| Titel: | Neuere Farbstoffe (Patentklasse 22). | 
| Fundstelle: | Band 259, Jahrgang 1886, S. 285 | 
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                        Neuere Farbstoffe (Patentklasse 22).
                        Neuere Farbstoffe.
                        
                     
                        
                           Nach Ch. Rudolph in Wiesbaden (D. R. P. Nr. 34234 vom 5.
                                 									April 1885) entsteht Paratoluidin aus
                                 										Paranitrobenzylchlorid durch Reductionsmittel, z.B. Zink und Salzsäure.
                           Paranitrobenzylchlorid wird in alkoholischer, Salzsäure haltiger Lösung zunächst in
                              									der Kälte mit Zinkstaub, den man in kleinen Posten zusetzt, behandelt; sobald sich
                              									auf Zusatz einer neuen Menge Zinkstaub eine lebhafte Wasserstoffentwickelung
                              									bemerkbar macht, wird die Flüssigkeit erwärmt und gleichzeitig durch fortgesetzten
                              									Zusatz von Zink eine rege Wasserstoffentwickelung hervorgerufen. Nach vollendeter
                              									Reduction wird das gebildete Paratoluidin aus der Reactionsmasse in bekannter Weise
                              									abgeschieden.
                           Die Reduction des Paranitrobenzylchlorids zu Toluidin kann auch ohne Anwendung eines
                              									Lösungsmittels für das Chlorid ausgeführt werden. In diesem Falle muſs das Chlorid
                              									sehr fein vertheilt sein und durch kräftiges Rühren mit dem zugesetzten Metalle
                              									innig vermischt werden.
                           Zur Herstellung der Bayer'schen α-Monosulfosäure des β-Naphtols (vgl. Farbenfabrik
                                 										F. Bayer 1882 246 348. 1883 247 268) werden nach A. Leonhardt
                                    										und Comp. und Rud. Schulz in Mühlheim a. Main	(D. R. P. Nr. 33857 vom 4. Juli 1884) 10k
                              									trockenes, fein gepulvertes β-Naphtol langsam und unter
                              									beständigem Umrühren in etwa 20k kalt gehaltene
                              									gewöhnliche concentrirte Schwefelsäure eingerührt. Es löst sich anfangs alles
                              									Naphtol auf; bald jedoch erstarrt die ganze Mischung unter gelinder Erwärmung zu
                              									einer dicken Masse. Diese eintretende Erwärmung muſs sorgsam gehütet werden; längere
                              									Zeit andauernde höhere Temperatur der Mischung begünstigt die Entstehung der Schäffer'schen Sulfosäure, wogegen vorübergehende
                              									geringe Steigerung der Temperatur über 20° auf kurze Zeit dem guten Verlaufe der
                              									Reaction keinen Abbruch thut. Die dicke Masse, welche anfangs neben
                              									Naphtylschwefelsäure nur Spuren von Sulfosäure enthält, wird nun unter öfterem
                              									Umrühren in geschlossenen Gefäſsen stehen gelassen und durch tägliche Probenahme der
                              									Verlauf der Umwandelung beobachtet. Die Proben werden mit etwa dem gleichen Volumen
                              									Wasser gelöst und längere Zeit gekocht, wodurch, so lange Naphtylschwefelsäure noch
                              									vorhanden ist, eine Abscheidung von Naphtol erfolgt. Die Umwandelung in die
                              									Sulfosäure ist vollendet, sobald eine Abscheidung von Naphtol bei der obigen Probe
                              									nicht mehr stattfindet, und kann man die hierzu nöthige Zeit durchschnittlich auf
                              									etwa 7 Tage bemessen- währenddessen ist die Mischung ganz dünnflüssig geworden.
                           Zur Trennung dieser so gebildeten Sulfosäure des β-Naphtols von der in geringen Mengen mitentstandenen Schäffer'schen Sulfosäure werden dieselben in ihre Bleisalze übergeführt,
                              									die durch Eindampfen bezieh. Erkalten erhaltenen krystallisirbaren Salze der Schäffer'schen Sulfosäure durch Filtration von der
                              									vorliegenden, im Filtrate bleibenden Sulfosäure trennt und diese dann in das
                              									Natriumsalz übergeführt.
                           Die so erhaltene Naphtolsulfosäure gibt mit Azoverbindungen schöne orange-, Scharlach- und ponceaurothe Farbstoffe. (Vgl. 1885 258
                              									372).
                           Zur Herstellung der β-Naphtoldisulfosäuren werden nach
                              									Angabe der Leipziger Anilinfabrik Beyer und Kegel in
                              									Lindenau-Leipzig (D. R. P. Nr. 33916 vom 19. April 1884) 100k
                              									β-Naphtol schnell in 400k 125° heiſse concentrirte Schwefelsäure eingetragen, die Temperatur wird
                              									5 bis 6 Stunden auf 125 bis 150° gehalten, dann die Masse in heiſsem Wasser gelöst
                              									und mit Soda neutralisirt. Hierauf sättigt man die erhaltene Lösung mit Kochsalz und
                              									läſst erkalten:, es krystallisirt dasjenige Salz heraus, welches mit
                              									Diazoverbindungen hauptsächlich die blauer getönten Farbstoffe liefert, während ein
                              									Salz in Lösung bleibt, welches gelbere Farbtöne gibt. Man wäscht noch mit
                              									concentrirtem Salzwasser nach, bis die Lösung fast farblos abläuft, und verarbeitet
                              									nun die erhaltenen Producte unmittelbar auf Azofarben,
                              									Anstatt mit Soda kann man natürlich die Sulfosäuren auch mit Aetznatron
                              									neutralisiren. Gleich gute Ergebnisse wie mit den Natronsalzen erhält man auch beim
                              									Arbeiten mit den Kalksalzen; die Trennung mittels Kochsalz läſst sich sowohl bei den
                              									sauren, als auch bei den neutralen Salzen anwenden.
                           Um aus diesen Disulfosäuren Farbstoffe herzustellen, ermittelt man durch einen
                              									Vorversuch die Menge der in jedem Theile vorhandenen Naphtolsulfosäure und verbindet
                              									dann in allgemein bekannter Weise in bis zuletzt alkalischer Lösung unter Abkühlung
                              									mit Diazoverbindungen. Die Farbstoffe fallen meist sofort in Lackform aus.
                           Man erhält aus dem in Salzwasser löslichen Theil der β-Naphtoldisulfosäure durch Paaren: mit Diazobenzol =
                              									Orange, mit Orthodiazotoluol, Paradiazotoluol = rothes Orange, mit Diazoxylol =
                              									gelbes Ponceau, mit Diazocumol = Ponceau, mit α-Diazonaphtalin = gelbes Bordeaux, mit β-Diazonaphtalin = Ponceau, mit α-Diazonaphtalinsulfosäure = Kirschroth, mit β-Diazonaphtalinsulfosäure = Ponceau, gelbstichig, und mit
                              									Diazoazobenzolsulfosäure = blaues Ponceau.
                           Aus dem in Salzwasser unlöslichen Theile der β-Naphtoldisulfosäuren erhält man: mit Diazobenzol =
                              									rothes Orange, mit Orthodiazotoluol, Paradiazotoluol = gelbes Ponceau, mit
                              									Diazoxylol = Ponceau, mit Diazocumol = rothes Ponceau, mit α-Diazonaphtalin = blaues Bordeaux, mit β-Diazonaphtalin = blaues Ponceau, mit α-Diazonaphtalinsulfosäure = Kirschroth, mit β-Diazonaphtalinsulfosäure = blaues Ponceau und mit Diazoazobenzolsulfosäure =
                              									sehr blaues Ponceau.
                           Das Lokao oder chinesische
                                 										Grün, welches namentlich durch die Untersuchungen von Cloëz und Guignet (1872
                              										204 393) bekannt wurde, bildet nach neueren
                              									Untersuchungen von B. Kayser (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1885 S. 3417) 1 bis 4mm dicke, etwas gebogene, blaue, violett und grün
                              									schimmernde Scheiben, welche leicht zerbrechlich, aber schwer zu pulvern sind, da sie
                              									zusammenballen. Der untersuchte Farbstoff hatte 47,5 Proc. Aschenbestandtheile,
                              									wesentlich Thon und Calciumcarbonat. Er wurde mit einer concentrirten Lösung von
                              									kohlensaurem Ammonium wiederholt ausgezogen, die zusammengegossenen Auszüge filtrirt
                              									und hierauf mit etwa der doppelten Menge Weingeist von 90 Proc. versetzt. Nach
                              									mehrstündigem Stehenlassen wurde der durch den Weingeistzusatz entstandene tiefblaue
                              									Niederschlag von der darüber stehenden braungelben Flüssigkeit durch Filtration
                              									befreit und noch so lange mit 70 procentigem Weingeist ausgewaschen, bis das Filtrat
                              									kaum gefärbt ablief. Der bei mäſsiger Wärme getrocknete Rückstand bildete eine
                              									bronzeglänzende Masse, welche zu einem blauschwarzen Pulver zerreiblich war. Die
                              									getrocknete Masse wurde noch weiter wiederholt durch Auflösen in Wasser unter etwas
                              									Ammoniakzusatz und Fällung mit Weingeist gereinigt. Schlieſslich wurde die zuletzt
                              									erhaltene Lösung bis zur Bildung einer Krystallhaut im Dampfbade unter tropfenweiser
                              									Zufügung von Ammoniakflüssigkeit eingedunstet und dann erkalten gelassen. Auf diese
                              									Weise wurden kleine bronzeglänzende Krystalle einer Ammoniumverbindung erhalten.
                              									Dieselbe wurde in Wasser gelöst und mit der zur Bildung von Ammoniumoxalat
                              									erforderlichen Menge von Oxalsäure in wässeriger Lösung versetzt. Der entstandene
                              									tiefblaue, flockige Niederschlag wurde, nach Entfernung des entstandenen
                              									Ammoniumoxalates durch Auswaschen, bei 100° getrocknet.
                           Die so erhaltene Lokaonsäure, C42H48C27, bildet eine pulverige, blauschwarze Masse,
                              									welche durch Druck Metallglanz annimmt. Dieselbe ist in Wasser, Weingeist, Aether,
                              									Chloroform und Benzol unlöslich sie wird von einer verdünnten Lösung von Ammoniak
                              									sowie von Kaliumhydrat oder von Natriumhydrat leicht mit rein blauer Farbe gelöst,
                              									welche durch Reductionsmittel, besonders durch Schwefelwasserstoff, in eine
                              									blutrothe umgewandelt wird, sich an der Luft jedoch sehr bald in eine rein grüne
                              									verwandelt.
                           Wird das erwähnte Ammoniumsalz bei 100° getrocknet, so bleibt die
                              									Monammoniumverbindung, NH4.C42H47O27, zurück. Mit Ammoniakflüssigkeit befeuchtet und
                              									über Schwefelsäure getrocknet, erhält man: (NH4)2C42H46O27. Mit
                              									Bleizucker wird daraus das tiefblaue Bleisalz, Pb.C42H46O27,
                              									gefällt. Das Spectrum der in Wasser löslichen Verbindungen der Lokaonsäure zeigt in
                              									verdünnter Lösung völlige Absorption von Roth und Gelb, während im übrigen Theile
                              									des Spectrums keinerlei Absorption auftritt.
                           Es wurden ferner 20g der Monammoniumverbindung der
                              									Lokaonsäure in 600cc Wasser gelöst und 20g Schwefelsäure mit 200cc Wasser gemischt zugefügt. Unter Hindurchleiten
                              									von Kohlensäure wurde hierauf die ganze Mischung etwa eine Stunde hindurch im Dampf
                              									bade erwärmt und dann unter fortdauerndem Hindurchleiten von Kohlensäure erkalten
                              									gelassen. Hierauf wurde die grünlich braune Ausscheidung auf ein Filter gebracht und von der gelblich
                              									gefärbten, Schwefelsäure enthaltenden Lösung befreit. Die Ausscheidung diente zur
                              										Reindarstellung der Lokansäure, die Lösung C36H36C21 zur Gewinnung des entstandenen Kohlehydrates: der
                              										Lokaose, C6H12O6. Die gefällte
                              									Lokansäure wurde mit Wasser gewaschen, in ein Becherglas gespült und mit
                              									Ammoniakflüssigkeit versetzt, wodurch eine tief blauviolette Lösung sich ergab. Nach
                              									dem Filtriren wurde die erhaltene Lösung mit einer concentrirten Lösung von
                              									Oxalsäure schwach übersättigt, wobei sich die Lokansäure als blauvioletter
                              									pulveriger Niederschlag abschied, der nach völligem Auswaschen und Trocknen bei 100°
                              									ein violettschwarzes, krystallinisches Pulver darstellte, welches durch Druck
                              									Bronzeglanz annahm. Die so gewonnene Lokansäure ist in Wasser, Weingeist, Aether und
                              									Chloroform unlöslich, leicht löslich jedoch in verdünnten Alkalien mit violettblauer
                              									Farbe, welche jedoch bei sehr weit fortgesetzter Verdünnung in Rosa übergeht.
                           Lokansäure, in verdünnter Ammoniakflüssigkeit gelöst, gibt auf Zusatz der doppelten
                              									Menge Weingeist eine blauviolette, flockige Ausscheidung einer Ammoniumverbindung
                              									der Lokansäure, NH4.C36H35O21 Die ausgewaschene und bei 100°
                              									getrocknete Ausscheidung bildet eine kupferglänzende Masse, welche sich zu einem
                              									schwarzblauen Pulver zerreiben läſst. Die wässerige Lösung ist blau violett, in
                              									starker Verdünnung rosa. Bleizucker fällt schwarzblaues Pb.C36H34O21.
                           Der Reductionswerth der Lokaose gegen Fehling'sche
                              									Lösung ist genau halb so groſs als der der Glukose. Die Spaltung der Lokaonsäure
                              									findet daher nach folgender Gleichung statt: C42H48O27 = C36H36O21 + C6H12O6. Bei der
                              									Behandlung mit Kalilauge zerfällt die Lokansäure in einen braunen Farbstoff, die Delokansäure, C15H19O6, und
                              									Phloroglucin: C36H36O21 = 2C15H9O6 +
                              										C6H6O3 + 6H2O.