| Titel: | Die Maisstärke-Fabrikation als ein neuer landwirthschaftlicher Industriezweig. | 
| Autor: | Ladislaus von Wágner | 
| Fundstelle: | Band 250, Jahrgang 1883, S. 174 | 
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                        Die Maisstärke-Fabrikation als ein neuer
                           								landwirthschaftlicher Industriezweig.
                        L. v. Wágner, über die Maisstärke-Fabrikation.
                        
                     
                        
                           Die Wichtigkeit und Notwendigkeit gewisser Industrien für die Landwirtschaft wird
                              									heut zu Tage wohl kaum irgend Jemand mehr bezweifeln. Nur zu häufig bildet die
                              									Industrie eine Existenzbedingung der Oekonomie. Schlechter Boden und mangelhafte
                              									Düngerkraft nöthigen den Landwirth, Industrien zu errichten, welche ihm direkt
                              									Futter, indirekt Dünger liefern. Solcherweise wird die Möglichkeit geboten,
                              									einerseits das Gleichgewicht im Boden zu erhalten, andererseits aber selbsterzeugte
                              									Feldproducte möglichst hoch zu verwerthen.
                           Die direkte Aufgabe der landwirtschaftlichen Industrie ist somit Futtergewinnung, die indirekte Düngerproduction. Die Spiritusbrennereien liefern Schlempe, die
                              									Zuckerfabriken Preſslinge bezieh. Diffusionsrückstände, die Mühlen Kleie u. dgl. als
                              									Abfall oder Nebenproduct: Futter von verschiedener Zusammensetzung und verschiedenem
                              									Werthe.
                           Welcher Nährstoffe bedarf aber der Landwirth in erster Linie, um sein Vieh mit Erfolg
                              									zu füttern und guten Dünger in reichlicher Menge erzeugen zu können? Unstreitig der
                              									Proteïnstoffe! An Kohlenhydraten in Form von Holzfaser, Stärke, Zucker u. dgl.
                              									mangelt es ja in den verfügbaren Futtermitteln, als Stroh, Spreu, Wurzeln, Knollen
                              									u.a., niemals; um so fühlbarer hingegen erweist sich in den meisten Fällen der
                              									Mangel an Proteïnstoffen. Jene Industrie wird somit den Bedürfnissen der
                              									Landwirtschaft am besten und vollkommensten entsprechen, welche Proteïnkörper in
                              									möglichst groſser Menge und in unverändertem frischem Zustande als Nebenproduct
                              									bezieh. Abfall liefert. Ein solcher Industriezweig ist unstreitig die Maisstärke-Fabrikation.
                           Dieser Industriezweig wurde eigentlich erst jüngster Zeit geschaffen. Nach einem in
                              									Oesterreich-Ungarn und anderen Industriestaaten von Ad.
                                 										Gillitzer in Budapest patentirten Verfahren wird der Mais zu Stärke
                              									verarbeitet und die darin enthaltenen 8 bis 15 Proc. Proteïnstoffe in unverändertem
                              									frischem und süſsem Zustande als Nebenproduct der Landwirthschaft zugeführt. Nicht
                              									in Form von dünner Schlempe, sondern als leicht conservirbare dickflüssige Masse
                              									lagern sich die Proteïnstoffe bei diesem Industriezweige ab, welche dann in
                              									richtigem Verhältnisse gemengt mit Strohhäcksel, zerkleinerten Maiskolben, Knollen
                              									und Wurzeln, sowie mit den ebenfalls als Nebenproduct dieser Industrie gewonnenen
                              									Maishülsen und Keimen für das gesammte landwirtschaftliche Zug- und Nutzvieh ein
                              									vorzügliches und leicht verdauliches Futter liefern.Die von der Maisstärke-Fabrikation gewonnenen Abfälle, die sogen. Maisschlempe, ist mit den schlechten und
                                    											gesundheitswidrigen Eigenschaften der Brennereischlempe selbstverständlich
                                    												nicht behaftet. Die Maisschlempe enthält –
                                    											wie bereits wiederholt betont wurde – zumeist nur Eiweiſs und zwar in
                                    											absolut unverändertem Zustande, ist somit zur
                                    											Milchproduction vorzüglich geeignet. Dieser Umstand verdient um so mehr ganz
                                    											besondere Berücksichtigung, da ja die Branntweinschlempe „dieser in allen
                                       												solid geleiteten Milch wirtschaften verpönte Fabriksabfall“ (häufig
                                    											so bezeichnet von den Milchgenossenschaften) eben zur Fütterung des
                                    											Milchviehes absolut ungeeignet, ja nur zu oft höchst schädlich ist. Da die
                                    											guten Eigenschaften der Milch in Folge der Branntweinschlempe-Fütterung des
                                    											Melkviehes oft auf ein Minimum herabgezogen werden, fühlen sich die meisten
                                    											Milch- und Molkereigenossenschaften neuerer Zeit veranlaſst, zu erklären,
                                    											daſs sie die mittels Branntweinschlempe-Fütterung erzeugte Milch nicht übernehmen.
                           
                           In Amerika wird wohl schon seit Jahren Maisstärke in groſsen Mengen erzeugt und es
                              									bestehen daselbst kolossale Maisstärkefabriken, die auch vorzüglich gedeihen. Das
                              									amerikanische Verfahren der Maisstärke-Fabrikation mittels Aetznatron ist aber nicht
                              									geeignet, um daraus eine landwirtschaftliche Industrie zu schaffen. Die
                              									Proteïnstoffe gehen bei dem amerikanischen Verfahren zum groſsen Theile verloren,
                              									abgesehen davon, daſs sie in Folge der Behandlung des Rohmaterials mit Aetznatron
                              									zur Fütterung mehr oder weniger untauglich werden. Welch groſsen Werth aber die
                              									Proteïnstoffe vorstellen und welch wichtige Rolle sie auch in der Bilanz einer
                              									Maisstärkefabrik zu spielen berufen sind, soll weiter unten ersichtlich gemacht
                              									werden.
                           Das neue Gillitzer'sche Verfahren der
                              									Maisstärkegewinnung hat – wie bereits erwähnt – den groſsen Vortheil, daſs die
                              									Proteïnstoffe in unverändertem Zustande und in ihrer ganzen Menge gewonnen werden.
                              									Ebenso wird aber auch die Stärke aus dem Maise zum gröſsten Theile in fast chemisch
                              									reinem Zustande und zwar nur in einer einzigen QualitätBei der Weizenstärke-Fabrikation gewinnt man bekanntlich neben der
                                    											Prima-Stärke auch Sekunda und Tertia, welch letztere zwei Stärkequalitäten
                                    											mitunter kaum zu verwerthen sind. gewonnen, da die
                              									Gesammtausbeute Prima-Waare ergibt. Als Hauptproduct
                              									liefert somit dieser wichtige Industriezweig: Maisstärke
                                 										Prima-Qualität, als Nebenproduct: Proteïnstoffe (Maisfibrin und Glutin), als Abfall: Maishülsen und Keime.
                              									Die Ausbeute an Stärkemehl beträgt je nach Güte des Maises 52 bis 60 Proc. an
                              									Proteïnstoffen 8 bis 15 Proc. an Hülsen und Keimen 12 bis 18 Proc. Da der
                              									Wassergehalt des lufttrockenen Maises im Mittel 14,5 Proc. beträgt, so wird der
                              									Verlust an Trockensubstanz bei dieser Verarbeitung 1,5 bis 4 Proc. betragen.
                           Das erwähnte Verfahren scheidet aus dem Maiskorne vor allem die an Oel reichen Keime
                              									heraus:, diese Vorarbeit ermöglicht dann die vollständigere Ablagerung der
                              									Stärkekörnchen auf der Rinne und seine entsprechend reichere Ausbeute an Stärkemehl.
                              									Selbstverständlich dienen zu diesen Operationen eigene mechanische Vorrichtungen,
                              									deren Beschreibung hier nicht beabsichtigt ist. Die zweite Operation bezweckt die
                              									Trennung der Proteïnkörper einerseits und der Hülsen bezieh. Keime andererseits vom
                              									Stärkemehle. Hierzu dienen höchst sinnreich eingerichtete rotirende
                              									Siebvorrichtungen. Das solcherweise abgeschiedene Stärkemehl gelangt dann auf die
                              									Rinnen, Pressen, Trockenstuben u. dgl., um zu handelsfähiger Waare verarbeitet zu
                              										werden.Unter Umständen kann die so gewonnene Rohstärke auch sofort zu Spiritus
                                    											verarbeitet, somit der Alkohol-Industrie zugeführt werden.
                           Die landwirtschaftlichen Stärkefabriken verarbeiten heut zu Tage zumeist Kartoffeln.
                              									Ziehen wir eine Parallele zwischen der Kartoffelstärke- und Maisstärke-Fabrikation:
                              									Die guten Kartoffeln enthalten durchschnittlich 25 Proc. Trockensubstanz mit 1,1
                              									Proc. Proteïngehalt. In 100k Trockensubstanz enthält somit die
                              									Kartoffel 4k,4 Proteïnstoffe. Der Mais enthält
                              									durchschnittlich 77,6 Proc. Trockensubstanz mit 10,6 Proc. Proteïn geh alt, so daſs
                              									in 100k Maistrockensubstanz 13k,6 Proteïn, sonach mehr als 3mal so viel, als in
                              									der Kartoffel enthalten ist. Die Kartoffelfaser (Schlempe der
                              									Kartoffelstärke-Fabrikation) enthält 11 Proc. Trockensubstanz mit durchschnittlich
                              									0,5 Proc. Proteïn geh alt. Die Trockensubstanz der Kartoffelfaser enthält somit 4,5
                              									Proc. Proteïn.
                           Das bei der Maisstärke-Fabrikation gewonnene Nebenproduct, die sogen. Maisschlempe,
                              									enthält 25 bis 33 Proc. Trockensubstanz, welche fast ausschlieſslich aus
                              									verdaulichen Proteïnstoffen besteht, während die getrennt als Abfall gewonnenen
                              									Keime und Hülsen den gröſsten Theil des im Maise enthaltenen FettesDer Rohmais enthält bekanntlich bis zu 9 Proc. im Mittel 6,5 Proc.
                                    										Fett. in sich einschlieſsen, da ja die an Fett reichen Keime des
                              									Maises fast unverändert ausgeschieden werden. Man erhält somit einerseits eine dicke
                              									concentrirte Proteïnmasse, andererseits eine an Fett reiche Cellulose als zur
                              									landwirtschaftlichen Nutzung höchst geeignete Abfälle der Maisstärke-Fabrikation,
                              									welche den Transport selbst auf gröſsere Entfernungen gestatten, da ja der Futter-
                              									sowie Geldwerth im Vergleiche zum Gewichte und Volumen sehr hoch steht.
                           Eine zweite Berechnung soll die Ausbeute an Stärke, die Erschöpfung des Bodens in
                              									Folge der landwirthschaftlichen Production und die gewonnene Proteïnmenge als
                              									industrielles Nebenproduct (Futter) in beiden Fällen veranschaulichen.
                           1) Kartoffelbau: Nehmen wir an, daſs die Ernte an
                              									Kartoffeln auf 1ha 110, 140 bezieh. 170 Centner
                              									(zu 100k)1hl Kartoffeln mit 75k gerechnet und den Stärkegehalt zu 17
                                    											Proc. angenommen. betrage, so wird sich die Erschöpfung des
                              									Bodens an den wichtigsten Pflanzennährstoffen für 1ha folgendermaſsen gestalten:
                           
                              
                                 ErnteertragKartoffelknollen
                                 Erschöpfung von 1ha Boden an
                                 
                              
                                 Kali
                                 Phosphorsäure
                                 Stickstoff
                                 
                              
                                         110 Ctr
                                    74k
                                  24k
                                  49k
                                 
                              
                                         140
                                   92
                                 30
                                 61
                                 
                              
                                         170
                                 111
                                 36
                                 73
                                 
                              
                           Die Kartoffeln enthalten im Mittel 1,1 Proc. Proteïn, somit
                              									wird man – angenommen, daſs die Gesammtmenge der Proteïnstoffe in die Schlempe
                              									gelangt – für je 1ha mit Kartoffeln bestellten
                              									Boden 121, 154 bezieh. 187k Proteïn gewinnen.
                           2) Maisbau: Vorausgesetzt, daſs die Ernte an Mais für
                              										1ha 24, 28 bezieh. 34 Centner1hl Mais zu 75k gerechnet. beträgt, so wird die Erschöpfung des
                              									Bodens an Pflanzennährstoffen für 1ha
                              										betragen:Vgl. Emil Wolff: Aschenanalysen, Berlin 1880 Bd.
                                    											2 S. 18.
                           
                           
                              
                                 ErnteertragMaiskörner
                                 Erschöpfung von 1ha Boden an
                                 
                              
                                 Kali
                                 Phosphorsäure
                                 Stickstoff
                                 
                              
                                     24 Ctr
                                  58k
                                  25k
                                  53k
                                 
                              
                                     28
                                 68
                                 29
                                 62
                                 
                              
                                     34
                                 82
                                 35
                                 73
                                 
                              
                           Der Mais enthält im Mittel 10,6 Proc. Proteïn; somit gewinnt
                              									man auf je 1ha mit Mais bestellten Boden 254, 297
                              									bezieh. 360k Proteïn, somit 2 mal so viel als auf
                              									Grund des Kartoffelbaues.
                           Die Ausbeute an Stärkemehl wird für 1ha mit Kartoffeln bestellten Boden – die Stärkeausbeute
                              									durchschnittlich mit 12 Proc.Die Ausbeute an Stärke aus den Kartoffeln beträgt zu Beginn der Betriebszeit
                                    											– bei rationellem Verfahren – allerdings etwas mehr, als oben angegeben
                                    											wurde, fällt aber später so bedeutend, daſs man mit einer durchschnittlichen
                                    											Stärkeausbeute von 12 Proc. unter unseren Verhältnissen im Allgemeinen wohl
                                    											zufrieden sein dürfte. So ist es ja bekannt, daſs beispielsweise die
                                    											Kartoffel, die in den Monaten November, December und Januar 17 Proc. Stärke
                                    											enthält, im Monate Februar nur mehr 16 Proc. im März 15 Proc. April 13,75
                                    											Proc. und im Monate Mai nur mehr 10 Proc. Stärkemehl enthalten wird. Die
                                    											Ausbeute an Stärkemehl wird demnach auch von der Dauer der Betriebszeit
                                    											abhängen. gerechnet – 1320, 1680 bezieh. 2040k betragen; bei der Maisstärke-Fabrikation wird sich dieselbe (bei 55 Proc. Ausbeute) auf
                              									1320, 1540 bezieh. 1870k belaufen. Hierbei muſs
                              									aber berücksichtigt werden, daſs der Preis der Maisstärke um etwa 40 Proc. höher
                              									steht als jener der Kartoffelstärke.Hierbei ist zu berücksichtigen, daſs man Kartoffelstärke verschiedener Güte
                                    											gewinnt und daſs die minderen Sorten der Stärke einen sehr niedrigen Preis
                                    											haben, oft kaum zu verwerthen sind. Angenommen, daſs die
                              									Maisstärke für je 100k um den Preis von
                              									durchschnittlich 36 M. abgesetzt wird, so kann die Kartoffelstärke – unter gleichen
                              									Verhältnissen – höchstens um 22 M. für 100k Absatz
                              									finden. Der Geldertrag für 1ha mit Kartoffeln
                              									bezieh. mit Mais bestellten Bodens wird somit 290, 370 bezieh. 449 M. für die auf
                              									Grund des Kartoffelbaues und 475, 554 bezieh. 673 M. für die auf Grund des Maisbaues
                              									gewonnene Stärke betragen. Welch bedeutender Unterschied im Geldertrage zu Gunsten
                              									des Maisbaues und der Maisstärke-Fabrikation! Man kann somit sagen, daſs bei fast
                              									gleicher Erschöpfung des BodensBei Kartoffelbau ist die Erschöpfung des Bodens an Kali bedeutend gröſser als
                                    											in Folge des Maisbaues; hingegen ist die Erschöpfung des Bodens an
                                    											Phosphorsäure und Stickstoff in beiden Fällen nahezu gleich. 1ha Maisfeld auf Grund der Stärkegewinnung einen um
                              									50 bis 60 Procent höheren Geldertrag liefert als 1ha Kartoffelfeld.
                           Weiter ist der Werth der als Nebenproduct gewonnenen Futtermittel zu berücksichtigen.
                              									Praktischen Erfahrungen gemäſs stellen die Abfälle dieser Industrie nach je 100k verarbeiteten Mais einen Geldwerth von 3,60 M.,
                              									so daſs die Abfälle selbst bei einem kleineren Betriebe (bei täglicher Verarbeitung
                              									von etwa 2000k Mais) die Fabrikations- und
                              									Regiekosten der Stärkegewinnung vollkommen decken, während der Unterschied zwischen dem
                              									Ankaufspreise des Maises und dem Verkaufspreise der daraus gewonnenen Stärke in der
                              									Bilanz als Reinertrag erscheint. Die auf Grund dieses vorliegenden Verfahrens
                              									errichteten und jüngst in Betrieb gesetzten Maisstärke-FabrikenErste Maizena- und Maisstärkefabrik in Budapest (IX. Martingasse 19), Lauffer in Czernowitz (Galizien), Dammann und Comp. in Halle a. S.u.a.
                              									arbeiten durchgehends mit Erfolg. Die Abfälle der Ersten Maizena- und
                              									Maisstärke-Fabrik in Budapest werden von den Milchmeiern der Hauptstadt, sowie den
                              									Schweinemästereien in Steinbruch reiſsend abgenommen und mit 2,16 M. für 1hl bezahlt. Die Fabrikationsspesen sammt
                              										GesammtregieArbeiter, Fuhrlöhne, Heizmaterial, Beleuchtung, Bureauspesen, Delcredere,
                                    											Zinsen und Amortisirung der Kapitalien, Verschiedenes. betragen
                              									für 100k verarbeiteten Mais 3 M., während die
                              									Einnahmen vom Futterverkaufe ebenfalls für 100k
                              									verarbeiteten Mais 3,60 M. betragen, so daſs in diesem Falle (der auſserordentlich
                              									günstigen Futterverwerthung zu Folge) noch 60 Pf. Mehrbetrag für 100k verarbeiteten Mais verfügbar werden, abgesehen
                              									von dem durch den Stärkeverkauf erzielten groſsen Geldertrage.Eine Maisstärkefabrik nach diesem Verfahren arbeitend, mit etwa 27000 M.
                                    											Einrichtungskosten, wirft reichlich 20 bis 40 Proc. Reinertrag und unter
                                    											einigermaſsen günstigen Verhältnissen selbst darüber ab.
                           Der rationelle Landwirth muſs heut zu Tage Futter und Dünger in möglichst guter und
                              									reichlicher Menge erzeugen. Hand in Hand mit der Futterproduction schreitet die
                              									Fleischerzeugung, der rentabelste Zweig der Landwirthschaft, vorwärts. Die von Jahr
                              									zu Jahr steigenden Fleischpreise, sowie die fortwährende Zunahme des Fleischbedarfes
                              									bieten hierfür die sicherste Bürgschaft. Jener Landwirth, welcher schwungvoll
                              									Mästung treibt, wird die Ertragsfähigkeit seines Bodens auf das Höchste steigern.
                              									Der Durchschnittsertrag der Weizenernte in England beträgt auf 1ha 26hlVgl. Max Eyth: Die königliche landwirtschaftliche
                                       												Gesellschaft von England und ihr Werk. Heidelberg 1883.
                              									und in Frankreich sollen Erträge von 30hl Weizen
                              									auf 1ha nicht zu den Seltenheiten gehören.Vgl. E. Lecouteux: Le blé à 30 hectolitres par
                                       												hectare im Journal d'agriculture
                                       												pratique, 1883 Nr. 31. Die groſse Productionskraft
                              									verdankt der englische Boden nebst seiner vorzüglichen Kultur unstreitig der
                              									stärkeren Bereicherung desselben mittels animalischen und künstlichen Düngers. Die
                              									ausgedehnte Viehzucht und die in jeder englischen Wirthschaft eingebürgerte
                              									Fleischerzeugung ermöglichen, die Düngerkraft aufs Höchste zu steigern, dadurch aber
                              									auch die Productionsfähigkeit des Bodens zu kulminiren.
                           Bei weitem nicht so günstig sind diesbezüglich die bei uns herrschenden
                              									landwirtschaftlichen Zustände, wo der Viehstand nur zu häufig auf den Minimalstand
                              									beschränkt, die Düngererzeugung bei weitem nicht hinreicht, um die Erschöpfung des
                              									Bodens in Folge des Getreidebaues zu verhindern. Die Bodenkraft muſs unter solchen
                              									Verhältnissen von Jahr
                              									zu Jahr merklich abnehmen und wird der Kulturboden dadurch zur intensiven Leistung
                              									völlig unfähig. Der englische Landwirth verdoppelt ideell seine Bodenfläche, indem er auf 1ha Boden 2mal so viel Getreide gewinnt als wir. Diese so bedeutend
                              									gesteigerte Production ist daselbst aber nicht nur hinsichtlich des Getreidebaues,
                              									sondern in noch höherem Maſse beim Futterbaue wahrnehmbar. Welch hoher Ertrag: 26hl Weizen auf 1ha! Ein Bruttoertrag von 26 × 20 = 520 M. für 1haAngenommen, daſs das Gewicht des Weizens für 1hl 80k sei und der Preis für
                                    												100k 20 M., dazu der Werth
                              									des Strohes und der Spreu. Dabei sind die Productionskosten kaum erhöht. Pacht
                              									(Zinsen des Bodenkapitals), Bearbeitung des Bodens, Anbausamen u. dgl. erscheinen
                              									bei dem doppelten Ernteertrage in gleichem Werthe als bei dem einfachen; nur die
                              									Ernte- und Druschkosten erleiden dabei eine geringe Steigerung.
                           Der Landwirth muſs somit jede sich ihm bietende Gelegenheit mit Freude ergreifen, um
                              									normale Zustände zu schaffen. Die Maisstärke-Fabrikation als landwirtschaftliche
                              									Industrie ist berufen, so manche Uebelstände und Mängel unserer Landwirtschaft zu
                              									beseitigen. Abgesehen von der Rentabilität dieses Industriezweiges gewinnt der
                              									Landwirth eine groſse Menge höchst werthvollen kräftigen Futters, womit er sein Zug-
                              									und Nutzvieh rationell und ausgiebiger füttert, dadurch aber auch viel und
                              									werthvollen Dünger erzeugt. Solcherweise kann die Bodenkraft gesteigert und der
                              									Boden zur intensiven Kultur geeignet gemacht werden.
                           Die hohe Wichtigkeit und Rentabilität der Fleischproduction (ebenso auch der
                              									Milchgewinnung), in Verbindung mit der Maisstärke-Fabrikation, kann aus folgenden
                              									Berechnungen ersehen werden. Bei kräftiger Fütterung des Mastviehes – und hierzu
                              									sind wohl in erster Linie die von der Maisstärke-Fabrikation gewonnenen Abfälle
                              									geeignet – kann die tägliche Zunahme des Lebendgewichtes für 1 Stück Mastochs
                              									mittleren Schlages zu 0k,8 angenommen werden. Bei
                              									unausgesetztem BetriebeEin groſser Vortheil der Maisstärke- gegenüber der
                                    											Kartoffelstärke-Fabrikation bezieh. der Kartoffelbrennerei besteht eben
                                    											darin, daſs der Mais leicht conservirbar ist und somit Rohmaterial zu einem
                                    											das ganze Jahr – Sommer und Winter – betreibbaren Industriezweige
                                    											liefert. kann somit angenommen werden, daſs je 3 Stück Mastochsen
                              									(eine 122tägige Mastperiode zur Grundlage genommen) 292k Lebendgewicht (Fleisch bezieh. Fett u.s.w.) darstellen.
                           Eine kleine Maisstärkefabrik, welche nur 2000k Mais
                              									verarbeitet, wird (Sonn- und Feiertage abgerechnet) während eines 300tägigen
                              									Betriebes 600t Mais verbrauchen, d.h. die
                              									Maisernte von etwa 150 bis 250ha. Das in Form an
                              									Proteïn reicher Schlempe gewonnene Futter wird, mit entsprechenden Zusätzen (wozu
                              									auch die zerkleinerten Maiskolben, ferner Strohhäcksel, Spreu u. dgl. geeignet sind)
                              									vermengt, genügen, um 370 Ochsen bezieh. 2000 Schweine zu mästen, oder eine
                              									entsprechende Anzahl von
                              									Milchkühen reichlich zu füttern.Angenommen, daſs der Proteïngehalt des Maises im Mittel 10 Proc. betrage, so
                                    											sind in 600000k Mais 60000k Proteïnstoffe enthalten. Da der Mastochs
                                    											auf 1000k Lebendgewicht täglich und im
                                    											Durchschnitte der gesammten Mästungsperiode 2k,7 Proteïn bedarf, so wird die obige Proteïnmenge genügen, um die
                                    											bei einer 122tägigen Mastungsperiode für 370 Stück Mastochsen benöthigte
                                    											Proteïnmenge zu liefern; dabei ist der Mastochs mit 500k mittlerem Lebendgewichte
                                    										gerechnet. Dabei wird die Fleischerzeugung bezieh.
                              									Lebendgewichtszunahme jährlich in runder Zahl 370 × 120 × 0,8 = 35520k betragen. Der durch die Mästung erzielte
                              									Geldertrag wird nun bestehen: aus dem Preisunterschiede zwischen fettem und magerem
                              									Fleische für 370 × 500 = 185000k, ferner aus dem
                              									Werthe der Zunahme an Lebendgewicht im Betrage von 35000k. Angenommen, daſs die Preisdifferenz zwischen fettem und magerem
                              									Fleische nur 7,25 M. für 100k betrage, der Werth
                              									des fetten Fleisches (bezieh. Lebendgewicht im gemästeten Zustande) 82 M. für 100k sei, so erhalten wir im ersteren Falle 185000 ×
                              									0,0725 = 13412, im zweiten Falle 35000 × 0,82 = 30352, zusammen also 43764 M. Hierzu
                              									wäre dann noch der Werth des erzeugten Düngers zu rechnen. Die 370 Stück Mastochsen
                              									werden bei einer 122tägigen Mastperiode das Stück in runder Zahl 5000k, zusammen somit 1850t Dünger liefern.Die Geldwerthberechnung des erzeugten Düngers wurde hier absichtlich
                                    											unterlassen. Der englische Landwirth schätzt den animalischen Dünger auf 65
                                    											bis 75 Pf. Voelcker und Grandeau berechnen seinen Werth auf Grund der chemischen
                                    											Zusammensetzung (nur den Kali-, Phosphorsäure- und Stickstoffgehalt
                                    											berücksichtigend) zu 1,25 M. für 100k. Im
                                    											Allgemeinen wird indessen der Werth des Stallmistes in der Praxis
                                    											unterschätzt. Diese Düngermenge wird genügen, um 69ha Boden kräftig zu düngen.
                           Die Ausbeute an Maisstärke Prima-Qualität wird im vorliegenden Falle (im Mittel 56
                              									Proc. gerechnet) 336t betragen und, nur mit 35
                              										M.Die Maisstärke ist gegenwärtig weder auf den österreichischen und
                                    											ungarischen, noch auf den deutschen Börsen notirt. Auf der Pariser Börse
                                    											figurirt die Maisstärke heute mit 37,50 bis 39 M. für 100k – eine Stärke, welche, mittels
                                    											Aetznatron erzeugt, zu Zwecken der Appretur weniger geeignet ist.
                              									für 100k gerechnet, eine Geldeinnahme von 117600
                              									M. ergeben.
                           Als Reinertrag dieser Industrie berechnet sich somit im vorliegenden Falle nebst dem
                              									erzeugten Dünger:
                           
                              
                                 Die vom Verkaufe der Stärke erzielte Einnahme
                                 117600 M.
                                 
                              
                                 Weniger dem Ankaufspreise des verarbeiteten
                                    												Maises    600000k zu 14,25 M. für
                                    												100k
                                   85500
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 Somit Reinertrag
                                   32100 M.
                                 
                              
                           Ein so günstiges Ergebniſs wird man wohl bei kaum irgend einem anderen
                              									landwirtschaftlichen Industriezweige erzielen können. Noch günstiger gestaltet sich
                              									der Reinertrag, wenn die Maisstärkefabrik in gröſserem Umfange angelegt wird. Bei
                              									einigermaſsen günstigen Verhältnissen werden sich somit die Anlagekosten in 1 bis 2
                              									Jahren vollkommen decken.
                           Gefehlt wäre zu glauben, daſs wir den Landwirth durch Einführung dieses
                              									Industriezweiges zum übertriebenen Maisbaue aneifern wollten: die
                              									Maisstärke-Fabrikation wird auch in solchen Wirtschaften vortheilhaft sein, welche wenig oder gar
                              									keinen Maisbau treiben, desgleichen aber auch als selbstständiger Industriezweig in Städten auſserordentlich gut rentiren,
                              									wo bekanntlich das Futter zu jeder Zeit leicht und gut abgesetzt werden kann –
                              									abgesehen davon, daſs ja schlieſslich auch der Industrielle selbst Mast- und
                              									Melkvieh einstellen kann. Erst neuerer Zeit wurde auf einem norddeutschen Gute eine
                              									Maisstärkefabrik nach dem vorliegenden Verfahren eingerichtet, trotzdem in jener
                              									Gegend der Mais mit Erfolg überhaupt gar nicht gebaut werden kann. Diese Fabrik
                              									verarbeitet amerikanischen Pferdezahnmais, welcher heute in der Fabrik auf 14,25 M.
                              									für 100k zu stehen kommt. Wirthschafter, welche
                              									durch Eigenbau den Bedarf des Rohmaterials wenig oder gar nicht decken, können eben
                              									die fehlenden Posten durch Ankauf von kleineren Erzeugern der Umgebung oft sehr
                              									vortheilhaft ergänzen.
                           Schlieſslich wollen wir hier noch einiges über unsere Absatzverhältnisse für Stärke bemerken. Abgesehen davon, daſs der
                              									Stärkeverbrauch Europas von Jahr zu Jahr bedeutend zunimmt, müssen wir zur richtigen
                              									Beurtheilung dieser Frage unser Augenmerk namentlich auf zwei wichtige Momente
                              									richten und zwar auf die kolossale Maisstärke-Einfuhr von Amerika und England nach
                              									dem europäischen Festlande und auf die gewaltige Stärkeproduction aus Weizen. Den
                              									ersten Punkt anbelangend, bedarf es wohl keiner besonderen Begründung, daſs in Folge
                              									der gesteigerten inländischen Erzeugung die Stärkeeinfuhr verdrängt werden wird.
                              									Hinsichtlich des zweiten Punktes wird es wohl genügen zu bemerken, daſs unsere
                              									vorzüglichste Brodfrucht, der Weizen, schon seines hohen Marktpreises wegen viel
                              									weniger geeignet ist, zu Stärke verarbeitet zu werden, als der Mais, abgesehen
                              									davon, daſs man aus dem Weizen stets auch mindere Stärkequalitäten gewinnt, deren
                              									schwierige Verwerthung die Rentabilität der Weizenstärke-Industrie nur zu oft ganz
                              									problematisch gestaltet. Das naturgemäſseste Rohmaterial zur Stärkegewinnung ist
                              									unstreitig der Mais und zweifeln wir nicht im geringsten, daſs die Maisstärke die
                              									Weizenstärke vom europäischen Markte gänzlich verdrängen wird. Die vorzüglichen
                              									Eigenschaften der Weizenstärke besitzt die MaisstärkeDer Maisstärkekleister hat ein gröſseres Steifungsvermögen als der Kleister
                                    											der Weizen- und Kartoffelstärke. Auch in Bezug auf Gleichmäſsigkeit der
                                    											Steifung steht die Maisstärke obenan. (Vgl. Lad. v.
                                       												Wágner: Stärkefabrikation, zugleich 7. Auflage von Otto-Birnbaum's Lehrbuch der landwirtschaftlichen Gewerbe. Braunschweig 1876. Vieweg und Sohn.)Die Maisstärke kann in den meisten Fällen die Weizenstärke vollkommen
                                    											ersetzen; als Klebemittel verdient sie sogar den Vorzug. (Vgl. Franz Schwackhöfer: Lehrbuch der
                                       												landwirtschaftlichen chemischen Technologie. Wien 1883. G. P. Faesy.) in gesteigertem Maſse;
                              									auch wird dieselbe nach dem erwähnten Verfahren fast chemisch rein gewonnenDie Weizenstärke enthält immer – wenn auch nur geringere Mengen – Kleber.
                                    											Mindere Qualitäten zeigen einen deutlichen Stich ins Graue von anhaftendem
                                    											Kleber., liefert bei ihrer Fabrikation viel und vorzügliches Futter und
                              									verbürgt schlieſslich dieser Industriezweig einen so hohen Reinertrag, daſs zu
                              									Zeiten, in denen die Weizenstärkefabriken mit Verlust arbeiten, die
                              									Maisstärkefabriken noch immer einen erklecklichen Reinertrag abwerfen werden.
                           Damit erscheint der Gegenstand ausführlich genug erörtert und wir empfehlen diesen
                              									Industriezweig der besonderen Aufmerksamkeit der Interessenten und erklären uns zu
                              									weiteren Auskünften gern bereit.
                           Ladislaus von
                                    									Wágner,                   Professor an der technischen
                                 										Hochschule zu Budapest.