| Titel: | Sulfit-Zellstoff-Papier, seine Festigkeits-Eigenschaften und deren zeitliche Veränderung; von E. Hartig. | 
| Autor: | E. Hartig | 
| Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 436 | 
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                        Sulfit-Zellstoff-Papier, seine
                           								Festigkeits-Eigenschaften und deren zeitliche Veränderung; von E. Hartig.
                        Hartig, über Festigkeit von Sulfitzellstoff-Papier.
                        
                     
                        
                           Der Sulfit-Zellstoff gilt als ein Papier-Rohstoff ersten Ranges; er verleiht dem
                              									Papiere Festigkeit und Zähigkeit zugleich. Man hat jedoch zu bemerken geglaubt, daſs
                              									Papiere, welche viel Sulfit-Zellstoff enthalten, im Laufe der Zeit erheblich und
                              									stärker als andere Papiere in diesen Eigenschaften zurückgehen.
                           Am deutlichsten müſste die Erscheinung hervortreten, wenn man Papierblätter, die aus
                              									reinem Sulfit-Zellstoffe bestehen, in gewissen Zeiträumen auf Festigkeit und
                              									Zähigkeit untersuchen würde. Durch die Güte des Hrn. Schubert, Direktor der Dresdener Papierfabrik, wurde ich am 21. Mai 1884
                              									in den Besitz mehrerer solcher aus der Bütte geschöpfter, ungebleichter, ungeleimter
                              									Blätter aus reinem Sulfit-Zellstoff gesetzt, von denen je ein Bogen nach einem Monat
                              									(im Juni 1884), nach 7 Monaten (im December 1884) und nach 10 Monaten (im Februar
                              									1885) der Untersuchung unterworfen wurde. Die Aufbewahrung der Proben geschah in
                              									einem ungeheizten Sammlungszimmer und unter Abschluſs des Lichtes. Das Papier zeigte
                              									ein Gewicht von 151g auf 1qm und einen Aschengehalt von 2,22 Proc., eine
                              									bräunliche Farbe, eine hornartige Durchscheinigkeit und einen pergamentähnlichen
                              									Griff. Zu jeder Untersuchung wurde ein Bogen des Papieres verwendet, der in Streifen
                              									von 30 bis 40mm Breite zerschnitten wurde; die
                              									Länge derselben stellte sich im Zerreiſsapparate auf 300mm. An den hierbei erhaltenen Diagrammen fiel zunächst deren gröſsere
                              									Völligkeit auf, die verzögerte Abbiegung der Arbeitslinie gegen die Bruchgrenze hin.
                              									Während sonst der Völligkeitsgrad der mit Papier des verschiedensten Ursprunges
                              									erhaltenen Diagramme zu 0,67 angenommen werden kann, stieg er hier auf den Betrag
                              									von 0,75 an, d.h. die von der Bruchdehnung, der Bruchspannung und der eigentlichen
                              									Diagrammlinie umgrenzte Fläche ist 0,75 von der Fläche eines umschriebenen (aus
                              									Bruchdehnung und Bruchspannung construirten) Rechteckes.
                           Die Mittelwerthe der nach den bekannten Regeln (vgl. 1879 233 191. 1880 235 * 414) bei einer
                              									Lufttemperatur von 8 bis 16° und einer relativen Feuchtigkeit der Luft von 60 bis 66
                              									Proc. ausgeführten Versuche der auf verschiedene Zeiten fallenden 3 Untersuchungen
                              									sind folgende:
                           
                           
                              
                                 
                                 Nach
                                 1 Mon.
                                 7 Mon.
                                 10 Mon.
                                 
                              
                                 Festigkeit (Reiſslänge)
                                 
                                   3,25
                                   3,43
                                   3,65km
                                 
                              
                                 Zähigkeit (Bruchdehnung)
                                 
                                   6,21
                                   3,87
                                   1,36 Proc.
                                 
                              
                                 Zerreiſsungsarbeit, mk auf 1g
                                 
                                   0,151
                                   0,100
                                   0,036.
                                 
                              
                           Hiernach zeigt das frische (jedoch lufttrockene, und zwar langsam an der Luft
                              									getrocknete) Sulfitstoff-Papier eine Festigkeit und Zähigkeit, welche nach den vom
                              									Verfasser früher aufgestellten Normen (vgl. 1881 241 105.
                              									1882 246 441) die entsprechenden Eigenschaften des besten
                              									harzgeleimten Urkundenpapieres noch übertreffen; die Zerreiſsungsfestigkeit erfährt
                              									sogar im Laufe der Zeit eine geringe Zunahme (im Betrage von 12,3 Proc. in 10
                              									Monaten), welche jedoch durch die gleichzeitige, sehr viel stärkere Abnahme der
                              									Zähigkeit (78,6 Proc.) mehr als ausgeglichen wird, so daſs schlieſslich die auf die
                              									Gewichtseinheit bezogene Zerreiſsungsarbeit von 0mk,151 auf 0mk,036 zurückgeht, also in
                              									10 Monaten auf 24 Procent des Anfangswerthes sich abmindert; das Papier wird fester,
                              									aber zugleich spröder, seine in Arbeitseinheiten gemessene Widerstandsfähigkeit
                              									gegen Zerreiſsen sinkt von derjenigen eines guten Urkundenpapieres unter die eines
                              									guten Conceptpapieres herab.
                           Von demselben Sulfit-Zellstoffe waren auch einige Bogen geschöpft worden, nachdem man
                              									in die Bütte einen Zusatz von Gyps (14,2 Procent des lufttrocken gedachten fertigen
                              									Papieres) hinzugefügt hatte, so daſs der Aschengehalt von 2,22 auf 16,4 Proc. sich
                              									erhöhte. Dieser Zusatz von mineralischem Füllstoff verminderte an dem frischen,
                              									jedoch lufttrockenen, ungeleimten Papiere (Gewicht von 1qm gleich 161g):
                           die Reiſslänge (Festigkeit) von 3,25 auf 2km,47,
                              									also um 24,0 Proc.,
                           die Bruchdehnung (Zähigkeit) von 6,21 auf 5,15, also um 17,1 Proc.,
                           den Arbeitsmodul von 0,151 auf 0mk,095, also um
                              									37,1 Proc.,
                           womit sich die schon früher (vgl. 1884 252 259) mitgetheilten Wahrnehmungen
                              									neuerdings bestätigen.
                           Auch hier machte sich der Einfluſs der Zeit durch eine mäſsige Zunahme der
                              									specifischen Festigkeit und eine stärkere Abminderung der Zähigkeit bemerklich, wie
                              									die folgende Zusammenstellung der gewonnenen Mittelwerthe erkennen läſst:
                           
                              
                                 
                                 Nach
                                 1 Mon.
                                 7 Mon.
                                 10 Mon.
                                 
                              
                                 Reiſslänge
                                 
                                   2,47
                                   2,91
                                   2,99km
                                 
                              
                                 Bruchdehnung
                                 
                                   5,15
                                   4,96
                                   1,55 Proc.
                                 
                              
                                 Arbeitsmodul der Zerreiſsung
                                 
                                   0,095
                                   0,108
                                   0,035mk
                                 
                              
                           Es zeigt hier die letzte Zahlenreihe insofern eine Abweichung, als die specifische
                              									Zerreiſsungsarbeit einen Höchstwerth durchläuft, um nach weiterem Liegen des
                              									Papieres bis unter den für das frische Papier gültigen Anfangswerth herabzusinken.
                              									Doch will Verfasser nicht die Möglichkeit eines Irrthums an dieser Stelle
                              									bestreiten: man arbeitet bei solchen Versuchen, deren Vollendung die gänzliche
                              									Zerstörung jeder Probe bedingt, nicht mit dem gleichen Versuchsindividuum und bei
                              									mehreren nach einander geschöpften Bogen können wohl merkliche Abweichungen in der
                              									Struktur, dem Verfilzungsgrade u. dgl. auftreten.
                           
                           Gleichwohl hält Verfasser die vorgeführten Zahlenwerthe für zuverlässig genug, daſs
                              									man von der zeitlichen Zunahme der Zerreiſsungsfestigkeit und der gleichzeitigen
                              									stärkeren Abnahme der Zähigkeit auch bei Gegenwart mineralischer Füllstoffe
                              									überzeugt sein darf. Man wird sich vorzustellen haben, daſs im Laufe der Zeit
                              									(vielleicht unter dem Einflüsse einer noch weiter vorschreitenden, wenn auch
                              									langsamen Austrocknung) die Zellstoff-Fäserchen dichter an einander rücken und damit
                              									deren Adhäsion, also Molekularanziehung, zunimmt, womit dann (etwa wie beim
                              									Hartschlagen des Messings) die Abnahme der Zähigkeit Hand in Hand zu gehen pflegt;
                              									auch chemische Vorgänge im Inneren und an der Oberfläche der Fasern mögen
                              									mitwirken.
                           Es taucht die weitere Frage auf, ob und in welchem Betrage bei anderen
                              									Papier-Rohstoffen solche zeitlichen Aenderungen der Festigkeitseigenschaften sich
                              									einstellen. Sollten dem Verfasser geeignete Proben zugestellt werden (in vollen,
                              									nicht gekniffenen Bogen, mit genauer Angabe des Tages der Herstellung und des
                              									Ursprunges des verwendeten Stoffes), so würde derselbe dieser Frage weiter nachgehen
                              									unter entsprechender (im vorliegenden Falle leider unterbliebener) Rücksichtnahme
                              									auf Dicke, relative Dichte und Wassergehalt des Papieres. Für den Werth der
                              									verschiedenen Papiermaterialien dürfte die Constanz, die Stabilität der daraus
                              									gebildeten Faseraggregate, welche sich schlieſslich in den Festigkeitseigenschaften
                              									sehr schön ausspricht, von erheblichem Belange sein. (Nach der Papierzeitung, 1885 S. 582.)