| Titel: | Ueber die Oxydation der Schwefelverbindungen bei der Herstellung von Aetznatron. | 
| Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 319 | 
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                        Ueber die Oxydation der Schwefelverbindungen bei
                           								der Herstellung von Aetznatron.
                        Lunge, über die Oxydation der Schwefelverbindungen.
                        
                     
                        
                           Nach umfassenden Versuchen von G. Lunge(Chemische Industrie, 1883 S.
                                 									298) geht bei Gegenwart von überschüssigem Aetznatron Schwefelnatrium während der
                              									Concentration durch Einwirkung des Luftsauerstoffes nur in Thiosulfat über. Bei
                              									Anwendung von Rauchgasen oder Luft zur sogen. Entschwefelung bezieh. Kausticirung
                              									wird das Schwefelnatrium mithin zunächst gänzlich aus der Lauge verschwinden. Später
                              									aber, schon von 140° an und immer mehr bei steigender Temperatur, zerfällt das
                              									Thiosulfat mit Aetznatron zu Schwefelnatrium und schwefligsaurem Natron. Natürlich
                              									könnte das Schwefelnatrium nun wieder weiter durch Einblasen von Luft in Thiosulfat
                              									und dieses somit schlieſslich ganz in schwefligsaures Natron übergehen; aber dies
                              									wäre jedenfalls bei Temperaturen unter 360° ein sehr langdauernder Prozeſs. Das
                              									schwefligsaure Natron
                              									geht selbst durch Einwirkung der Luft in schwefelsaures Natron über und zwar in
                              									steigendem Maſse mit Steigerung der Temperatur; das Einblasen von Luft bei Rothglut
                              									wirkt jedenfalls am energischesten für diesen Zweck. Das thioschwefelsaure Natron an
                              									sich wird vermuthlich das Eisen gar nicht angreifen und dies nur indirekt dadurch
                              									thun, daſs aus ihm bei höherer Temperatur Schwefelnatrium entsteht.
                           Das Schwefelnatrium kann aber auch durch Salpeter
                              									oxydirt werden. Diese Einwirkung beginnt schon unter 140°, wobei der Salpeter unter
                              									allen Umständen zuerst in Nitrit übergeht. Da in der Praxis nie mehr Salpeter als
                              									nöthig angewendet wird, so wird derselbe sehr schnell verschwunden sein. Das Nitrit
                              									vermag an sich das noch vorhandene Schwefelnatrium zu Anfang der Concentration nur
                              									bis zu Sulfit zu oxydiren; selbst ein groſser Ueberschuſs von Nitrit vermag das
                              									Sulfit bei Temperaturen bis nahe an 360° nicht zu Sulfat zu oxydiren; dies tritt
                              									erst bei noch höherer Temperatur, also beim eigentlichen Schmelzen ein. Thiosulfat
                              									entsteht aus dem Schwefelnatrium durch Einwirkung des Salpeters oder Nitrites ganz
                              									entschieden nicht. Das sonst vorhandene, früher durch
                              									Luft gebildete Thiosulfat ist verhältniſsmäſsig sehr beständig; es verändert sich
                              									erst bei verhältniſsmäſsig hohen Temperaturen, indem es in Schwefelnatrium und
                              									Natriumsulfat übergeht, von denen das erstere nun wieder durch Nitrat oder Nitrit zu
                              									Sulfit oxydirt wird. Sulfat entsteht auch hier, wenn nicht viel Salpeter im
                              									Ueberschusse ist, in erheblichem Maſse erst über 360°.
                           Aus dem Salpeter wird zunächst Nitrit; dieses selbst aber geht in Gegenwart von
                              									oxydirbarem Schwefel zunächst in Ammoniak über und zwar in Eisengefäſsen schon bei
                              									140° oder darunter.
                           In Bezug auf die Gesammtwirkung können wir also, wenn nicht mehr Salpeter als
                              									ausreichend zugesetzt wird, von der Nitritbildung überhaupt absehen. Neben der
                              									Ammoniakbildung, welche man noch über 300° verfolgen kann, die aber um 180° am
                              									stärksten ist, tritt oberhalb dieser Temperatur auch die Bildung von Stickstoff ein,
                              									wird aber, so lange noch Schwefelnatrium vorhanden ist, also bei verhältniſsmäſsig
                              									niedrigeren Temperaturen, nicht bedeutend. Die Stickstoffbildung nimmt aber oberhalb
                              									300° überhand und scheint später allein einzutreten. Man wird also die beste
                              									Ausnutzung des Salpeters erreichen, wenn derselbe bei niedrigeren Temperaturen
                              									wirken kann. So lange im Allgemeinen noch Schwefelnatrium zu Sulfit zu oxydiren ist,
                              									wird Ammoniak entwickelt; wenn aber Sulfit zu Sulfat oxydirt wird, ist die
                              									Stickstoffbildung überwiegend. Dies gilt freilich nur, wenn kein Ueberschuſs von
                              									Salpeter vorhanden ist; im letzteren Falle entsteht auch bei den höchsten
                              									Temperaturen Nitrit und bleibt bei diesen bestehen; aber dieser Fall sollte bei
                              									rationeller Fabrikation gar nicht eintreten.
                           Im Fabrikbelriebe oxydire man zunächst alles
                              									Schwefelnatrium durch Luftsauerstoff zu Thiosulfat.
                              									Selbst wenn dies nicht billiger zu stehen käme als Salpeter, so hätte man den Vortheil davon, daſs
                              									das Eisen der Gefäſse dabei weniger angegriffen wird. Das Thiosulfat oxydirt sich
                              									durch Luft erst bei höherer Temperatur und nur langsam, indem es erst in
                              									Schwefelnatrium und schwefligsaures Natron zerfällt. Man beschleunigt daher seine
                              									Oxydation, indem man Salpeter zusetzt. Es nützt nichts,
                              									dies bei Temperaturen zu thun, bei denen das Thiosulfat noch nicht zerfallen ist;
                              									eine praktische Regel wäre die, mit dem Salpeterzusatze anzufangen, sobald bei
                              									Erhöhung der Temperatur von Neuem eine Reaction auf Na2S eintritt, und dann allmählich kleine Posten zuzusetzen; dadurch
                              									vermeidet man, den Salpeter zu lange in Berührung mit Eisen zu lassen, wodurch der
                              									Verlust an ersterem und die Abnutzung der Gefäſse verringert wird. Mit dem
                              									Salpeterzusatze hört man aber auf, sobald weder Na2S, noch Thiosulfat mehr vorhanden ist, was bei etwa 300 bis 360° eintreten
                              									wird. Unter diesen Umständen wird die günstigste Wirkung, nämlich die Bildung von
                              									Ammoniak als Hauptreaction, erzielt werden. Der Theorie nach wäre das ja auch darum
                              									viel günstiger, weil man das Ammoniak wiedergewinnen könnte, und man sollte so etwas
                              									nie von vornherein als unmöglich hinstellen; doch sind nur geringe Hoffnungen auf
                              									eine ökonomische Lösung dieser Aufgabe vorhanden.
                           Man hätte nun allen Schwefel als Sulfit, ein wenig auch schon als Sulfat. Schon durch
                              									Ausschöpfen der Salze wird man einen Theil des Sulfites neben dem Sulfate entfernen
                              									können; die Hauptmenge wird man beim Schmelzen oxydiren müssen, besser aber nicht
                              									durch Salpeter, der jetzt meist in Stickstoff übergehen würde, sondern durch
                              									Einblasen eines Luftstromes.