| Titel: | Ueber die Verwendung von Maschinen- statt Handarbeit in der chemischen Industrie. | 
| Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 464 | 
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                        Ueber die Verwendung von Maschinen- statt
                           								Handarbeit in der chemischen Industrie.
                        Stuart, über Maschinenarbeit in der chemischen
                           								Industrie.
                        
                     
                        
                           Wie in allen Gewerbszweigen macht sich auch in der chemischen Industrie das Bestreben
                              									immer mehr bemerkbar, die theure Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen. Als
                              									die erfolgreichste Aenderung dieser Art ist jedenfalls die Einführung des
                              									Soda-Drehofens (vgl. 1884 254 314) anzusehen. Seine
                              									Vortheile sind theils unmittelbare, welche sich leicht in Geldwerth angeben lassen,
                              									theils sind sie mittelbare. Als direkten Vortheil haben wir eine Ersparniſs an
                              									Handarbeit, welche, wie Stuart, Direktor der Tennant'schen Fabrik zu Newcastle im Journal of the Society of Chemical Industry, 1884 S.
                              									606 berichtet, für 1t Soda 2 M. beträgt. Die
                              									indirekten Vortheile lassen sich schwierig in Geldwerth ausdrücken; dieselben
                              									bestehen hauptsächlich in guter Zersetzung des Sulfates, reiner Soda und guter
                              									Ausbeute. Ein Verbrennen der Beschickungen, wie es oft bei den alten Handöfen
                              									vorkommt, ist durch den Drehofen unmöglich gemacht. Da die Zahl der Arbeiter bei
                              									Anwendung von Drehöfen bedeutend verringert wird, erleichtert sich die Ueberwachung.
                              									Eine Ersparniſs an Kohle oder Kalkstein findet beim Drehofen nicht statt. Die
                              									Ausbesserungskosten sind sogar höher, so daſs der unmittelbare Gewinn unbedeutend
                              									ist und sich nach Stuart in England nur auf 1 M. für
                              										1t Soda (48° Na2O) beläuft. Zusammen mit den oben erwähnten mittelbaren Vortheilen
                              									bezahlt sich trotzdem die Einführung des Drehofens namentlich in groſsen Fabriken
                              									sehr gut, so daſs sie allgemein platzgegriffen hat.
                           Wie zur Darstellung der Rohsoda bedient man sich in einzelnen Fabriken auch
                              									mechanischer Oefen (Mactear's Tellerofen, vgl. 1882 246
                              									* 191. * 384) zum
                              									Calciniren und gleichzeitigen Carbonisiren der Soda. Der alte Handofen ist aber in
                              									seinem Prinzipe viel wissenschaftlicher als diese neuen von Mactear construirten Oefen. Beim Arbeiten der Mischung im Handofen kann
                              									durch die Arbeitsthür beständig Luft eintreten, so daſs die Soda nicht nur
                              									carbonisirt, sondern zu gleicher Zeit auch das in derselben enthaltene Sulfid
                              									oxydirt wird. Der Handofen braucht wenig Kohle und bedarf wenig Ausbesserungen. Der
                              									mechanische Ofen dagegen ist sehr kostspielig. Die Instandhaltung kostet 70 Pf. für
                              										1t Soda. An Kohle wird gar nichts gespart.
                              									Nach Stuart bilden sich in den mechanischen Oefen oft
                              									Klumpen halb geschmolzener Soda, welche sich nur sehr schwierig in Wasser lösen. Wie
                              									beim Drehofen ist auch hier der unmittelbare Gewinn nicht sehr bedeutend. Die
                              									Handarbeit beträgt 1 M. gegen 3 M. beim Arbeiten mit Handöfen. Nach Abzug der Zinsen
                              									und Ausbesserungskosten bleibt etwa 1 M. unmittelbarer Gewinn für 1t Soda (48°). Daneben weist der mechanische
                              									Calcinirofen auch indirekte Vortheile auf; die erhaltene Soda ist sehr dicht und von
                              									ganz ausgezeichneter Farbe. Das Eisenoxyd scheint durch die hohe Temperatur ganz
                              									dicht zu werden, so daſs es sich beim Auflösen rasch absetzt. Im Ganzen sind die
                              									Vortheile geringer als beim Drehofen und dies ist wohl der Grund, daſs diese
                              									mechanischen Oefen bis jetzt nur auf einzelne sehr groſse Fabriken, namentlich in
                              									Newcastle, beschränkt sind.
                           Der unmittelbare Gewinn bei Anwendung von Soda-Drehöfen und Mactear's Calcinirofen statt Handarbeit beträgt 2 M. für 1t Soda. Zusammen mit den indirekten Vortheilen ist
                              									die Ersparniſs nach Stuart auf 5 M. für 1t Soda anzusetzen.
                           Mactear und Allhusen haben
                              									kostspielige Versuche über die Anwendung mechanischer Oefen zur Zersetzung von
                              									Kochsalz mit Schwefelsäure angestellt. Es ist aber wenig Hoffnung, daſs ihre Pläne
                              									allgemein angenommen werden. Die Verhältnisse sind hier ungünstiger als bei den oben
                              									betrachteten mechanischen Oefen. Die Apparate sind sehr theuer und die
                              									Instandhaltung verursacht viele Kosten. Als Brennmaterial muſs theure Koke statt
                              									billiger Kohle verwendet werden. Da das Salzsäuregas mit den Feuergasen gemischt
                              									ist, so wird die Absorption sehr schwierig. Es ist sicher ein Fehler, daſs bei den
                              									neuen Apparaten keine Pfanne verwendet wird, d.h. daſs man alle Salzsäure mit den
                              									Rauchgasen mischt. Die Pfannenarbeit und das Calciniren sind zwei ganz getrennte und
                              									bei verschiedenen Temperaturen vorzunehmende Arbeiten. Es ist daher jedenfalls das
                              									Richtigste, auch bei den mechanischen Oefen die Pfanne beizubehalten. Dieses Prinzip
                              									ist bei den neuen mechanischen Sulfatöfen von Black und
                              										Larkin in South-Shields angenommen worden.
                           Wie J. C. Stevenson in derselben Quelle 1884 S. 501
                              									treffend ausführt, findet man in chemischen Fabriken sehr oft kostspielige
                              									maschinelle Einrichtungen, wo Handarbeit viel billiger wäre. Eines der besten Mittel zum
                              									Herumschaffen von nicht zu bedeutenden Massen in chemischen Fabriken ist nach seiner
                              									Ansicht der Schubkarren. Bei Anwendung desselben ist man vollständig unabhängig von
                              									der Bodenbeschaffenheit der Fabrik. Oft finden wir in Fabriken kostspielige
                              									Schienengeleise und Eisenbahnen zum Weiterschaffen von verhältniſsmäſsig
                              									unbedeutenden Massen, wo einige Arbeiter mit Schubkarren die Ortsveränderung in
                              									kurzer Zeit und auf viel billigere Weise bewältigen könnten. Die Verwendung von
                              									Maschinenarbeit statt Handarbeit in chemischen Fabriken sollte nur dann erfolgen,
                              									wenn eine eingehende Vergleichung der beiden Arbeitsweisen wirklich einen Vortheil
                              									festgestellt hat. Oft ist die vermeintliche Arbeitsersparniſs mit höheren
                              									Ausbesserungsausgaben verbunden, so daſs an Stelle gewöhnlicher Handlangerarbeit gut
                              									bezahlte Handwerker beschäftigt werden müssen.