| Titel: | Ueber die Zusammensetzung der sogen. Türkischroth-Oele. | 
| Autor: | H. Schmid | 
| Fundstelle: | Band 250, Jahrgang 1883, S. 543 | 
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                        Ueber die Zusammensetzung der sogen.
                           								Türkischroth-Oele.
                        Ueber die Zusammensetzung der sogen. Türkischrothöle.
                        
                     
                        
                           Anläſslich der Frage über die Zusammensetzung der sogen. Türkischrothöle sei es
                              									gestattet, vorerst auf die Geschichte der Türkischrothöle zurückzukommen behufs
                              									Berichtigung und Erweiterung der von Lauber (vgl. 1883
                              										247 469) hierüber gemachten Angaben. Wir beziehen uns
                              									hierbei auf die von Prud'homme im Bulletin de la Société chimique de Paris, 1881 Bd. 35
                                 									S. 217 niedergelegten Mittheilungen.
                           Schützenberger schon bespricht in seinem Handbuche
                              									(1864) die Anwendung der Sulfoleate zur Befestigung der Anilinfarbstoffe. In England
                              									klotzte man schon seit Jahren die gefärbten Roth in Seifenbädern und dämpfte die so
                              									behandelten Stücke, um dem Roth gröſsere Lebhaftigkeit zu verleihen. Im J. 1867
                              									stellte das Haus Braun und Cordier in Rouen
                              									Türkischroth aus, welches in 5 Tagen erzeugt worden war. Die Stücke wurden in
                              									Natriumaluminat von 10° B. gebeizt, im Salmiakbade degummirt, gewaschen, in
                              									Garancine gefärbt, in einer Oelpräparation geklotzt, getrocknet und 1 Stunde
                              									gedämpft. Dann wurden sie wie gewöhnlich geschönt und rosirt. Die Oelpräparation
                              									erhielt man durch Einwirkung von Salpetersäure auf Olivenöl. Hirn ist ihr ErfinderVgl. Persoz: Traité théorique et pratique de
                                       												l'impression des tissus, Bd. 3 S. 451. und Braun, Chemiker des Hauses Braun und Cordier, bediente sich ihrer seit 1846. Das Haus Gros, Romann und Marozeau in Wesserling i. E. erzeugte
                              									seit 1869 seine schönen Handdruckmöbelstoffe durch Aufdruck auf vorher in Sulfoleat
                              									präparirtes Gewebe. Durch bloſses Dämpfen und Waschen erhielt man so dem auf dem
                              									Wege des Färbens und nachherigen Säuerns und Seifens hervorgebrachten Roth und Rosa
                              									in Schönheit überlegene Töne. Einige Anilinfarbenfabriken brachten zum Drucke
                              									fertige Gemische in den Handel, in welchen bekanntermaſsen neben dem Farbstoffe
                              									Sulfoleïnsäure enthalten war.
                           Obgleich also bis dahin die Thatsache, daſs die Farbstoffe unter Mitwirkung der
                              									sogen. Sulfoleïnsäure glänzendere und beständigere Lacke Erzeugt, bekannt war, so
                              									war es doch erst Horace Koechlin, welcher aus den
                              									vorhandenen spärlichen Angaben eine förmliche, praktisch erfolgreiche Methode schuf,
                              									ein Verfahren, welches einer eigentlichen Entdeckung gleichkommt. Es besteht in
                              									folgenden Phasen: 1) Drucken oder Klotzen eines Thonerdemordant, den man auf
                              									gewöhnliche Weise fixirt und reinigt; 2) Färben in Alizarin mit Zusatz von
                              									essigsaurem Kalke; 3) Klotzen in Sulfoleïnsäure und Trocknen; 4) Dämpfen und 5)
                              									Seifen.
                           H. Koechlin ist somit der eigentliche Begründer der
                              									praktischen Anwendung der Sulfoleate.
                           Was die Müller-Jacobs'sche Darstellungsweise der
                              									Sulfoleate anbelangt (vgl. 1878 229 544), so hat Lauber Recht, wenn er den Zusatz von pyrotherebinsaurem
                              									Natron zum gewöhnlichen durch Schwefel- säure entstandenen Oelderivat als überflüssig bezeichnet.
                              									Gesteht doch Müller-Jacobs selber, daſs er die
                              									Anwendung jener aus dem Colophonium sich ableitenden Säure, der Pyrotherebinsäure,
                              									kurze Zeit nach Erlangung des Patentes, in der Praxis bei Seite gelassen habe.Vgl. Journal de Teinture de Reimann, 1880 S.
                                    											180. Fast will uns bedünken, es sei jener Zusatz – eine Art
                              									Maskirung des Patentes – ersonnen, um letzterem den Anstrich der Neuheit zu geben;
                              									denn die schon lange vor ihm bekannte und angewendete „Sulfoleïn-säure“ sich
                              									patentiren zu lassen, dazu hatte wohl Müller-Jacobs
                              									kaum ein Anrecht.Und doch hat jüngst derselbe Erfinder, gestützt auf ein am 27. April 1881 in
                                    											Amerika genommenes Patent, betreffs Darstellung der Sulfoleate durch
                                    											Einwirkung der Schwefelsäure auf Fette im Allgemeinen und nachherige
                                    											Neutralisirung mittels Alkali, einem Concurrenzhause: Brustlein, Surg und Comp. in New-York, welches
                                    											dieselben Producte dort seit Jahren darstellte, die Verfolgung dieser
                                    											Industrie gesetzlich versagt! Das Comité de Chimie
                                       												de Mulhouse drückte in einer seiner letzten Sitzungen sein
                                    											Erstaunen darüber aus, daſs eine Drogue, deren Darstellung und Anwendung auf
                                    											den Türkischrothprozeſs schon im J. 1834 von Runge angegeben worden war und welche im Elsaſs und in England
                                    											seit 1876 allgemein zur Verwendung kam, im J. 1881 Gegenstand eines gültigen
                                    											Patentes werden kann. Jedenfalls fordert diese Thatsache zum Nachdenken auf
                                    											über Werth der heutigen Patenteinrichtung.
                           Die Türkischrothöle sind seit Frémy nicht mehr
                              									Gegenstand der genauen Forschung gewesen. Runge,
                              									welcher zuerst auf ihre praktische Bedeutung hinwies, machte keine Angaben über ihre
                              									Zusammensetzung. Frémy nahm bei der Einwirkung von
                              									Schwefelsäure auf Olivenöl die Bildung von Oleïnschwefelsäure und
                              									Margarinschwefelsäure an, beide löslich in reinem Wasser, aber fällbar durch Säuren
                              									und aussalzbar durch Salzlösungen. Aus den wässerigen Lösungen scheiden sich bald
                              									Metaoleïnsäure und Metamargarinsäure ab und das Filtrat gibt beim Kochen unlösliche
                              									Hydrooleïnsäure bezieh. Hydromargarinsäure.
                           Seither sind die Ansichten über die Constitution der Türkischrothöle in der
                              									Coloristenwelt sehr getheilt gewesen. Man behauptete, daſs Schwefel, chemisch
                              									gebunden, in den Einwirkungsproducten der Schwefelsäure gar nicht vorhanden und daſs
                              									der Eingriff der letzteren ein wesentlich verseifender und, wie man aus der
                              									Entwickelung von Schwefligsäure schloſs, vielleicht auch oxydirender sei. Letztere
                              									Möglichkeit betonte z.B. Prud'homme. Schon vom
                              									Tournantöle wurde angenommen, daſs es beim alten Türkischrothprozesse nicht nur eine
                              									vollständige Verseifung auf der Faser erleide, sondern auch, daſs die hierbei
                              									abgespaltete Oelsäure in Oxyölsäure umgewandelt werde. (Belichtung oder Erhöhung der
                              									Temperatur sind dabei unerläſslich; diese Reaction überrascht um so weniger, als
                              									bekanntlich das Oel unter dem Einflüsse des Sonnenlichtes ein gewaltiges
                              									Absorptionsvermögen für Sauerstoff entwickelt, wobei 1 Th. Oel 300 bis 400
                              									Raumtheile Sauerstoff binden kann.)Nähere Angaben von Camille Koechlin im Bulletin de Mulhouse, 1883 Februarsitzung des
                                    												Comité de Chimie.
                           
                           Andere geben die Bildung einer gewissen kleinen Menge Sulfosäure zu, welche der
                              									unveränderten Oelsäure als Lösungsmittel dienen soll; noch Andere glauben an die
                              									vollständige Umwandlung der aus den Glyceriden abgespalteten fetten Säuren in
                              									Sulfosäuren. Eine Zwischenansicht, welche jüngst zum Ausdrucke kam, nimmt im
                              									Türkischrothöl selbst noch unverändertes Oel an, aber gelöst in Sulfoleïnsäure,
                              									welche für Fette und Oele überhaupt ein bedeutendes Lösungsvermögen besitzen soll.
                              									Alle diese Vermuthungen sind rein empirischer Natur und entbehren jeglicher
                              									analytischen Unterlage.
                           Schwerverständlich ist, daſs bis jetzt die Theoretiker, ausgerüstet mit den
                              									Hilfsmitteln der Wissenschaft, welche dem in der Praxis stehenden Chemiker mangeln
                              									und zu deren Handhabung er wohl auch kaum die Zeit fände, sich noch nicht an die
                              									Ergründung der Zusammensetzung und des Baues eines chemischen Productes gemacht
                              									haben, welches die moderne Industrie in riesigen Mengen verbraucht und das auf dem
                              									Gebiete der Färberei den groſsartigsten Umschwung bewirkt hat. Und doch konnte mit
                              									der Lösung des Räthsels der Technik vielleicht ein bedeutender Dienst erwiesen
                              									werden. Die Feststellung der Theorie der neueren Türkischrothfärberei steht auf dem
                              									Preisprogramme der Société industrielle de Mulhouse.
                              									Das Studium der Zusammensetzung der sogen. Sulfoleate bildet naturgemäſs den
                              									grundlegenden Theil dieser Aufgabe.
                           Liechti, Leiter der Abtheilung für Färberei und
                              									Zeugdruck am Technologischen Gewerbemuseum in Wien, und Suida, sein Assistent, haben sich endlich mit dieser Frage beschäftigt und
                              									durch Darlegung der eigentlichen Zusammensetzung der Sulfoöle, wobei die alte Frémy'sche Auffassung berichtigt und erklärt wird,
                              									einen höchst schätzenswerthen Beitrag zur Chemie dieser organischen Beize
                              										geliefert.Vgl. Mittheilungen des Technologischen
                                       												Gewerbe-Museums in Wien (Section für Färberei, Druckerei, Bleicherei und
                                       												Appretur). Fachzeitschrift für die chemische Seite der
                                       												Textil-Industrie, 1883 Heft 2 S. 7.
                           Ein Hauptpunkt, welcher bis jetzt auſser Acht gelassen worden, ist die Rolle des
                              									Glycerins bei der Bildung des neuen Productes. Frémy
                              									nahm seine vollständige Abspaltung und Entfernung als lösliche Glycerinschwefelsäure
                              									an. Dem ist nicht so: Das Glycerin der in Arbeit genommenen Glyceride, sei es des
                              									Trioleïns oder Triricinoleïns, bleibt vollständig im Türkischrothöle.
                           Das Sulfoleat wurde in gewöhnlicher Weise dargestellt (1 Th. Schwefelsäure, 2 Th.
                              									Olivenöl und Einwirkung in der Kälte während 24 Stunden), wobei stets, man möge die
                              									Bedingungen ändern, wie man wolle, Schwefligsäure gebildet wird, – Beweis einer
                              									theilweisen oxydirenden Wirkung der Schwefelsäure. Das Endproduct wurde mit Wasser
                              									versetzt und von der sauren Flüssigkeit mittels Aether getrennt. In der letzteren
                              									lieſsen sich stets 80 bis 85 Procent der angewendeten Schwefelsaure wieder
                              									vorfinden. Der Rest diente als Oxydationsmittel und betheiligte sich auſserdem an der
                              									Zusammensetzung des gebildeten Oelderivates. Durch Ausschütteln der ätherischen
                              									Lösung mit Wasser konnte ein wasserlösliches Product
                              									isolirt werden. Die Elementaranalyse des letzteren und einer Reihe seiner Salze,
                              									sowie einiger seiner Zersetzungsproducte ergab die Formel C42H78O12S und durch sein Verhalten erwies es sich als Monoxyoleïnsäure-Glycerin-Schwefelsäureester:
                           C3H5(OH).C18H33O3.SO4.C3H5(OH).C18H33O3.
                           In der That konnte durch Kochen mit Alkalien oder mit Säuren
                              									der Ester in seine Bestandtheile: Schwefelsäure, Glycerin und Oxyoleïnsäure zerlegt
                              									werden: C42H78O12S + 4H2O = 2C18H34O3 + 2C3H8O3 + H2SO4.
                           Der in Wasser unlösliche, in Aether zurückgebliebene
                              									Theil gibt mit Alkalien schäumende Flüssigkeiten und äuſsert also dadurch sauren
                              									Charakter. Die alkalischen Lösungen lassen mit Metallsalzen unlösliche Verbindungen
                              									fallen. Durch Analyse der Kupfer-, Barium-, Calcium- und Aluminiumsalze u. dgl.,
                              									sowie der freien Säure selbst ergab sich die Zusammensetzung einer Monoxyoleïnsäure, C18H34O3,
                              									durchaus identisch mit der durch Spaltung des obengenannten wasserlöslichen Esters
                              									erhaltenen Oxyölsäure. Sie ist isomer mit der Ricinusölsäure; auch in ihr existirt
                              									noch die der angehörigen Säurereihe CnH2n–2O2
                              									eigenthümliche doppelte Bindung zweier Kohlenstoffatome, was aus der
                              									Additionsfähigkeit eines Moleküles Brom hervorgeht. Die Monoxyölsäure ist in ihrem
                              									Glycerinschwefelsäureester in beträchtlicher Menge löslich; ist letzterer in
                              									ungenügender Menge vorhanden, so bildet sie damit eine milchige Emulsion, aus
                              									welcher sie sich erst nach längerem Stehen wieder abscheidet.
                           Die Einwirkung der Schwefelsäure auf das Olivenöl ist somit in erster Linie
                              									allerdings eine verseifende, wobei jedoch aus einem Oelmoleküle nur zwei
                              									Oelsäurereste abgespaltet werden. Zur gleichen Zeit bildet die Schwefelsäure mit dem
                              									entstandenen Monoleïn den Schwefelsäureester und endlich verwandelt sie durch
                              									Oxydation die gesammte Oelsäure, im Ester gebundene wie frei gewordene, in
                              									Monoxyderivat:
                           
                              
                                 2C3H5(C18H33O2)3 + 7H2SO4
                                    											=
                                 C42H78O12S + 6SO2 +
                                    												4H2O +
                                 4C18H34O3.
                                 
                              
                                 Glycerid d. Oelsäure
                                     Ester
                                 Oxyölsäure
                                 
                              
                           Müller-Jacobs setzt in seinem patentirten Verfahren der
                              									Darstellung fester Fettsäuren durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Oelsäure und
                              									deren Glyceride ebenfalls noch vorhergehende Entstehung von Sulfosäure voraus. Liechti und Suida weisen
                              									experimentell nach, daſs bei direkter Behandlung von freier Oelsäure mit Schwefelsäure gleichfalls nur Oxyoleïnsäure als
                              									Hauptproduct entsteht. Reichliche Schwefligsäure-Entwickelung zeigt hierbei die
                              									oxydirende Natur der Reaction:
                           C18H34O2 + H2SO4 = C18H34O3 +
                              										H2O + SO2.
                           Aber auch der Ester, welcher bei Anwendung der im Glyceride gebundenen Oelsäure auftritt, wurde synthetisch dargestellt und dadurch
                              									ein neuer Beleg für seine Zusammensetzung geliefert. 2 Mol. Oelsäure, 2 Mol. Glycerin, 4 bis 5 Mol.
                              									Schwefelsäure, innig gemischt, 24 Stunden sich selbst überlassen, mit Kochsalzlösung
                              									gewaschen, mit Aether und Wasser durchgeschüttelt, lassen aus der wässerigen Lösung
                              									den Glycerinschwefelsäure-Oxyölsäureester isoliren. Aus der ätherischen Flüssigkeit
                              									läſst sich etwas Oxyölsäure abscheiden.
                           Somit wäre die Frémy'sche Anschauungsweise zu
                              									berichtigen: Seine Oleïnschwefelsäure ist wohl identisch mit dem Liechti und Suida'schen
                              									Ester, seine Metaölsäure und Metamargarinsäure, sowie die entsprechenden
                              									Hydroderivate wären als Oxysäuren aufzufassen.
                           Liechti und Suida haben an
                              									Stelle des Glycerins andere mehratomige Alkohole, so den fünfwerthigen Mannit, dann
                              									verschiedene Kohlenhydrate, wie Stärke, Glykose, Cellulose, derselben Reaction mit
                              									Schwefelsäure und Oelsäure unterworfen und dabei dem Glycerinester verwandte
                              									Verbindungen erhalten. Da im letzteren, vom industriellen Standpunkte aus
                              									betrachtet, die Oelsäure die Hauptrolle spielt, der mehratomige Alkohol aber von
                              									secundärer Wichtigkeit ist, so treten wir an dieser Stelle nicht auf diese neuen
                              									Verbindungen ein.
                           Von hohem praktischem Interesse ist hingegen die Ausdehnung der
                              									Schwefelsäure-Reaction auf die Ricinusölsäure, um so mehr, da auf Anregung der
                              									Engländer das Ricinusöl seit langer Zeit das theurere Olivenöl behufs Darstellung
                              									der Sulfoöle verdrängt hat. Auch hier ist die Einwirkung der beschriebenen
                              									entsprechend; es tritt Oxydation der Ricinusölsäure ein und letztere findet sich als
                              									Trioxyoleïnsäure (oder richtiger Dioxyricinoleïnsäure genannt), zum Theile frei, zum
                              									Theile als Glycerinschwefelsäureester, im Reactionsproducte:
                           (C18H33O3)3C3H5 + 13H2SO4 = 4C18H34O5 + 12SO2 + 10H2O + C42H78O16S.
                           Dem letzteren käme also folgende rationelle Formel zu:
                           C3H5(OH).C18H33O5.SO4.C3H5(OH).C18H33O5.
                           Es äuſsert sich also in diesem Falle eine stärker oxydirende
                              									Wirkung der Schwefelsäure, wie in dem beim Olivenöle beobachteten. Ein anderer
                              									charakteristischer Unterschied besteht in der geringeren Beständigkeit des
                              									Ricinölesters. Nicht nur durch kochende Alkalien, schon durch Wasser unter Druck
                              									kann eine Spaltung desselben in die Bestandtheile bewerkstelligt werden. Auch trübt
                              									sich seine concentrirte wässerige Lösung schon durch bloſsen Zusatz von mehr Wasser,
                              									was wohl auch auf einer beginnenden Dissociation beruhen möchte. Die
                              									Aluminiumverbindung zersetzt sich ebenfalls in wässeriger Lösung bei 115° im
                              									geschlossenen Rohre.
                           Die Verfasser knüpfen an diese theoretischen Untersuchungen einige praktische
                              									Bemerkungen in Bezug auf die Wirkung des heutzutage angewendeten, mit Ammoniak
                              									neutralisirten Oeles beim modernen Türkischrothprozesse. Wird die geölte Faser mit
                              									Thonerdebeize getränkt, so bilden sich die Aluminium Verbindungen des Esters sowohl,
                              									wie der Oxysäure, wobei ein geringer Theil des ersteren sich verseift. Durch Dämpfen der geölten
                              									Faser vor dem Beizen erstreckt sich diese Verseifung auf den gröſsten Theil des
                              									Esters, so daſs beim nachherigen Alauniren wesentlich normales Aluminiumtrioxyoleat
                              									fixirt bleibt. Durch Passiren in (Kalk haltigem) Wasser entsteht schwach basisches
                              									Aluminiumtrioxyoleat, während bei Einwirkung eines warmen Kreidebades eine
                              									ausgesprochener basische und an Kalk reichere Aluminiumbeize sich auf der Faser
                              									befestigt.
                           Beim Färben bilden sich die Alizarinverbindungen der basischen Oxyoleate. Das nun zu
                              									wiederholende Oelen und Dämpfen der Waare bezweckt die Neutralisirung dieser
                              									basischen Oleate.
                           Das Aviviren spielt beim heutigen Türkischrothprozesse eine weniger bedeutsame Rolle
                              									wie beim alten Verfahren, so daſs die relative Zusammensetzung der auf dem Stoffe
                              									befindlichen Verbindungen nicht so wesentlich geändert wird.
                           Aus Allem scheint nach Ansicht des Referenten hervorzugehen, daſs der Ester der Türkischrothöle eigentlich beizend wirkt nach
                              									vorhergegangener Spaltung. Zwar wird die geölte Faser vor dem Beizen nicht immer
                              									gedämpft; aber das Dämpfen findet doch später statt und möchte alsdann den
                              									vollständig verseifenden Einfluſs ausüben. Diejenige Menge oxydirter Oelsäuren,
                              									welche sich im Oele als Ester vorfinden, wäre darin jedenfalls ebenso gut oder
                              									besser als freie Säure vorhanden. Glycerin bleibt wohl kaum im Farblacke. Viele
                              									Industrielle stellen ihr Oelpräparat aus ökonomischen Gründen direkt aus freier
                              									Oelsäure (sogen. Oleïn), dem Nebenproducte der Stearinsäurefabrikation, durch
                              									Behandlung mit Schwefelsäure dar. Glycerin ist hierbei abwesend. Es wäre die Frage
                              									zu erörtern, ob dergleichen Präparate, welche die abgeänderten Oelsäuren bloſs in
                              									dieser leichter reagirbaren Form enthalten, nicht einfacher, günstiger wirken. Würde
                              									endlich bloſse aus Glycerid abgespaltete Ricinusölsäure nicht auch denselben Dienst
                              									erweisen wie oxydirte? Die Oxydation, wenn solche nöthig und unausweichbar, wird
                              									auch auf der Faser (beim Dämpfen u.s.w.) vor sich gehen. Zwar ist hierbei nicht
                              									gesagt, daſs ein neuer, in diesem Sinne wirkender Fabrikationsmodus der
                              									Türkischrothöle rationeller sei als der auf Anwendung von Schwefelsäure gegründete,
                              									wobei der gebildete Ester als Emulsions- oder Lösungsmittel der Oxyölsäuren einen
                              									nützlichen Zweck versehen mag, sondern es werden diese Fragen im allgemeinen
                              									Interesse überhaupt aufgeworfen.
                           Erwünscht wäre es endlich auch, wenn die Verfasser die von der Cocusnuſsölsäure sich
                              									ableitenden Producte in den Kreis ihrer Untersuchungen ziehen würden. Für den
                              									Weiſsbodenartikel (Hemden u. dgl.) wird heutzutage noch vielerorts das mit
                              									Schwefelsäure behandelte Cocusnuſsöl verwendet. Roth und Rosa werden auf das damit
                              									präparirte Gewebe gedruckt und bleibt beim nachherigen Dämpfen das Weiſs
                              									unangegriffen. Aus welchen Ursachen und warum lassen die gewöhnlichen
                              									Türkischrothöle unter den gleichen Umständen einen gelblichen, nicht leicht zu
                              									reinigenden Grund?
                           H. Schmid.