| Titel: | Ueber Untersuchung von Gerbstoffen; von F. Nötzli. | 
| Autor: | F. Nötzli | 
| Fundstelle: | Band 259, Jahrgang 1886, S. 228 | 
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                        Ueber Untersuchung von Gerbstoffen; von F. Nötzli.
                        (Fortsetzung der Abhandlung S. 177 d. Bd.)
                        F. Nötzli, über Untersuchung von Gerbstoffen.
                        
                     
                        
                           III. Prüfung der Methoden von Pouchet,
                                 										Perret und Löwenthal.
                           A. G. Pouchet gibt am Ende seines kritischen Referates
                              										(Moniteur scientifique, 1876 S. 1130) über die
                              									verschiedenen Arten der Gerbstoffbestimmung folgendes Verfahren an: Das Tannin wird
                              									in der Kälte in alkalischer Lösung mit Chamäleon
                              									oxydirt. Dabei hat man den Vortheil einer sehr raschen und sicheren Oxydation, wie
                              									auch eines sehr leicht faſsbaren Zeitpunktes der Farbenänderung, da die Farbe
                              									plötzlich aus einem mehr oder weniger starken Rosa in smaragdgrün übergeht. Pouchet hat sich überzeugt, daſs die Stoffe, welche am
                              									meisten in den Rinden neben dem Tannin vorkommen, das Chamäleon nicht sogleich
                              									reduciren, d.h. nur wenn die Lösungen hinreichend verdünnt sind. Im Gegensatze zu
                              									diesen Stoffen wird das Chamäleon durch Tannin oder die Tannate sogleich reducirt;
                              									die röthliche Farbe schlägt in grün um, sobald kein unverändertes Tannin mehr da
                              									ist. Indessen verschwindet die Farbe ziemlich schnell, besonders wenn die Lösung mit
                              									leicht oxydirbaren Stoffen beladen ist; gleichwohl erfordert das gänzliche
                              									Verschwinden der grünen Farbe einige Minuten, so daſs man leicht ablesen kann, wenn
                              										der Versuch mit
                              									einiger Schnelligkeit ausgeführt wird. Die Concentration der Lösungen des Chamäleons
                              									sowie des Tannins haben groſsen Einfluſs auf die Genauigkeit. Die Tanninlösung soll
                              									mit dem 10 fachen Volumen einer 5grädigen Kalilauge verdünnt sein. Wegen der
                              									schnellen Oxydirbarkeit des Tannins in alkalischer Lösung an der Luft muſs man eine
                              									in der Kälte fast gesättigte Chamäleonlösung anwenden; auch läſst sich damit
                              									schneller titriren und der Farbenumschlag ist sicherer.
                           Pouchet macht sich eine in der Kälte gesättigte
                              									Chamäleonlösung und verdünnt mit Wasser, so daſs 2cc davon 10cc einer Tanninlösung
                              									entsprechen, welche 1g Tannin im Liter enthält.
                              									Das reine Tannin soll vor dem Gebrauche 12 Stunden bei 90° getrocknet werden. Um
                              									keine Fehler zu begehen, muſs man immer ein aus dem betreffenden Materiale
                              									dargestelltes Tannin zur Titerstellung des Chamäleons benutzen; dieselben müssen
                              									aber zuvor wiederholt aus Alkohol und Aether umkrystallisirt werden. Trocknen bei
                              									100° ist nicht zu empfehlen, indem bei längerem Anhalten dieser Temperatur leicht
                              									eine Veränderung der Gerbsäuren vor sich geht.
                           Bei den wenigen von mir ausgeführten Versuchen, welche mir immerhin gleich aufs
                              									Deutlichste die Unbrauchbarkeit der Methode zeigten, brachte ich in eine
                              									Porzellanschale 20cc Tanninlösung (1g im Liter) sowie 200cc Kalilange, wodurch sich die Flüssigkeit bräunlich färbt. Auf Zusatz von
                              									Chamäleon tritt sogleich eine schöne Rosafärbung ein, welche bei fortgesetztem
                              									Zufügen von Chamäleon dunkler wird und ganz allmählich in braun, dann in smaragdgrün
                              									übergeht. Von einem plötzlichen faſsbaren Umschlage ist keine Spur. Einige Tropfen
                              									zu der dunkelrosa gefärbten Flüssigkeit flieſsen gelassen, bewirken sogleich das
                              									Hervortreten der prächtigen Grünfärbung, die aber beim Umrühren immer wieder
                              									verschwindet, ohne sich bei einem bestimmten Punkte auf die ganze Flüssigkeit zu
                              									übertragen. Die Grünfärbung wird schlieſslich so stark, daſs man sie nur noch am
                              									Saume der Flüssigkeit erkennen kann. Glaubte ich einmal einen Umschlag bemerkt zu
                              									haben und verzeichnete nach verschiedenen Titrationen die Menge des verbrauchten
                              									Chamäleons, so zeigte sich bei Wiederholung des Versuches ein Unterschied von ∓ 0,5
                              									bis 1cc. Wie Pouchet
                              									eine solche Methode der Oeffentlichkeit übergeben und dabei noch von Genauigkeit
                              									sprechen kann, ist mir unbegreiflich. Es war mir nicht möglich, den Wirkungswerth
                              									des Chamäleons auf Tannin zu stellen; somit konnte ich an eine Titration von
                              									Lohauszügen gar nicht denken. Wenn man weiſs, was für eine heikle Sache das Titriren
                              									von Gerbstofflösungen mit Chamäleon ist (nach Löwenthal), so wird man leicht begreifen können, daſs auf diese Weise keine
                              									Erfolge zu erzielen sind.
                           Der Ausspruch Pouchet's, das Chamäleon müsse immer auf
                              									die in dem zu titrirenden Materiale enthaltene Gerbsäure gestellt sein, ist sehr gut
                              									gemeint, nach seinen kurzen Angaben aber undurchführbar, und daſs Gerbstoffe bis jetzt nicht
                              									in krystallisirter Form bekannt sind, ist in der Einleitung gesagt worden. An
                              									krystallisirbaren Substanzen hat Etti bloſs Gallussäure
                              									und Ellagsäure aus dem Gerbstoffauszuge gewinnen können. Wenn Pouchet sich doch verschiedene Gerbsäuren dargestellt
                              									hat, warum hat er die Reductionsvermögen gegen Chamäleon nicht angegeben?
                           Nach E. Perret (Bulletin de la
                                 										Société chimique, 1884 Bd. 41 S. 22, vgl. 1884 253 341) werden von den verschiedenen Gerbstoff haltigen Materialien 20
                              									bis 100g zwei Mal mit destillirtem Wasser während
                              									je 15 Minuten ausgekocht, der Auszug wird so weit eingedampft, daſs man 100cc Flüssigkeit bekommt. Man läſst sodann auf 70°
                              									abkühlen und fügt in kleinen Posten, aber innerhalb 2 Minuten unter beständigem
                              									Umrühren eine Lösung von Eieralbumin (1 : 5) hinzu, so lange noch ein Niederschlag
                              									entsteht. Ohne sich um einen Albuminüberschuſs zu kümmern, erhitzt man zum Sieden,
                              									wodurch die Flüssigkeit fast farblos wird, indem sich das Albumintannat am Boden
                              									absetzt. Alsdann läſst man aus einer Bürette eine Aluminiumsulfatlösung (100g in 1l)
                              									zuflieſsen, bis daſs der Niederschlag körnig geworden ist. Nach dem Erkalten
                              									filtrirt man durch ein gewogenes Filter, wäscht gut mit Wasser aus und trocknet bis
                              									zur Gewichtsgleiche. Vom gefundenen Gewichte zieht man dasjenige des Albumins, des
                              									Aluminium Sulfates und das des Filters ab. Die bleibende Zahl gibt das
                              									Tanningewicht. Die Aluminiumsulfatlösung fällt das Albumintannat vollkommen und,
                              									indem die Schwefelsäure des Aluminiumsulfates die Kalk-Magnesia- und Alkalitannate
                              									zersetzt, vergröſsert sie gerade um ihr Gewicht die Menge des niedergeschlagenen
                              									Tannins, eine Reaction, welche sich langsam auch in den Lohgruben vollzieht, deren
                              									Inhalt von organischen Säuren her stets sauer reagirt.
                           Bei einiger Uebung soll dieses Verfahren weit genauere Werthe geben als alle anderen
                              									Methoden, obwohl es verhältniſsmäſsig einfach ist.
                           Etwas unklar war mir zum Voraus, wie das Aluminiumsulfat einerseits das Albumintannat
                              									fällen und andererseits dessen Schwefelsäure die Tannate des Calciums, Magnesiums
                              									u.s.w. zersetzen könne. In diesem Falle müſsten CaSO4 und MgSO4 entstehen, welche beim
                              									Abfiltriren in das Filtrat übergingen. Dann aber ist das Gewicht der Schwefelsäure
                              									des Al2(SO4)3 selbstredend nicht vom Gewichte des Niederschlages
                              									abzuziehen. Ich habe in dieser Beziehung keine Versuche angestellt, sondern prüfte
                              									die Methode nur hinsichtlich der mit derselben zu erhaltenden Ergebnisse.
                           Die jeweilen nöthige Albuminlösung stellte ich mir dar durch Auflösen von 20g trockenem reinem Eieralbumin in einem 100cc-Kölbchen. Die Herstellung einer so
                              									concentrirten Albuminlösung ist unangenehm und langwierig. Man mag es anstellen, wie
                              									man will, immer bildet das Albumin Klumpen, die fast nicht in Lösung zu bringen
                              									sind. Da das mir zur Verfügung stehende Aluminiumsulfat Wasser haltig war und beim Auflösen etwas
                              									unlöslichen Rückstand hinterlieſs, so bestimmte ich den Gehalt an Al2(SO4)3 durch Ausfällen der Thonerde mit Ammoniak und
                              									löste entsprechend mehr von dem Salze auf, um die gewünschte Stärke 1 : 10 zu
                              									erhalten. Nach dem Filtriren enthielt 1cc der
                              									Lösung 0g,0983 Al2(SO4)3.
                           Zur Prüfung der Methoden wendete ich reinstes Tannin an, welches unter dem Namen Acidum tannicum levissimum purum käuflich ist. Ich
                              									trocknete es vor dem Abwägen bei 100° und stellte mir Lösungen von 10 und 20g Tannin im Liter dar, welche Abkochungen von 5
                              									und 10procentigen Rinden entsprechen, wenn ich mir 20g Rinde auf 100cc abgekocht denke.
                           1. Versuch: 100cc Tanninlösung =
                              										1g Tannin wurden auf 70° erwärmt und dann 5cc Eiweiſslösung mit Hilfe einer Pipette
                              									zugesetzt; es entsteht natürlich ein starker Niederschlag, indem neben dem
                              									gebildeten Albumintannat der gröſste Theil des unbenutzten Albumins coagulirt wird.
                              									Nachdem zum Sieden erhitzt worden ist, bildet der Niederschlag unansehnliche zähe
                              									Klumpen; die Flüssigkeit ist klar, immerhin aber gelblich gefärbt. Jetzt lieſs ich
                              									aus einer Bürette Aluminiumsulfatlösung zuflieſsen, bis kein Niederschlag mehr
                              									entstand, = 2cc. Der Niederschlag wurde auf ein
                              									bei 100° getrocknetes und gewogenes Filter gebracht und gut mit heiſsem Wasser
                              									ausgewaschen, dann im Trockenschranke bei 100° getrocknet und gewogen:
                           
                              
                                 5cc
                                    											Eiweiſs
                                 1,0000g
                                 
                                 
                                 
                              
                                 2cc
                                    												Al2(SO4)3
                                 0,1966
                                 Gefunden
                                 2,0676g
                                 
                              
                                 Filter
                                 0,7953
                                 „
                                 1,9919
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 1,9919g
                                 Tannin
                                 0,0757g,
                                 
                              
                           statt wie angewendet 1g,0.
                           Bei diesem schlechten Ergebnisse glaubte ich darin einen Fehler
                              									begangen zu haben, daſs ich vielleicht zu wenig Albumin zugesetzt hatte.
                           2. Versuch: 100cc Tanninlösung =
                              										2g Tannin.
                           
                              
                                 15cc
                                    											Eiweiſs
                                 3,0000g
                                 
                              
                                 1,5cc
                                    												Al2(SO4)3
                                 0,1474
                                 
                              
                                 Filter
                                 0,7834
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 3,9308g.
                                 
                              
                           Da das Filtrat von diesem Niederschlage noch stark gelb gefärbt
                              									war, setzte ich etwas Eisenchlorid zu, was eine sehr starke Schwarzfärbung
                              									hervorrief, ein Zeichen, daſs nicht alles Tannin ausgefällt und somit die ganze
                              									Bestimmung werthlos sei. Ich unterlieſs deshalb das Trocknen und Wiegen.
                           3. Versuch: Bei der älteren Methode (vgl. 1878 229 400) wendet Perret zur
                              									Fällung eines Auszuges von 10g Rinde 5 bis 10g Albumin an, sowie 2 bis 5 Tropfen
                              									Aluminiumsulfatlösung. Durch Zusatz von recht viel Albuminlösung glaubte ich daher
                              									ein günstiges Ergebniſs zu erhalten:
                           
                              
                                 100cc Tanninlösung = 2g
                                    											Tannin
                                 
                              
                                 25cc
                                    											Albumin
                                 5,0000g
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 6cc
                                    												Al2(SO4)3
                                 0,5898
                                 Gefunden
                                 
                                 6,8285g
                                 
                              
                                 Filter
                                 1,4468
                                       „
                                 
                                 7,0366
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 7,0366g
                                 Tannin also negativ.
                                 
                                 
                              
                           Das coagulirte Albumin verwandelte die Flüssigkeit in einen dicken Brei, so daſs der
                              									Zusatz von Al2(SO4)3 nicht aufs mindeste beschränkt werden
                              									konnte, indem es unmöglich war, zu entscheiden, ob überhaupt ein Niederschlag
                              									entstand oder nicht. Und wenn am Ende auch die Hälfte zuviel zugesetzt wurde, so
                              									dürfte mindestens keine negative Zahl entstehen. Ein Ueberschuſs war jedoch
                              									vorhanden, denn H2SO4 und Al2O3 lieſsen sich
                              									im Filtrate nachweisen. Diese Ergebnisse schienen mir nichts weniger als genau und,
                              									da doch Perret angibt, die Methode sei durch Arbeiter
                              									leicht ausführbar, so konnte ich als Chemiker wohl kaum einen den erhaltenen Zahlen
                              									entsprechenden Fehler begangen haben.
                           Obschon jetzt ziemlich klar war, daſs die Methode nicht sehr zuverlässig ist, so
                              									führte ich dennoch die folgenden Versuche aus, um wo möglich ein Verhältniſs
                              									zwischen Albumin und Aluminiumsulfat zu finden, bei dessen Innehaltung bessere
                              									Erfolge zu erzielen wären.
                           4. Versuch: Diesmal setzte ich Aluminiumsulfat zu, bis ich
                              									glaubte, es möchte eben genügen; eine Reaction konnte nämlich nicht beobachtet
                              									werden, indem sich der Niederschlag fast gar nicht absetzte. Ich filtrirte daher;
                              									das Filtrat, nochmals zum Kochen erhitzt, gab wieder einen Niederschlag, der sich
                              									auf Zusatz von mehr Aluminiumsulfatlösung absetzte. Nach abermaligem Filtriren und
                              									Kochen während 5 Minuten setzte sich kein Niederschlag mehr ab, auch auf erneuten
                              									Zusatz von Sulfat nicht. Immerhin zeigte das Filtrat noch sehr starke
                              									Gerbsäurereaction beim Versetzen mit Eisenchlorid.
                           
                              
                                 Angewendet 100cc Tanninlösung = 2g Tannin.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Filter mit dem gesammten
                                 
                              
                                 15cc
                                    											Albumin
                                 3,0000g
                                 Niederschlag
                                 
                              
                                 8,9cc
                                    											Aluminiumsulfat
                                 0,8348
                                   5,3568
                                 
                              
                                 Filter
                                 1,5367
                                 – 5,3715
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 –––––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 5,3715g
                                 Negativ.
                                 
                              
                           
                              
                                 5. Versuch:
                                 100cc
                                    											Tanninlösung = 2g Tannin.
                                 
                                 
                              
                                 
                                     4cc
                                    											Albuminlösung
                                 0,8000g
                                 
                              
                                 
                                     12cc
                                    											Aluminiumsulfat
                                 1,1796
                                 
                              
                                 
                                     Filter
                                 0,8379
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 Zusammen
                                 2,8175g.
                                 
                              
                           Durch Anwendung von viel Aluminiumsulfat wurde an den früheren
                              									Ergebnissen nichts geändert; das Filtrat gab sehr starke Gerbsäurereaction, aus
                              									welchem Grunde ich den Niederschlag nicht wog.
                           Diese wenigen Versuche zeigen wohl genügend, daſs die Perret'sche Methode unbrauchbar ist. Es ist
                              									nur noch die Frage zu beantworten, wie solche Unterschiede entstehen können, welche
                              									nicht allein durch unvollständige Fällung des Tannins bedingt sind. Es lag nahe,
                              									daſs vielleicht das zugesetzte Albumin nicht quantitativ durch Kochen auszufällen
                              									sei. Der Versuch bestätigte die Vermuthung.
                           10cc Albuminlösung = 2g Trockensubstanz gab ich in 100cc Wasser von 70°, wobei schon ein dicker Brei von
                              									coagulirtem Albumin entstand. Bei dem hierauf folgenden Kochen ballte sich die Masse
                              									zu weiſsen Klumpen zusammen, welche sich beim Erkalten zu Boden setzten, während die
                              									überstehende Flüssigkeit gelblich gefärbt war; letztere wurde nach dem Filtriren
                              									wieder gekocht, ohne daſs sich jedoch noch Albumin ausschied.
                           Das gewaschene und getrocknete, durch Kochen ausgeschiedene
                              									Albumin wog 1g,39 und 0g,6 blieben somit in Lösung.
                           Auf Zusatz von Aluminiumsulfat zu dem Filtrate entstand beim
                              									Kochen ein schwacher Niederschlag, welcher in einem geringen Ueberschusse von
                              									Aluminiumsulfat wieder löslich ist. Ich setzte jeweilen 0cc,5 von der Lösung zu und beobachtete dann die
                              									Veränderung. Nachdem ich 1cc,5 zugesetzt hatte,
                              									vereinigte sich der Niederschlag und die überstehende Flüssigkeit war klar. Nach
                              									Zusatz von weiteren 1cc,5 war schon eine
                              									Verminderung des Niederschlages wahrnehmbar; bei 4cc,5 waren die Flocken ganz verschwunden. Ich wiederholte diesen Versuch,
                              									setzte aber der Lösung vor dem Abfiltriren des coagulirten Albumins Aluminiumsulfat
                              									zu, um zu erfahren, ob auf diese Weise das Albumin vollständig ausfalle. Der vorige Versuch hatte
                              									mich gelehrt, daſs 1cc,5 Sulfat zur Ausfällung
                              									genügten.
                           
                              
                                 Angewendet
                                 2,00g Albumin
                                 
                              
                                 Durch Kochen gefällt
                                 1,47
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                 
                              
                                 In Lösung geblieben
                                 0,53g
                                 
                              
                           Der Zusatz von 1cc,5
                              									Aluminiumsulfat hatte somit wenig geholfen. Ich überzeugte mich noch, daſs das
                              									Filtrat beim Kochen mit Aluminiumsulfat keinen Niederschlag mehr gab.
                           Die bei den 5 Versuchen erhaltenen Zahlen erklären sich somit aus unvollständiger
                              									Wiedergewinnung des zugesetzten Albumins und daraus, daſs Tannin durch Albuminlösung
                              									nur theilweise gefällt wird.
                           Zum Schlusse behandelte ich ganz genau nach Vorschrift eine Rinde von 13,16 Proc.
                              									Gerbstoff (bestimmt nach Löwenthal). Wie [nach dem
                              									Bisherigen zu erwarten war, trug das erhaltene Ergebniſs nur noch mehr dazu bei, das
                              									Verfahren als unbrauchbar zu erklären.
                           Durch Auskochen von 15g Rinde
                              									erhält man nach dem Eindampfen auf 100cc einen
                              									ganz dunkelbraunen Auszug. Zu der auf 70° abgekühlten Flüssigkeit setzte ich 10cc Albuminlösung und nach dem Kochen 5cc Aluminiumsulfat, wobei aber gar keine Aenderung
                              									zu bemerken war, indem die über dem Niederschlage stehende trübe braune Flüssigkeit
                              									dies verdeckte. Nach dem Erkalten ging letztere ebenfalls trübe und äuſserst langsam
                              									durchs Filter. Diese Trübung verschwand aber vollständig beim Kochen und auf Zusatz
                              									von mehr Aluminiumsulfat entstand doch kein Niederschlag. Wie vorgeschrieben, wurde
                              									dann gut gewaschen und längere Zeit getrocknet:
                           
                              
                                 Filter und Niederschlag
                                 
                                 3,07g
                                 
                              
                                     Albumin
                                 2,00g
                                 
                                 
                              
                                     5cc
                                    												Al2(SO4)3
                                 0,49
                                 
                                 
                              
                                     Filter
                                 0,66
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                 
                                 
                              
                                     Zusammen
                                 
                                 3,15g
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 Für Gerbstoff also negativ.
                                 
                              
                           Ich wiederholte den Versuch mit 20g Fichtenrinde Nr. 28 von 11,50 Proc. Gerbstoffgehalt:
                           
                              
                                 Filter und Niederschlag
                                 
                                 
                                 3,19g
                                 
                              
                                     Albumin
                                 2,00g
                                 
                                 
                                 
                              
                                     2cc
                                    												Al2(SO4)3
                                 0,25
                                 
                                 
                                 
                              
                                     Filter
                                 0,65
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 ––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                     Zusammen
                                 
                                 
                                 2,90g
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––
                                 
                              
                                 Für Gerbstoff
                                 
                                 
                                 0,29g
                                 
                              
                                 
                                 
                                 oder
                                 1,45%
                                 
                              
                           Diese Versuche mit Rinden lieferten somit die gleichen Ergebnisse wie jene mit
                              									Tannin.
                           Nach der Methode von J. LöwenthalVgl. 1878 227 490. 228
                                    											53. 1882 244 391. 246
                                    											252. 1884 251 471. muſs zur
                              									Werthbestimmung einer Rinde dieselbe mit Wasser ausgekocht werden. Mit denjenigen
                              									Stoſsen, welche die thierische Haut in Leder verwandeln können, gehen auch noch
                              									andere Stoffe in Lösung, die alle unter dem Namen „Nichtgerbsäure“
                              									zusammengefaſst werden. Bei der Feststellung des Gehaltes der Rinde an gerbenden
                              									Stoffen handelt es sich nun darum, daſs die Nichtgerbsäure die Reaction, worauf die
                              									Methode beruht, nicht beeinfluſst. Dieser Anforderung genügt mit wenigen Ausnahmen
                              									nur die Löwenthal'sche Methode.
                           
                           Bald nachdem Monier das Chamäleon in die
                              									Gerbstoffanalyse eingeführt hatte, empfahl es auch Löwenthal zur Anwendung. Um aber den Endpunkt der Oxydation besser zu
                              									erkennen, setzte er eine gröſsere Menge einer Indigcarminlösung zu dem
                              									Rindenauszuge. In erster Linie werden die Gerbstoffe von dem Chamäleon oxydirt,
                              									sodann nimmt auch der Indigcarmin mehr und mehr an der Reaction Theil, die blaue
                              									Farbe verschwindet schlieſslich und macht einer goldgelben Platz. Dieser
                              									Farbenwechsel ist ein ziemlich scharfer, so daſs derselbe, namentlich bei einiger
                              									Uebung leicht bemerkt wird. Ist die rein gelbe Färbung da, so wird abgelesen und aus
                              									der verbrauchten Chamäleonmenge der Gerbstoffgehalt berechnet. So arbeitete Löwenthal anfänglich. Dieser Gang, obschon er genauere
                              									Zahlen lieferte als der Monier'sche, war nun noch mit
                              									dem schon oben berührten Fehler behaftet. Oxydirt man nämlich den mit Schwefelsäure
                              									versetzten Rindenauszug mit Chamäleonlösung unter Zugabe von Indigcarmin, so wird
                              									die Nichtgerbsäure bis auf einen gewissen Grad auch Permanganat zu Oxydationen
                              									beanspruchen, in Folge dessen der wirkliche Gerbstoffgehalt zu hoch ausfallen muſs.
                              									Die Menge Chamäleon, welche auf die Nichtgerbsäure entfällt, erfährt man aber, wenn
                              									man einer Probe des Auszuges die Gerbstoffe auf irgend welche Art entzieht und die
                              									nun von Gerbstoff freie Flüssigkeit titrirt. Der Chamäleonverbrauch hierfür ist
                              									gewöhnlich nicht groſs. Die gefundene Menge Chamäleon (erforderlich zur Oxydation
                              									der Nichtgerbsäure), abgezogen von der früher ermittelten Zahl (erforderlich zur
                              									Oxydation von Gerbsäure und Nichtgerbsäure) gibt die Chamäleonmenge, welche durch
                              									die Gerbsäure allein reducirt worden ist.
                           Löwenthal entzieht den Gerbstoff den rohen Auszügen
                              									durch Zusatz von Leimlösung, Kochsalz und Schwefelsäure; letztere beiden ersetzen
                              									einerseits theilweise den Leim, andererseits bezwecken sie das rasche und
                              									vollkommene Absetzen des gerbsauren Leimes, wobei aber, wie später Simand gezeigt hat, immer etwas Gerbstoff leim gelöst
                              									bleibt, welcher dann bei der Titration als Nichtgerbsäure in Rechnung gezogen,
                              									wodurch aber die Endzahl erniedrigt wird. Simand fällt
                              									die Gerbsäure durch extrahirte Knochen oder Hornschläuche, indem er diese längere
                              									Zeit mit der Gerbstofflösung in Berührung läſst. – Procter (1884 252 484) setzt etwas Kaolin zu,
                              									welcher den in Lösung gebliebenen gerbsauren Leim mit niederreiſst.
                           Ich gehe nun dazu über, die Löwenthal'sche Methode in
                              									ihren verschiedenen Aenderungen näher zu besprechen. Zur Ausführung sind
                              									erforderlich: 1) Eine schwache Chamäleonlösung. Man löst 1 bis 2g reines Kaliumpermanganat zu 1l in Wasser. 2) Eine Auflösung von Indigcarmin in
                              									Wasser, etwa 30g Paste auf 1l Wasser; um später nicht bei jeder Titration die
                              									nöthige Säure besonders zusetzen zu müssen, wird die Indiglösung gleich mit
                              									Schwefelsäure stark angesäuert. 3) Leimlösung (25g
                              									im Liter), extrahirte Knochen, Hornschläuche oder gereinigte Haut.
                           
                           Da von der Indiglösung stets eine gröſsere Menge bei jeder Titration gebraucht wird,
                              									so muſs sein Chamäleonwerth bekannt sein. Bei allen Titrationen verwendet man
                              									zweckmäſsig eine gleiche Menge Indigcarmin, z.B. stets 20cc; somit titrirt man 20cc Indigcarmin allein mit Chamäleon auf gleiche
                              									Weise, wie Auszüge titrirt werden. 20cc Indig
                              									seien gleich 14cc,8 Chamäleon.
                           Nach Löwenthal's Angabe titrirt man folgendermaſsen:
                              										25g ungetrocknete Rinde werden mit Wasser
                              									mehrmals ausgekocht. Nach dem Erkalten der Brühen wird ihr Volumen auf 2l gebracht. Von dieser Lösung werden 10cc nebst 20cc
                              									Indig mit 1l Wasser verdünnt und dann langsam mit
                              									der Chamäleonlösung titrirt, bis die Farbe rein gelb ist. Nach Abzug des
                              									Indigotiters ist die Gesammtmenge Chamäleon bekannt, welche auf die oxydirbaren
                              									Stoffe des Auszuges entfällt.
                           Zu 100cc der Abkochung = 1g,25 Rinde gibt man 100cc obiger Leimlösung, welchem Gemische dann noch
                              										50cc Wasser zugesetzt werden, das 5cc Salzsäure von 1,12 sp. G. oder 2 bis 2g,5 concentrirte Schwefelsäure enthält. Bei Zusatz
                              									der verdünnten Säure wird die Flüssigkeit käsig und die Abscheidung des gerbsauren
                              									Leimes erfolgt. Nach dem Umrühren werden die Gläser mehrere Stunden der Ruhe
                              									überlassen; sodann filtrirt man in trockene Gefäſse. 25cc des Leimfiltrates, entsprechend 10cc
                              									ursprünglicher Abkochung, unter Zugabe von Indigcarmin mit Chamäleon titrirt, geben
                              									die Chamäleonmenge, welche von durch Leim nicht gefällten, aber doch oxydirbaren
                              									Stoffen verbraucht wurden.
                           Der Indigcarmin dient bei allen den Behandlungen nicht bloſs als Indicator, sondern
                              									auch als Regulator, d.h. bei Anwendung von diesem werden nur diejenigen Stoffe
                              									oxydirt, welche leichter oder doch ebenso leicht von Chamäleon angegriffen werden
                              									wie Indigcarmin, nicht aber solche Stoffe, welche schwerer oxydirbar sind als
                              									dieser. Ein Beweis für das Gesagte liegt in der genauen Uebereinstimmung der
                              									einzelnen Titrationen, sofern sie richtig ausgeführt werden.
                           Bei Anwendung von Indigcarmin kann von einer richtigen Titration gesprochen werden.
                              									Die Sache verhält sich gerade so, wie wenn man alkalimetrische Titrationen ausführt.
                              									Immer tritt ein Augenblick ein, wo ein bestimmter Umschlag der Farbe sich beobachten
                              									läſst, der immerhin nicht so deutlich ist wie der Farbenwechsel von Lackmus oder
                              									Methylorange. Ist die gelbe Farbe einmal erschienen, so können dennoch einige
                              									Cubikcentimeter Chamäleon zugesetzt werden, ohne daſs Rothfärbung eintritt. Es sind
                              									somit noch unzerstörte oxydirbare Stoffe in der Lösung vorhanden, welche aber durch
                              									den Indigocarmin als Regulator von der Oxydation ausgeschlossen worden sind. Was für
                              									Unterschiede im Chamäleonverbrauche eintreten, wenn man mit und ohne Indig titrirt,
                              									zeigte bereits Löwenthal.
                           Löwenthal setzte der Abkochung auch Gallussäure zu,
                              									welche immer in den Rinden vorkommt; das Ergebniſs wurde dadurch gar nicht geändert,
                              										da die Säure durch
                              									Leim nicht ausgefällt und somit als Nichtgerbsäure in Rechnung gezogen wird. Löwenthal unterlieſs auch nicht, die Leimlösung auf ihr
                              									Verhalten gegen Chamäleon zu prüfen. Er titrirte nämlich 20cc derselben und fand, daſs sie 0cc,4 Chamäleon für sich beanspruchten. Es würde
                              									somit bei der Titration des Leimfiltrates das Ergebniſs etwas zu hoch und der daraus
                              									berechnete Gerbstoffgehalt zu niedrig ausfallen. Diesen geringen Mehrverbrauch
                              									vernachlässigt er darum, weil nach seiner Ansicht der reducirende Leimkörper höchst
                              									wahrscheinlich, wenigstens zum Theile, von dem niedergeschlagenen Leimtannat
                              									zurückgehalten wird und bei allen Bestimmungen derselbe ist. Wie wesentlich aber die
                              									Berücksichtigung eines Leimfehlers ist, zeigen die später zu besprechenden
                              									Untersuchungen von Simand.
                           Ich komme nun zur Besprechung einer Frage, die bis heute noch keine richtige Lösung
                              									gefunden hat, d. i. zur Umrechnung des zur Oxydation des
                                 										Gerbstoffes verbrauchten Chamäleons auf Gewichtsprocent Gerbstoff. Da wir
                              									nicht wissen, wie viel Gerbstoff wir für 1cc
                              									Chamäleon in Rechnung bringen müssen, hat man sich auf andere Weise zu helfen
                              									gesucht. Nach Löwenthal fehlt zur richtigen Bestimmung
                              									des Gerbstoffes in den verschiedenen Gerbstoff haltigen Materialien nur noch die
                              									Darstellung des reinen Gerbstoffes aus jedem einzelnen Materiale. Mit diesen
                              									verschiedenen reinen Gerbstoffen wäre dann der Verbrauch an Chamäleon nach seinem
                              									Verfahren festzustellen; es läſst sich dann leicht der Gerbstoffgehalt eines jeden
                              									Materials angeben. Da es nicht gelang, reine Eichengerbsäure zu bereiten, so drückte
                              									er die Ergebnisse der Analysen in der Weise aus, daſs er berechnete, wie viel
                              									Procent der verbrauchten Chamäleonlösung auf durch Leim fällbaren Gerbstoff
                              									einerseits und wie viel Procent auf durch Leim nicht fällbare Stoffe andererseits
                              									kommen. Annehmbare Zahlen können auf diese Art ganz gut erhalten werden, wenn
                              									verschiedene Sorten ein und desselben Gerbematerials verglichen werden sollen.
                              									Passender und leichter verständlich ist es, wenn man den Gerbstoffgehalt in
                              									Gewichtsprocent von Tannin ausdrückt. Dazu aber muſs das Chamäleon auf möglichst
                              									reines Tannin gestellt sein.
                           Kathreiner (1878 228 61) hat
                              									bei seinen eingehenden Prüfungen der Gerbstoffbestimmungsmethoden die zur Erlangung
                              									guter Vergleichszahlen nöthigen Bedingungen angegeben.a) Die Chamäleonlösung soll nicht mehr wie 1g,0 Kaliumpermanganat im Liter enthalten, b) Die Concentration der
                                    											Indigcarminlösung soll, um Fehler beim Pipettiren möglichst auszuschlieſsen,
                                    											nicht stärker sein, als daſs 20cc
                                    											Indigolösung 10cc Chamäleon entsprechen,
                                    											c) Die Concentration bezieh. die Menge des zu jeder Titration zu
                                    											verwendenden Gerbmaterialauszuges ist so zu wählen, daſs für den Auszug
                                    											nicht mehr als 8cc Chamäleon verbraucht
                                    											werden, d) Die Dauer einer Titration für die ursprüngliche Lösung soll nicht
                                    											unter 4 Minuten, für das Leimfiltrat nicht unter 6 Minuten betragen, e) Es
                                    											wäre wünschenswerth, bei der Titrirung des Filtrates mit dem für Indig
                                    											verbrauchten Chamäleon auch das für oxydirbare Substanzen des Leimes
                                    											abziehen zu können. Dies ist wohl annähernd durch vergleichende Versuche mit
                                    											Hautpulver zu erreichen. Wenn aber die oxydirbare Substanz des Leimes
                                    											im gleichen Verhältnisse zur Menge des gefällten Leimes mitgefällt wird, so
                                    											erhält man natürlich wieder nur Mittelwerthe, da nicht immer gleich viel
                                    											Leim ausfällt. Anders liegt die Sache, wenn die oxydirbare Substanz des
                                    											Leimes gar nicht oder ganz ausfällt. Bis zur endgültigen Entscheidung dieser
                                    											Frage schlägt Kathreiner vor, den durch
                                    											Titration gefundenen Leimfehler halb in Rechnung zu bringen.
                              									Hierzu ist Folgendes zu bemerken: Die Chamäleonlösung muſs sehr verdünnt sein, damit
                              									dasselbe sich in der Titrationsflüssigkeit rasch vertheilt, was zu einer regelrecht
                              									verlaufenden Oxydation nöthig ist. Es ist eben nicht auſser Acht zu lassen, daſs
                              									sich in dem zu titrirenden Auszuge zweierlei oxydirbare Stoffe befinden, nämlich
                              									solche, welche leichter, und solche, die schwerer oxydirbar sind wie Indig. Ist
                              									daher die Chamäleonlösung concentrirt, so werden, mangels rascher Vertheilung auch
                              									Stoffe der letzteren Art oxydirt. Die zweite Bedingung stellt Kathreiner hauptsächlich darum auf, weil vielerorts die
                              									Bemerkung zu finden ist, die Indiglösung müsse nahezu
                              									gleichwerthig sein mit dem Chamäleon, so daſs also 20 Chamäleon gleich 20 Indig. Die
                              									Stärke des Indigs übt aber gar keinen Einfluſs auf das Ergebniſs aus; von Belang ist
                              									bloſs die Menge, die zu je einer Gerbstofftitration gegeben wird. Bei jeder
                              									Titration muſs ferner so viel Indig zugesetzt werden, daſs mindestens die 1½ fache
                              									Menge Chamäleon für denselben verbraucht wird, also 9 bezieh. 12cc. Verwendet man nun concentrirte Auszüge zur
                              									Titration, so entsteht durch die entsprechend gröſsere Zugabe von Indig eine zu
                              									dunkle Farbe, um die Endreaction mit genügender Schärfe beurtheilen zu können.
                              									Weiter hat die geringe Menge einer angewendeten Gerbstofflösung bei gefärbten
                              									Auszügen den Vortheil, daſs hierdurch die Farbe der zu titrirenden Flüssigkeit
                              									möglichst wenig beeinfluſst wird. Dies zu beobachten, habe ich oft Gelegenheit
                              									gehabt, namentlich bei tessinischen Rinden, wo der nach üblicher Verdünnung
                              									hergestellte Auszug immer noch so stark gefärbt war, daſs das Mehr an stärkerer
                              									Färbung die Endreaction merklich verundeutlichte.
                           Von sehr groſser Wichtigkeit ist die Dauer einer Titration. Will man gleichmäſsige
                              									Endzahlen erlangen, so muſs man die Chamäleonlösung sehr langsam, Tropfen für
                              									Tropfen, unter stetem Umrühren einflieſsen lassen. Das richtige Maſs ist vorhanden,
                              									wenn in 2 Secunden 3 Tropfen fallen. Bei schnellem Titriren werden nie gleiche
                              									Werthe erhalten- Unterschiede bis zu 1cc sind mir
                              									im Anfange oft vorgekommen. Mehr und mehr gewöhnt man sich an ein gleichmäſsiges
                              									Titriren und die Zahlen werden übereinstimmend.
                           Nach Kathreiner's Angabe titrirte ich in einer groſsen
                              									Porzellanschale; letztere ist einem Becherglase darum vorzuziehen, weil sich die
                              									Endreaction durch einen am Rande der Flüssigkeit auftretenden röthlichen Schimmer
                              									sehr leicht zu erkennen gibt, was am Becherglase sich nicht zeigt. Am besten kann
                              									man bei sehr hellem Wetter titriren, jedoch nicht im unmittelbaren Sonnenscheine, da
                              									dann eine thatsächlich noch grünlich gefärbte Flüssigkeit schon goldgelb
                              									erscheint.
                           
                           Die Frage bezüglich des erwähnten Leimfehlers hat Simand
                              									(1882 244 391. 246 41) gelöst.
                              									Er zeigte nämlich, daſs gerbsaurer Leim in verdünnter Schwefelsäure, wie sie bei der
                              									Fällung mit Leimlösung angewendet wird, etwas löslich ist. Dieser gelöste Antheil
                              									einschlieſslich der oxydirbaren Substanzen des Leimes vergröſsert die Menge der
                              									Nichtgerbsäure. Dadurch aber fällt die Endzahl zu niedrig aus. Rechnet man jedoch
                              									den Fehler aus und zieht die entsprechende Ziffer von der für die Nichtgerbsäure
                              									gebrauchten Menge Chamäleon ab, so werden übereinstimmende Endzahlen erhalten.
                           Noch bevor die Ursache des Leimfehlers bekannt war, suchte Simand nach einem anderen Fällungsmittel für die Gerbsäure. Er kam auf die
                              									früher schon vereinzelt angewendete thierische Haut oder Blöſse und sodann auf das
                              									leimgebende Gewebe der Knochen und Hornschläuche (knochenartiger, Gefäſs führender
                              									Kern der Rindshörner).
                           Das schwierige Beschaffen und langweilige Zubereiten einer guten Blöſse im Vereine
                              									mit deren Eigenschaft, die Gerbstoffe aus verdünnten Lösungen nur sehr langsam
                              									aufzunehmen, stehen der Anwendung derselben im Wege, obschon sie zur
                              									Gerbstoffbestimmung eigentlich das einzig richtige
                              									Material ist. Den Gerbeprozeſs im Groſsen nachahmend, wird Alles als Gerbstoff
                              									gerechnet, was die Haut aufzunehmen vermag. Da nun aber die beiden anderen leichter
                              									zu beschaffenden Stoffe – leimgebendes Gewebe der Knochen und Hornschläuche – ganz
                              									gleiche Wirkung üben und Zahlen geben, welche mit den durch Haut erhaltenen
                              									vollkommen übereinstimmen, so hat der Vorschlag Simand's wohl allgemeinen Eingang gefunden.
                           Da nur der Kern des Hornes zur Verwendung kommt, wird derselbe durch heftiges
                              									Schlagen mit einem Hammer von der hornigen Hülle getrennt. Nach längerem Behandeln
                              									mit Sodalösung lassen sich Fleischbestandtheile, Blut, Fett u. dgl. durch Bürsten
                              									leicht entfernen; die Kernstücke werden dann mit einer Axt in kleinere Stücke
                              									gespalten und mit verdünnter Salzsäure behandelt, bis sie ganz weich sind. Nach
                              									mehreren Tagen erst können sie aus der Säure genommen, gewaschen und gemahlen
                              									werden, worauf noch öfteres Behandeln mit sehr verdünnter Säure folgt. Alles in
                              									Wasser Lösliche muſs nun durch fortgesetztes Waschen entfernt werden; das
                              									Waschwasser beseitigte ich durch sehr starkes Ausquetschen mit einer Presse. Durch
                              									längeres Liegen an der Luft müssen die Schläuche noch gänzlich getrocknet werden;
                              									dies wird wesentlich abgekürzt, wenn das Wasser möglichst durch Pressen entfernt
                              									worden ist. In die Wärme dürfen die Schläuche in feuchtem Zustande nicht gebracht
                              									werden, weil sie da in Leim übergehen.
                           Die Hornschläuche sollen beim Stehen mit Wasser möglichst wenig an dasselbe abgeben,
                              									namentlich aber gar keine Stoffe, welche durch Chamäleon oxydirt werden; sonst
                              									hätten sie ja vor dem Leime keine Vorzüge.
                           
                           Meine so hergestellten Schläuche genügten den gestellten
                              									Bedingungen. 4mal je 5g Schläuche lieſs ich mit
                              										100cc Wasser unter zeitweiligem Umschütteln
                              									während 24 Stunden in Berührung. Von jedem Filtrate wurden 20cc unter Zugabe von Indig und 1l Wasser titrirt. Es waren nur die dem Indig
                              									entsprechenden 14cc,8 erforderlich. Die
                              									Schlauchfiltrate waren somit frei von oxydirbaren Substanzen.
                           10g Schläuche, mit 200cc Wasser 48 Stunden in Berührung gelassen und vom
                              									Filtrate 100cc in einer Platinschale eingedampft,
                              									hinterlieſsen 5mg,7 Rückstand. Simand's Hornschläuche hinterlieſsen von 5g 4 bis 5mg,
                              									während Hautpulver 25mg Rückstand gab.
                           Bei den nachfolgenden Versuchen mit reinem Tannin zur Prüfung des
                              										Simand'schen Verfahrens brachte ich 5g Schläuche mit 50cc Wasser in ein Kölbchen. Wenn erstere völlig durchweicht waren, was in
                              									kurzer Zeit der Fall ist, so gab ich 50cc
                              									Tanninlösung (1g bei 100° getrocknetes Tannin in
                              										1l) dazu, verschloſs mit einem Stöpsel und
                              									lieſs 24 Stunden in Berührung; dann wurde filtrirt.
                           Die Tanninlösung brauchte folgende Mengen Chamäleon:
                           
                              
                                 20cc Indig  5cc
                                    												Taninlösung  1l Wasser
                                 19,05cc18,9018,9018,80
                                 Im MittelFür
                                    											Indig          Für Tannin
                                 18,90cc14,80–––––  4,10cc.
                                 
                              
                           Die Schlauchfiltrate verbrauchten Chamäleon:
                           
                              
                                 10cc Filtrat20cc
                                    												Indigo1l Wasser
                                 15,02cc15,2015,1015,10
                                 Im MittelFür Indig          10cc Filtrat
                                 15,10cc14,80––––– 0,30cc.
                                 
                              
                           Es wurde somit Chamäleon verbraucht:
                           
                              
                                 Für
                                 Gesammttrockensubstanz
                                 4,1cc
                                 
                              
                                 „
                                 Nichtgerbsäure
                                 0,3
                                 
                              
                                 „
                                 wirkliches Tannin
                                 3,8cc.
                                 
                              
                           Für eine zweite neu bereitete Lösung ergab sich die gleiche
                              									Endzahl. In dem Hornschlauchfiltrate war durch Eisenlösung (1g Eisenchlorid und 1g Natriumacetat + 100cc Wasser) kaum
                              									mehr Tannin nachzuweisen.
                           Eine Lösung chemisch reinen Tannins müſste letzteres an Haut vollkommen abgeben, d.h.
                              									das Schlauchfiltrat dürfte kein Chamäleon mehr verbrauchen. Nun ist aber die
                              									Chamäleonmenge, welche die Verunreinigungen beanspruchen, sehr gering gegenüber dem
                              									ganzen Chamäleonverbrauche und beträgt 7,14 Proc.
                           Ich werde später auf das sogen. „Oxalsäureverhältniſs“ zu sprechen kommen.
                              									Jetzt sei nur bemerkt, daſs nach Neubauer 41g,57 Tannin so viel Chamäleon reduciren wie 63g Oxalsäure. Die Zusammensetzung des Tannins
                              									berechnet sich daher unter Zugrundelegung der gegebenen Gleichung:
                           1cc meiner Chamäleonlösung
                              									entsprach 1mg,71 Eisen und:
                           
                              
                                 56 Eisen = 63 Oxalsäure
                                 =
                                 41,57mg Tannin
                                 
                              
                                 daher
                                 1cc
                                 Chamäleon
                                 
                                   1,269
                                 
                              
                                 
                                 3,8cc
                                 „
                                 
                                  4,822
                                 
                              
                           3cc,8 Chamäleon wurden aber verbraucht auf 5cc Tanninlösung, enthaltend 5mg Tannin. Es hat somit mein Tannin im
                              									getrockneten Zustande einen Gehalt von 96,44 Proc. wirkliches Tannin oder durch Haut
                              									fällbare Stoffe.
                           
                              (Schluſs folgt.)