| Titel: | Vermittelung einer Erdöl-Explosion durch eine ausserhalb des Gebäudes angebrachte Laterne; von G. Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 259, Jahrgang 1886, S. 138 | 
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                        Vermittelung einer Erdöl-Explosion durch eine
                           								auſserhalb des Gebäudes angebrachte Laterne; von G. Lunge.
                        Lunge, über eine Erdölexplosion.
                        
                     
                        
                           Es wird gewöhnlich angenommen., daſs es zur Sicherung gegen Feuersgefahr von
                              									Gebäuden, in welchen leicht entzündliche, flüchtige Stoffe aufbewahrt oder
                              									verarbeitet werden, genüge, wenn man aufs strengste darauf hält, daſs innerhalb des
                              									Gebäudes nie eine Flamme, sei es auch nur die einer Cigarre oder eines
                              									Zündhölzchens, vorhanden ist, daſs man dagegen eine Beleuchtung durch Reflectoren
                              									von auſsen mit gewöhnlichen Lampen einrichten könne. Nachstehend zu beschreibender
                              									Fall zeigt, daſs unter Umständen eine Gefahr selbst durch erheblich entferntere
                              									Beleuchtungsgegenstände eintreten kann und es daher nicht vernachlässigt werden
                              									sollte, innerhalb des Gebäudes alle Vorsichtsmaſsregeln zu treffen, um die
                              									Entstehung gröſserer Mengen feuergefährlicher Dämpfe zu verhüten, welche nach auſsen
                              									entweichen und sich dort entzünden könnten.
                           Der betreffende Fall ereignete sich in einer ausländischen Fabrik und wurde mir von
                              									deren Organen auf das genaueste beschrieben, um meinen Rath wegen Verhütung
                              									ähnlicher Unglücksfälle in Zukunft einzuholen; der vorliegende Bericht ist daher
                              									durchaus authentisch und sachgemäſs.
                           Das Leuchtpetroleum, wie es von der Destillation kommt, in welchem Zustande es ein
                              									Volumengewicht von durchschnittlich 0,808 zeigt, enthält noch viele leichte
                              									Antheile, welche entfernt werden müssen, um den Anforderungen der Gesetzgebung zu
                              									genügen. Dies geschieht durch die bekannte Behandlung des „Abblasens“ mit
                              									schwach gespanntem Dampf, welche so lange fortgesetzt wird, bis ein
                              										„Abel-test“ von 19 bis 20° erreicht ist. Nach dem Raffiniren besitzt dann
                              									das Erdöl einen Test von 22 bis 23°. Im vorliegenden Falle war der Inhalt eines 6rn hohen Cylinders eben abgeblasen worden, so daſs
                              									der letztere noch zu ⅘ gefüllt war. Etwa 3 Minuten nach Beendigung des Abblasens
                              									begab sich der Aufseher auf die Höhe des Cylinders und entfernte (was bis dahin noch
                              									niemals geschehen war) den Mannlochdeckel, um der Luft ausgiebigen Zutritt zu
                              									verschaffen, und später das Erdöl durch Aufgieſsen von kaltem Wasser schneller
                              									abzukühlen. Er stellte jedoch das Wasser noch nicht an, sondern entfernte sich
                              									wieder aus dem Gebäude, jedenfalls sehr schnell, da ja sicher ein dicker Strom von
                              									Dämpfen aus dem offenen Mannloche hervordringen muſste. Kaum 30 Schritte entfernt,
                              									vernahm er einen schwachen dumpfen Knall, drehte sich um und sah den zweiten Stock
                              									des Gebäudes von Flammen erhellt. Er stürzte zurück, konnte jedoch nur bis an den
                              									ersten Stock gelangen, da die Flammen schon bis dahin zu lecken begannen. Ein
                              									bedeutendes Schadenfeuer war die Folge.
                           Die Ursache des Brandes kann nach den vorliegenden Umständen unmöglich in absichtlicher
                              									Brandstiftung oder in Selbstentzündung des (beim Abblasen auf höchstens 110°
                              									erwärmten) Erdöles gelegen haben. Die allein übrig bleibende Erklärung ist folgende:
                              									In einer Entfernung von 7m,5 von dem Gebäude
                              									brannte eine Laterne. Das Gebäude selbst hat keinen Dachreiter u. dgl. und es waren
                              									in dem Oberstock desselben Fenster an entgegengesetzten Seiten geöffnet. Der Wind
                              									blies zwar nicht senkrecht von dem Gebäude nach der Laterne hin, sondern in einem
                              									Winkel dazu, kann aber nach Lage der Sache doch den in Ermangelung eines anderen
                              									Ausweges nothwendigerweise aus den offenen Fenstern heraustretenden Strom von Gasen
                              									und Dämpfen so weit verbreitet haben, daſs an der Laterne noch ein entzündliches
                              									Gemisch anlangte, welches dort Feuer fing- das Feuer muſs dann dem Dampfstrome
                              									entlang durch die Fenster hinein, in den inneren Raum des Gebäudes geschlagen sein
                              									und schlieſslich das heiſse Erdöl ergriffen haben.
                           Die hierbei nöthige Annahme, daſs der Strom von Oeldämpfen durch die inwendig und
                              									auſserhalb des Gebäudes hinzukommende Luft nicht bis unter den Entflammungspunkt
                              									verdünnt worden ist, hat durchaus nichts Unwahrscheinliches. Die Laterne war in
                              									wagerechter Linie, wie gesagt 7m,5, in senkrechter
                              									Linie 6m von der offenen Fensterklappe entfernt.
                              									Daſs Ströme von dichten Dämpfen oder Gasen sich mit wenig Ausbreitung, also auch
                              									entsprechend geringer Luftverdünnung auf viel weitere
                              									Entfernung ausdehnen können, hat man in chemischen Fabriken und Hütten oft genug
                              									Gelegenheit zu beobachten.
                           Um in Zukunft nun ähnliche Unglücksfälle zu verhüten, wurden von mir folgende
                              									Aenderungen vorgeschlagen: Das Aufspritzen von kaltem Wasser zur Abkühlung erfolgt
                              									mittels eines gelochten Röhrenkreuzes unterhalb des Deckels im Inneren des
                              									Destillationsgefäſses; der Mannlochdeckel braucht gar nicht mehr geöffnet zu werden,
                              									da ein auſserhalb befindlicher Hahn das Wasser zu dem Röhrenkreuze, zuläſst. Damit
                              									bei der Abkühlung nicht eine Luftleere entsteht, welche Eindrücken der Wände
                              									verursachen könnte, wird ein sich nach innen öffnendes Ventil angesetzt. Endlich
                              									wird auf den Deckel ein über das Dach führendes Rohr mit sich nach auſsen öffnendem
                              									Ventil angebracht; durch dieses kann beim Füllen des Gefäſses die Luft entweichen.
                              									Selbst wenn nun nach dem Abblasen und Auslaufen durch ungenügende Abkühlung noch
                              									entzündliche Dämpfe in dem Gefäſse zurückbleiben, welche beim Wiederfüllen oben über
                              									dem Dache austreten, so kann doch in dem schon an sich viel schwieriger möglichen
                              									Falle, daſs diese sich Entzünden sollten, die Flamme wegen des Ventiles nicht in das
                              									Gefäſs zurückschlagen.