| Titel: | Zur Analyse der Sprengstoffe; von G. Lunge. | 
| Autor: | G. Lunge | 
| Fundstelle: | Band 262, Jahrgang 1886, S. 224 | 
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                        Zur Analyse der Sprengstoffe; von G.
                              								Lunge.
                        Mit Abbildung.
                        G. Lunge, zur Analyse der Sprengstoffe.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich ist von allen Methoden zur Bestimmung des Stickstoffgehaltes von
                              									Salpetersäuresalzen oder -Estern diejenige am bequemsten und schnellsten ausführbar
                              									und dabei an Genauigkeit keiner anderen nachstehend, welche sich auf die Reaction
                              									von W. Crum: Schütteln mit überschüssiger Schwefelsäure
                              									und Quecksilber und Messen des entwickelten Stickoxydes, gründet. Ebenso wird wohl
                              									allgemein angenommen, daſs diese Methode im Falle von flüssigen oder in Wasser
                              									leicht löslichen Körpern am bequemsten und genauesten mittels des von mir im J. 1878
                              									beschriebenen NitrometersVgl. G. Lunge 1878 228 * 447. 1879 231 522. 1882 243 * 421. 1885 258 *
                                    											361. ausgeführt wird. Die Dynamitfabriken brauchen denn auch wohl
                              									gewöhnlich dieses Instrument zur Analyse des Nitroglycerins in der Fabrikation,
                              									sowie zu derjenigen des durch Extractionsmittel aus verschiedenen Dynamitsorten erhaltenen
                              									Nitroglycerins.
                           Anders schien die Sache zu stehen mit der direkten Analyse von Sprengmitteln, welche
                              									Nitroglycerin im Gemische mit anderen Körpern enthalten, sowie bei derjenigen von
                              									Pyroxylin. Diese Körper lassen sich, wie man glaubte, nicht unmittelbar in flüssige
                              									Form bringen und in das Nitrometer einführen. Um auch auf diese die Crum'sche Methode anwenden zu können, construirte W. Hempel im J. 1881 ein anderes Nitrometer (vgl. Zeitschrift für analytische Chemie, 1881 S. 82).Vgl. Lunge's Analyse von Dynamiten 1882 245 171.
                              									Hampe, welcher die nitrometrischen Methoden ausführlich
                              									bespricht (Ueber die Analyse der Sprengkörper, 1883 S.
                              									18), nennt die Hempel'sche Methode bequem, leicht
                              									auszuführen und sehr genau für alle Körper, welche im Nitrometer ausschlieſslich
                              									Stickoxydgas entwickeln. Theils um auch Kohlensäure haltige Stoffe untersuchen zu
                              									können, theils der Kosten der Instrumente wegen, hat Hampe eine andere Methode ersonnen, welche darauf beruht, das nach der Crum'schen Reaction entwickelte Stickoxyd durch
                              									Sauerstoff und Wasserstoffsuperoxyd in Salpetersäure überzuführen und diese mit
                              									Normalnatronlauge zu titriren, also in völliger Analogie mit dem ursprünglichen Schlösing'schen Verfahren der Stickstoffbestimmung mit
                              									Eisenchlorür, welches jetzt fast allgemein, im Gegensatze zu dem von Hampe eingeschlagenen Wege, auf gasvolumetrischem Wege
                              									ausgeführt wird. Die Hampe'sche Methode scheint bis
                              									jetzt noch nicht weit verbreitet zu sein; in den von mir besuchten Fabriken wurde
                              									sie nirgends angewendet, wohl weil man sich vor ihrer Umständlichkeit scheute.
                           Wo man, wie es bei so vielen der neueren Dynamite der Fall ist, zur Analyse unbedingt
                              									die wasserlöslichen anorganischen Nitrate von den Estern (Nitrocellulose und
                              									Nitroglycerin) durch Extraction trennen und die letzteren daher so wie so isoliren
                              									muſs, wird wohl mein Nitrometer immer noch das bequemste und einfachst zu
                              									handhabende, auch weitaus billigste Instrument zur Bestimmung des Stickstoffes sein.
                              									Nur zu direkter Analyse des Guhrdynamites und des Pyroxylins schien bisher das Hempel'sche oder etwa das Hampe'sche Verfahren den Vorzug zu verdienen.
                           Eine neue Besprechung der hierher gehörigen Methoden ist von Lubarsch geschehen (Programm des Friedrichs-Realgymnasiums. Gärtner's Verlag, Berlin 1885). Dieser Chemiker wendet
                              									sich entschieden gegen die Behauptung, daſs das Arbeiten mit dem Hempel'schen Nitrometer bequem und leicht sei; im
                              									Gegentheile bedinge die zur Erreichung genauer Ergebnisse unerläſsliche
                              									Nothwendigkeit des äuſserst schnellen Arbeitens beim Einführen der Substanz in das
                              									Entwickelungsgefäſs und beim Füllen des letzteren mit Quecksilber groſse
                              									Geschicklichkeit und Erfahrung und schlieſse nicht weniger als drei Fehlerquellen ein: Verlust bei der
                              									Auflösung, Verlust an Stickoxyd, welches sich schon während der Füllung in Berührung
                              									mit Quecksilber entwickelt, und endlich das ganz unvermeidliche Zurückbleiben von
                              									Luftblasen. Für poröse Schieſsbaumwolle sei es namentlich kaum brauchbar. Für
                              									Kohlensäure haltige Sprengstoffe ist es prinzipiell nicht geeignet. Die von Hampe angegebene Methode hält Lubarsch für entschieden zu umständlich für Anwendung in der Praxis. Aus
                              									diesem Grunde hat er ein eigenes Instrument, das „Reversions-Nitrometer“
                              									construirt. Dieses gestattet wohl leichtere Hantirung als das Hempel'sche, aber stellt doch in Bezug auf Einfachheit
                              									der Construction und Bequemlichkeit der Arbeit einen groſsen und in mancher
                              									Beziehung von vornherein unnöthigen Rückschritt gegenüber meinem Nitrometer vor.
                              									Statt z.B. den Quecksilberspiegel durch Heben des Seitenrohres einzustellen, soll
                              									man dies durch Ablassen oder Zugieſsen von Quecksilber thun; die Weiten der beiden
                              									Röhren und damit die Meniscusdepressionen sind ungleich die Nothwendigkeit der
                              									Anwendung eines fast ganz reines Gas liefernden Kohlensäure-Apparates ist lästig und
                              									die zufällig eintretende Ausgleichung des gewöhnlichen Kalkgehaltes von Pyroxylin
                              									mit der dem kohlensauren Kalk entsprechenden Menge Stickoxyd, welche eine
                              									Vereinfachung der Rechnung bieten soll, doch wohl kaum für alle Fälle zutreffend.
                              									Auch ist der Preis des Apparates auſserordentlich hoch (50 M. gegenüber 13 bis 15
                              									M., was wohl der gewöhnliche Preis meines Nitrometers nebst Stativ in den
                              									Apparatenhandlungen ist).
                           Textabbildung Bd. 262, S. 226Ich glaube nun, durch eine kleine Abänderung, welche Jedermann in wenigen
                              									Minuten an meinem Apparate anbringen kann, demselben ohne alle Umstände und so gut
                              									wie kostenlos alle Vorzüge des Hempel'schen und des Lubarsch'schen Nitrometers gegeben und dabei den Vorzug
                              									des leichten und einfachen Gebrauches vollkommen gewahrt zu haben. Diese Abänderung
                              									besteht darin, daſs auf den Becher des Nitrometers s
                              									ein Kautschukpfropfen mit kleinem Schwanenhalstrichter aufgesetzt wird. Von der
                              									Substanz wird, wie immer, so viel abgewogen, als der Fassung des Nitrometers (50,
                              									100, 140cc) entspricht, und dieselbe, also
                              									Guhrdynamit, Pyroxylin u. dgl., in den Becher des Nitrometers eingeschüttet. Dann
                              									setzt man den Kautschukpfropfen auf und gieſst durch den Trichter 2 bis 3cc concentrirte Schwefelsäure ein, wobei natürlich
                              									ein wenig derselben in der Schwanenhalsbiegung zurückbleibt. Man wartet nun, bis die
                              									Substanz in der Schwefelsäure aufgelöst bezieh. zergangen ist. Verlust von
                              									salpetrigen Dämpfen kann nicht eintreten, weil diese von der den Trichter
                              									absperrenden Säure zurückgehalten werden. Nun saugt man wie gewöhnlich die
                              									Flüssigkeit in das Meſsrohr ein, wobei natürlich die Säure aus dem Trichterrohre
                              									nachgesaugt wird und eine erste Ausspülung besorgt. Hierauf kann man ruhig den
                              									Pfropfen abnehmen und die zweite Ausspülung unmittelbar vornehmen. Die Analyse wird
                              									dann wie gewöhnlich zu Ende geführt und am Schlüsse die Flüssigkeit in den Becher
                              									zurückgeführt. Eine Verstopfung des Hahnes durch die in der Säure vertheilte Guhr
                              									trat nie ein. Es ist klar, daſs ein Gehalt der Substanz an Kohlensäure unter solchen
                              									Umständen keinen Fehler verursacht.
                           Die Ergebnisse der Methode sind sehr gut; statt meiner eigenen
                              									Versuche will ich, als überzeugender für die Leichtigkeit der Ausführung auch in
                              									anderen Händen, diejenigen anführen, welche Hr. B. Lee,
                              									Chemiker der Dynamitfabrik Isleten (Uri), nach meiner ganz kurzen schriftlichen
                              									Unterweisung für mich anzustellen die Güte hatte. Er untersuchte eine erst bei 40°
                              									und dann über Schwefelsäure getrocknete Collodionwolle.
                              									Bei Versuch I blieb der Becher des Nitrometers während der ganzen Arbeit
                              									geschlossen; d.h. die zum Auflösen der Wolle, sowie die zum Nachspülen benutzte
                              									Schwefelsäure wird durch das Schwanenhals-Trichterrohr hineingegossen. Bei den
                              									Versuchen II und III dagegen wurde zunächst die an den Wandungen des Bechers
                              									haftende staubförmige Wolle mit etwas Säure nach unten gespült und erst hierauf der
                              									Pfropfen mit dem Trichterrohre aufgesetzt und die Hauptmenge der Schwefelsäure
                              									eingegossen. Nachdem die Wolle sich gelöst hatte und die Lösung ins Nitrometer
                              									eingesaugt worden war, wurde der Pfropfen wieder entfernt und das Nachspülen bei
                              									geöffnetem Becher vorgenommen. Der letztere blieb also nur während der Auflösung der
                              									Wolle geschlossen; diese selbst dauerte etwa ¾ bis 1 Stunde und wurde durch
                              									zeitweiliges gelindes Schütteln unterstützt. Dabei zeigte sich eine reichliche
                              									Entwicklung von farblosen Gasbläschen, augenscheinlich herrührend von der Zersetzung
                              									der in der Wolle enthaltenen kohlensauren Salze durch die Schwefelsäure. Da diese
                              									Zersetzung auſserhalb des Meſsrohres stattfindet, so wird in der Bestimmung des
                              									Stickstoffes durch die Kohlensäure kein Fehler verursacht, wie dies beim Hempel'schen und Lubarsch'schen Nitrometer der Fall ist. Folgendes sind die Ergebnisse der
                              									Versuche:
                           
                              
                                 VersuchNr.
                                 AngewendeteSchieſswolle
                                 GefundenesGasvolumen
                                 Barometer
                                 Temperatur
                                 Stickstoff
                                 
                              
                                 
                                 g
                                 cc
                                 mm
                                 
                                 Proc.
                                 
                              
                                   I
                                 0,5252
                                 113,1
                                 725
                                   17°
                                 12,09
                                 
                              
                                  II
                                 0,5159
                                 111,3
                                 725
                                 18
                                 12,07
                                 
                              
                                 III
                                 0,5120
                                 110,3
                                 725
                                 18
                                 12,05
                                 
                              
                           Dies erweist, daſs die Bestimmungsmethode eine vollständig genaue
                              									ist und zwar auch bei der einfacheren Handhabung, wie sie in den Versuchen II und
                              									III geschehen war. (Aus der Chemischen Industrie, 1886
                              									S. 273.)
                           
                        
                           
                              Nachtrag.
                              
                                 
                                 Vom Verfasser unmittelbar an die Redaction von D. p.
                                       												J. eingesendet.
                                 
                              
                           Die Veröffentlichung obiger Mittheilung in der Chemischen
                                 										Industrie hat Hrn. G. Alberts, Chemiker der
                              										„Dynamite Nobel“ zu Avigliana bei Turin, veranlaſst, mir folgende
                              									Bemerkungen zu machen, deren wesentlichen Inhalt ich mit seiner Genehmigung hier
                              									wiedergebe.
                           Hr. Alberts führt schon seit 2 Jahren die Analyse von
                              									Schieſsbaumwolle in einem Nitrometer meiner Construction nach folgendem Verfahren
                              									aus. Die Proben werden ungefähr 2 Stunden lang bei 40° getrocknet, alsdann durch ein
                              									feines Messingsieb gerieben, hierauf ein Durchschnittsmuster von etwa 10g genommen und dieses im Exsiccator über
                              									Schwefelsäure bis zur Erreichung eines constanten Gewichtes getrocknet. Nun wird die erforderliche
                              									Menge Schieſsbaumwolle (etwa 0g,48) in einem etwa
                              										10cc haltenden, mit Glasstöpsel verschlossenen
                              									Glaskölbchen abgewogen.
                           Nachdem das Nitrometer (von der bekannten, von mir angegebenen Construction mit
                              										140cc Inhalt) wie gewöhnlich vorbereitet
                              									worden ist, wird in das Kölbchen etwa 5cc
                              									concentrirte reine Schwefelsäure gegossen, die Schieſsbaumwolle durch Umrühren mit
                              									einem Platindrahte darin vertheilt, der Inhalt des Kölbchens so vollständig als
                              									möglich in den Trichter des Nitrometers entleert und ohne Zeitverlust durch Drehen
                              									des Dreiwegehahnes in die Meſsröhre eingesaugt. Durch mehrmaliges Ausspülen des
                              									Kölbchens mit je 3cc concentrirter Schwefelsäure,
                              									wobei stets mit dem Platindrahte umgerührt wird, bringt man sämmtliche Reste der
                              									Substanz in den Trichter und dann durch Einsaugen der Säure in das Meſsrohr.
                              									Schlieſslich wird noch der Trichter und der Platindraht mit Schwefelsäure
                              									nachgewaschen und auch diese in das Innere des Rohres eingeführt, worauf man den
                              									Dreiwegehahn abschlieſst und wie gewöhnlich die Arbeit durch Schütteln beendigt. Die
                              									Gesammtmenge der Schwefelsäure beläuft sich hierbei auf 15 bis 20cc.
                           Die in der Schieſsbaumwolle vorhandene Kohlensäure entweicht während der Behandlung;
                              									in dem Nitrometertrichter wurde niemals eine Gasentwickelung wahrgenommen. Durch die
                              									Kohlensäure entsteht also bei diesem Verfahren kein Fehler. Folgende Zahlen zeigen
                              									dessen Genauigkeit:
                           
                              
                                 Versuchs-Nr.
                                 Aschengehalt derProbe
                                 Direkt ermittelterStickstoffgehalt
                                 Stickstoffgehalt deraschenfreien Probe
                                 
                              
                                 1
                                      0,86 %
                                     13,4 %
                                     13,52 %
                                 
                              
                                 2
                                 2,40
                                 13,2
                                 13,53
                                 
                              
                                 3
                                 2,16
                                   13,24
                                 13,53
                                 
                              
                                 4
                                 1,80
                                 13,3
                                 13,54
                                 
                              
                                 5
                                 2,60
                                 13,2
                                 13,55
                                 
                              
                           Die untersuchte Substanz rührte von derselben Nitrirungsarbeit
                              									her; der verschiedene Aschengehalt stammt von der Verschiedenheit in der Behandlung
                              									nach der Nitrirung.
                           Hr. Alberts glaubt, daſs diese Methode noch den Vorzug
                              									vor der von mir beschriebenen verdiene, weil die zum Einführen der Schieſsbaumwolle
                              									in das Meſsrohr nöthige Zeit höchstens 5 Minuten und die für eine ganze Analyse
                              									erforderliche Zeit nur eine Stunde betrage, während bei meinem Verfahren gewartet
                              									werden müsse, bis die Schieſswolle im Trichter (Becher) zergangen ist. Auch
                              									vermuthet er, daſs bei letzterem die im Trichter sich ansammelnden salpetrigen
                              									Dämpfe verloren gehen. Letzteres ist unrichtig; denn nach kurzem Stehen sind diese
                              									Dämpfe von der in groſsem Ueberschusse vorhandenen Schwefelsäure vollständig
                              									absorbirt und auch der Zeitverlust von ¾ bis 1 Stunde für die Auflösung kommt kaum
                              									in Anschlag, da man ja während dessen beliebige andere Arbeiten vornehmen kann.
                              									Jedenfalls wird man aber, wenn man nach dem Alberts'schen Verfahren fein zerriebene Schieſswolle verwendet, diese auch ohne
                              									die – immerhin nur bei ziemlicher Uebung unbedenkliche – Hantirung mit dem
                              									Stöpselfläschchen unmittelbar in den Becher des
                              									Nitrometers einschütten und aus diesem, allerdings am besten unter Anwendung meines
                              									Aufsatzröhrchens, in das Nitrometerrohr einsaugen können, ohne erst das Zergehen in der Säure abzuwarten. Hierdurch würde also auch
                              									der Vorwurf des gröſseren Zeitverlustes bei meiner Methode vollständig beseitigt.
                              									Ein Verstopfen des Hahnes wird hier ebenso wenig wie mit Guhrdynamit, oder bei Alberts' eigenem Verfahren eintreten.
                           Es ist also auch durch die Mittheilung des Hrn. Alberts
                              									erwiesen, daſs man zur direkten Analyse von Schieſsbaumwolle (und dasselbe gilt
                              									selbstverständlich auch von Guhrdynamit) noch immer am besten mein Nitrometer anwendet, statt der umständlicheren
                              									Apparate und Verfahren von Hempel, Rampe und Lubarsch.
                           Zürich, 23. Oktober 1886.
                           G. Lunge.