| Titel: | Ueber einige neuere Kesselexplosionen. | 
| Autor: | Whg. | 
| Fundstelle: | Band 257, Jahrgang 1885, S. 213 | 
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                        Ueber einige neuere
                           								Kesselexplosionen.
                        Ueber einige neuere Kesselexplosionen.
                        
                     
                        
                           Von den in England in letzter Zeit vorgekommenen Kesselexplosionen haben namentlich
                              									zwei besondere Aufmerksamkeit erregt, die gleichzeitige Explosion von drei neben einander liegenden Walzenkesseln und die
                              									Explosion eines Green'schen Vorwärmers.
                           Ueber die Explosion der Walzenkessel, welche am 5.
                              									November 1884 in den Werken der Staffordshire Steel and
                                 										Ingot Iron Company in Spring Vale bei Bilston stattfand und wobei 3
                              									Personen getödtet und 8 verwundet wurden, ist in Engineering, 1884 Bd. 38 * S. 456, 501 und 505, sowie im Engineer, 1884 Bd. 58 * S. 406 und 412 ausführlich
                              									berichtet worden. Die zerstörten Kessel gehörten zu einer Gruppe von zehn fast noch
                              									neuen, parallel neben einander liegenden, einfachen Cylinderkesseln mit
                              									halbkugeligen Enden. Dieselben hatten eine Länge von 10m,5, einen Durchmesser von 1m,83, eine
                              									Blechdicke von 13mm und eine Betriebsspannung von
                              										5at,6. Nach der eingehenden Untersuchung des
                              									Falles ist die Explosion durch Wassermangel in dem mittleren der drei Kessel
                              									hervorgerufen worden, welcher in Folge dessen glühend wurde und in zwei Rundnähten
                              									sowie in einer seitlich über dem Roste liegenden, beide Rundnähte verbindenden
                              									Längslinie barst. Der so herausgetrennte, zwei Schüsse umfassende Cylinder wurde
                              									dabei aufgerollt, schlug, wie anzunehmen ist, beiderseits mit groſser Gewalt auf die
                              									Nachbarkessel und führte dadurch auch die Explosion dieser Kessel herbei. Der
                              									Wassermangel in dem mittleren Kessel ist zweifellos plötzlich eingetreten und zwar
                              									in Folge eines Leckes des sehr unzweckmäſsig angebrachten Ausblasrohres. Dasselbe
                              									war, wie bei den übrigen Kesseln, von dem letzten Schusse ausgehend, mit seinem
                              									ersten senkrechten Theile in den den Kessel tragenden Pfeiler eingemauert und dann
                              									unter dem Boden bis nach vorn vor den Kessel geführt, wo sich der Ausblashahn
                              									befand. Diese Ausblasröhren der Kessel hatten seit der Inbetriebnahme derselben (im
                              									Mai 1884) fortwährend zu Störungen Veranlassung gegeben, wie leicht erklärlich, da
                              									sie, in dem Boden und dem Pfeiler festgehalten, den Dehnungen der Kessel nicht
                              									folgen konnten und zudem schwer zugänglich waren. In einer einzigen Woche waren fünf
                              									dieser Röhren theils gebrochen, theils undicht geworden und zur Zeit des Unfalles
                              									standen ebenfalls zwei der Kessel wegen schadhafter Ausblasröhren auſser Betrieb.
                              									Vor einer ähnlichen Anordnung dieser Röhren muſs daher gewarnt werden. Wäre an dem
                              									Kessel ein Speiserufer vorhanden gewesen, so hätte man auch wohl dem Unfälle
                              									vorbeugen können.
                           Derartige Explosionen mehrerer Kessel sind verhältniſsmäſsig selten, wenn auch der
                              									besprochene Fall nicht vereinzelt dasteht. Nach dem gedruckten Berichte der Manchester Steam Users' Association sind in England
                              									seit 1862 zehn solcher Unfälle vorgekommen. Bei dem vorletzten, welcher im März 1879 stattfand,
                              									wurden gleichzeitig 6 Walzenkessel zerstört, von denen einer in eine groſse Anzahl
                              									Stücke aus einander flog, während die übrigen, wahrscheinlich von diesen Stücken
                              									getroffen, nur in zwei oder drei Theile zerrissen wurden. Bei Kesseln mit
                              									Innenfeuerung wird etwas Derartiges nicht so leicht vorkommen können.
                           Die Explosion eines Vorwärmers fand am 2. Januar 1885 in
                              									der Spinnerei der Stanley Spinning Company in Lees bei
                              									Oldham statt und ist in Engineering, 1885 Bd. 39 * S.
                              									36 und 90 sowie in den Annales industrielles, 1885 Bd.
                              									1 * S. 468 eingehend besprochen. Der von E. Green in
                              									Wakefield vor 8 Jahren gelieferte Vorwärmer von der bekannten Einrichtung (vgl. 1867
                              										185 * 13. 1873 207 80.
                              									1874 212 257) bestand aus 144 stehenden, guſseisernen,
                              										100mm weiten Röhren von 2m,7 Länge und 10mm Wandstärke, welche in 24 Reihen in eine zwischen drei Kesseln und ihrem
                              									Schornsteine eingeschaltete Kammer eingebaut waren. Die Röhren waren reihenweise
                              									oben wie unten in guſseisernen Kasten befestigt; durch ein längs der unteren Kasten
                              									hinlaufendes Rohr wurde das Wasser von der Pumpe zugeführt, während dasselbe durch
                              									ein gleiches, an die oberen Kasten angeschlossenes Rohr in den Kessel gelangte.
                              									Neben der Kammer führte noch ein Hilfskanal in den Schornstein, welcher beim
                              									gewöhnlichen Betriebe durch einen Schieber abgeschlossen war. Sollte der Vorwärmer
                              									aber ausgeschaltet werden, so wurde der Schieber geöffnet und die Vorwärmerkammer
                              									mittels zweier am Eingange und am Ausgange angebrachter Drosselklappen abgesperrt.
                              									Die Kessel wurden dann durch eine besondere Pumpe unmittelbar gespeist. Das vom
                              									Vorwärmer zum Kessel führende Rohr lag zum Theile im Freien und auf diesem Theile
                              									war ein Sicherheitsventil von 50mm Durchmesser
                              									angebracht, dessen Belastung einer Spannung von 7at,7 entsprach. Ein an dieses Ventil angeschlossenes, gleichfalls frei
                              									liegendes Rohr zur Ableitung des Wassers war abwärts geführt und endete dicht über
                              									dem Boden. Ein Manometer war an dem Vorwärmer nicht angebracht.
                           Die Spinnerei hatte wegen Abbruches der Maschine etwa einen Monat still gelegen und
                              									am Tage des Unfalles waren die Kessel zum ersten Male wieder angeheizt worden. Da
                              									die Pumpe, welche die Kessel durch den Vorwärmer hindurch speiste, nicht in Ordnung
                              									war, so wurde der letztere in der angegebenen Weise ausgeschaltet und kaltes Wasser
                              									in die Kessel eingepumpt. Alles schien gut zu gehen, bis plötzlich um 2 Uhr Mittags
                              									ohne vorherige Anzeichen die Explosion stattfand. Wände und Dach des
                              									Vorwärmerschuppens, sowie auch ein Theil des Kesselhauses wurden zertrümmert, fast
                              									sämmtliche Röhren in Stücke zerrissen und einzelne Bruchstücke weit
                              									fortgeschleudert. Zwei Männer wurden auf der Stelle getödtet und von vier schwer
                              									verwundeten starben bald noch zwei. Die wahrscheinlichste Erklärung für den Unfall
                              									ist die, daſs die Drosselklappen einen Theil der Heizgase durch die Vorwärmerkammer
                              										haben strömen
                              									lassen; vielleicht sind die Klappen von dem mit umgekommenen Heizer, dessen Körper
                              									in der Nähe der vorderen Klappe gefunden wurde, voll geöffnet worden, da der
                              									erwähnte Hilfskanal verhältniſsmäſsig eng war und das Feuer lebhaft unterhalten
                              									werden muſste, zumal das Speisewasser sehr kalt war. Da das Wasser in dem Vorwärmer
                              									beiderseits dicht abgesperrt war, so konnte unter der Einwirkung der Gase in kurzer
                              									Zeit eine auſsergewöhnliche Spannung sich bilden, welche die Zerstörung
                              									herbeiführte. Daſs das Sicherheitsventil nicht zur Wirkung kam, läſst sich dadurch
                              									erklären, daſs in den vorangegangenen Tagen Frostwetter geherrscht hatte und das
                              									Ventil daher leicht durch einen Eispfropfen verstopft sein konnte. Jedenfalls wäre
                              									es zweckmäſsig gewesen, noch ein zweites nicht im Freien liegendes
                              									Sicherheitsventil, sowie auch ein bequem sichtbares Manometer anzubringen. Von einer
                              									Seite wurde die Ansicht vertreten, daſs eine Gasexplosion vorgelegen habe, indem in
                              									der Vorwärmerkammer sich ein Gemisch von Luft und brennbaren Gasen angesammelt
                              									hätte. In diesem Falle würden aber wohl kaum die Röhren so stark zertrümmert worden
                              									sein; auch ist nicht einzusehen, wie das Gemisch dann entzündet wäre. Daſs die
                              									Röhren kein oder nur wenig Wasser enthalten hätten und glühend geworden wären, ist
                              									auch nicht anzunehmen, da die Temperatur der abziehenden Heizgase jedenfalls hierzu
                              									nicht hoch genug war.
                           Auch diese Explosion ist nicht die erste ihrer Art. In dem Berichte der Manchester Steam Users' Association vom December 1879
                              									werden zwölf solcher Vorwärmer-Explosionen aufgeführt, von denen neun auf das
                              									Versagen des Sicherheitsventiles zurückzuführen sind.
                           Die schrecklichsten Explosionen, welche in neuerer Zeit vorgekommen sind, betreffen
                              									wieder stehende, hinter Puddelöfen angebrachte Kessel.
                              									Am 31. März 1883 explodirte, wie in den Annales
                                 										industrielles, 1884 Bd. 1 S. 488 berichtet wird, ein solcher Kessel in
                              									Marnaval (Haute-Marne, Frankreich), wobei 18 Personen getödtet und 63 mehr oder
                              									weniger schwer verwundet wurden. Die Zerstörung des Kessels ging hierbei von einer
                              									Stelle aus, welche zuerst von den Heizgasen getroffen wurde, schon ausgeflickt
                              									worden war und gerade an dem auſsen aufgenieteten Flicken einen ziemlich starken
                              									Kesselsteinansatz zeigte. Ein ähnlicher Unfall hatte sich vorher in Commentry
                              									ereignet und im November 1884 flog wieder in dem bei Eurville, unweit von St. Dizier
                              									gelegenen Hüttenwerke ein durch die Abhitze von vier
                                 										Puddelöfen geheizter stehender Kessel in die Luft, wobei 20 Personen
                              									getödtet und 55 verwundet wurden (vgl. Génie civil,
                              									1884/5 Bd. 6 S. 747). Die Puddler hatten bemerkt, daſs der Wasserstand des Kessels
                              									plötzlich erheblich sank, wahrscheinlich in Folge eines entstandenen Lecks; man
                              									hatte deshalb schon die Anordnung zur Auſserbetriebsetzung der Oefen getroffen und
                              									war gerade dabei, die Roststäbe zu ziehen, als die Explosion eintrat.
                           Jedenfalls müssen die hinter Puddelöfen aufrecht aufgestellten Kessel als äuſserst gefährlich
                              									angesehen werden, da sie in der Regel mehr angegriffen werden und gröſseren
                              									Temperaturschwankungen der Heizgase ausgesetzt sind, als in gewöhnlicher Weise
                              									gefeuerte Kessel. Wo solche Kessel noch benutzt werden, sollten sie daher ganz
                              									besonders strengen Vorschriften unterworfen werden.
                           
                              
                                 Whg.