| Titel: | Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. | 
| Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 408 | 
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                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        Mit Abbildungen.
                        (Patentklasse 78. Fortsetzung des Berichtes Bd.
                           								255 S. 518.)
                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        
                     
                        
                           W. F. Wolff in Walsrode und M. v.
                                    										Foerster in Berlin (D. R. P. Anmeldung vom 25. August 1884) erzeugen ein Sprengpulver durch Zerkleinern stark gepreſster Nitrocellulose zu Körnern. Zu diesem Zwecke wird fein
                              									zerkleinerte nasse Nitrocellulose auf hydraulischen Pressen zu dünnen Platten
                              									verdichtet, die nassen Platten in Streifen, die Streifen in Körner zersägt. Statt
                              									der nassen Nitrocellulose wollen sie auch durchaus mit Paraffin getränkte verwenden
                              									(woraus wohl kein sonderlich brauchbares Pulver entstehen wird). Die Körner können
                              									zum Schutze gegen
                              									Verstauben in ein Lösungsmittel, wie Essigäther (vgl. dagegen 1884 251 371), Nitrobenzol u. dgl. oder in flüssiges Paraffin
                              									getaucht werden. Der Vortheil dieses Pulvers besteht in einem höheren specifischen
                              									Gewichte gegenüber gewöhnlicher Nitrocellulose.
                           Von Th. Nordenfelt in London stammen die beistehend
                              									abgebildeten zwei neuen Formen für prismatisches
                                 										Pulver. Die Form Fig. 1 hat convexe Enden,
                              									die Form Fig. 2 überdies trichterförmige
                              									Vertiefungen; beiden fehlt der Zündkanal. Nordenfelt
                              									hat diese Formen deshalb so gewählt, weil die Prismen mit Zündkanälen unmittelbar
                              									nach der Entzündung in Folge des Gasdruckes bersten können, wodurch plötzlich ein
                              									übermäſsiger Druck im Rohre entstehen kann; bei den Nordenfelt'schen Formen sind einerseits die für die rasche Entzündung
                              									günstigen freien Flächen durch die Krümmung der Enden vergröſsert, andererseits wird
                              									das Prisma erst dann ein durchlöchertes, wenn die Scheidewand zwischen den beiden
                              									Eindrückungen durchgebrannt ist. Versuche mit diesen Prismen müssen erst zeigen, ob
                              									die dadurch erzielte Vergröſserung des Hohlraumes nicht schon nachtheilig ist.
                           Fig. 1., Bd. 256, S. 409Fig. 2., Bd. 256, S. 409T. Petry, O. Fallenstein und H. Lisch
                              									in Düren (D. R. P. Nr. 31786 vom 18. Juni
                                 										1884) stellen einen Sprengstoff her, indem sie Schieſsbaumwolle oder
                              									andere Nitrocellulose in einem Nitrokohlenwasserstoff,
                              									z.B. Nitrobenzol, lösen, in die entstehende gelatinöse Masse chlorsaures Kali,
                              									Kalisalpeter, salpetersaures Ammoniak u. dgl. einkneten und der ganzen Masse noch 3
                              									Proc. Schwefelantimon zusetzen. Aus diesem Sprengstoffe werden, wie beim Dynamit,
                              									mit Papier umhüllte Patronen geformt.
                           Dieselben werden nun von der Firma Petry und Fallenstein
                              									in Düren unter dem Namen „Kinetit“ in den Handel
                              									gebracht und sind damit nach der Berg- und Hüttenmännischen
                                 										Zeitung, 1885 S. 65 auf der Grube Diepenlinchen bei Stolberg Versuche
                              									angestellt wurden. Es ergab sich bei denselben:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Verbrauchk für 1m
                                 Kostenfür 1m
                                 Aufgefahrene m inder Häuerschicht
                                 
                              
                                 Im Feldortemit
                                 Pulver (70 Proc.)DynamitKinetit
                                 6,853,544,30
                                 4,577,709,82
                                 0,0460,0510,053
                                 
                              
                                 Beim Schacht-abteufen mit
                                 DynamitKinetit
                                 5,208,27
                                 13,6322,36
                                 0,01290,0135
                                 
                              
                           Wie man sieht, sind diese Versuche für Kinetit sehr ungünstig
                              									ausgefallen, was Verbrauch und Kosten betrifft, und es steht dem nur der raschere
                              									Arbeitsfortschritt gegenüber. Derlei erste Versuche sind aber gewöhnlich nicht
                              									maſsgebend; es ist anzunehmen, daſs die richtige Behandlungsweise noch nicht
                              									herausgefunden wurde, denn die Zusammensetzung des Kinetit läſst für dasselbe eine
                              									der Sprenggelatine nahe kommende Wirkung voraussetzen.
                           
                           Aus den gegebenen Andeutungen läſst sich nämlich feststellen, daſs Kinetit eine aus
                              									Schieſsbaumwolle (wahrscheinlich Dinitrocellulose) und Nitrobenzol hergestellte
                              									Gelatine ist, in welcher Salpeter und chlorsaures Kali eingeknetet und der
                              									schlieſslich noch etwas Schwefelantimon zugesetzt wird. Trotz dieses letzteren
                              									Zusatzes ist Kinetit noch immer schwer, nur durch sehr starke Zündhütchen, zur
                              									Explosion zu bringen, ist aber wasserbeständig und soll auch nicht gefrieren.
                              									Dagegen scheint es weniger brisant zu sein und deshalb einen festen Besatz zu
                              									benöthigen, ein Umstand, welcher in der Praxis wesentlich mitspielt und bei
                              									Zündhütchen auch gefährlich ist. Versuche mit Gyps- oder Heupfropfen sollen sich gut
                              									bewährt haben. Dem Kinetite dürfte nur der Umstand hinderlich sein, daſs seine
                              									Erzeugung stets theurer sein wird als die von Sprenggelatine oder Dynamit. Ueber die
                              									gröſsere Gefährlichkeit (chlorsaures Kali und Schwefelantimon sind ein Knallsatz)
                              									müssen erst Proben Aufschluſs geben.
                           P. A.
                                    											Favier in Paris (* D. R. P. Nr. 31411 vom 27. Mai 1884) will bei Herstellung
                              									von Schieſspulver den salpetersauren Salzen ihre Hygroskopicität nehmen, indem er sie mit Paraffin, Harz oder ganz
                              									besonders mit Nitronaphtalin mischt. Er empfiehlt für
                              									100 Th. salpetersauren Ammoniak 5,75 Th. Paraffin oder 7,12 Th. Harz oder 9,02 Th.
                              									Nitronaphtalin; auf 100 Th. salpetersaures Natron 9,26 Th. Paraffin, 13,40 Th. Harz,
                              									oder 18,93 Th. Nitronaphtalin. Das Nitrat wird mit dem Kohlenwasserstoffe in einen
                              									Misch- oder Knetapparat gebracht, welcher auf die Schmelztemperatur des
                              									Kohlenwasserstoffes, also bei Nitronaphtalin auf 43°, erwärmt ist, und die geknetete
                              									Masse wird in Warmpressen verdichtet und geformt. Zur Aufbewahrung ist das Pulver
                              									durch Eintauchen in eine Lack- oder Harzlösung wasserbeständig zu machen. Um diese
                              									Pulver zur Explosion zu bringen, genügt ein Zündhütchen nicht; sondern es müssen
                              									etwa 20 Proc. Dynamit, Schieſswolle o. dgl. in eine Höhlung der gepreſsten Patrone
                              									gebracht werden.
                           Wie die Erfahrung gezeigt hat, ist die schon öfter versuchte Mengung von Salpeter mit
                              									Paraffin und Harz nicht genügend, um ein Pulver wasserbeständig zu machen, da die
                              									Salpeterkrystalle allmählich ausgelaugt werden; der Ueberzug mit Paraffin (vgl. 1883
                              										250 456) schützt nur, wenn derselbe sehr sorgfältig
                              									gemacht ist und später nicht beschädigt wird. Stets
                              									verschlechtern Paraffin und Harz das Pulver. Dagegen muſs die Beigabe von
                              									Mononitronaphtalin als eine gute Idee bezeichnet werden und zweifellos wird damit
                              									ein kräftiges Pulver zu erzeugen sein, wenngleich noch zu untersuchen ist, in wie
                              									weit das Nitronaphtalin sich in der Feuchtigkeit verändern und die Gase beim
                              									Verbrennen sich verschlechtern werden. Das gröſste Bedenken gegen diese
                              									Pulvergattungen bildet der Umstand, daſs zu ihrer Explosion 20 Proc. Nitropräparate
                              									erforderlich sind; es ist sehr fraglich, ob bei längeren Bohrlochsladungen diese
                              									Menge genügen wird, und die gemischte mischte Verwendung von Pulver und Nitropräparaten hat
                              									immer die gefährlichere Handhabung gegen sich.
                           In den Transactions of the technical Society of the Pacific
                                 										Coast, 1884 Bd. 1 Nr. 5 berichtet Fr. Jenssen
                              									in San Francisco über die Ursachen der Explosionen bei der
                                 										Erzeugung hochexplosiver Stoffe. Verfasser betont, daſs in den J. 1869 bis
                              									1872 wohl viele Explosionen in derlei Fabriken vorkamen, daſs aber in den letzten 12
                              									Jahren dieselben nur selten sich ereignen. In den meisten Fällen sei die Ursache
                              									entweder unzweckmäſsige Construction und verfehlte Anordnung der Fabrik und der
                              									Einrichtungen, oder Mangel an Sorgfalt der Arbeiter, oder endlich Böswilligkeit. Jenssen findet, daſs die Herstellung von Nitroglycerin
                              									in groſsen Apparaten, wie es Nobel thut, vortheilhafter
                              									ist als nach der Mowbray'schen Methode in vielen
                              									kleinen Gefäſsen, weil zu ersterer Art nur ein,
                              									allerdings sehr verläſslicher, Arbeiter nothwendig sei. Jenssen hat die beiden Methoden in der Weise vereinigt, daſs er zwei
                              									Apparate, jeden mit 1016k (1 Tonne engl.)
                              									Nitroglycerinfassung, neben einander stellt, welche beide von einem Manne bedient
                              									werden können. Das Gemenge von Glycerin und Säuren muſs fleiſsig gerührt werden;
                              									denn wenn das Glycerin auf der Säure schwimmt, so kann es durch rasche Oxydation
                              									Feuer fangen. Nur sofortiges Absperren des Glycerinzuflusses und verstärktes Rühren,
                              									im Nothfalle rasches Entleeren in kaltes Wasser können der stürmischen Entwickelung
                              									von Untersalpetersäure vorbeugen. Die letzte hierdurch hervorgerufene Explosion in
                              									den Nobel'schen Fabriken fand im J. 1872 statt; seitdem
                              									haben die genannten Mittel stets geholfen, trotzdem häufig Zersetzungen im Apparate
                              									vorkamen. Bei der sogen. direkten Scheidung, wo, um die Säure zu gewinnen, das
                              									Nitrirgemenge absitzen gelassen wird, ist stets Explosionsgefahr vorhanden.
                           Gewöhnlich wird der Inhalt des Apparates aber in ein groſses, mit Wasser gefülltes
                              									Gefäſs abgelassen und es ist keine Gefahr zu befürchten, wenn man das Nitroglycerin
                              									so kurz als möglich im ersten Wasser läſst und alsbald in ein zweites gibt, wo die
                              									Waschung und Neutralisation beendet werden kann. Saures Nitroglycerin soll nie über
                              									Nacht stehen bleiben. Die Ablaufleitungen sollen so weit als möglich von
                              									Wärmeleitungen entfernt gehalten werden, da geringe Theile von Nitroglycerin stets
                              									in den Röhren bleiben und durch andauernde Wärme leicht zersetzt werden können.
                              									Leckungen sind sorgfältig zu vermeiden; Nitroglycerinhähne müssen leicht und ohne
                              									Reibung sich drehen lassen. Die Waschwässer, welche – theils fein vertheilt, theils
                              									an Unreinigkeiten gehängt – kleine Nitroglycerintropfen enthalten können, sollen
                              									durch Thon- oder Bleirohre möglichst unmittelbar in flieſsendes Wasser geleitet
                              									werden. Hölzerne Leitungen sind gegen Sonnenstrahlen wohl zu schützen. In einer
                              									Fabrik flössen diese Wässer über ein sandiges Ufer dem Flusse zu und an einem
                              									heiſsen Sommertage erfolgte an diesem Ufer eine heftige Explosion. In einer anderen
                              									Fabrik flössen die Waschwässer durch einen in felsigem Boden angelegten Graben und, als
                              									man bemerkte, daſs der Felsen klüftig sei und in den Spalten Nitroglycerin sich
                              									angesammelt habe, dessen Herausnahme schwierig und gefahrvoll war, entschloſs man
                              									sich, den Graben aufzulassen, die klüftige Stelle aber stets unter Wasser zu halten;
                              									nach einigen Jahren jedoch schlug während eines heftigen Gewitters der Blitz in den
                              									Graben und die darauf folgende Explosion richtete bedeutenden Schaden an.
                           In den Mischräumen ist wenig Gefahr; nur wenn der Saugstoff nach dem Trocknen zu warm
                              									verwendet wird, kann Zersetzung eintreten. Die Heizröhren sollen gut umhüllt und
                              									häufig gereinigt werden, damit der beim Mischen umherfliegende Staub nicht auf
                              									denselben liegen bleibe, was besonders bei der immer häufiger werdenden Verwendung
                              									von Nitrocellulose nothwendig ist. Selbstverständlich sind die Oefen für die
                              									Heizungen von den Gebäuden entfernt zu halten.
                           Bei den gebräuchlichen Patronenpressen sind einige Unglücksfälle dadurch vorgekommen,
                              									daſs der Stempel in dem Trichter nicht genau geführt war und sich an den Wandungen
                              									rieb (vgl. 1884 254 * 114). Zur Vermeidung solcher
                              									Unglücksfälle werden die Stempel neuestens aus Bein
                              									hergestellt. Bei der Erzeugung von Patronen aus der Sprenggelatine und dem
                              									Gelatinedynamit mit einer neuartigen Maschine (nach Art der bekannten Thonschneider
                              									angeordnete Schraube) ist bisher kein Unglücksfall vorgekommen und bei einiger
                              									Sorgfalt auch keiner zu befürchten. Es ist natürlich, daſs sowohl im Misch- wie im
                              									Verpackungsraume metallene Werkzeuge nicht verwendet werden, oder an den Wänden
                              									hängen sollen. Die Fenster sollen durch Roll vorhänge gegen unmittelbare
                              									Sonnenstrahlen geschützt sein. Reinlichkeit und Genauigkeit sind überhaupt die
                              									Vorbedingungen für die Sicherheit und können nicht genug geschätzt werden.
                           Bei aller Vollkommenheit der Einrichtungen ist es nothwendig, daſs die Arbeiter stets
                              									sorgfältig überwacht werden. Die häufig verschieden beantwortete Frage, ob man
                              									Arbeiter so lange als möglich halten, oder häufig wechseln solle, beantwortet Jenssen dahin, daſs verläſsliche Leute zu behalten, die
                              									anderen häufig zu wechseln sind; bei der Erzeugung von Nitroglycerin und bei der
                              									Neutralisation bedarf es lang geübter Leute, in den anderen Abtheilungen erfahrener
                              									Vorarbeiter, welche neue Leute niemals allein arbeiten lassen dürfen.
                           Gegen Böswilligkeit gibt es keinen anderen Schutz als sorgfältige Ueberwachung; von
                              									Nutzen ist die in Oesterreich, der Schweiz u.s.w. getroffene Anordnung, daſs die
                              									Arbeiter nur in ihre eigene Werkstätte Zutritt haben.
                           Im Hafen von Larne (Groſsbritannien) stand ein alter
                              									Schooner „Essequibo“, welcher früher als Dynamitmagazin diente und seit 1876
                              									als herrenloses Gut umhertrieb. Derselbe war zur Zeit seiner Benutzung häufig von
                              									Sturzwellen überfluthet und einmal ganz mit Wasser gefüllt worden und der betreffende,
                              									seither verstorbene Besitzer wuſste, daſs der Kielraum und die Zwischenräume
                              									zwischen den Spanten mit Nitroglycerin getränkt waren. Es schien wahrscheinlich,
                              									daſs fast alles Nitroglycerin mit der Zeit aus dem Schiffe herausgewaschen wurde;
                              									allein es blieb doch noch darin, denn als 2 Arbeiter die Metallbestandtheile dieses
                              									herrenlosen Schiffes für sich verwerthen und ein ans Land gebrachtes Pumpenrohr mit
                              									dem Hammer zerkleinern wollten, explodirte dieses und tödtete die Leute. Es mag
                              									dieser Fall als Warnung dafür dienen, daſs es nicht genügt, wenn die staatlichen
                              									Vorschriften die behördliche Bewilligung für die Errichtung von Explosivstoff-Lagerräumen vorschreiben, sondern daſs auch
                              									die Auflassung solcher erst dann erfolgen dürfe, wenn
                              									sachverständige Organe deren Ungefährlichkeit für andere Zwecke zweifellos
                              									feststellen.
                           Die französische Explosivstoff-Commission hat mit
                              									Rücksicht auf gewisse Vorstellungen, welche im Interesse der durch das Widerstreben
                              									der verschiedenen Transportunternehmer gefährdeten Ausfuhr von Pulver und Jagdmunition erhoben wurden, eine Reihe von
                              									Versuchen durchgeführt, um darzuthun, in wie weit eine Gefahr bei solchen Versendungen vorhanden sei; im Bulletin d'Encouragement, 1885 Bd. 12 S. 26 findet sich darüber der
                              									Bericht. Bei den Versuchen wurden alle während der Fortschaffung zu Land oder zur
                              									See nur irgendwie denkbaren Fälle nachgeahmt. Man lieſs insbesondere Kisten in einen
                              									Schacht von 12m Tiefe fallen, lieſs ein Gewicht
                              									von 300k bei gewöhnlicher und bei einer Temperatur
                              									von 100° aus 5m Höhe auf die Kiste fallen, lieſs
                              									in denselben Patronen detoniren, brannte die Kisten an u.s.w. Die Commission
                              									erklärte als Ergebniſs, daſs die nachfolgenden Munitionskörper in der That
                              									vollkommene Sicherheit bieten, nämlich, daſs die Explosion eines dieser
                              									Munitionskörper nicht auch die Massenexplosion der anderen in derselben Kiste
                              									verpackten hervorrufen könne: Zündhütchen in Weiſsblechbüchsen, geladen mit 65 Th.
                              									Knallquecksilber und 35 Th. Kalisalpeter; Zündhütchen in Pappschachteln, geladen mit
                              									dem Gaupillat'schen Knallsatze (Mischung von
                              									metallischen Chlor- und Schwefelcyanverbindungen); Flobert'sche Kapseln in Blechbüchsen, geladen mit 2 Th. Knallquecksilber,
                              									1 Th. Kalisalpeter, 1 Th. Schwefelantimon; Zündpillen für Centralzünderpatronen in
                              									Pappschachteln; Patronen für kleine Kaliber, System Gaupillat, in Pappschachteln; Revolverpatronen beider Systeme in Blech-
                              									oder Pappumhüllung; Jagdpatronen beider Systeme; Gewehr-Metallpatronen aller Art.
                              									Die Commission folgert daraus, daſs es gar keinen Anstand haben könne, diese
                              									Munitionskörper mit Eisenbahn-Güterzügen, Fuhrwerken (einschlieſslich
                              									Personenwagen), auf Kanälen, Segel- oder Dampfschiffen (auch Auswandererschiffen) zu
                              									befördern. Auch die Beförderung als Eilgut auf Eisenbahnen wäre zu gestatten, wenn
                              									die Flobert'schen Kapseln und die Revolverpatronen (mit
                              									Kugel) in Kisten von höchstens 5k Rohgewicht, die
                              									Zündhütchen mit höchstens 2k,5 Rohgewicht aufgegeben werden.
                              									Bezüglich der Sprengkapseln ist auch diese Commission (gleichwie die englische und
                              									österreichische) nicht der Meinung, daſs sie unter die Sicherheitsmunition zu
                              									rechnen seien (vgl. 1884 251 121. 253 75).
                           In der Dynamitfabrik von Matagne-la-Grande (Belgien) hat
                              									am 15. April d. J. eine Explosion bei der Nachscheidung von
                                 										Säuren stattgefunden, welche einem Arbeiter und auch dem Generaldirektor
                              									dieser Anlage das Leben kostete. Diese Fabrik hat früher indirekt geschieden und
                              									seit dem vorigen Jahre die noch heute in der französischen
                                 										Nationalfabrik von Vonges gebräuchliche Art der unmittelbaren Scheidung
                              									eingeführt. Es werden dabei die Säuren nach der ersten Scheidung in Korbflaschen
                              									abgezogen, hier, im Freien stehend, sich selbst überlassen, nach 24 Stunden noch 300
                              									bis 500g, nach 8 bis 14 Tagen etwa 50g und nach weiteren 14 Tagen der Rest mittels
                              									Heber abgenommen, worauf die Säuren (auf 100k
                              									Beschickung etwa 75k von 61° B.) zur
                              									Wiederverwerthung verkauft werden. Nun wurde in Matagne häufig beobachtet, daſs das
                              									Nitroglycerin auf den Säuren schwimmend gefror, ferner, daſs sich am Boden der
                              									Flaschen Eisklumpen artige Gebilde absetzten, in welchem Falle das Nitroglycerin gar
                              									nicht steigt; bei Erwärmung, oft schon bei 3 bis 4°, kam dann eine grünliche, roth
                              									dampfende Flüssigkeit in die Höhe, brannte häufig und zersprengte die Flaschen.
                              									Selbst bei versandtfertigen, also bereits verschlossenen Flaschen kamen noch oft
                              									Sprengölaugen an die Oberfläche und Flaschenbrüche waren insbesondere dann häufiger,
                              									wenn der Klumpen sich löste.
                           Als nun ein Arbeiter damit beschäftigt war, Nitroglycerin aus solchen Korbflaschen
                              									abzuheben, sah er die Strohumhüllung einer solchen und bald darauf von etwa 20
                              									anderen Flaschen brennen, lieſs seinen Topf mit Nitroglycerin stehen, rannte um
                              									Hilfe und ging trotz Warnung wieder zu den Flaschen; unmittelbar darauf explodirten
                              									etwa 40 davon und durch die ausgeflossenen Säuren entzündeten sich und detonirten
                              									dann die Flaschen eine um die andere. Trotzdem nun schon ein Arbeiter getödtet
                              									wurde, war der Generaldirektor der Fabrik so unvorsichtig – unbekannt aus welchem
                              									Grunde – eine solche Flasche umzulegen, worauf auch diese losging und ihn tödtlich
                              									verletzte.
                           Es scheint zweifellos, daſs diese ganze Art der unmittelbaren Scheidung verfehlt ist,
                              									und es steht dem nicht entgegen, daſs die Fabrik von Vonges schon Jahre hindurch so
                              									arbeitet; hat ja doch die Fabrik in Pembrey (Wales) das von Boutmy und Faucher in Vonges eingeführte
                              									Verfahren auch aufgeben müssen, weil die Möglichkeit einer Explosion gröſser ist.
                              									Stets ist es gefährlich, das Nitroglycerin längere Zeit mit concentrirten Säuren in
                              									Berührung zu lassen, weil es sich darin theilweise löst und die immer vorhandene
                              									Untersalpetersäure leicht aufnimmt, wodurch selbst bei gewöhnlicher Temperatur
                              									Zersetzung eintritt. Es können möglicherweise die mit dem Gefrieren und Aufthauen
                              									von Nitroglycerin verbundenen Wärme Vorgänge beschleunigend auf die Zersetzung einwirken. Auch die
                              									beobachteten Eisklumpen artigen Gebilde tragen offenbar zur Zersetzung bei:
                              									Gefrorene Säuren können sie nicht sein (Gefrierpunkt der Salpetersäure – 40°, der
                              									Schwefelsäure – 34°), dagegen aber Kammerkrystalle, wie
                              									sie sich bei Einwirkung von Untersalpetersäure auf Schwefelsäure entwickeln und
                              									unter stürmischer Gasentwickelung wieder zersetzen. Unbedingt schlecht ist es, eine
                              									solche Nachscheidung in breitbauchigen enghalsigen Korbflaschen vorzunehmen, welche
                              									den Dämpfen wenig Ausgang lassen.
                           Allen diesen Uebelständen begegnet man durch die in den Nobel'schen Fabriken übliche unmittelbare Scheidung, wobei in 1 bis 2
                              									Stunden und bei 12 bis 15° Wärme der gröſste Theil des Nitroglycerins in die Höhe
                              									steigt, die Trennungsschicht jedoch nicht abgehoben wird, sondern mit den Säuren in
                              									passende Gefäſse kommt, in welche sodann Wasser bis zur erreichten Verdünnung auf
                              									etwa 36° B. flieſsen gelassen wird; auch kann dies durch Einleiten von Wasserdampf
                              									in einen mit Kiesstücken gefüllten Gloverthurm geschehen. Hierbei findet nun unter
                              									starkem Aufschäumen und Dampfentwickelung eine allmähliche Zersetzung des
                              									Nitroglycerins statt und das etwa unzersetzte Nitroglycerin sinkt leicht zu Boden.
                              									Es werden auf diesem Wege wohl geringer werthige Abfallsäuren gewonnen; jedoch ist
                              									die Gefahr bedeutend herabgemindert.
                           In dem vorliegenden Falle waren offenbar die Strohumhüllungen durch Säuredämpfe
                              									entzündet, der Zersetzungsvorgang durch die Temperaturerhöhung bis zur Explosion
                              									beschleunigt worden. Die vom Generaldirektor umgelegte Flasche hatte keine
                              									Strohumhüllung, stand nicht im Feuer und war verschlossen; es scheint, daſs die in
                              									dem leeren Theile thatsächlich beobachtete Zersetzung durch das Umstürzen rasch in
                              									die ganze Masse verbreitet und so gleichfalls deren Steigerung bis zur Explosion
                              									herbeigeführt wurde.
                           In der Revue industrielle, 1885 S. 188 veröffentlicht
                              										P. Berthelot die Ergebnisse einiger im Vereine mit
                              										Vieille und Oberst Sébert, sowie der physikalischen Commission der Akademie der
                              									Wissenschaften in Paris gemachten Versuche über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Detonation in den Explosivstoffen. Die
                              									Explosivstoffe wurden in dünne Röhrchen aus Blei, Zinn und Metall von 1 bis 2mm innerer Lichte und 100 bis 200m Länge geladen und die Explosionsgeschwindigkeit
                              									zum Theile mit den Chronographen von Sébert und Le Boulengé, meist aber mit dem Sébert'schen sogen. Velocimeter gemessen, indem um die Röhrchen in
                              									passenden Abständen Drähte gewickelt waren, durch welche selbstständige elektrische
                              									Ströme gingen und zum bekannten Stimmgabel-Schreibapparate führten.
                           Die Versuche haben in mehrfacher Beziehung bemerkenswerthe, wenn auch schon früher
                              									als wahrscheinlich angenommene Ergebnisse geliefert. So wurde gefunden, daſs die
                              									Fortpflanzungsgeschwindigkeit mit dem Durchmesser der Ladung, mit der Dichte des
                              									Explosivstoffes und auch mit der Natur der Umhüllung (bei Zinn gröſser wie bei Blei)
                              									wächst. Nitroglycerin in engen Röhrchen (3mm im
                              									Lichten) ist bei 12° Wärme gar nicht, bei 14° nur theilweise und erst bei 18° (nach
                              									Aussetzung in die Sonne) zur Explosion zu bringen. Die Form der Umhüllung (gekrümmt
                              									oder rechtwinkelig) hat auf die Geschwindigkeit keinen Einfluſs. Obzwar die
                              									erhaltenen Geschwindigkeiten durch die vorerwähnten Umstände bedeutende
                              									Verschiedenheiten zeigen, ist es doch von Interesse, die Durchschnittszahlen zu
                              									kennen. Es wurde die secundliche Geschwindigkeit gefunden in Meter für: Gepreſste
                              									Schieſswolle in Bleiröhrchen 5200m, in
                              									Zinnröhrchen 5916m. Gekörnte Schieſswolle 4770m. Stärke-Pulver 4885m. Nitromannit 6908m. Nitroglycerin
                              										1078m. Dynamit Nr. 1 von Vonges 2668m. Panclastite 4685m. Die Geschwindigkeit ist am Beginne der Explosion kleiner; in Abständen
                              									von 25 zu 25m bei einer Länge von 100m gemessen, ergab gepreſste Schieſswolle von 4661
                              									bis 5980m Geschwindigkeit in der Secunde.