| Titel: | Ueber Deutung und Genauigkeit von Festigkeitsdiagrammen; von Prof. Hugo Fischer. | 
| Autor: | Hugo Fischer | 
| Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 337 | 
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                        Ueber Deutung und Genauigkeit von
                           								Festigkeitsdiagrammen; von Prof. Hugo
                              									Fischer.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 28.
                        Hugo Fischer, über Festigkeitsdiagramme.
                        
                     
                        
                           Bei der experimentellen Untersuchung fester Körper auf ihre Festigkeitseigenschaften
                              									kommen stets zwei Faktoren direkt zur Erhebung: Die Gröſse der auf den Körper
                              									wirkenden Kraft und die Formänderung, welche der Körper unter der Wirkung dieser
                              									Kraft in der Kraftrichtung erleidet. Hierbei entspricht bei stofflich gleichartigen
                              									Körpern einer bestimmten Gröſse der Kraft (Beanspruchung) stets eine bestimmt groſse
                              									Deformation. Durch Verknüpfung dieser beiden Faktoren mit Hilfe eines rechtwinkligen
                              									Coordinatensystemes geht das Festigkeitsdiagramm hervor. Die Ermittelung beider
                              									Gröſsen in jedem Augenblicke der Beanspruchungsdauer erfolgt am zweckmäſsigsten,
                              									weil am genauesten und raschesten, mit Hilfe der selbstzeichnenden
                              									Festigkeitsmesser.
                           Die Diagramme lassen mit Leichtigkeit die den wachsenden Belastungen entsprechenden
                              									Längenänderungen des Versuchsstückes, die dem Bruche desselben entsprechenden Werthe
                              									der Spannung und Längenänderung erkennen, sie geben Aufschluſs über die Gröſse der
                              									von der spannenden Kraft während der Versuchsdauer verrichteten mechanischen Arbeit
                              									und liefern bei weiterer Ausbildung ein Mittel, das elastische Verhalten des
                              									betreffenden, der Untersuchung unterworfenen Materials genauer zu studiren. Form und
                              									Gröſse des Diagrammes ist daher im Allgemeinen als ein bildlicher Ausdruck
                              									derjenigen Eigenschaften eines Materials zu betrachten, welche bei der Beanspruchung
                              									eines aus diesem hergestellten Versuchsstückes durch mechanische Kräfte in Frage
                              									kommen: der Festigkeit, Elasticität und Zähigkeit.
                           Der Vergleich der Diagramme verschiedener Materialien läſst sofort die groſse
                              									Mannigfaltigkeit in dem Auftreten der betreffenden Eigenschaften erkennen, da sich
                              									die Diagramme sowohl durch die Gestalt der Diagrammcurve, als die Gröſse der von
                              									dieser, der Endordinate und der Abscissenachse umschlossenen Fläche unterscheiden.
                              									Während erstere von dem Verhältnisse der jeweiligen Kraft- und Dehnungswerthe
                              									abhängen, ist letztere durch die absolute Gröſse dieser beiden bedingt.
                           Wird die Belastung des Probestückes noch vor dem Bruche unterbrochen, so verwickeln
                              									sich die Erscheinungen und demgemäſs auch die Gestalt der Diagramme wesentlich und
                              									es treten neue Momente hervor. Bei der stetigen Entlastung des bis zu einem gewissen
                              									Grade angespannten Versuchsstückes erfolgt die Begrenzung des Diagrammes stets durch
                              									eine gegen die Abscissenachse geneigte Curve derart, daſs deren Durchschnittspunkt
                              									mit dieser Achse zwischen dem Fuſspunkte der letzten Diagrammordinate und dem
                              									Coordinatenanfange liegt. Dieser Schnittpunkt theilt die gröſste Diagrammabscisse
                              									daher in zwei Theile. Der Theil, welcher an die Endordinate grenzt, stellt die Gröſse derjenigen
                              									Formänderung dar, welche das Probestück in Folge seiner Elasticität in der Richtung
                              									der beanspruchenden Kräfte erfahren hat; der andere Theil gibt die dem Stücke
                              									mitgetheilte bleibende Formänderung an. Das Verhältniſs dieser beiden Strecken führt
                              									daher das elastische Verhalten des Versuchskörpers vor Augen. Bei einer auf die
                              									Entlastung folgenden Neubelastung des Stückes steigt die neue Belastungslinie im
                              									Allgemeinen neben der Entlastungslinie empor und schneidet dieselbe entweder in
                              									demjenigen Punkte der Diagrammcurve, in welcher die Belastung unterbrochen wurde,
                              									oder noch vor Erreichen desselben. Nur unter bestimmten Verhältnissen fallt die
                              									Entlastungs- und Belastungscurve zusammen.
                           Um zu einer Erklärung dieser hier kurz geschilderten, im weiteren Verlaufe dieser
                              									Arbeit ausführlicher zu besprechenden Erscheinungen zu gelangen, ist es
                              									erforderlich, ein Bild von der allgemeinen Constitution der Festkörper zu entwerfen.
                              									Es wird zweckmäſsig sein, hierbei derjenigen Entwickelung zu folgen, welche aus
                              									wahrnehmbaren Vorgängen bei der Beanspruchung dieser Körper durch äuſsere Kräfte
                              									entspringt, um somit rückwärts in ihr die Erklärung für die verwickelteren Vorgänge
                              									zu suchen.
                           Wird einem Körper eine bleibende Formänderung ertheilt, so findet, wie sich in vielen
                              									Fällen leicht beobachten läſst, eine Umordnung der kleinsten, diesen Körper
                              									zusammensetzenden Theile, der Körperelemente, statt. Dieser Umordnung setzt sich im
                              									Inneren des Körpers ein Widerstand entgegen, dessen Ueberwindung eine äuſsere
                              									(mechanische) Kraft von bestimmter Gröſse erfordert. Diese Kraft kann umgekehrt als
                              									Maſs für diesen inneren Widerstand betrachtet werden. Da dieser Widerstand in seiner
                              									Erscheinung und seiner Folgewirkung mit den bei dem Aneinandergleiten fester Körper
                              									zur Beobachtung kommenden Erscheinungen übereinstimmt, pflegt man denselben die innere Reibung1) Vgl. Dr. P. Schmidt; Ueber die innere Reibung
                                       												fester Körper. (Breslau 1880. Verlag von A.
                                       												Gosohorsky. des Körpers zu nennen.
                           Die Anerkennung dieser inneren Reibung zwischen den kleinsten Theilen eines
                              									Festkörpers bedingt aber die Annahme, daſs diese kleinsten Theile oder
                              									Körperelemente sich berühren und zwar unter Druck berühren müssen. Von diesem
                              									Drucke, sowie von der Oberflächenbeschaffenheit der Körperelemente hängt die Gröſse
                              									der inneren Reibung eines Körpers ab. Die Entstehung dieses Druckes ist auf das
                              									Vorhandensein von molekularen, zwischen den einzelnen Körperelementen thätigen
                              									Anziehungskräften (Cohäsionskräften) zurückzuführen, welche mit der gegenseitigen
                              									Annäherung der Mittelpunkte zweier benachbarter Elemente wachsen, mit der
                              									Vergröſserung des Abstandes abnehmen.
                           Diese Annahme führt im weiteren Verfolge der Erscheinungen un- abweisbar zu der Forderung der
                              									Deformirbarkeit und elastischen Beschaffenheit der Körperelemente selbst. Die
                              									Notwendigkeit dieser Voraussetzung tritt am klarsten bei dem Verfolge derjenigen
                              									Erscheinungen hervor, welche sich bei der Beanspruchung der Körper auf Druck
                              									abspielen. Würden die sich berührenden kleinsten Körpertheile vollkommen starr und
                              									unelastisch sein, wie es die neuere Molekularphysik annimmt, so müſsten
                              									Druckbeanspruchungen stets nur bleibende Formänderungen an festen Körpern ergeben.
                              									Diesem widerspricht die Erfahrung vollständig, indem bei dem Zusammendrücken eines
                              									Körpers stets auch eine elastische Formänderung beobachtet werden kann, welche nach
                              									dem Wegfalle der drückenden Kraft wieder vollständig verschwindet.
                           Auf Grund dieser Betrachtungen werde für die folgenden Untersuchungen, welche sich
                              									nur auf homogene Körper beziehen, angenommen: Ein Festkörper
                                 										bestehe aus sehr kleinen, stofflich und räumlich unter sich völlig gleichen,
                                 										vollkommen elastischen Körperelementen, deren Gestalt unter dem Einflüsse
                                 										äuſserer Kräfte Veränderungsfähig ist. Benachbarte Körperelemente stehen unter
                                 										sich in Berührung und werden durch die denselben eigenen molekularen
                                 										Anziehungskräfte unter bestimmtem Drucke in dieser erhalten. Die Körperelemente
                                 										sind unter gewissen Bedingungen gegen einander verschiebbar und es werden
                                 										dieselben nach der Verschiebung durch eine im Körperinneren thätige passive
                                 										Kraft (innere Reibung) verhindert, wieder in die am Beginne der Beanspruchung
                                 										vorhanden gewesene gegenseitige Stellung zurückzukehren.
                           Die nachstehenden Ausführungen werden zeigen, wie weit diese Hypothese über die Constitution der festen Körper, die übrigens in ihren
                              									einzelnen Theilen nicht neu ist, zur Erklärung derjenigen Erscheinungen ausreicht,
                              									welche bei der Festigkeitsuntersuchung solcher Körper zur Beobachtung kommen.
                           Ein Körper zeigt bei seiner Beanspruchung durch mechanische Kräfte so lange nur elastische Formänderungen, als die Grenze der
                              									vollkommenen Elasticität, die sogen. „Elasticitätsgrenze“ noch nicht
                              									überschritten ist, d.h. so lange die beanspruchende Kraft kleiner ist als die innere
                              									Reibung des Körpers. Dem Ueberschreiten dieser Grenze folgt die Ueberwindung dieser
                              									Reibung und damit eine Verschiebung der kleinsten Körpertheile gegeneinander; es
                              									tritt das „Flieſsen“ des Materials ein. Ohne
                              									Aenderung der inneren Pressungen des Körpers müſste dieses Flieſsen bei constanter
                              									oder, im weiteren Verlaufe, wegen der Querschnittsänderung des Versuchskörpers bei
                              									abnehmender Kraft stattfinden; die Diagrammcurve müſste anfänglich parallel zur
                              									Abscissenachse verlaufen. Ein solcher Verlauf ist aber bei Druckbeanspruchung
                              									niemals, bei Zugbeanspruchung nur bei gewissen Materialien annähernd wahrzunehmen.
                              									In allen Fällen findet auch nach dem Eintritte des Flieſsens der Körperelemente ein
                              									stetiges Ansteigen der Curve statt. Dieses Ansteigen ist aber nur durch ein
                              									Anwachsen der inneren Reibung zu erklären. Da die materielle Beschaffenheit des Probestückes
                              									während des Versuches eine Aenderung nicht erfährt und mithin eine Aenderung der
                              									Oberflächenbeschaffenheit der Körperelemente nicht denkbar ist, so kann der Grund
                              									für die Erhöhung der inneren Reibung nur in einer Steigerung des Druckes zwischen
                              									den kleinsten Körpertheilen zu suchen sein. Die, wenn auch sehr kleine, jedoch
                              									immerhin meſsbare Volumen Verminderung bezieh. Dichtigkeitserhöhung homogener Körper
                              									bei Zug- oder Druckbeanspruchung bestätigt diese Ansicht, wenn sie auch die Ursache
                              									der Erscheinung nicht erkennen läſst.
                           Denkt man sich den Vorgang bei der Beanspruchung eines Körpers durch mechanische
                              									Kräfte nicht stetig verlaufend, so würde das hierbei erhaltene Diagramm eine
                              									treppenförmige Gestalt, wie sie Fig. 1 Taf.
                              									28 zeigt, annehmen. Nach dem Eintritte des Flieſsens bei a setzt sich dieses unter Constanterhaltung der Kraft bis b fort. Hierbei wird im Körper in Folge entstehender
                              									Querdrücke die innere Reibung vergröſsert, so daſs von b an die Ueberwindung derselben eine Vergröſserung der Kraft um einen der
                              									Ordinatenstrecke bb' entsprechenden Werth erforderlich macht.
                              									Diese durch die Zunahme der äuſseren Kraft gemessene Vermehrung der inneren Reibung
                              									bedingt aber für die erneute Herbeiführung einer gegenseitigen Verschiebung der
                              									Körperelemente deren gröſsere Deformation, welche der Voraussetzung zu Folge
                              									elastisch ist und durch die Strecke bc' im Diagramme gemessen wird. Mit anderen
                              									Worten, es muſs der Körper in dem neuen Zustande, den die Diagrammordinate yc charakterisirt, bei einer Neubelastung stärker
                              									belastet werden, um auſser der elastischen Formänderung auch eine bleibende zu
                              									erzeugen; die „Elasticitätsgrenze“ ist höher gelegt worden. In Wirklichkeit
                              									finden diese Vorgänge in jedem Augenblicke der Belastung statt, verlaufen also
                              									stetig, so daſs sich die Erhöhung der Grenze der vollkommenen Elasticität bis zum
                              									höchsten Punkte p der Diagrammcurve fortsetzt.Vgl. H. Fischer: Untersuchungen über das
                                    											Verhalten des Phosphorbronzedrahtes bei der Beanspruchung durch Zugkräfte,
                                    											1882 245 * 70.Praktische Anwendung findet die Erhöhung der Elasticitätsgrenze u.a. in der
                                    											Treibriemenfabrikation und bei dem von Uchatius
                                    											(vgl. 1875 217 * 122. 1877 223 242) angegebenen Verfahren zur Herstellung von
                                    											Bronzegeschützen. Im ersteren Falle bezweckt eine bis nahe an die
                                    											Bruchgrenze des Leders fortgesetzte Reckung die Verminderung des Längens der
                                    											Riemen während des Gebrauches, also Verkleinerung der bleibenden Dehnung; im
                                    											letzteren Falle wird durch Druck die Verdichtung und damit Steigerung der
                                    											Festigkeit der inneren Wandung des Geschützrohres erzielt.
                              								
                           Die Annahme, daſs das Ansteigen der Diagrammcurve während des Versuches in der That
                              									auf eine Vergröſserung der inneren Reibung durch Druckvermehrung zwischen den
                              									kleinsten Körpertheilen zurückzuführen sein dürfte, wird durch die zu beobachtenden
                              									Aenderungen der Materialbeschaffenheit, nämlich Erhöhung der Dichte, Festigkeit,
                              									Elasticität und Härte des Materials bei dem Ziehen und Walzen der Metalle zu Draht
                              									und Blech, dem Drehen der Gespinnstfäden u. dgl. sehr wahrscheinlich gemacht. Eine indirekte
                              									Bestätigung dürfte in dem Zäherwerden und der Verminderung des elastischen Verhaltens verschiedener Materialien durch
                              									entsprechende Erwärmung zu finden sein. Durch diese wird eine Ausdehnung der Körper,
                              									also eine gegenseitige Entfernung der Mittelpunkte der Körperelemente und damit
                              									Verminderung der Cohäsion und der inneren Reibung herbeigeführt.
                           Mit der Steigerung der streckenden Kraft und der daraus hervorgehenden Zunahme der
                              									inneren Reibung geht in Folge des Aneinandergleitens der kleinsten Theile eine
                              									Querschnittsverminderung des Versuchskörpers Hand in Hand. Durch diese wird die Zahl
                              									der Reibungsstellen, also auch die Reibung selbst allmählich verkleinert. Bei
                              									Zugbeanspruchung wird die Zugkraft allmählich langsamer wachsen als die Streckung
                              									und die Diagrammcurve wird sich daher mehr und mehr einer zur Abscissenachse
                              									parallelen Lage nähern und diese Lage erreichen, wenn der Quotient:
                           
                              \frac{\mbox{Zunahme der inneren Reibung durch
                                 										Druckvermehrung}}{\mbox{Abnahme der inneren Reibung durch
                                 										Querschnittsverminderung}}=1
                              
                           geworden. Dieser Quotient kleiner wie 1 bedeutet dagegen eine
                              									Abnahme der inneren Reibung, also zur Erhaltung des Gleichgewichtszustandes auch
                              									eine Verminderung der Zugkraft. Die Diagrammcurve sinkt und nähert sich, der
                              									Reibungsabnahme entsprechend, stetig der Abscissenachse. Die Curve besitzt also
                              									einen Culminationspunkt, dessen Ordinate die gröſste von dem Versuchsstücke zu
                              									tragende Belastung angibt.
                           Diesen Vorgang veranschaulichen deutlich die in Fig. 8 und
                              										9 Taf. 28 dargestellten, bei dem Zerreiſsen von kammwollenen Streckbändern bezieh. von Zinndraht auf dem Festigkeitsmesser von D.
                                 										Reusch (1880 235 * 414) erhaltenen Diagramme.
                              									Die Curve dieser Diagramme hat einen deutlich sichtbaren Culminationspunkt, über
                              									welchen hinaus sich dieselbe mehr und mehr senkend, noch weiter fortsetzt. Die
                              									Erreichung des Punktes ist bei den Metalldrähten mit einer deutlich wahrnehmbaren
                              									Aenderung der Oberfläche des Versuchsstückes verbunden. Dieselbe wird rissig und
                              									diese Risse breiten sich unter gleichzeitiger Vertiefung mehr und mehr aus, je
                              									weiter die Belastung fortschreitet. In Folge der Unvollkommenheit aller Versuchskörper in Bezug auf Gestalt, Homogenität
                              									und Stoffgleichheit ist diese Ausbreitung ungleichförmig; sie vertheilt sich nicht
                              									über das Stück gleichmäſsig, sondern wirft sich bald auf diejenigen Stellen, welche
                              									dem idealen Zustande am wenigsten entsprechen; es treten örtliche Contractionen ein
                              									und schlieſslich kommt es an einer Stelle zum Bruche. Besonders deutlich ist dieser
                              									Vorgang an Drähten aus reinem Zinn und Blei sowie an Stäben aus plastischem Thone wahrzunehmen (vgl. Fig. 5, 6
                              									bezieh. 7 Taf. 28).
                              									Diese Querschnittscontractionen des Versuchsstückes verschwinden entweder nach dem
                              									Bruche wieder mehr oder weniger, oder sie bleiben auch nach dem Bruche deutlich an
                              									den Bruchenden erkennbar. Letzteres ist namentlich bei zähen, wenig elastischen
                              									Körpern, wie Zinn, Blei, plastischer Thon u. dgl. der Fall; ersteres bei solchen Körpern, welche sich wie
                              									Glas, Stahl, Kautschuk, Guttapercha u.a. durch ein besonders starkes elastisches
                              									Verhalten auszeichnen. Während durch Glühen erweichte Silberdrähte eine deutlich
                              									sichtbare Contraction der Bruchenden zeigen, verschwindet diese bei hartgezogenem
                              									Drahte mit Zunahme der Elasticität und Sprödigkeit mehr und mehr. Interessant sind
                              									die in Fig. 5 und 6 sichtbaren
                              									Verwerfungen der Bruchflächen, welche auf das Auftreten von Scherkräften auch bei
                              									reiner Zugbeanspruchung hindeuten dürften.
                           Die Erreichung des Culminationspunktes der Diagrammcurve ist nur bei wenig Körpern zu
                              									beobachten. Die gröſste Näherung zeigen gewöhnlich die Diagramme schwach elastischer
                              									Materialien. In den meisten Fällen erfolgt der Bruch des Versuchsstückes viel früher
                              									und zwar, mit wenig Ausnahmen, um so eher, je elastischer das Material ist. Die
                              									Ursache hierzu ist vielleicht in der Ueberwindung der in der Längenrichtung des
                              									Versuchsstückes wirkenden molekularen Anziehungskräfte im gefährlichen Querschnitte
                              									zu suchen.
                           Zur Beobachtung der angedeuteten Verhältnisse eignen sich besonders die bei
                              									Zugbeanspruchung langer Versuchsstücke erhaltenen Diagramme, da bei diesen der
                              									Einfluſs der Einspannstellen fast verschwindet. Hierauf deutet das seltene Vorkommen
                              									des Bruches an der Einspannstelle hin. Bei Druckbeanspruchungen tritt dagegen dieser
                              									Einfluſs in Folge der stets geringen Länge des Probestückes und der während des
                              									Versuches bald eintretenden Vergröſserung der Druckflächen so stark hervor, daſs die
                              									Druckcurve schon nach verhältnifmäſsig geringer Zusammenpressung des Probestückes
                              									einen Wendepunkt zeigt und sich rasch von der
                              									Abscissenachse entfernt. Diese Erscheinung, auf welche auch Kick (vgl. 1882 244 * 36) bereits aufmerksam
                              									gemacht, zeigt das in Fig. 3 Taf.
                              									28 dargestellte, bei dem Zerdrücken eines Cylinders aus plastischem Thone auf dem
                              										Rensch'schen Apparate erhaltene Diagramm.
                           Die Abweichungen in der Gestalt der Festigkeitsdiagramme materiell verschiedener
                              									Versuchskörper sind wahrscheinlich auf Unterschiede in der Gröſse der den
                              									Körperelementen eigenen elastischen Kraft, der die innere Reibung bedingenden
                              									gegenseitigen Pressung und Oberflächenbeschaffenheit dieser Elemente, sowie der Art
                              									und Geschwindigkeit der Fortpflanzung der Zug- und Druckspannungen im Inneren des
                              									Versuchskörpers zurückzuführen. Daſs auf letztere die Gestalt der kleinsten
                              									Körpertheile von Einfluſs, dürfte kaum zweifelhaft sein.
                           Diese im Vorstehenden der Betrachtung und Deutung der Festigkeitsdiagramme zu Grunde
                              									gelegte ideale Constitution der Körper, stellt der Bau der textilen Gespinnste gewissermaſsen bildlich dar. Das einfache, nur aus
                              									parallel zu einander angeordneten Elementarfasern gebildete Streckband kann als
                              									Repräsentant eines homogenen, stabförmigen Körpers dienen, in welchem durch
                              									geeignete Arbeitsverfahren, z.B. bei Metalldrähten durch Ausglühen, die inneren
                              									Spannungen auf ein Minimum herabgedrückt sind. Die Fasern selbst sind stark elastisch
                              									und nur schwach an einander gedrückt; sie haften durch Reibung an einander (innere
                              									Reibung), welche ihrer gegenseitigen Verschiebung einen gewissen Widerstand
                              									entgegensetzt. Durch Zusammendrehen werden die gegenseitigen Abstände der
                              									Einzelfasern verkleinert, die Pressung und damit die Reibung zwischen den Fasern
                              									erhöht. Der Widerstand, welcher sich einer Verschiebung derselben entgegenstellt,
                              									wird vermehrt. Von solchen verschieden stark gedrehten Gespinnsten genommene
                              									Zerreiſsungsdiagramme zeigen demnach das Anwachsen der Bruchbelastung mit der durch
                              									stärkere Zwirnung hervorgerufenen Zunahme der inneren Reibung. Bei schwacher Drehung
                              									des Fadens, so lange derselbe also noch ein lockeres Gefüge zeigt und die inneren
                              									Spannungen in Folge dessen noch gering sind, besitzen die Diagrammcurven, ebenso wie
                              									diejenigen weicher Metalle (Zinn, Blei u. dgl.), einen ziemlich sicher bestimmbaren
                              									Culminationspunkt. Mit zunehmender Zwirnung steigt die Curve rascher empor und endet
                              									dann noch vor Erreichung des Culminationspunktes. Die in Fig. 8 Taf.
                              									28 gezeichneten Diagramme, welche bei der Belastung von Kammwollgespinnsten mit t = 0, 14, 20 bez. 29 Drehungen auf 1m Länge erhalten wurden, geben ein deutliches Bild
                              									dieses Verhaltens; sie zeigen zugleich, daſs dasselbe genau demjenigen entspricht,
                              									welches bei der Beanspruchung homogener Körper, wie durch Ziehen verdichteten und
                              									gehärteten Metalldrähten, beobachtet wird.
                           
                              
                                 (Schluſs folgt.)
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
