gekannt, sofern sie nicht von Ausländern hereingebracht werden.
                           Die Absatz Verhältnisse der englischen Pulverfabriken sind sehr günstig. Das Land hat
                              									sehr groſsen Bergbau, die Jagd wird in ausgedehntem Maſse betrieben und die
                              									Engländer sind bekanntlich auch die Pulverlieferanten für alle denkbaren exotischen
                              									Völker. Im J. 1882 betrug die Ausfuhr an Schieſspulver 6431483k (126604 Centner engl.) im Werthe von 7156040 M.
                              									(357802 £) und, trotzdem die Fabriken bei der groſsen
                              									Concurrenz genöthigt sind, sehr billig zu verkaufen, haben doch Fabrikant wie
                              									Arbeiter guten Verdienst. Letztere verdienen wöchentlich mindestens £ 1, einzelne Kategorien im Accord sogar £ 3.
                           Der Transport erfolgt nunmehr ausschlieſslich auf Eisenbahnen und Kanälen, nachdem
                              									von 103 Eisenbahnen nur 8, von 117 Kanalgesellschaften nur 11 die Aufnahme
                              									verweigern.
                           Bei Beschreibung der einzelnen Fabrikationsoperationen werde ich mich hauptsächlich
                              									auf die königliche Pulverfabrik von Waltham-Abbey und die Fabrik von Pigou, Wilks und Laurence in Dartford beziehen, weil
                              									die erstere geradezu groſsartig eingerichtet, die letztere aber so ziemlich typisch
                              									für die Privatfabriken ist. Waltham-Abbey ist eine Bahnstunde nördlich von London
                              									entfernt; die Fabrik bildet eigentlich den Ort, dessen Straſse durch sie hindurch
                              									geht, und ihr Terrain ist 6km,44 (4 Meilen engl.)
                              									lang. Dartford ist eine Bahnstunde südöstlich von London gelegen; die Pulverfabrik
                              									besteht schon über 100 Jahre und ist eine der berühmtesten Englands. Waltham-Abbey
                              									steht unter der Leitung des Superintendenten Colonel Brackenbury und seines Stellvertreters Capitain Watkins. Die Fabrik arbeitet nur für militärische Zwecke, während die
                              									Fabrik von Dartford, durch Hrn. Laurence geleitet, alle
                              									Gattungen von Schieſs- und Sprengpulver erzeugt, wobei für verschiedene Arten von
                              									Wild oder verschiedene Völker auch verschiedene Pulversorten gemacht werden.
                           
                           Salpeterraffinerie. Der eingeführte rohe ostindische
                              									Salpeter wird nach dem bekannten Verfahren in kochendem Wasser aufgelöst, durch
                              									Leinwand filtrirt, in langen Holzgefäſsen auskrystallisirt, gewaschen, getrocknet
                              									und auf das übliche 1/10000 Reinheit geprüft. Es ist dieser Prozeſs identisch mit dem nach
                              									erfolgter Erzeugung des Kalisalpeters aus dem salpetersauren Natrium auf dem
                              									Festlande gebräuchlichen, weshalb darüber nur noch erwähnt sei, daſs jede gröſsere
                              									Fabrik mit einer Salpeterraffinerie versehen ist.
                           Holzverkohlung. Für Schieſspulver wird allgemein das
                              									Holz der Hundskirsche (dogwood) genommen, während
                              									Erlenholz (alderwood) für Militärpulver, Weide (willow) für Kanonenpulver verwendet wird. Das Holz wird
                              									partienweise aufgeschichtet, mit dem Namen des Lieferanten und dem Tage der Abgabe
                              									bezeichnet und bleibt 6 bis 12 Monate lang der Witterung ausgesetzt, ehe es zur
                              									Verwendung gelangt.
                           Die Verkohlungsöfen aus Ziegelmauerwerk stehen mehrere in einer Gruppe an einander
                              									und ihre Construction ist – nach einem bekannten Beispiele – etwa wie die der Oefen
                              									zum Rösten der Feigen zum Surrogatkaffee. In dem Ofen ist ein guſseiserner Cylinder
                              									zur Abhaltung der Stichflammen und direkten Wärme eingebaut und in diesen wird der
                              									Verkohlungscylinder eingeschoben. In Waltham-Abbey ist dieser aus Eisenblech
                              									hergestellt; seine Stirnseite ist als Thür zu öffnen und mit mehreren Ausschnitten
                              									zum Entweichen der Gase versehen. Die Beschickung mit dem in Bündel gebundenen Holze
                              									erfolgt auf einem mit zwei halbkreisförmigen Trägern versehenen Eisengestelle,
                              									welches mittels Kurbel eine Neigung über 45° erhalten kann und mit Rädern auf
                              									Schienen zum Ofen geführt wird. Ist der Cylinder eingeschoben, so wird der Ofen mit
                              									einer gewölbten eisernen Thür verschlossen. Beim Ausziehen der Ladung wird der
                              									Cylinder mit einem Haken erfaſst, auf das Gestelle geschoben und durch Neigung in
                              									vorgehaltene offene Blechcylinder zur Abkühlung ausgeleert. In den Privatfabriken
                              									ist die Thür des Cylinders meist voll; dagegen ist dieser am unteren Ende auf etwa
                              									ein Drittel seiner Länge mit vielen Löchern von ungefähr 1cm Durchmesser versehen. Das Ausziehen des
                              									Cylinders erfolgt durch ein an einer Handhabe befestigtes, über Rollen laufendes
                              									Seil, an welches ein Gewicht gehängt wird.
                           Die so erzeugte Kohle bleibt oft länger als 1 Jahr vor ihrer Verwendung eingelagert;
                              									man hält sie für um so weniger geneigt zur Entzündung auf den Mühlen, je gröſser die
                              									Zeit der Einlagerung war. Die Aufbereitung der Kohle erfolgt auf Kollermühlen.
                           Zusammensetzung. Das in England allgemein übliche
                              									Mischungsverhältniſs für Schieſs- und Sprengpulver ist: 75 Th. Kalisalpeter, 10 Th.
                              									Schwefel, 15 Th. Holzkohle. Nur nebenbei bemerke ich, daſs mir in Waltham-Abbey
                              									erzählt wurde, es herrsche jetzt in Deutschland das Bestreben, den Schwefelgehalt
                              									bei Kanonenpulver bis auf 3 Proc. herabzusetzen, und daſs auch dort demnächst
                              									solches probeweise erzeugt werden wird, nachdem vorhergegangene Versuche auf die
                              									Erlangung eines minder brisanten, für groſse Geschütze geeigneten Pulvers rechnen
                              									lassen. Ein mir gezeigtes Muster von aus Köln stammendem prismatischem Pulver,
                              									welches im Aussehen etwa der böhmischen Braunkohle glich, mag noch erwähnt sein.
                           Mengung. Die Mengung des Pulversatzes erfolgt auf
                              									Kollermühlen (incorporating mills). Zumeist sind
                              									dieselben in Gruppen von 2 oder 3 beisammen; in Waltham-Abbey sind sogar
                              									Dampfkessel, Dampfmaschine und 3 Mühlen in einem Gebäude. Die einzelnen Mühlen sind
                              									durch Backsteinwände von einander getrennt; die Thüren sind breit und so ausgeführt,
                              									daſs auch nur die obere Hälfte behufs Besichtigung geöffnet werden kann, damit nicht
                              									so leicht Sand vom Luftzuge eingetrieben wird. Der Antrieb der Kollermühlen ist
                              									verschieden, von oben sowohl wie von unten; die Läufer sind auf hölzernen Armen
                              									drehbar aufgehängt. Der Zuführungsklotz hat die Gestalt einer Pyramiden-Längshälfte,
                              									zertheilt also mehr, als er zusammenrecht. Tisch wie Läufer sind aus Guſseisen. Die
                              									Ingangsetzung erfolgt von der Auſsenseite des Gebäudes mit Handrad. Für den Fall
                              									einer Explosion sind in einer jeden Mühle Bewässerungsapparate (tipping cans oder drenching
                                 										apparatus) angebracht, gewöhnlich eine Platte an einem Hebel, welcher mit
                              									einem Wasserbehälter in jeder Mühle verbunden ist und durch den Druck der Pulvergase
                              									gehoben wird. Der Pulversatz (green charge, grüner
                              									Satz) wird in Mengen von 25, gewöhnlich aber 60 Pfund engl. bei mehrmaliger
                              									Befeuchtung etwa 8 Stunden lang auf der Kollermühle behandelt.
                           Pressen. Das Verdichten des Pulversatzes erfolgt in der
                              									bekannten Weise durch hydraulische Pressen. In Waltham-Abbey geschieht dies in einer
                              									beiderseits mit Holz bekleideten Metallkiste, deren Seiten beweglich sind, durch
                              									Aufschichten des Satzes zwischen Brettereinlagen. In Dartford legt man auf die
                              									Presse eine mit Leinwand bedeckte Bronzeplatte und wirft den feuchten Satz mit einer
                              									Bronzeschaufel einfach darauf, wobei man ihn so weit andrückt und die Seiten glatt
                              									streicht, daſs die Schicht zusammenhält; auf die erste Schicht folgt eine zweite
                              									u.s.f. Der Ueberschuſs an den Seiten fällt nach dem Pressen herab und wird später
                              									wieder vom Fuſsboden aufgelesen.
                           Körnen. Das Körnen erfolgt wohl überall mit
                              									Walzen-Körnmaschinen. In Waltham-Abbey gibt es deren zwei Gattungen; die eine ist im
                              									Wesentlichen eine Reihe von mit Stacheln versehenen Walzenpaaren, welchen das
                              									Körngut durch ein mit breiten, aber niedrigen Aufnahmhölzern versehenes Tuch ohne
                              									Ende zugeführt wird. Die Körnmaschine für das Pebble-Pulver, welche die Aufgabe hat,
                              									ziemlich regelmäſsige Würfel zu erzeugen, besteht aus zwei rechtwinklig zu einander
                              									stehenden, mit Messern besetzten Walzenpaaren. Das erste bricht lange Streifen ab,
                              									wirft sie auf ein Tuch, von wo sie durch an zwei endlosen Gurten befestigte Lineale auf ein
                              									unterhalb rechtwinklig rollendes endloses Tuch geworfen werden, das sie dem zweiten
                              									Walzenpaare nunmehr der Länge nach zuführt, wo sie zu Würfeln gebrochen werden. In
                              									Dartford ist die Körnmaschine gleichfalls eine Reihe von Walzenpaaren, von denen das
                              									erste gezahnt ist. Stets ist eine Walze fest, die zweite wird durch ein Gegengewicht
                              									angedrückt. Die Zuführung geschieht durch ein geneigtes Brett, welches mittels
                              									Excenter in rüttelnde Bewegung versetzt wird, wie gewisse alte Kohlenrätter. Das
                              									Quetschgut fällt auf ein Sieb, von wo die zu groſsen Körner zurückgeführt
                              									werden.
                           Sortiren. In Waltham-Abbey sortirt die Körnmaschine
                              									selbst, indem sich unter jedem Walzenpaare ein geneigtes Sieb befindet, von welchem
                              									die zu groſsen Körner den nächsten Walzen zufallen. In Dartford ist eine besondere
                              									Siebvorrichtung vorhanden; sie ist eine im Viereck gebogene Rinne mit stetigem
                              									Gefälle, deren Boden mit Drahtgitter von viererlei Maschenweite belegt und deren
                              									jede Seite mit einem Sacke verbunden ist, in welchen die verschiedenen Korngröſsen
                              									fallen. Die Rinnen sind um eine Welle mit Excenter nach Art der Lefebvre'schen Körnmaschine angeordnet und werden so in
                              									schwingende Bewegung versetzt.
                           Um den sowohl durch das Körnen, wie durch das Sortiren in diesem Dartforder Räume
                              									massenhaft erzeugten Staub aus der Luft zu entfernen, ist ein groſser hölzerner
                              									Kasten aufgestellt, in welchem von oben nach unten Leinwanddecken gespannt sind. Ein
                              									Flügelgebläse saugt durch am Boden des Kastens angebrachte Löcher die mit Staub
                              									erfüllte Luft an, setzt einen Theil des Staubes an den Decken, einen anderen im
                              									Dachraume auf Leinwand ab; diese Vorrichtung ist dennoch ziemlich ungenügend.
                           Trocknen. Zum Trocknen verwendet man allgemein hohe, mit
                              									Thüren verschlossene hölzerne Kästen, in welche auf eine Reihe von Holzleisten die
                              									etwa 1m langen und 60cm breiten, mit dichter Leinwand überzogenen Rahmen gelegt werden. Die
                              									Heizung erfolgt durch Röhren am Boden des Kastens, denen ein Schieber frische Luft
                              									zuführt; diese steigt in dem etwa 10cm betragenden
                              									Zwischenräume zwischen den Leisten und der Wand in die Höhe und wird durch einen am
                              									Kopfe des Kastens befindlichen Schlot abgeführt. In Waltham-Abbey sowie in den
                              									neueren Fabriken wird mit Dampf geheizt, während in Dartford Warmwasserheizung
                              									eingeführt ist. Zu letzterem Zwecke stehen in kurzer Entfernung von den
                              									Trockenhäusern halb unterirdisch kleine, nicht eingemauerte Walzenkessel, von denen
                              									das erwärmte Wasser abgeleitet wird; der Rauchkanal ist etwa 20 bis 30m weit fortgeführt, wo er in einen isolirt
                              									stehenden Schornstein mündet.
                           Ausstauben und Poliren erfolgt gewöhnlich in langen, mit
                              									feinem Roſshaargitter überzogenen, horizontal liegenden Cylindern, nach Art der
                              									Mehlsichtecylinder, je nach der Pulvergattung auch unter Zusatz von Graphit. Wo das Ausstauben und
                              									Poliren nicht in einer Operation, also unter fortwährender Abfuhr des beim Poliren
                              									gebildeten Staubes durchgeführt wird, hat man besondere Polirfässer. Das Ausstauben
                              									einer Beschickung dauert 6 bis 8 Stunden, das Poliren bis zu 24 Stunden.
                           Verpacken. In England ist die Versendung in Packeten von
                              									1 Pfund engl. allgemein üblich; seltener werden diese 5 Pfund schwer gemacht. Die
                              									Packung in Papier ist nicht beliebt; gewöhnlich werden die bekannten ovalen
                              									Blechdosen mit einem kleinen Schieber benutzt. Je 100 Pfund kommen sodann in ein
                              									Faſs, welches bestimmten, vom Ministerium vorgeschriebenen Proben in Bezug auf seine
                              									Festigkeit und Dichtigkeit entsprechen muſs.
                           Comprimirtes Pulver. Waltham-Abbey erzeugt
                              									selbstverständlich die meisten Gattungen comprimirten Pulvers, da die englische
                              									Armee und Flotte die verschiedensten Kanonensysteme besitzt. Dartford macht bloſs
                              									eine Gattung comprimirten Pulvers, während andere Fabriken speciell für
                              									Bergbauzwecke Sprengpulverpatronen herstellen. Der Form nach werden im Allgemeinen
                              									erzeugt: länglich-cylindrische Patronen mit centraler Bohrung, prismatisches Pulver
                              									mit sechseckigem Querschnitte und centraler Bohrung, Pellet-Pulver, kugelförmige
                              									Körner von etwa 13mm Durchmesser mit cylindrischem
                              									Aequator. Die Sprengpulverpatronen sind cylindrisch mit centraler aber conischer
                              									Bohrung, weil die englischen Bergleute gewohnt sind, das Ende der Zündschnur
                              									umzubiegen, dieselbe beim weiteren Theile der Bohrung einzuziehen und so zu
                              									verzwicken, darauf sodann die anderen Patronen aufzureihen und alle auf einmal in
                              									das Bohrloch zu versenken. Alle diese comprimirten Pulversorten werden aus bereits
                              									gekörntem, jedoch nicht polirtem Pulver hergestellt und zwar die für Nordenfeldt's Kanonen bestimmten cylindrischen Patronen
                              									aus gröberem Korne als die anderen.
                           Das Pressen der Patronen erfolgt fast ausschlieſslich auf hydraulischen Maschinen,
                              									ausgenommen das „Savety powder,“ dessen Patronen
                              									auf einer Excenterpresse hergestellt werden. Durch Riemenscheiben und Zahnräder wird
                              									eine Reihe von Excentern in Drehung gebracht, deren eine Hälfte den Preſsstempel
                              									niederdrückt, während die andere ihn aufhebt; die Presse besitzt drei solcher
                              									Stempel. Die Form für die Patrone besteht aus 2 Theilen. Ein Eisenstück mit 3
                              									Halbcylinderformen steht fix, ein zweites ist durch ein Excenter vor und dicht
                              									anzuschieben. Von unten tritt, gleichfalls durch ein Excenter bewegt, ein
                              									Unterlagstück mit drei conischen Dornen in die Form, worauf durch eine Gosse die
                              									Füllung selbstthätig erfolgt; die Stempel sind selbstverständlich ausgebohrt.
                              									Nachdem die Pressung beendet ist, gehen die Dorne herab und ein Abstreifer wirft die
                              									Patronen heraus. Die so gepreſsten Patronen zeigen deutlich die Naht, wo die beiden
                              									Halbcylinder an einander stoſsen; dieselben haben einen Durchmesser von 52mm bei 105mm
                              									Höhe und sind auſserordentlich hart. Ueber die Gröſse des hierbei angewendeten Druckes
                              									konnte mir selbst der Erbauer der Maschine keine Auskunft geben; da jedoch das
                              									Preſsgut aus ungleich groſsen Körnern besteht, die Patronen aber dennoch dichte
                              									Structur haben, die Höhe der Patrone bedeutend ist, wodurch ein quadratisches
                              									Steigen des Druckes bedingt wird, so muſste ich nach von mir ausgeführten Versuchen
                              									auf einer hydraulischen Presse den hier angewendeten Druck auf mindestens 1500k/qc
                              									veranschlagen, – was der Maschinenfabrikant auch ohne Zögern als möglich zugab. Daſs
                              									unter solchen, für eine Excenterpresse abnormen Verhältnissen alle Theile derselben
                              									sehr groſsen Abnutzungen und häufigen Brüchen unterworfen sind, ist nur
                              									natürlich.
                           Die einfachste Art des Pressens von Patronen mit der hydraulischen Presse ist die in
                              									Faversham, Sedgwick u.a. O. gebräuchliche, wo die Presse eine gewöhnliche Oel- oder
                              									Buchbinderpresse ist. Nur die Formen sind an verschiedenen Orten verschieden. Manche
                              									haben bloſs ein Formstück, stecken den Stempel hinein und geben das Ganze unter die
                              									Presse. Andere haben in einer Form platte viele Löcher, auf welche eine mit
                              									entsprechenden Stempeln versehene Platte aufgesetzt wird. Noch andere geben 3
                              									Formbüchsen in einen Holzklotz, an welchen sich unten eine Metallplatte anlegt. In
                              									Höhlungen dieser Platte werden Dorne für die Bohrung der Patronen eingesteckt und
                              									nach Füllung der Büchsen die entsprechend ausgehöhlten Stempel aufgesetzt. Je drei
                              									solcher Patronenformen werden unter Zwischenlegung einer Metallplatte über einander
                              									gestellt und auf einmal gepreſst. Die Büchse ist ein wenig conisch, so daſs durch
                              									einen leichten Schlag mit einem Hammer die Patrone herausfallt.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 249, S. 463
                              
                           Alle so gepreſsten Patronen haben den Druck nur von einer Seite erhalten; um sie also
                              									für praktische Zwecke fest genug zu machen, muſs ein verhältniſsmäſsig groſser Druck
                              									von etwa 550at aufgewendet werden. Auf genau
                              									gleiche Dichtigkeit des Pulvers in allen Theilen der Patrone wird eben kein Gewicht
                              									gelegt.
                           Zum Pressen von prismatischen oder cylindrischen Patronen sind in Waltham-Abbey und
                              									in Dartford groſse hydraulische Pressen mit Druck von beiden Seiten im Gebrauche,
                              									welche sehr umständlich gebaut und ebenso kostspielig sind. Die Presse in
                              									Waltham-Abbey hat auf einem massiven, eisernen Gestelle 2 Preſscylinder, einen
                              									unten, einen oben; beide Kolben sind aus Kupfer und haben 395mm im Durchmesser. Der untere Kolben K1 (Fig. 1) trägt eine Platte p1 aus Guſseisen mit 40 central
                              									durchbohrten (runden oder prismatischen) Hohlstempeln s, in deren Mitte je eine lange Nadel n aus
                              									Phosphorbronze eingesteckt ist, welche unten in dem guſseisernen Cylinderkörper C eingeschraubt sind. Die Presse hat ferner in der Mitte einen
                              									feststehenden guſseisernen Quertisch T, in welchen 40
                              									Büchsen b aus Phosphorbronze mit einem (cylindrischen
                              									oder prismatischen) Hohlräume eingelassen sind. Die schon erwähnten Nadeln n reichen bis an die Oberfläche des Preſstisches T. Der obere Kolben K2 trägt gleichfalls an
                              									einer Guſseisenplatte p2 40 central gebohrte Stempel S aus
                              									Phosphorbronze.
                           Das Pressen geschieht in folgender Weise: Seitwärts von der Presse in einem gegen
                              									diese offenen Vorbaue sind die Hähne zur Zu- und Ableitung des Wassers. Der Arbeiter
                              									öffnet den Hahn zum unteren Kolben K1 und bringt dadurch die unteren Stempel s, in welchen stets die Nadeln n spielen, ein wenig in die Büchsen b. Nun
                              									werden diese gefüllt und zwar entweder mit einer Meſsmaschine (40 Trichter mit in
                              									Gelenk beweglichem Boden, welcher bei einem bestimmten Gewichte aufklappt), oder von
                              									Hand mit einer auf der Wage gewogenen Menge. Sodann wird Wasser über den oberen
                              									Kolben K2 gelassen;
                              									derselbe senkt sich auf das Pulver, wobei die Nadeln n
                              									in die Stempel S eintreten. Zugleich werden auch die
                              									unteren Stempel s gehoben und wird der so erzeugte
                              									beiderseitige Druck 2 Minuten lang aufrecht erhalten. Sodann wird das Wasser oben
                              									ganz, unten etwas abgelassen, wobei der obere Kolben K2 durch ein
                              									Gegengewicht hinaufgezogen, während der untere K1 nun abermals und so lange gehoben wird, bis die
                              									Patronen heraustreten, um von Hand abgenommen werden zu können. Der hierbei
                              									ausgeübte Druck beträgt fast 400at und wird nicht
                              									direkt durch Pumpen erzeugt; vielmehr heben diese einen in einem besonderen Thurme
                              									stehenden Accumulator, welcher das Wasser nun mit stets gleichem Drucke in die
                              									Preſscylinder treibt; die Röhrenleitung hierzu liegt auf der ganzen, etwa 50m betragenden Strecke frei auf dem Boden.
                           Das von den prismatischen Patronen geforderte specifische Gewicht ist 1,884. Man hat
                              									jedoch auch in Waltham-Abbey die schon früher in Ochta und anderwärts gemachte
                              									Erfahrung beobachtet, daſs der verschiedene Feuchtigkeitsgehalt der Luft Einfluſs
                              									auf das specifische Gewicht der Patronen habe, d.h. daſs man dieselben Morgens und
                              									Abends, sowie bei schlechtem Wetter unter gleichem Drucke stärker zusammenpressen
                              									könne als sonst. Man ist deshalb genöthigt, mehr Pulver aufzugeben, oder den Druck
                              									zu vermindern, um die gleiche Patronenhöhe zu erreichen. Das Pressen mit dem
                              									Accumulator hat daher nicht den Erfolg, welchen man sich davon versprach, nämlich in
                              									Folge des stets gleichen Druckes auch stets gleiche Patronen zu erhalten. Eine
                              									andere, in Waltham-Abbey noch unaufgeklärte Erscheinung ist die, daſs zu
                              									cylindrischen Patronen von Pulver gleicher Korngröſse und zur selben Zeit eine um
                              									ein Fünftel höhere Füllung nöthig ist als zu prismatischen Patronen. Diese
                              									Erscheinung erklärt sich nur dadurch, daſs die cylindrischen Patronen von
                              									Waltham-Abbey einen gröſseren Durchmesser bezieh. Umfang haben als die prismatischen. Denn obwohl
                              									kantige Hohlräume bei gleichem Umfange im Allgemeinen schwerer zu füllen sind als
                              									runde – der Füllungsgrad wird geringer, weil die Adhäsion an den Wänden steigt –, so
                              									wird doch aus demselben Grunde eine runde Patrone von kleinerem Querschnitte auch
                              									einen kleineren Füllungsgrad besitzen. Mit anderen Worten: Die Füllhöhe ist dem
                              									Formumfange umgekehrt proportional. – Diese hydraulische Presse in Waltham-Abbey
                              									kommt auf etwa 25000 M. zu stehen. Eine ähnliche, nur noch weniger einfache Presse
                              									arbeitet in der Dartforder Fabrik und wurde von J. und E.
                                 										Hall in Dartford gebaut. Ich konnte meine Meinung nicht verhehlen, daſs
                              									eine Presse, welche beiderseits Druck ausübt und doch nur mit einem Kolben arbeitet,
                              									leicht herzustellen und unverhältniſsmäſsig billiger ist, ohne so umständlich zu
                              									sein.
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 249, S. 465
                              
                           Das Pressen von „Pellet powder“ erfolgt auf der
                              									mehrfach (z.B. in Karmarsch und Heeren's Wörterbuch,
                              									1878 Bd. 3 S. 332) abgebildeten hydraulischen Presse, jedoch werden nicht, wie dort
                              									angeführt, kleine Cylinder mit Vertiefung an einem Ende erzeugt, sondern in einer
                              									cylindrischen Form pressen zwei concav ausgehöhlte Stempel, wodurch kugelförmige
                              									Körper mit cylindrischem Aequator entstehen (vgl. Fig.
                                 										2).
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 249, S. 465
                              
                           
                              
                              Fig. 4., Bd. 249, S. 465
                              
                           Zur Controle der Pressungsdauer wird allgemein eine dem Capitain Watkins von Waltham-Abbey patentirte Sanduhr benutzt.
                              									Das Glasgefäſs derselben hat die bekannte doppelt eiförmige Gestalt- die eine Birne
                              									hat jedoch, wie aus Fig. 3 und 4 zu ersehen, unterhalb an der Seite eine kleine
                              									Oeffnung, mit welcher ein cylindrischer Glasbehälter verbunden ist, der durch einen
                              									Glasstab oben an die zweite Birne angeschmolzen ist. Dieser Glaskörper ist in einem
                              									hölzernen Kasten so gefaſst, daſs nur die eigentliche Sanduhr sichtbar wird; der
                              									Kasten ist an einer Messingsäule drehbar aufgehängt und wird durch eine am Boden des
                              									Gestelles befindliche Sperrfeder in senkrechter Stellung gehalten. Soll nun die
                              									Sanduhr gestellt werden, so füllt man die eine Birne aus dem Behälter durch
                              									entsprechendes Umlegen mit Sand, läſst ihn während der auf einer Taschenuhr
                              									beobachteten gewünschten Zeit in die zweite Birne laufen und schüttet den Rest in
                              									den Behälter zurück. Man hat es so in der Hand, die Sanduhr auf jede beliebige Zeit
                              									einzustellen.
                           Die comprimirten Patronen kommen in Trockenkästen der früher beschriebenen Art;
                              									solche mit Bohrung werden nicht auf Rahmen gegeben, sondern es liegen in
                              									Einschnitten auf den Führungsleisten Drähte, auf welche die Patronen gefaſst werden.
                              									Die Trocknungsdauer beträgt 3 bis 4 Tage, trotzdem die Patronen durchschnittlich nur 3
                              									Proc. Feuchtigkeit besitzen.
                           Laboratorien und Versuchsapparate. Bei dem schon
                              									erwähnten Umstände, daſs in den Pulverfabriken meist nur Empiriker angestellt sind,
                              									findet man auch eine eigentliche chemische Aufsicht daselbst nicht. Den
                              									Anforderungen des Kriegsministeriums oder des Handels zu entsprechen, beschränkt man
                              									sich auf die Bestimmung der Feuchtigkeit, der Dichtigkeit und der ballistischen
                              									Wirkung des Pulvers. Den Exsiccator kennt man beinahe gar nicht. Das gewogene Pulver
                              									wird lediglich 10 bis 12 Stunden lang einer Temperatur von 82° ausgesetzt und daraus
                              									der Feuchtigkeitsgehalt berechnet. Zur Bestimmung der Dichtigkeit ist das Densimeter
                              									von Bianchi üblich, welcher in Desortiaux's Uebersetzung des Upmann und
                                 										Meyer'schen Werkes beschrieben ist.
                           
                              
                              Fig. 5., Bd. 249, S. 466
                              
                           Für comprimirte Pulver hat man in Waltham-Abbey einen besonderen Dichtigkeitsmesser,
                              									welcher im Wesentlichen eine Vereinfachung des Bothe'schen Apparates ist. In einem Messinggestelle sind in 2 Ringträgern je 3
                              									Messingrollen concentrisch und drehbar aufgehängt (vgl. Fig. 5); sie dienen zur Führung eines Metallstabes, welcher an seinem
                              									unteren Ende 4 Klauen trägt, eingetheilt ist und in eine mit Quecksilber gefüllte
                              									Schale taucht. Das zu prüfende Pulver wird in die Klauen gesteckt und auf dem
                              									Quecksilber schwimmen gelassen; je nach seiner gröſseren oder geringeren Dichtigkeit
                              									wird das Pulver und somit auch der Messingstab höher oder tiefer stehen, was an der
                              									Eintheilung mit Hilfe einer Nullmarke abgelesen wird.
                           An Brisanzapparaten hat man nur den Noble'schen „Crusher“ und den Le
                                 										Boulengé'schen Chronographen älterer Construction; zu des letzteren
                              									Bedienung sind gewöhnlich luxuriös ausgestattete Geschütze vorhanden.
                           Safety powder. Die Einrichtung zur Erzeugung dieses
                              									lediglich für Sprengzwecke bestimmten Pulvers fand ich trotz der reichen Erfahrungen
                              									der Dartforder Schwarzpulverfabrik ziemlich primitiv; ich vermeide deshalb deren
                              									nähere Beschreibung. Der Prozeſs ist im Wesentlichen ein Arbeiten mit Lösungen der
                              									Salze.
                           Dynamitfabriken. Bis vor einem Jahre war noch in
                              									den Vereinigten Königreichen das Nobel'sche Patent in
                              									Wirksamkeit, wodurch ausschlieſslich die mit Hrn. Nobel
                              									verbundene Gesellschaft eine Fabrik in Betrieb hatte. Es ist nun natürlich, daſs
                              									auch die englische Unternehmung von allen jenen reichen Erfahrungen in der Erzeugung
                              									von Nitroglycerinpräparaten Nutzen zog, welche die vielen Nobel'schen Fabriken sammelten und es ist deshalb über diesen Zweig der
                              									Sprengmittel-Fabrikation Neues nicht zu berichten, da auch die seit einem Jahre etwa
                              									bestehende Fabrik in Pembrey jetzt nach dem gleichen Systeme arbeitet. Ursprünglich
                              										hatte die Pembreyer
                              									Fabrik das Boutmy-Faucher'sche Verfahren der
                              									Nitroglycerin-Erzeugung angenommen, wobei zuerst eine Emulsion von Glycerin und
                              									Schwefelsäure hergestellt und dann die Salpetersäure hinzugefügt wird. Vor Kurzem
                              									wurde dieses Verfahren jedoch wieder aufgegeben, nachdem es sich als gefährlicher
                              									erwiesen hat. Es nöthigt nämlich dazu, die Nitrirflüssigkeiten viel längere Zeit auf
                              									einander einwirken zu lassen, als dies nach den älteren Prozessen nothwendig ist,
                              									weil das in der Schwefelsäure aufgenommene Glycerin mit der verhältniſsmäſsig
                              									geringen Menge von Salpetersäure nicht so leicht in innige Berührung tritt, dann
                              									aber das Nitroglycerin sich nur schwer wieder von den Säuren trennt und längere Zeit
                              									absitzen muſs. In einem solchen Falle (am 11. November 1882) ist eine bereits
                              									fertige Nitrirbeschickung, glücklicherweise in Abwesenheit der Arbeiter,
                              									wahrscheinlich in Folge stürmischer Wärme-Entwickelung explodirt und dies war die
                              									unmittelbare Veranlassung zum Aufgeben des wohl etwas bessere Ergebnisse liefernden,
                              									aber auch mehr Zeit beanspruchenden Boutmy-Faucher'schen Verfahrens.
                           Mit dem Erlöschen des Nobel'schen Patentes wurde auch
                              									der Einfuhr von Dynamit aus Deutschland der Weg geöffnet und man hat im J. 1882
                              									bereits 457252k (1008050 Pfund engl.)
                              									eingeführt.
                           
                              
                                 (Schluſs folgt.)