| Titel: | Ueber die Verarbeitung von Chinagras. | 
| Fundstelle: | Band 260, Jahrgang 1886, S. 184 | 
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                        Ueber die Verarbeitung von Chinagras.
                        Sansone, über die Verarbeitung von Chinagras.
                        
                     
                        
                           Chinagras wird von den Stengeln von Urtica nivea
                              									erhalten und wird schon seit 40 bis 50 Jahren in England zu vielen Zwecken
                              									verwendet. Die Lieferungen von Chinagras aus China sind aber so unregelmäſsig, daſs
                              									eine Verwendung im groſsen Maſsstabe bis jetzt beinahe ausgeschlossen war. Die
                              									Stengel können im frischen oder trockenen Zustande verwendet werden. Da aber die
                              									Haupternte der Pflanze in vielen Ländern, so besonders auch in Indien, in die
                              									Regenzeit fallt, bietet das Trocknen der Stengel Schwierigkeiten und es muſs in
                              									diesen Ländern die Pflanze im frischen Zustande verwendet werden. Da aber die
                              									Stengel namentlich in den heiſsen Klimaten schnell in Zersetzung übergehen, muſs die
                              									Rinde so rasch als möglich abgeschält werden; dies erfordert jedoch viele Hände oder
                              									eine groſse Zahl von Maschinen, welch letztere eine bedeutende Kapitalanlage
                              									darstellen. Es ist daher von höchster Wichtigkeit, Mittel zu finden, um eine
                              									allmähliche Aufarbeitung der Stengel nach der Ernte möglich zu machen und so die
                              									Kosten zu ermäſsigen. Wenn die Chinagrasfaser allgemeine Anwendung finden soll, muſs
                              									ihre Verarbeitung nicht höher zu stehen kommen als die anderer Faserstoffe,
                              									namentlich der Baumwolle. Um dies zu ermöglichen, schlägt A.
                                 										Sansone im Journal of the Society of Chemical
                                 										Industry, 1886 S. 76 Kochen der Stengel mit Soda oder Aetznatron vor. Grüne
                              									Stengel lassen sich nach Eintauchen in eine kochende Lösung von Alkalien während 5
                              									Minuten aufs leichteste entschälen; halb getrocknete Stengel erfordern etwa 15
                              									Minuten, ganz trockene 20 bis 25 Minuten. Diese Behandlung für sich allein hat
                              									besonders in Ländern, wo sich die Stengel nach der Ernte leicht trocknen lassen,
                              									Bedeutung. Im trockenen Zustande halten sich die Stengel ohne schädliche Folgen und
                              									lassen sich je nach Belieben entschälen. Man ist daher in den Stand gesetzt, auch
                              									mit kleineren Apparaten bedeutende Mengen Chinagrasfasern zu gewinnen. Das Holz der
                              									Stengel, welches nach dem Entschälen bleibt, läſst sich mit Vortheil zum Heizen der
                              									Kessel verwenden. Die Asche liefert Soda zum Behandeln von weiteren Mengen der
                              									Pflanze.
                           Sansone hat aber ein weiteres Verfahren gefunden, um die
                              									allmähliche Aufarbeitung der Ernte auch in Ländern, wo Trocknung der Stengel nicht
                              									angeht, zu ermöglichen. Er fand nämlich, daſs sich die frischen Stengel in einer
                              									Lösung von Natrium- oder besser noch von Calciumsulfit lange Zeit ohne Zersetzung
                              									halten lassen, und schlägt daher vor, die grünen Stengel nach der Ernte in mit
                              									Bisulfitlösung gefüllten Gruben bis zur Verarbeitung aufzubewahren. Die
                              									Bisulfitlösung hat auch den Vortheil, daſs sie die Fasern bedeutend bleicht.Dieses Verfahren möchte wohl durch die schnelle Oxydation der
                                    											Bisulfitlösungen beeinträchtigt werden.
                           Die rohe getrocknete Rinde wird nach Europa zur weiteren Verarbeitung geschickt. Sansone schlägt vor, die rohe Faser durch mehrmaliges
                              									abwechselndes Kochen mit verdünnter Natronlauge und Eintauchen in Bisulfitlösung
                              									weiter zu reinigen. Zum Bleichen kann Natriumhypochlorit, nicht aber Chlorkalk verwendet werden. Das Färben der
                              									Faser bietet keine groſsen Schwierigkeiten. Die Faser ist nicht so elastisch wie
                              									Baumwolle und darf daher beim Appretiren jedenfalls nicht sehr hohem Drucke
                              									ausgesetzt werden. (Vgl. Renard 1884 251 135.)
                           Das Stengelholz, welches nach dem Abziehen der Rinde bleibt, kann, da es schon
                              									bedeutend gebleicht ist, jedenfalls mit Vortheil zur Holzstoffbereitung Verwendung
                              									finden.