| Titel: | Vorsichtsmassregeln bei der Herstellung des Celluloides. | 
| Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 282 | 
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                        Vorsichtsmaſsregeln bei der Herstellung des
                           								Celluloides.
                        Vorsichtsmaſsregeln bei der Herstellung des
                           								Celluloides.
                        
                     
                        
                           Die Herstellung und Bearbeitung des Celluloides ist durch die sich dabei
                              									entwickelnden Salpetersäuredämpfe und die leichte Entzündlichkeit und
                              									Explosionsfähigkeit eine der gefährlichsten Industrieen und z.B. in Frankreich
                              									Kindern die Beschäftigung in derselben untersagt. Die Eigenschaft des Celluloides,
                              									bei einer Temperatur von 80 bis 90° einen Zustand anzunehmen, welcher ein leichtes
                              									Formen gestattet, bedingt die Vielseitigkeit in den hergestellten Gegenständen, wie
                              									Knöpfe, Schmucksachen, Kämme, Brillen- und Geldtäschchenfassungen, Zähne,
                              									Billardbälle, typographische Bildstöcke und den „Linge americain“ genannten Stoff; doch fordert andererseits der
                              									Umstand, daſs sich das Celluloid bei 130° freiwillig zersetzt und bei 180° explodirt
                              									und verpufft und bei Berührung mit einem brennenden Körper schnell verbrennt, zu
                              									gröſster Vorsicht bei der Erzeugung der Gegenstände, wie wohl auch beim Gebrauche
                              									derselben auf. Im Nachstehenden sind nach dem Bulletin de
                                 										Rouen, 1884 S. 525 die in den Fabriken der Compagnie francaise du Celluloid zu Stains bestehenden Vorsichtsmaſsregeln
                              									mitgetheilt (Vgl. auch Clouet u.a. 1877 225 520. 226 646. Tribouillet 1880 235 *
                              									203.)
                           Die zur Umwandlung der Cellulose oder Baumwolle in Schieſsbaumwolle verwendete Säure
                              									ist ein Gemisch aus 5 Th. Schwefelsäure und 2 Th. Salpetersäure und wird in dem zur
                              									Säuerung benutzten Raume in einer besonderen durch einen 2m breiten und 1m
                              									tiefen, mit Wasser gefüllten Kanal getrennten Abtheilung aufbewahrt, zu welcher die
                              									Arbeiter keinen Zutritt haben. Nur eine bestimmte Person und deren Gehilfe, welche
                              									beide durch eine von der Brust bis zu den Knöcheln reichende Kautschukhülle
                              									geschützt sind, können zu den Säureflaschen gelangen, stellen dieselben auf das
                              									Ausgieſsen erleichternde Schaukeln und bedecken die Mündung durch eine mit Röhrchen
                              									versehene Kappe. Der Fuſsboden des Säuerungsraumes ist cementirt und mit
                              									Ablaufrinnen versehen, welche beständig durch Wasser gespült werden, so daſs, wenn
                              									eine Säureflasche zum Brechen kommt, die ausströmende Säure schnell verdünnt und
                              									abgeleitet wird.
                           Bei dem auf Rollen gewickelten Cellulosepapiere wird die Säuerung in einem steinernen
                              									Behälter, durch welchen dasselbe geleitet wird, vorgenommen; die Arbeiter sind dabei
                              									durch Ueberwürfe und Handschuhe aus Kautschuk geschützt. Ueber dem steinernen
                              									Behälter befindet sich eine Haube aus Bleiblech zum Auffangen und zur Ableitung der
                              									frei aufsteigenden Säuredämpfe. Die Säuerung der Baumwolle wird in Sandsteinvasen
                              									vorgenommen, welche ebenfalls unter einer bleiernen Abzugshaube zu stehen kommen.
                              									Zur Vervollkommnung dieser Maſsregeln könnte man noch in dem Säuerungsraume über den
                              									Köpfen der Arbeiter eine fortwährend durch Kalkwasser oder eine andere alkalische
                              									Lösung getränkte Leinwand ausspannen, welche die nicht in die Abzugshauben
                              									eintretenden Säuredämpfe zu neutralisiren hätte. Dieses Mittel würde ebenso gut auch
                              									bei dem darauf erfolgenden Auspressen und Bleichen der Schieſsbaumwolle, welche
                              									Arbeit in Stains durch 2 Personen mit durch Kautschukhandschuhe geschützten Händen
                              									in einem gut gelüfteten Raume vorgenommen wird, anzuwenden sein.
                           Das Zerreiben der Schieſsbaumwolle erfolgt in einer metallenen Mühle und wird in
                              									derselben auch die Mischung der Schieſsbaumwolle mit Kampher und den Farbezusätzen
                              									vorgenommen. Die Mischung wird dann auf einer hydraulischen Presse in etwa 1k schwere Kuchen geformt. Die etwas getrockneten
                              									Kuchen werden zerbrochen, mit Alkohol befeuchtet und zwischen zwei bis zu 60°
                              									erwärmten Cylindern zu etwa lern dicken Platten ausgewalzt. Die Gefahr dabei ist die leichte
                              									Entzündlichkeit und die Einathmung der Kampher- und Alkoholdämpfe; das Zerreiben
                              									wird aus diesem Grunde vorgenommen, wenn der Wassergehalt der Schieſsbaumwolle noch
                              									40 Proc. beträgt und das Zerbrechen von einem Untermeister in einem aus zwei
                              									gezahnten Bronzecylindern bestehenden Apparate ausgeführt. Nach der Anfeuchtung mit
                              									Alkohol werden die Stücke in einem luftdicht verschlossenen Zinkkasten bis zum
                              									Walzen aufbewahrt. Der Raum, in welchem diese Arbeiten vorgenommen werden, ist 30m lang, 20m
                              									breit, 8m hoch und wird durch ein Gebläse von
                              									einer Leistungsfähigkeit von 20cbm für jeden
                              									Arbeiter in der Stunde stark gelüftet.
                           Die erlangten Celluloidplatten sind noch mit kleinen Gasbläschen versetzt, werden
                              									daher in einem mit Dampf bis zu 50° erwärmten Kasten unter eine hydraulische Presse
                              									gebracht und während 6 bis 8 Stunden unter einem Drucke von 150at gelassen. Man leitet nun statt Dampf kaltes
                              									Wasser um die Kastenwände und erhält nach Verlauf von 15 bis 18 Stunden das
                              									Celluloid in Blöcken. Hier liegt die Gefährlichkeit in dem Brechen der Maschinen und
                              									der Entzündlichkeit des Celluloides; gegen letztere werden bei dem Trocknen zu
                              									erwähnende Vorsichtsmaſsregeln angewendet, ebenso auch beim Zerschneiden der Blöcke
                              									in Platten mit der Säge.
                           Die abgewischten Platten werden in den Trockenkasten an einander gelegt und während 3
                              									Tagen 3 mal mit einem unter leichter Pressung stehenden Luftstrom auf eine
                              									Temperatur bis höchstens 50° gebracht. Dieser Arbeitsvorgang ist der gefährlichste,
                              									da das Celluloid sich bei erhöhter Temperatur leicht zersetzen und explodiren kann.
                              									Der Trockenapparat besteht zur Sicherheit aus kleinen getrennten Kammern ohne andere
                              									Oeffnung als eine eiserne Thür. Jede Kammer wird durch ein besonderes unter einem
                              									Roste liegendes schlangenförmiges, mit Dampf gespeistes Rohr erwärmt und wird die
                              									erzeugte Temperatur im Inneren der Kammer durch vier gewöhnliche und ein fünftes mit
                              									elektrischem Meldewerk versehenes Thermometer angezeigt. Das elektrische Thermometer
                              									hat eine Leitung nach dem Zimmer des Fabriktechnikers und eine nach dem Standorte
                              									des Wärters für die Trocknerei. Um unabhängig davon noch selbstthätig den
                              									Dampfzuleitungshahn für die Rohrschlange absperren zu können, hat jede Kammer noch
                              									eine selbstschlieſsende Vorrichtung. Der Hahn wird durch ein Gewicht geschlossen,
                              									welches von einem leicht verbrennlichen Bande gehalten wird. Für den Fall einer
                              									Entzündung sind 3 gewöhnliche Hebelpumpen, 3 Dampfpumpen und entsprechende
                              									Schlauchansätze vorhanden. In besonderen Gebäuden abseits der Fabrik wohnen 18
                              									Arbeiterfamilien ohne andere Bestimmung, als bei entstehendem Brande sofort zur Hand
                              									zu sein.
                           Bei der Bearbeitung des getrockneten Celluloides ist es hauptsächlich die leichte
                              									Entzündung desselben, welche auf den Drehbänken, Sägen u.s.f. durch die Erwärmung
                              									vorkommen kann. Zur Sicherung werden diese Arbeiten alle unter einem Wasserstrahle
                              									vorgenommen und der die Späne sammelnde Kasten ebenso fortwährend genäſst. Leider
                              									muſs das Celluloid, um einen hohen Glanz zu erhalten, trocken gedreht und polirt
                              									werden und werden deshalb die Arbeiten zur Herstellung polirter Gegenstände in einem
                              									besonderen Gebäude vorgenommen.
                           Die Erleuchtung der Fabriken zu Stains erfolgt durch elektrische
                              									Glühlampen, welche in allen Gebäuden vorhanden sind. Alle Gebäude sind auch gut
                              									gelüftet, der Fuſsboden derselben wird jeden Tag abgekehrt und gewaschen, die Mauern
                              									und Decken werden wenigstens einmal jede Woche abgewischt. Die Eingriffe der Räder
                              									der Maschinen sind vollkommen abgedeckt und auch die Transmissionsriemen umhüllt. In
                              									den Fabriken ist fortwährend, Tag und Nacht, eine Wache in Thätigkeit und kann die
                              									Thätigkeit der Wächter durch besondere Controlapparate jederzeit nachgeprüft
                              									werden.
                           Es ist wohl diesen eingehenden Vorsichtsmaſsregeln zuzuschreiben,
                              									daſs die Fabrik zu Stains innerhalb zweier Jahre keinen gröſseren Brand aufzuweisen
                              									hatte.