| Titel: | Einige neuere Beobachtungen über die chemische Zusammensetzung der Steinkohle; von P. F. Reinsch. | 
| Autor: | P. F. Reinsch | 
| Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 224 | 
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                        Einige neuere Beobachtungen über die chemische
                           								Zusammensetzung der Steinkohle; von P. F. Reinsch.
                        Reinsch, über die chemische Zusammensetzung der
                           								Steinkohle.
                        
                     
                        
                           Bei meinen Untersuchungen über die mikroskopischen Elementarbestandtheile der
                              									Steinkohle des Carbon kam ich, durch Nebenversuche geleitet, zu einigen Ergebnissen,
                              									welche für die Chemie der Steinkohle neu sind und deshalb einer Bekanntmachung werth
                              									erscheinen. Da mir der bisher übliche Weg der Herstellung mikroskopischer Schnitte
                              									des Minerales zur Ermittelung der mikroskopischen Elementarzusammensetzung nicht
                              									mehr genügte, war ich darauf bedacht, Methoden ausfindig zu machen, wodurch
                              									Einschlüsse irgend welcher Art in einer unveränderten Form gewonnen werden, in
                              									ähnlicher Weise, wie man aus Kalken verkieselte Fossile durch Auflösen des Kalkes
                              									gewinnt.
                           Die früher üblich gewesene Methode: Kochen der Kohle in einem Gemenge von
                              									Salpetersäure und chlorsaurem Kalium führte zu wenig genügenden Ergebnissen. Endlich
                              									gelang es mir, mittels ätzender Alkalien aus der Steinkohle in Alkalien lösliche und
                              									unlösliche Bestandtheile zu gewinnen. Mittels Erdöl, Schwefelkohlenstoff, Alkohol,
                              									Aether werden bekanntlich aus der Steinkohle Bestandtheile nicht gewonnen. Durch
                              									Einwirkung der Alkalien können die meisten der in Alkalien unlöslichen
                              									Bestandtheile, nicht in irgend einer Weise durch die Einwirkung der Alkalien
                              									morphologisch verändert, zur mikroskopischen Untersuchung geeignet erhalten werden;
                              									hingegen kann ein wesentlicher Bestandtheil, welcher genauer Untersuchung im Wege
                              									ist, entfernt werden. Man ersieht dies aus der Vergleichung der Einschlüsse mit
                              									einem mikroskopischen Schnitte des Minerales. Der in Alkali lösliche Bestandtheil
                              									erweist sich nämlich als eine völlig amorphe, unter dem Mikroskope undurchsichtige,
                              									nur in der Auflösung halb durchsichtige, homogene Substanz. Im reinen Zustande löst
                              									sich dieselbe selbst in verdünnter Kalilauge mit tiefbrauner Farbe vollständig auf.
                              									Aus einer gesättigten alkalischen Auflösung der Substanz wird selbst nach
                              									anhaltendem Kochen bei der Abkühlung nichts aus der Auflösung gefällt. Es ist durch
                              									dieses Verhalten der amorphen undurchsichtigen Substanz der Steinkohle ermöglicht,
                              									die in Kalilauge unlöslichen Bestandtheile völlig isolirt zu erhalten und frei von
                              									den dieselben einhüllenden amorphen Bestandtheilen.
                           Nach längerem Kochen gröblich gepulverter Steinkohle mit starker Kalilauge erhält man
                              									nach Verdünnung mit Wasser und längerem Stehen einen Niederschlag, welcher alle die
                              									unlöslichen Bestandtheile der Steinkohle enthält und vorzügliches Material zur
                              									mikroskopischen Untersuchung liefert. Die überstehende tief dunkelbraune Flüssigkeit
                              									filtrirt, ergibt auf dem Filter nur sehr wenig schleimige Substanz, welche sich
                              									unter dem Mikroskope aus winzig kleinen, undurchsichtigen, jedoch verschieden gestaltigen
                              									Theilchen zusammengesetzt zeigt; darunter befinden sich einzelne der Körperchen von
                              									bestimmter organischer Form, welche den unlöslichen Rückstand der Hauptsache nach
                              									ausmachen. Unter dem Mikroskope erweist sich die alkalische filtrirte Auflösung als
                              									völlig gleichartig, von einer grau braunrothen Färbung. Aus dieser alkalischen
                              									Auflösung erhält man die aufgelöste amorphe Substanz der Steinkohle durch
                              									Uebersättigen mit Salzsäure oder Salpetersäure, Digeriren und Stehenlassen. Nach 24
                              									Stunden hat sich die amorphe Substanz abgesetzt, während die überstehende
                              									Flüssigkeit nur schwach gelblich gefärbt ist. Nach Abfiltrirung der Flüssigkeit und
                              									mehrmaligem Auswaschen erhält man diesen Bestandtheil der Steinkohle im reinen
                              									Zustande als eine voluminöse, gallertartige Masse, auf dem Finger zerrieben von
                              									lebhaft graubraunrother Färbung. Beim Austrocknen schwindet diese Substanz um mehr
                              									als das 10 fache ihres Volumens im feuchten Zustande. Wird die ausgetrocknete
                              									Substanz mit Wasser befeuchtet, so quillt sie auf und wird breiartig. Weder
                              									concentrirte Salzsäure, Salpetersäure und Schwefelsäure, noch concentrirte
                              									Fluſssäure zeigen die geringste Einwirkung auf diese Substanz. Mit concentrirter
                              									Salpetersäure erwärmt, wird die Substanz, unter Entwickelung von Salpetrigsäure,
                              									allmählich zersetzt. Auf dem Platinbleche erhitzt, verbrennt sie, ohne sich
                              									aufzublähen, geruchlos und mit Entwickelung schwacher Ammoniakdämpfe, mit
                              									Hinterlassung eines kleinen Rückstandes. In kalter Ammoniakflüssigkeit ist die
                              									Substanz langsam, erwärmt schneller löslich. Die Substanz besitzt eine überaus stark
                              									färbende Eigenschaft, 500cc Wasser werden noch
                              									tief braunroth gefärbt durch einige Tropfen einer alkalischen Auflösung der
                              									Substanz. Die wässerige Auflösung, der Einwirkung unmittelbaren Sonnenlichtes
                              									ausgesetzt, erleidet nach einiger Zeit keine Entfärbung.
                           In den gewöhnlichen Vorkommnissen der Steinkohlenflötze des Festlandes (von dem Saar-
                              									und Ruhrbecken, Belgien, Schlesien, Böhmen), ferner in der Kohle von Newcastle
                              									(England), Pittsburg, Indiana, Illinois (Vereinigte Staaten Nordamerikas), in der
                              										„Whitecoal“ und im Tasmanit (Australien) konnte diese mit aller
                              									Wahrscheinlichkeit in allen Carbonkohlen vorhandene Substanz nicht, oder nur in sehr
                              									geringer Menge (bis höchstens 1 Proc.) auf diesem Wege nachgewiesen werden. In der
                              									Kohle des sächsischen Beckens werden geringe Mengen löslicher Substanz nur bei
                              									anhaltender Einwirkung kochender Kalilauge erhalten.
                           In gröſster Menge ist bis jetzt diese eigenthümliche Substanz in der „Blätter“
                              									oder „Papierkohle“ der Carbonformation des mittleren Ruſslands von mir
                              									gefunden worden. Zwischen den papierdünnen Lagen dieser eigenthümlichen Kohle finden
                              									sich zahlreiche Lagen einer bröckeligen, stark glänzenden, klein muscheligen Kohle,
                              									welche leicht in siedender Kalilauge mit tiefbrauner Farbe sich auflöst und von den
                              									in Kalilauge unlöslichen Kohlenlagen getrennt werden kann. Die Vorkommnisse der russischen
                              									Blätterkohle sind an verschiedenen Orten abweichend nach Art der Zusammensetzung aus
                              									kohliger und blätteriger Substanz und es ist deshalb das Verhältniſs zwischen
                              									löslicher und unlöslicher Substanz in der procentischen Zusammensetzung der
                              									Blätterkohle ein verschiedenes. Indessen bewegt sich dieses nach mehreren Versuchen:
                              									Zwischen 85 bis 95 Proc. unlöslicher Substanz, bestehend aus Lagen der bis jetzt als
                              									die Epidermis der Stämme von Lepidodendren betrachtet gewesenen papierdünnen
                              									Blättchen und 5 bis 15 Proc. löslicher Substanz, gleichartig, in Alkalien löslich
                              									und durch Säuren fällbar.
                           Ferner ist die lösliche homogene Substanz in der Steinkohle von Metschowk
                              									(Gouvernement Tula) enthalten, welche ganz das äuſsere Ansehen der Faserkohle von
                              									Newcastle oder aus dem Saarbecken hat. Diese Kohle enthält bis zu 10 Procent der
                              									sogen. „Ruſskohle“, der kohligen, lockeren, in keiner Carbonkohle fehlenden
                              									Substanz, welche sich schon mit bloſsem Auge als pflanzlichen Ursprunges erweist und
                              									die Ueberreste von Holzsubstanz darstellt. In den äuſserlich ganz wie Pechkohle sich
                              									verhaltenden Schichten findet sich die amorphe lösliche Substanz bis zu 5 bis 8
                              									Proc. Die aus der alkalischen Auflösung gefällte Substanz erweist sich völlig
                              									identisch mit der Substanz der Blätterkohle.
                           Daſs die fragliche Substanz in allen Carbonkohlen nachweislich ist und daſs dieselbe
                              									in Kohlen, in welchen nur geringe Mengen sich nachweisen lassen, sehr wahrscheinlich
                              									in gröſserer Menge in einer durch Alkalien allein nicht aufschlieſsbaren Form
                              									vorhanden ist, erhellt auch aus der mikroskopischen Untersuchung guter Dünnschliffe
                              									des Minerales. Es müssen deshalb noch Versuche zu Aufschlieſsung dieser Kohlen
                              									angestellt werden.
                           Aus den hier mitgetheilten Beobachtungen ergibt sich, daſs in der Steinkohle mittels
                              									alkalischer Auflösungen lösliche Stoffe sich finden, welche im reinen Zustande
                              									völlig amorph und auch im Dünnschliffe ohne irgend eine organische Structur
                              									erkennbar sind, stark färben und sich durch ihre Widerstandsfähigkeit gegen
                              									concentrirte Mineralsäuren und in Lösung gegen die Einwirkung des Lichtes
                              									auszeichnen, daſs mithin die Steinkohle aus zwei verschiedenen durch ihr
                              									abweichendes Verhalten gegen alkalische Lösungen verschiedenen Substanzen
                              									zusammengesetzt ist.
                           Erlangen, April 1885.