| Titel: | Die Chlorproben in den Bleichereien und ähnlichen Anlagen; von R. Baur in Blaubeuren. | 
| Autor: | R. Baur | 
| Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 173 | 
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                        Die Chlorproben in den Bleichereien und ähnlichen
                           								Anlagen; von R. Baur in
                           									Blaubeuren.
                        R. Baur, über die Chlorproben in den Bleichereien.
                        
                     
                        
                           Bei einer im Auftrage der württembergischen Regierung vorgenommenen ausführlichen
                              									Arbeit über das Wesen der Leinwandbleicherei und ihre
                              									etwaige Verbesserung muſste der Untersuchung sämmtlicher in der Bleicherei
                              									verwendeten Chemikalien in allen Stadien ihrer Verwendung eine ganz besondere
                              									Aufmerksamkeit gewidmet und es sollte gleichzeitig durch
                                 										Herstellung einfacher, sicherer und rascher, auch dem Nicht-Chemiker leicht
                                 										zugänglicher Methoden einem sehr dringenden Bedürfnisse möglichst
                              									abgeholfen werden.
                           Hierher gehören vor Allem die Bestimmungen von Chlorkalk und Soda bezieh. deren
                              									Laugen, für welche man angesichts der so zahlreichen und vorzüglichen Methoden eine
                              									Neuerung oder Verbesserung allerdings kaum angezeigt halten sollte. Und doch ist
                              									dies, wenn man z.B. unter Chlorometrie nicht bloſs eine einfach aräometrische Wiegung oder eine höchst oberflächliche
                              									unsichere Prüfung mit Indigo verstehen will,
                              									thatsächlich der Fall denn auſser diesen beiden primitiven Bestimmungen gibt es in
                              									weitaus den meisten (Leinwand-) Bleichereien höchst selten eine andere, die irgend
                              									welchen Anspruch auf Genauigkeit oder gar praktische Uebersichtlichkeit ihrer
                              									Resultate machen darf. Der Grund hiervon ist lediglich der, daſs die sämmtlichen im
                              										Laboratorium üblichen, wenn auch noch so guten
                              									Methoden doch für die Hand eines Vorarbeiters zu umständlich und besonders auch in
                              									der Art ihrer Resultatberechnung nicht einfach genug angelegt sind, um sofort und
                              									ohne alle weiteren Umstände einen ganz genauen Einblick in die vorliegenden
                              									Gewichtsverhältnisse, z.B. der Qualität der Rohmaterialien, Erschöpfung und
                              									Auffrischung der Laugen u. dgl. zu gestatten. Mit der meist eingeführten Bezeichnung
                              									von „Graden“ für Indigo, Twaddle, Gay Lussac u.
                              									dgl. Proben ist dem praktischen Bedürfnisse niemals gedient ihr Gebrauch schlieſst
                              									unter allen Umständen noch weitere Berechnungen ein, welche dem Vorarbeiter nicht
                              									zugemuthet werden können und bei dem in seiner Qualität beständig wechselnden Bleichgute auch nie zu fixiren sind. Es ist also
                              									durchaus nothwendig, daſs in Zukunft jeder hierher gehörigen Methode, wenn sie
                              									irgend welchen Anspruch auf Einführung in den täglichen praktischen Fabrikbetrieb
                              									machen will, ein ganz bestimmter, für augenblicklichen Gebrauch allgemein
                              									verständlicher, oder doch sehr leicht erlernbarer Maſsstab zu Grunde gelegt sei.
                           Wenn es sich nun hier um die Bestimmung der Stärke von Chlorbädern für die Bleichen
                              									von Leinengarnen und Geweben, ebenso wie für Baumwolle, für Papierfabriken u. dgl.
                              									handelt, so verstehe ich, als meiner Erfahrung nach, dem
                                 										Bedürfnisse am besten entsprechend, unter diesem Maſsstabe immer die Angabe der Milligramm Chlorgewicht, welche in einem Liter
                                 										Chlorflüssigkeit enthalten sind und je einem Cubikcentimeler der
                                 										Titrirflüssigkeit entsprechen. Die letztere muſs also von Anfang an so
                              									gestellt sein, daſs (welche Titrirsubstanz auch angewendet werde) immer 1cc derselben
                                 										1mg
                              									Chlor gleichkommt. Nimmt man ferner von der zu
                              									untersuchenden Chlorflüssigkeit immer 10cc, so ist
                              									die Berechnung aufs Liter Jedem augenblicklich klar, und verdreifacht man jetzt die
                              									erhaltene Milligramm zahl, so hat man sofort den Gehalt an gutem Chlorkalk. Hier ist
                              									also von einer weiteren Rechnung gar keine Rede: jeder bessere Arbeiter versteht die
                              									Sache, wie ich nunmehr aus vielfacher Erfahrung bestätigen kann, in kürzester Zeit
                              									und hat sodann Zahlen von durchaus reellem Werth, die ihm eine bestimmte sofort wiegbare Menge bezeichnen, vor sich. Ich komme
                              									weiter unten auf die Praxis einer solchen Methode speciell zurück und möchte hier
                              									nur ein paar Bemerkungen über die anderen seitherigen Proben voranschicken.
                           Was zunächst diejenige mittels des Aräometers betrifft,
                              									so kann man sich hier bloſs fragen: wie es überhaupt möglich ist, daſs heutzutage,
                              									wo doch jeder nur halbwegs unterrichtete Bleichmeister so viel verstehen muſs, noch
                              									eine solch rohe, unrichtige Operation bestehen kann?
                           Rücksichtlich des Indigos steht die Sache etwas, aber
                              									nicht viel besser; mindestens ist das hierbei erhaltene Resultat stets nur der Ausdruck einer äquivalenten Menge Chlor und
                              									nicht derjenige ganz verschiedenwerthiger Faktoren zusammen,
                                 										wie beim Aräometer; aber die Indigolösung selbst, welche ich wenigstens
                              									niemals auf stöchiometrische Zahlen bezogen fand, gewährt besten Falles nur einen
                              										vergleichenden und höchst unsicheren Einblick in
                              									die relativen Chlorbestände und auch dies lediglich
                              									unter der Bedingung, daſs die Proben stets von der gleichen Person in vollständig
                              									gleicher Weise gemacht werden.
                           Nun lieſse sich allerdings diese in hohem Grade sonst handliche Methode in so fern
                              									etwas verbessern, als man sie z.B. mit Hilfe von reinem künstlichem Indigo auf einen
                              									erträglich constanten Titer gegen Chlor bezieh. Chamäleon bringen könnte; wer aber
                              									die Betriebs Verhältnisse in den Bleichereien kennt, wird zugeben müssen, daſs eine
                              									solche Neuerung mit ihren jetzt wesentlich veränderten
                                 										Farben- und Volumen-Verhältnissen einen erbitterten und sicher fruchtlosen
                              									Kampf gegen die eingefleischte Gewohnheit der ohnehin äuſserst conservativen
                              									Bleicher, vielleicht nicht ohne empfindlichen Schaden für das Bleichgut selbst,
                              									abgeben würde; aber auch den Fall gesetzt, daſs man hiermit dennoch durchdringen
                              									sollte, so bleibt immer noch als ein weiterer niemals vermeidbarer Fehler der
                              									Methode ihr höchst fataler subjectiver Charakter, in so
                              									fern erfahrungsmäſsig zwei Bleicher, selbst wenn sie mit den gleichen Flüssigkeiten
                              									neben einander arbeiten, niemals – oder höchstens nur rein zufällig – ihre
                              									Titerresultate nahezu gleich anzugeben im Stande sind,
                              									weil das Unterscheidungsvermögen des menschlichen Auges für die Reactionsfarbe (hier
                              									hell rumgelb – übrigens durch die Art der vorangegangenen Schwefelsäure-Einwirkung
                              										äuſserst wechselnd)
                              									in Folge der Verschiedenheit jedes einzelnen Auges ein unter allen Umständen etwas,
                              									in vielen Fällen aber sehr weit aus einander gehendes
                                 										ist.
                           Der letztere Umstand kann namentlich für die Bleiche feiner
                                 										Linnengewebe zu höchst unangenehmen Folgen führen, so fern hier schon
                              									minimale und analytisch kaum mehr mit den gewöhnlichen Titrirproben genau
                              									bestimmbare Mengen Chlor zur Wegschaffung des mysteriösen grauen (Kolbe'schen) Farbstoffes genügen und jeder Ueberschuſs
                              									sofort schädlich wirkt, während andererseits die gebräuchliche Indigo-Methode nur in
                              									oben angegebenem Umfange eine durch subjective und andere Faktoren mehr oder weniger
                              									beeinträchtigte Berechtigung hat.
                           In solchen Dingen ist es in der Regel praktischer, mit einer derartigen Methode,
                              									statt sie zu verändern bezieh. nothdürftig zu verbessern, lieber ganz zu brechen;
                              									denn an das vollständig Neue, augenscheinlich Bessere, gewöhnen sich die Leute viel
                              									schneller, als an eine Aenderung des alten, in der Erinnerung verwirrend
                              									Fortlebenden und so dürfte es denn doch in hohem Grade angezeigt sein, auch die
                              									Indigo-Probe mit ihrem selbst bei dem künstlichen Präparat schwerlich vollkommen
                              									constanten Titer und der niemals plötzlich, sondern nach und
                                 										nach erst erfolgenden Farbenreaction aus den Bleichereien endgültig zu
                              									verbannen, d.h. durch eine möglichst genaue Bestimmung zu ersetzen, deren Indicator
                              									im Augenblicke der eingetretenen Schluſsreaction sich so geltend macht, daſs eine
                              									Ungewiſsheit für jedes Auge ausgeschlossen ist.
                           Es gibt nun allerdings neuere Farbstoffe, welche, krystallisirt und von ganz
                              									bestimmter Zusammensetzung, für diesen Zweck vortrefflich geeignet erscheinen; aber
                              									ich habe noch nicht praktische Erfahrung genug, namentlich über ihre gleich sichere
                              									Verwendbarkeit in concentrirten wie verdünnten Lösungen, um diese Präparate jetzt
                              									schon empfehlen zu können, muſs also die Erledigung dieses Kapitels weiteren
                              									Versuchen und Mittheilungen vorbehalten.
                           Bis dahin wird man zweckmäſsiger Weise die einzig richtige Bahn dadurch einschlagen,
                              									daſs man auf die erprobtesten streng analytischen Methoden unter möglichster
                              									Vereinfachung der Operation selbst, wie der Rechnung zurückgreift und hierfür eignet
                              									sich auch im vorliegenden Falle gar keine besser, als die modificirte Dupasquier-Bunsen'sche Jod-Methode, wie sie durch Wagner auch für andere technische Kreise mit Recht
                              									empfohlen und eingeführt worden ist. Es mag ja zugegeben werden, daſs die hier und
                              									da im Gebrauche stehende Pennot-Mohr sehe Bestimmung
                              									mittels arseniger Säure gleich vorzügliche und rasche Resultate gibt, aber das
                              									Jodkaliumstärke-Papier hält sich in den Bleichereilokalen nicht gut und die
                              									Verwendung der arsenigen Säure hat immer ein tief berechtigtes Miſstrauen gegen
                              									sich. Kann man solch zweifelhafte Faktoren ganz bei Seite lassen, so soll man es
                              									thun, zumal bei Untersuchungen, welche von einem Augenblicke zum anderen nothwendig
                              										und nicht in einem
                              									Laboratorium, sondern dem offenen Fabrikraume der Bleicherei selbst ausgeführt
                              									werden.
                           Ich habe nun die betreffende Jod-Methode (in dem für den Bleicher zweckmäſsigen oben
                              									genanntem Sinne abgeändert) bei verschiedenen groſsen und kleinen Anlagen ohne jede
                              									Schwierigkeit und dagegen mit ausgezeichnetem Erfolge eingebürgert und kann sie den
                              									Vorständen von Bleichereien, Papierfabriken u. dgl. nicht dringend genug anrathen.
                              									Der ganze Fabrikbetrieb, welcher nach dieser Richtung hin vorher ohne jeden sicheren
                              									und greifbaren Anhaltspunkt sich vollzog, bekommt eine feste Basis, von der genauen,
                              									in wenigen Minuten hergestellten Controle des Rohmaterials an bis zur rationellsten
                              									Ausnützung jedes einzelnen Bades und zwar so, daſs nicht nur – meist sehr bedeutende
                              									– absolute Materialersparnisse gemacht werden können, sondern man auch im Stande
                              									ist, durch genaue Anpassung der Chlorbäderstärke an das Bleichgut, durch die
                              									Bestimmung des Chlor Verbrauches behufs der Bäderauffrischung u. dgl., kurzum durch
                              									eine zweckmäſsige Eintheilung der ganzen Chloroperation nunmehr auch relativ sehr
                              									beträchtlich zu sparen. Sind von dem Bleichmeister für jede Qualität des Bleichgutes
                              									in jedem Stadium des Bleichganges genaue Erhebungen gemacht und hierdurch festere
                              									Grundlagen gewonnen, so wird natürlich später die Ausführung der Chlorproben sehr
                              									eingeschränkt werden können.
                           Die Ausführung der Probe erfordert zwei kalibrirte
                              									Glasröhren (oder statt deren einer auch eine mit Quetsch- bezieh. Glashahn
                              									versehene, an der Wand befestigte Bürette) je für „Natron-“ und
                              										„Chlor“-Flüssigkeit. Die Röhre bezieh. Bürette
                                 										für Natron ist mit einer vom Nullpunkte oben abwärts, die andere (freie)
                              									für Chlor vom Nullpunkte unten aufwärts (beide in 0cc,2) gehende Theilung versehen. Ferner ist
                              									erforderlich eine Natronhyposulfit-Lösung, so titrirt,
                              									daſs, wie oben bemerkt, 1cc derselben 1mg Chlor entspricht; ferner eine Jodkalium- und eine Salzsäure-Lösung. Der Bleichmeister, für den
                              									– und nicht einen Chemiker – ich die Vorschrift geben muſs, nimmt nun die Probe
                              									folgendermaſsen vor: Das Natron-Rohr (Nullpunkt oben) wird bis Null mit der
                              									Natron-Lösung gefüllt. Sodann werden von dem zu untersuchenden Chlorbade 10cc in die
                              									Chlor-Röhre gegeben und ein paar Centimeter Jodlösung zugefügt, bis keine weitere
                              									Bräunung und Trübung mehr bei leichtem Umschwenken erfolgt. In diese Mischung gieſst
                              									man ferner einige Cubikcentimeter Salzsäure, bis die Flüssigkeit, welche vorher
                              									braun und trübe war, ganz klar (braun) geworden ist.
                              									Nun läſst man in diese Mischung in der Chlor-Röhre, zuerst reichlicher, dann
                              									tropfenweise aus der Natron-Röhre so lange zuflieſsen, bis die unter mäſsigem
                              									Schütteln allmählich heller gelb gewordene Farbe der Chlorlösung verschwindet und
                              									plötzlich wasserblau geworden ist. Die mit einem einzigen Tropfen überschüssiger
                              									Natronlösung jetzt eingetretene Reaction ist in ihrem Farbenwechsel so auffallend,
                              									daſs sie unmöglich verkannt werden kann. Nun liest man die in der Natron-Röhre verbrauchten
                              									Cubikcentimeter ab. Sind hierbei auf 10cc
                              									Chlorlösung verwendet worden: 14cc,4, so
                              									entsprechen diese = 14mg,4 Chlor. Je 10cc also 14mg,4 macht für 100cc = 144mg, für 1000cc (d. i. 1l) =
                              										1g,44 Chlor. So viele Gramm Chlor im Liter, so
                              									viele Kilogramm in 1000l.
                           Will der Bleicher seinen Chlorkalk-Gehalt zugleich
                              									wissen, so braucht er (guten Chlorkalk vorausgesetzt) nur z.B. das erhaltene
                              									Chlorgewicht zu verdreifachen. Hat er, was sehr zu empfehlen ist, seine
                              										„Reels“ oder „Steeps“ auf eine runde Summe geeicht, so weiſs er
                              									durch eine einfache, im Kopf auszuführende Multiplication sofort, wie viel er
                              									Chlorkalk in seinen Behältern hat u.s.f.
                           Die Chlorkalk-Probe wird mit 5g eines genauen Mittelmusters gemacht und
                              									zwar, nachdem die Vertheilung desselben auf 1l
                              									Wasser erfolgt ist, genau so wie mit den Chlorbädern selbst. Für die Berechnung
                              									desselben auf Chlorgehalt nimmt er die Zahl der erhaltenen Cubikcentimeter Natron
                              									doppelt und erhält sogleich die Procent an wirksamem
                                 										Chlor.
                           Es ist hier nicht der Ort, weitere für den Bleichmeister
                              									berechnete Einzelheiten mitzutheilen, wie z.B. die Angabe über die gewöhnliche
                              									Stärke der einzelnen Chlorbäder als Anhaltspunkte für seine Proben, die Umrechnung
                              									in Chlorgrade und umgekehrt, specielle Vorschriften über seine Chlorkalkprüfung; ich
                              									bin aber gern bereit, hierin jeder Anfrage zu genügen, wie auch der ganze Apparat
                              									mit den Flüssigkeiten von mir bezogen werden kann. Den Papierfabrikanten möchte ich
                              									noch auf den doppelten Werth dieser Proben, welche in der gleichen Zeit wie die
                              									gewöhnliche Indigo-Probe ausgeführt werden kann, in so fern aufmerksam machen, als
                              									er hiermit nicht nur seine Chlorbestände, sondern durch einfache Umkehrung der
                              									Methode auch seine Sulfite augenblicklich und genau zu prüfen im Stande ist.