| Titel: | Umlegung von Bauwerken mittels Dynamit. | 
| Fundstelle: | Band 254, Jahrgang 1884, S. 456 | 
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                        Umlegung von Bauwerken mittels
                           								Dynamit.
                        Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 33.
                        Umlegung von Bauwerken mittels Dynamit.
                        
                     
                        
                           Vor einiger Zeit (1884 251 126) wurde über die Umlegung eines Dampfschornsteines in Aszod berichtet.
                              									In den Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und
                                       										Geniewesens, 1884 S. 215 findet sich nun eine ausführlichere Beschreibung
                              									dieser Arbeit, welche gewiſs häufig Nachahmung finden wird, da sie auf billige und
                              									rasche Art zum Ziele führt.
                           Aus Fig. 5 bis
                              										7 Taf. 33
                              									sind die Einzelheiten und die Bauart des Schornsteines ohne weiteres ersichtlich.
                              									Nachdem der Sockel 2m,80, der Schornstein selbst
                              									an seinem Fuſse aber nur 1m,70 Mauerstärke hatte,
                              									wurde ein 5m hohes Gerüst erbaut und 6m über der Erde ein Keilstumpf von 1m an der groſsen und 0m,20 an der kleinen Endfläche durch 15 Bohrschüsse ausgesprengt, worauf
                              									der 59m,6 hohe Schornstein genau in der
                              									gewünschten Richtung, nämlich nach der Seite der Bohrlöcher, niederfiel. Die
                              									Bohrlöcher wurden in nachstehender Reihenfolge abgethan:
                           
                              
                                  I
                                 Nr.„„
                                 123
                                 0,20m0,250,30
                                 tief„„
                                 0,04k0,070,11
                                 Ladung„„
                                 
                              
                                  II
                                 „„„
                                 456
                                 0,250,300,50
                                 „„„
                                 0,060,110,50
                                 „„„
                                 
                              
                                 III
                                 „„„„„
                                 7891011
                                 0,400,300,250,550,55
                                 „„„„„
                                 0,250,110,060,500,40
                                 „„„„„
                                 
                              
                                 IV
                                 „„„„
                                 12131415
                                 0,500,600,500,53
                                 „„„„
                                 0,500,800,500,60
                                 „„„„
                                 
                              
                           Die Ladungen von 0k,50 bezieh. 0k,40 der II. und III. Gruppe wurden deshalb so
                              									groſs gewählt, um das Mauerwerk vollständig zu durchschlagen; die Schüsse der IV.
                              									Gruppe bewirkten die Umlegung und wurden mit Bleizündschnur gleichzeitig gezündet.
                              									Als Ladungsformel wurde die S. 117 d. Bd. gegebene Gleichung l = k (w + r)3 gewählt, wobei
                              										
                              									k = 0,50 und w = r angenommen war, was die Formel 1 = 4 : w3 ergab. Als
                              									Sprengmaterial war der geringeren Brisanz wegen Dynamit Nr. 2 gewählt worden. Die
                              									Arbeit nahm während 3 Tage im Ganzen 18 Stunden lang 1 Officier, 1 Unterofficier und
                              									3 Mann, 4k,61 Dynamit, 15 Sprengkapseln, 10m,2 Bickford'sche und
                              										8m Bleizündschnur in Anspruch, was nach
                              									gewöhnlichen Verhältnissen einen Kostenaufwand von etwa 70 M. bedingen würde.
                              									Erwähnenswerth ist, daſs beim Falle nur die nach unten liegenden Ziegel brachen; von
                              									den 250000 Ziegeln des Schornsteines waren 150000 ganz und weitere 20000 noch
                              									brauchbar geblieben.
                           In Groſsalsleben im Herzogthum Anhalt wurde ein Kirchthurm
                                 										durch Dynamit umgelegt, worüber Bauinspektor F. Maurer in der Deutschen Bauzeitung, 1884 * S.
                              									507 berichtet. Schiff, Chor und Treppenhaus-Anbauten, sowie Thurmhelm wurden in
                              									üblicher Weise abgetragen. Sodann wurden die nördliche und die südliche
                              									Umfassungsmauer des Thurmes am unteren Theile bei a und
                              										b etwa bis zu einer Höhe von 2m,5 ausgebrochen, wobei die daselbst vorhandenen
                              									überwölbten Fensteröffnungen zur genügenden und sicheren Ausdehnung des Ausbruches
                              									beitrugen. Da an der Ostseite bei c eine 4m,0 weite und 2m,4 hohe gewölbte Oeffnung bereits bestand, so war das aufgehende 18m,4 hohe Thurmmauerwerk schlieſslich nur noch im
                              									Westen durch die daselbst befindliche und ganz unberührt gelassene Umfassungsmauer
                              										d sowie durch die zwei im Osten stehen gebliebenen
                              									Eckpfeiler bei e und f
                              									unterstützt. In jedem dieser beiden Pfeiler wurde am unteren Ende ein Bohrloch mit
                              									Dynamitpatrone nebst Zündschnur von gleicher Länge versetzt. Als die Schnuren
                              									abgebrannt waren, fiel der Thurm in Folge der Explosion genau in der Richtung von
                              									Westen nach Osten gegen die Chorschuttmassen. Einen Augenblick hatte man die
                              									Erscheinung, als habe sich das zusammenhängende Mauerwerk in der Form eines Winkels
                              									() einfach umgelegt; dann sah man nur noch einen formlosen Schutthaufen vor
                              									sich. Leicht konnte nun die Gewinnung der noch brauchbaren Bruchsteine und die
                              									Abfuhr des Schuttes bewirkt werden. Der Versuch war so glücklich gelungen, daſs auch
                              									nicht ein Stein über die vom Chore u. dgl. herrührenden Schuttmassen hinaus rollte
                              									und nirgends war Schaden entstanden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 254, S. 457
                              
                           Es ist ein glücklicher Zufall, daſs die beiden Patronen gleichzeitig explodirten, sonst hätte der Thurm leicht eine andere
                              									Fallrichtung bekommen und wäre vielleicht das nördlich nur 9m weit entfernt stehende Schulgebäude beschädigt
                              									worden. In Fällen, wo man mehr als eine Patrone abzuthun hat und doch eine bestimmte
                              									Fallrichtung erzielen will, muſs man sich eben der elektrischen Zündung oder der
                              									schnellbrennenden Zündschnur bedienen.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
