| Titel: | J. Müller's hydraulische Kurbel-Umsteuerung für Locomotiven. | 
| Fundstelle: | Band 260, Jahrgang 1886, S. 393 | 
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                        J. Müller's hydraulische Kurbel-Umsteuerung für Locomotiven.
                        Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 26.
                        Müller's hydraulische Kurbel-Umsteuerung für
                           								Locomotiven.
                        
                     
                        
                           Eine sogen. hydraulische Kurbel, welche bei Locomotiven die Coulisse für die
                              									Umsteuerung und die veränderliche Cylinderfüllung ersetzen soll, hat J. Müller in Batignolles der Société
                                    											d'Encouragement in Paris vorgelegt. Nach dem Bulletin
                                          													Société d'Encouragement dieser Gesellschaft, 1885
                                 										Bd. 12 * S. 289 bezieh. dem Génie civil,
                                 										1885/86 Bd. 8 * S. 345 gründet sich die neue Einrichtung auf die bekannte
                              									Thatsache, daſs mit Hilfe der Coulisse bei ihren verschiedenen Stellungen die
                              									Dampfvertheilung so vor sich geht, als würde sie durch ein Excenter bewirkt, welches
                              									allmählich von der Stellung des Vorwärts- in die des Rückwärtsexcenters übergeht und
                              									zwar in einer Curve, welche je nach Befinden eine schwach gekrümmte oder eine gerade
                              									Linie ist. J. Müller verschiebt nun das Excenter
                              									selbst, welches in diesem Falle allerdings die Form der Stirnkurbel haben muſs, mit
                              									Hilfe eines kleinen Preſswassercylinders in gerader Linie zwischen den beiden
                              									äuſsersten Stellungen – den Lagen des Vorwärts- und Rückwärtsexcenters für die
                              									höchste mögliche Füllung.
                           Textabbildung Bd. 260, S. 393 Nachstehend ist die Anordnung der hydraulischen Kurbel bei einer
                              									Locomotive mit auſsenliegender Steuerung schematisch dargestellt. Die Gegenkurbel
                              									läuft in eine querstehende Schlitzführung von entsprechender Länge aus, in welcher
                              									sich ein Gleitstück bewegt, das cylindrisch ausgebohrt ist; an der Auſsenseite
                              									desselben sitzt der in diesem Falle sehr dicke Zapfen für die Schieberstange.
                              									Concentrisch zur Bohrung des Gleitstückes ist in die Schlitzführung ein Kolben mit Stange fest
                              									eingesetzt, über welchen sich das Gleitstück hin und her verschieben läſst;
                              									Stopfbüchsen an beiden Enden desselben dichten die Stange ab. Mit den beiden Enden
                              									des cylindrischen Hohlraumes im Gleitstücke stehen durch Kanäle Bohrungen im Zapfen
                              									für die Schieberstange und diese wieder mit engen Kupferrohren in Verbindung, welche
                              									nach den beiden Enden eines ähnlichen Cylinders am Führerstande reichen, dessen
                              									Kolben durch eine Schraube verschoben werden kann. Der ganze Apparat ist mit
                              									Glycerin gefüllt. Es ist nun leicht einzusehen, wie bei Drehung der letztgenannten
                              									Schraube sich der Zapfen der Gegenkurbel hin und her schieben läſst.
                           Die Ausführung dieser an sich ziemlich einfach scheinenden Einrichtung gestaltet sich
                              									allerdings mit Rücksicht auf die Beweglichkeit des Zapfens der Gegenkurbel ziemlich
                              									zusammengesetzt. Fig. 1 bis 3 Taf. 26 veranschaulichen
                              									die Einrichtung des beweglichen Kurbelzapfens in Ansicht, in einem wagerechten und
                              									lothrechten Schnitte. Hierin bezeichnet A den durch die
                              									Preſsflüssigkeit zu bewegenden Cylinder oder das Gleitstück mit dem daransitzenden
                              									Hohlzapfen B, welcher in dem Schlitzrahmen C seine Führung erhält. D
                              									ist die Excenterstange für die Schieberbewegung, F der
                              									Kolben an der im Rahmen C befestigten Stange E, welche durch Stopfbüchsen an beiden Cylinderenden
                              									geht. Die Zuführung der Flüssigkeit nach den beiden Enden des Cylinders erfolgt
                              									durch die Kanäle l und l1. Die weitere Leitung erfolgt durch die
                              									beiden Röhrchen m und m1 (vgl. Querschnittfigur 3), von welchen das
                              									letztere unmittelbar durch die centrale Bohrung des Zapfens f und der sonstigen zwischenliegenden Theile mit l1 in Verbindung steht, während das
                              									Röhrchen m durch den an der Stirnfläche des Zapfens f ausgedrehten ringförmigen Raum mit l in Zusammenhang gebracht ist. Die Kupferröhrchen m und m1 werden ein Stück längs der Excenterstange D geführt und von hier aus quer gegen die in der Mitte
                              									der Maschine befestigte Spirale (B in der Textfigur),
                              									welche den Röhrchen gestatten soll, den Schwingungen der Excenterstange zu folgen.
                              									Der Zapfen f ist mit seinem äuſseren Ende mittels des
                              									Bronzebügels G an der Excenterstange D befestigt (Fig. 2). Der Zapfen f besteht aus gehärtetem Stahl und stüzt sich mittels
                              									der Zwischenplatte g aus Bronze auf eine Platte e aus gehärtetem Stahl, welche in der Bohrung des
                              									Hauptzapfens B festgelegt ist. Die Bronzeplatte g wird durch einen umgebenden eisernen Ring etwas
                              									excentrisch gehalten. Mit Hilfe von Federn r, welche in
                              									den Hohlraum des Zapfens B eingesetzt sind und gegen
                              									den Bund des Stahlzapfens f drücken, werden die Flächen
                              									von f, g und e dicht auf
                              									einander gehalten. Der Hohlraum ist übrigens mit Oel gefüllt, um den ganzen
                              									Mechanismus zu schmieren; dieses Oel wird durch die Schraube h eingefüllt. Durch Federn angepreſste Ventile, wie ein solches in Fig. 3 bei n ersichtlich ist, schlieſsen die Verbindung zwischen
                              									den Enden des Cylinders A und den Röhrchen m
                              									und m1 ab, so daſs also für
                              									gewöhnlich der Druck der Schieberstange, welcher sich auf die Zapfen und die
                              									Flüssigkeit im Cylinder fortpflanzt, keine Wirkung auf den Steuerapparat am
                              									Führerstande ausüben kann. Diese Ventile heben sich nur durch einen Ueberdruck von
                              									diesem Apparate her und erlauben alsdann der Flüssigkeit den Durchgang.
                           Der Steuerapparat, zu welchem die oben erwähnten Kupferröhrchen m und m1 vom Punkte B der
                              									Textfigur weiter geführt sind, ist in Fig. 4 bis 6 Taf. 26 ebenfalls im
                              									Grundrisse, Längs- und Querschnitte dargestellt. I ist
                              									die mit einem Schwungrade H versehene Schraube, durch
                              									welche die an den Stangen K sitzenden Kolben L der beiden Cylinder M
                              									bewegt werden. Von diesen Kolben L wirkt der eine auf
                              									den linken, der andere auf die rechten Cylinder der Locomotive. Die beiden Cylinder
                              										M entsprechen in der Gröſse genau den Cylindern A (Fig. 1 bis 3) der Excenterzapfen.
                              									Eine Eintheilung an der Spindel I erlaubt, die Stellung
                              									der Steuerung abzulesen. Von der Unterseite der Cylinder M gehen die Röhrchen N. nach den Röhrchen m und m1 der beiden Gegenkurbeln ab; an der Oberseite aber
                              									sind die Cylinder M mit je zwei sich nach innen
                              									öffnenden Ventilen O versehen, welche durch Federn
                              									geschlossen gehalten werden. Durch diese Ventile wird die Flüssigkeit in den
                              									Cylindern ergänzt, falls sich durch irgend welche Undichtheit dieselbe etwas
                              									verringert hat und dadurch das gleichmäſsige Spiel des Apparates etwas gestört
                              									worden, also ein todter Gang eingetreten ist. Hierzu dient eine kleine Preſspumpe
                              										P, deren Cylinder oberhalb der Cylinder M gelagert ist; der Taucherkolben Q dieser Pumpe wird durch die mit dem Handrade R versehene Schraube S
                              									unter Einschaltung einer kräftigen Spiralfeder fortwährend nach innen gedrückt und
                              									bewirkt bei gehöriger Anspannung sofort den Uebertritt von Flüssigkeit in jene
                              									Cylinderhälfte, in welcher sich etwa in Folge Undichtheit irgend ein leerer Raum
                              									gebildet hat.
                           Die Kupferröhrchen zur Verbindung von Steuerapparat und Gegenkurbel laufen unter dem
                              									Kessel bis zu dem Punkte B (vgl. Textfigur), woselbst
                              									sie am Rahmen möglichst in der Mitte der Maschine befestigt sind; um sie zu der etwa
                              										140mm betragenden Verschiebung des Zapfens der
                              									Gegenkurbel zu befähigen, sind sie hier in 4 Windungen spiralförmig
                              									zusammengewickelt und dann nach der Excenterstange D
                              										(Fig. 2)
                              									geführt und dort befestigt. Die Elasticität der bloſs 1cm weiten Röhrchen ist völlig genügend, um dieselben allen Bewegungen des
                              									Zapfens B (Fig. 1) mit Leichtigkeit
                              									folgen zu lassen. Die sehr berechtigten Zweifel über die Haltbarkeit dieser
                              									Verbindung sollen durch die Thatsache widerlegt werden, daſs der beschriebene
                              									Apparat ohne jeden Schaden mehrere Millionen Schwingungen von 140mm Weite ausgehalten hat, d.h. bei weitem
                              									gröſsere, als sie normal durch das Spiel des Excenters hervorgebracht werden. Im
                              									Uebrigen hat man angeblich bei 200 Umdrehungen in der Minute nach 18 Millionen
                              									Umläufen keinerlei Ausbesserung des Apparates nöthig gehabt. Die sich drehenden Dichtungsflächen an dem
                              									Zapfen f, den Scheiben g
                              									und e zeigten sich vollständig polirt, ohne jede Spur
                              									von Abnutzung, und die Kolbendichtungen waren durchaus gut erhalten.
                           Als Vortheile der beschriebenen Einrichtung betrachtet J.
                                 										Müller folgende: 1) Verminderung der Gelenke des Steuerungsmechanismus auf
                              									die geringstmögliche Zahl, 2) Verminderung des Gewichtes der Maschine und 3) die
                              									Möglichkeit, den Durchmesser und das Gewicht der Triebräder zu verringern, da der
                              									Erfinder glaubt, auf Grund dieser Gewichtsverminderungen der Maschine eine höhere
                              									Anzahl Kolbenspiele zumuthen zu dürfen.
                           Der Berichterstatter der Société d'Encouragement hat
                              									sich, bei Anerkennung der geistvollen Lösung der vorliegenden Aufgabe doch nicht
                              									verhehlen können, daſs die Anwendung des fraglichen Umsteuerungssystemes mancherlei
                              									und beträchtlichen praktischen Schwierigkeiten begegnen wird. Insbesondere fällt
                              									dabei ins Gewicht, daſs die Müller'sche Einrichtung nur
                              									für Maschinen von ganz bestimmter Bauart (Steuerung durch Gegenkurbel) anwendbar
                              									ist, sowie daſs die Versuche mit einer festliegenden Maschine angestellt wurden. Die
                              									Verhältnisse des Locomotivbetriebes sind doch wesentlich verschiedene und es wird
                              									hierfür bloſs eine Reihe in groſsem Maſsstabe und im regelmäſsigen Betriebe
                              									angestellter Versuche ein maſsgebendes Urtheil über den Werth der neuen Umsteuerung
                              									geben können.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
