| Titel: | Ueber Mattätzen des Glases; von F. Reinitzer in Prag. | 
| Autor: | F. Reinitzer | 
| Fundstelle: | Band 262, Jahrgang 1886, S. 322 | 
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                        Ueber Mattätzen des Glases; von F. Reinitzer in
                           								Prag.
                        Mit Abbildungen.
                        F. Reinitzer, über Mattätzen des Glases.
                        
                     
                        
                           Man unterscheidet bekanntlich zwei Arten des Glasätzens: das sogen. Klarätzen und das Mattätzen. Das erstere wird allgemein mit wässeriger Fluſssäure vorgenommen, während für das letztere verschiedene
                              									Verfahren in Gebrauch sind. Eine Erklärung für den Vorgang beim Klarätzen ist
                              									einfach gegeben, wenn man annimmt, daſs die einzelnen Bestandtheile des Glases der
                              									lösenden Wirkung der Fluſssäure einen nicht wesentlich verschiedenen Widerstand
                              									entgegensetzen und demgemäſs Unebenheiten, welche den Eindruck einer matten
                              									Glasfläche hervorrufen könnten, auf dem Glase nicht entstehen. Die gebildeten
                              									Kieselfluoride lösen sich in der verdünnten Fluorwasserstoffsäure auf und so ist
                              									auch die Möglichkeit der Ausscheidung von Salzen und dadurch bedingte Bildung von
                              									Unebenheiten auf dem Glase ausgeschlossen. Klar geätztes Glas macht deswegen auf das
                              									Auge denselben Eindruck wie nichtgeschliffenes Tafelglas. Schwieriger ist es, eine
                              									Erklärung für die beim Mattätzen statthabenden Vorgänge zu finden, auch schon
                              									deshalb, weil, wie bemerkt, das Mattätzen auf verschiedene Weise vorgenommen werden
                              									kann.
                           Beachtenswerthe Beiträge zur Theorie des Mattätzens hat Friedr. Reinitzer in den Berichten der
                                       										Oesterreichischen chemischen Gesellschaft, 1886 * S. 67 und 84
                              									veröffentlicht.
                           Der Verfasser bemerkt zuerst, daſs die am meisten verbreitete Ansicht über das
                              									Glasätzen die auch von Berzelius (3. Auflage der Wöhler'schen Uebersetzung, Bd. 2 S. 201) vertretene
                              									sei, wonach man beim Behandeln des Glases mit flüssiger
                              									und verdünnter Fluſssäure klare Aetzung erhalte, daſs hingegen concentrirte oder dampfförmige Säure die
                              									Glasfläche matt erscheinen lasse. In ihrem zweiten
                              									Theile ist diese Anschauung nach Renitzer's Versuchen
                              									unrichtig, da weder mit rauchender Fluſssäure, noch mit einem Gemische aus
                              									Fluſssäure und concentrirter Schwefelsäure Mattätzung zu erzielen ist.
                           Zur Herstellung einer matten Aetzung kommen insbesondere
                              									3 Verfahren in Betracht:
                              									Die Aetzung mit Lösungen sauerer Alkalifluoride, ferner mit einem Gemenge von
                              									Fluſsspath und Schwefelsäure und endlich mit gasförmiger Fluorwasserstoffsäure.
                           Es ist einleuchtend, daſs das matte Aussehen eines Glases durch dicht neben einander
                              									sitzende Erhöhungen und Vertiefungen, welche schroff in einander übergehen, bewirkt
                              									wird. Durch diese werden zahlreiche Brechungs-, Beugungs- und
                              									Reflexionserscheinungen hervorgerufen, welche den dem matten Glase eigentümlichen
                              									schimmernden Ton hervorrufen. Reinitzer hat nun auf
                              									mikroskopischem Wege die Form dieser Unebenheiten untersucht und daraus Rückschlüsse
                              									auf ihre Bildungsweise gezogen.
                           Sämmtliche Verfahren zum Mattätzen mit Alkalifluoriden beruhen auf der Verwendung
                              									einer Lösung sauerer Alkalifluoride Fl2HM, welche
                              									noch mehr oder weniger freie Fluſssäure enthalten und denen auſserdem noch ein
                              									lösliches indifferentes Salz zugesetzt sein kann, wie dies die nachstehenden
                              									Vorschriften zeigen:
                           
                              
                                 
                                 I
                                 II
                                 III
                                 
                              
                                 Wasser
                                 1000g
                                 100
                                 1000
                                 1000
                                 1000
                                 
                              
                                 Saures Kaliumfluorid
                                   250g
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 Natriumfluorid
                                 –
                                 –
                                     40
                                   250
                                 –
                                 
                              
                                 Fluorammonium
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 1000
                                 
                              
                                 Alkalifluorid
                                 –
                                     8
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 Käufliche Salzsäure
                                   250g
                                 –
                                 –
                                 160 bis 175
                                 –
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 –
                                     1
                                 
                                    –
                                    
                                 
                                    –
                                    
                                   200
                                 
                              
                                 Eisessig
                                 –
                                 –
                                     50
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 Kaliumsulfat
                                   140g
                                 –
                                 –
                                   200
                                 –
                                 
                              
                                 Ammoniumsulfat
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                   100
                                 
                              
                           Die Vorschrift I rührt von Tessié du
                                 										Mothay und Maréchal (1866 181 213) her, die beiden unter II angegebenen
                              									Zusammensetzungen sind von Siegwart (1871 199 222 bezieh. Industrieblälter, 1879 S. 66) vorgeschlagen und endlich hat J. B. Miller (Die Glasätzerei, Hartleben's Verlag Bd.
                              									59 bezieh. Industrieblätter, 1879 S. 185) die unter III
                              									aufgeführten Mischungsverhältnisse empfohlen. In der Praxis findet auch viel eine
                              									mit Essigsäure angesäuerte Lösung von Natriumfluorid Anwendung, welche man durch
                              									Lösen von 25 G.-Th. krystallisirter Soda in 5 G.-Th. rauchender Fluſssäure und
                              									Versetzen von 1l dieser geklärten Flüssigkeit mit
                              										1l Eisessig erhält.
                           Oft soll auch das Matt in verschiedenen Tönen aufgeätzt werden, um Bilder, z.B.
                              									Landschaften, herstellen zu können. In der ungarischen Landesglasmalerei und
                              									Aetzerei in Budapest wird zu diesem Zwecke derart verfahren, daſs man, um einen im
                              									durchfallenden Lichte möglichst dunklen Ton zu erzielen, ein und dieselbe Stelle 2
                              									mal hinter einander matt ätzt. Bei einmaliger Aetzung erhält man einen helleren Ton
                              									und für noch hellere Töne wird die einmal geätzte Fläche ein oder mehrere bis zu 9
                              									mal mit verdünnter wässeriger Fluſssäure klar geätzt. Auf diese Weise stellt man in Pest 11
                              									verschiedene Aetzungsabstufungen her. Betrachtet man eine solche einmal geätzte
                              									Glastafel bei mäſsiger Vergröſserung unter dem Mikroskope, so erblickt man eine sehr
                              									gleichmäſsige Aneinanderreihung von Vertiefungen und Erhöhungen, welche Krystallgestalt haben. Am Rande
                              									der mattirten Fläche werden diese Krystalle spärlicher, sind dafür aber besser
                              									ausgebildet, so daſs man ihre Gestalt leicht erkennen kann. Fig. 1 stellt den Rand einer solchen Aetzung aus der Pester Anstalt bei
                              									450 facher Vergröſserung dar. Man erkennt, daſs die vorherrschenden Krystalle
                              									hexagonal sind und vollkommen mit denen des Kieselfluornatriums übereinstimmen.
                           Fig. 1., Bd. 262, S. 324Maſsstab 450 : 1.Auſserdem beobachtet man aber auch längliche, gestreckte Krystalle, welche
                              									denen des Kieselfluorcalciums sehr ähnlich sind (vgl.
                              										Haushofer: Mikroskopische Reactionen, Fig. 23 und
                              									79, S. 39 und 98). Schon durch die Erscheinungen, welche beim Heben und Senken der
                              									Mikroskopröhre eintreten, kann man sich leicht überzeugen, daſs die eingeätzten
                              									Krystallfiguren erhaben sind. Noch sicherer und unzweifelhafter kann man dies in der
                              									Weise nachweisen, daſs man die matte Tafel mit einem gefärbten Körper, am besten
                              									Tusche, einreibt und dann mit Hollundermark oder Kork oberflächlich abreibt. Es
                              									erscheinen dann unter dem Mikroskope sämmtliche zwischen den Krystallfiguren
                              									liegende Theile gefärbt, diese selbst aber ungefärbt. Hieraus folgt, daſs sich durch
                              									die Einwirkung des Alkalifluorides und der freien Fluſssäure auf das Glas
                              									Kieselfluornatrium und Kieselfluorcalcium bilden, welche sich krystallinisch
                              									ausscheiden und als Aetzgrund wirken, während die Zwischenräume durch die freie
                              									Fluſssäure tief geätzt werden. Die Kieselsäure und das Calcium werden dabei dem
                              									Glase, das Natrium gröſstentheils dem Aetzbade, kleineren Theiles ebenfalls dem
                              									Glase entnommen. Es ist wohl selbstverständlich, daſs beim Mattätzen eines Kaliglases auch die tesseralen Krystalle des Kieselfluorkaliums erscheinen, und man könnte sogar,
                              									wie leicht begreiflich, auf dieses Verhalten eine Methode
                                 										zur Erkennung von Kaligläsern gründen.
                           An der Hand dieser Beobachtungen kann nun auch die Beschaffenheit festgestellt
                              									werden, welche das zum Mattiren dienende Bad haben
                              									muſs, um bestimmte Wirkungen zu erzielen. Zunächst ist es klar, daſs das Matt um so
                              									feiner und zarter ausfallen wird, je kleiner die Krystallätzungen sein werden und
                              									umgekehrt. Die Krystalle und somit auch die Aetzungen fallen aber um so kleiner aus,
                              									je rascher und aus je concentrirteren Lösungen sie sich bilden. Aus denselben
                              									Gründen müssen diese Krystalle auch desto kleiner ausfallen, je schwerer löslich sie
                              									in dem Bade sind. Man
                              									erhält daher aus sehr concentrirten Bädern immer sehr feine Aetzungen. Weiter ist es
                              									nicht gleichgültig, ob man das Aetzbad aus Kalium-, Natrium- oder
                              									Ammoniumverbindungen zusammensetzt. Das Kieselfluorid des Kaliums ist am schwersten
                              									löslich, das des Natriums etwas leichter und das des Ammoniums am leichtesten; daher
                              									fallen die Aetzungen in Gegenwart von Kalisalzen am zartesten aus. Es ist nun aus
                              									dem eben angeführten Verhalten auch ferner einleuchtend, daſs man bei Anwendung von
                              									Ammoniumsalzen sehr concentrirte, am besten gesättigte Lösungen, bei Natriumsalzen
                              									minder concentrirte und noch verdünntere bei Kaliumsalzen bereiten muſs. Da die
                              									Wirkung des Bades eine um so raschere sein wird, je concentrirter dasselbe ist, so
                              									folgt dann ferner, daſs das Aetzen bei Anwendung von Kaliumsalzen am langsamsten,
                              									bei Verwendung von Ammoniumsalzen am schnellsten vor sich gehen muſs. In der That
                              									findet man auch bei allen Schnellätzverfahren Fluorammonium in Anwendung und man
                              									kann sich leicht überzeugen, daſs eine concentrirte, mit Fluſssäure angesäuerte
                              									Lösung desselben in wenigen Secunden ein schönes Matt erzeugt. Der Zusatz
                              									indifferenter Salze sowie die Gröſse des Säuregehaltes beeinflussen natürlich
                              									gleichfalls die Löslichkeit der Kieselfluoride und damit auch die Gröſse der
                              									Krystallisation sowie die Schnelligkeit ihrer Bildung. Im Allgemeinen wird man sagen
                              									können, daſs Zusatz indifferenter Salze die Löslichkeit vermindert, Zusatz freier
                              									Säure sie erhöht.
                           Fig. 2., Bd. 262, S. 325Maſsstab 250 : 1.Bei Anwendung von Kalium- oder Ammoniumverbindungen haben natürlich die
                              									entstehenden Aetzungen andere Form als bei Verwendung von Natriumsalzen. Es treten
                              									zwar, wenn man ein Natronglas ätzt, die hexagonalen Krystalle des
                              									Kieselfluornatriums sowie des Kieselfluorcalciums auf; daneben finden sich aber auch
                              									in groſser Menge die tesseralen Krystalle des Kieselfluorkaliums. Die Aetzungen
                              									haben dann die Gestalt von Hexaedern oder Oktaedern oder Combinationen beider, oder
                              									es sind von den Oktaedern nur die dreiseitigen Flächen in erhabener Aetzung
                              									ausgebildet. Bei Anwendung von Ammoniumsalzen findet man Krystalle von der in Fig. 2 (b', c, d) abgebildeten Gestalt, welche offenbar mit denen
                              									des Kieselfluorkaliums isomorph sind und dem Kieselfluorammonium angehören. In Fig. 2 sieht man bei b
                              									zwei Krystalle von Natrium- und bei b' einen von
                              									Ammonium-Silicofluorid. Bei d sind Krystalle
                              									dargestellt, wie sie sehr häufig am Rande einer Aetzung mit Fluorammonium
                              									entstehen.
                           Von besonderer Wichtigkeit für die Art der Mattätzung ist der Gehalt des Bades an Fluſssäure.
                              									Stellt man eine matte Aetzung mit Hilfe eines stark saueren Bades her, so zeigt sich
                              									auf der Glasplatte bei Betrachtung unter dem Mikroskope eine Aetzung, wie sie in
                              										Fig. 2 bei bb'
                              									dargestellt ist. Die zwischen den einzelnen Krystallätzungen befindlichen Furchen
                              									sind sehr breit und in lauter muldenartige, vertiefte Felder getheilt. Diese
                              									Erscheinung wird nur durch die freie Fluſssäure bewirkt, welche die vorhandenen
                              									Furchen muldenartig ausweitet. Daſs dem so ist, kann man leicht sehen, wenn man eine
                              									Glastafel, welche durch den Gebrauch fein geritzt ist, mit verdünnter wässeriger
                              									Fluſssäure ätzt und dann unter dem Mikroskope betrachtet. Man sieht nun, daſs die
                              									sämmtlichen eingekratzten Furchen in eine Kette von an einander gereihten
                              									muldenartigen Vertiefungen verwandelt sind, welche genau dasselbe Ansehen haben wie
                              									die Furchen bb' in Fig.
                                 										2. Da die Furchen dabei auch breiter werden, so erscheinen sie auch
                              									deutlicher sichtbar und es kann auf diese Weise sogar mit wässeriger Fluſssäure eine
                              									Art, wenn auch sehr schwacher, Mattätzung hervorgebracht werden. Da aber diese
                              									Mulden wegen ihrer mehr abgerundeten Gestalt das Licht nicht so zerstreuen können
                              									als scharfkantige Aetzungen, so muſs hierdurch das Matt viel zarter und
                              									durchscheinender ausfallen.
                           Fig. 3., Bd. 262, S. 326Maſsstab 300 : 1.Hiermit ist zugleich auch eine Erklärung für das erwähnte, in der
                              									Budapester Glasätzerei übliche Verfahren des Klarätzens matter Flächen gegeben. Die
                              									Behandlung der Mattätzung mit verdünnter Fluſssäure bewirkt, daſs zunächst die
                              									Furchen zwischen den Krystallen sich in der in Fig. 2
                              									bei bb' dargestellten Weise muldenartig erweitern, bis
                              									von der ursprünglichen Krystallätzung nichts mehr übrig ist als netzartig verbundene
                              									Leisten, wie sie in Fig. 3 zu sehen sind. Durch
                              									Einreiben der Aetzung mit Tusche kann man sich leicht überzeugen, daſs die in der
                              									Figur sichtbaren polygonalen Felder Vertiefungen, die Streifen dagegen Erhöhungen
                              									sind. Fig. 3 ist nach einer matten Glastafel
                              									hergestellt, welche 5 mal klar geätzt wurde.
                           Zu den aus Alkalifluoriden bestehenden Aetzbädern gehören auch die sogen. Aetztinten, mit welchen man Schriftzüge in matter
                              									Aetzung auf Glas erzeugen kann. Diese Tinten haben ganz ähnliche Zusammensetzung wie
                              									die Mattbäder und erhalten nur noch einen Zusatz von Gummi oder gefälltem
                              									Bariumsulfat. Beide Stoffe dienen als Verdickungsmittel; das Bariumsulfat allerdings
                              										bewirkt auch noch
                              									die Ausscheidung der Alkalisilicofluoride in sehr kleinen Krystallen, wodurch die
                              									Aetzung matter ausfällt. In neuerer Zeit ist auch vorgeschlagen, Mattätzung dadurch
                              									hervorzurufen, daſs man die trockenen Alkalifluoride
                              									auf das Glas stäubt, welches vorher mit einem feucht bleibenden Klebemittel
                              									bestrichen war, oder daſs man ein Gemisch des Klebemittels und der Fluoride auf das
                              									Glas druckt (vgl. Nienstädt und O. Lenz D. R. P. Kl. 32 Nr. 15590 vom 22. Januar 1881). Die Alkalifluoride
                              									sind sehr hykroskopisch und dadurch wird die Mattätzung ermöglicht, welche natürlich
                              									ihre Entstehung auch in diesem Falle der Bildung von Krystallen verdankt. (Vgl. auch
                              										Schulze-Berge 1885 258 *
                              									156.)
                           Ueber die Mischungsverhältnisse der Bäder könnte man natürlich nur dann bestimmte
                              									Angaben machen, wenn immer Glas von genau gleicher Zusammensetzung zur Aetzung
                              									verwendet würde. Für Zwecke der Praxis genügt es aber, eine näherungsweise Formel
                              									des Glases, z.B. R2Si3O7, worin R
                              									ein einwerthiges Metall bedeutet, zu Grunde zu legen. Die Reaction erfolgt dann nach
                              									folgender Gleichung:
                           R2Si3O7 + 4Fl2HNa + 10FlH = SiFl6R2 + 2SiFl6Na2 + 7H2O.
                           Hieraus ist ersichtlich, daſs zur völligen Ausnutzung des
                              									Fluornatriums eine beträchtliche Menge freier Fluſssäure anwesend sein muſs. Da
                              									diese Fluſssäure leicht schädlich wirken könnte, so ist es vortheilhafter, die Rolle
                              									der Neutralisation der Basen auf eine andere Säure zu übertragen. Hierzu eignet sich
                              									besonders die Essigsäure und zwar deshalb, weil sie die saueren Alkalifluoride nicht
                              									zersetzt, somit aus denselben Fluſssäure nicht frei zu machen vermag. Der Vorgang
                              									geht dann nach folgender Gleichung vor sich:
                           R2Si3O7 + 9Fl2HNa + 5C2H4O2 = SiFl6R2 + 2SiFl6Na2 + 5C2H3O2Na +
                              										7H2O.
                           Man sieht, daſs bei diesem Verfahren niemals freie Fluſssäure
                              									auftreten kann und obendrein die Löslichkeit des Kieselfluorides durch das
                              									entstandene Natriumacetat vermindert wird. Aus letzterer Gleichung ergibt sich als
                              									Verhältniſs von Natriumfluorid zu Essigsäure 93 zu 50 oder annähernd 9 : 5. Nimmt
                              									man statt des saueren das neutrale Natriumfluorid, so erhält man das Verhältniſs 9 :
                              									10, was nahezu der obigen zweiten Siegwart'schen
                              									Vorschrift entspricht, welche 8 : 10 (40 : 50) fordert. Auf Grund der zweiten
                              									Reaktionsgleichung würde man für ein Aetzbad folgende Zusammensetzung bekommen: 30
                              									G.-Th. Fluſssäure (50 proc.), 17 Th. Natriumacetat und 9 Th. calcinirte oder 23,4
                              									Th. krystallisirte Soda. Die Menge des zuzusetzenden Wassers müſste aber erst durch
                              									Versuche ermittelt werden.
                           Das Mattätzen mit gasförmiger Fluſssäure liefert sehr
                              									ungleichmäſsige Mattirungen und ist deshalb zur Herstellung matter Flächen ungeeignet und höchstens zum Einätzen von
                              									Zeichnungen zu verwenden. Betrachtet man eine mit gasförmiger Fluſssäure geätzte
                              									Fläche unter dem Mikroskope, so erhält man ein Bild wie in Fig. 4. Man sieht zunächst das Aetzbild eines kleinen hexagonalen
                              									Krystalles von Kieselfluornatrium; diese Krystalle treten aber sehr spärlich auf.
                              									Auſserdem unterscheidet man groſse Krystalle und Krystallaggregate, wie sie auch
                              										Fig. 5 zeigt, welche von Kieselfluorcalcium
                              									herrühren. Die Gröſse und Vertheilung dieser Krystalle ist eine sehr ungleiche. Die
                              									zwischen den Krystallätzungen liegende Fläche bildet eine feinkörnige Grundmasse,
                              									welche oft einzelne Stellen des Glases ausschlieſslich bedeckt und nur wenig
                              									Krystallätzungen enthält. An anderen Stellen und zwar namentlich da, wo gröſsere
                              									Krystallätzungen ausgebildet sind, ist die Grundfläche fast ganz glatt und enthält
                              									nur eine Anzahl ziemlich weit aus einander stehender Grübchen. Diese Erscheinung
                              									läſst sich nach Reinitzer durch die Annahme erklären,
                              									daſs beim Beginne der Aetzung durch die Verdichtung von Wasser zahlreiche kleine
                              									Tröpfchen entstehen, welche Fluorwasserstoffgas lösen und dadurch die Grübchen
                              									einätzen. An anderen Stellen bilden sich gröſsere Tropfen, in denen sich die kleinen
                              									Krystallaggregate bilden, welche die Körnelung des Grundes verursachen. Flieſsen die
                              									Tropfen zu gröſseren feuchten Stellen zusammen, so ist die Möglichkeit der Bildung
                              									gröſserer Krystalle gegeben. Auf diese Weise ist es zu verstehen, daſs die
                              									Ungleichmäſsigkeit dieser Art von Mattätzung ihren Grund in einer sehr ungleichen
                              									Entwickelung der Krystalle hat, wie dies der mikroskopische Befund zeigt.
                           
                              
                              Fig. 4., Bd. 262, S. 328
                              Maſsstab 300 : 1.
                              
                           
                              
                              Fig. 5., Bd. 262, S. 328
                              Maſsstab 200 : 1.
                              
                           Wenn man die Mattätzung durch Auftragen eines Gemisches von Fluſsspath und
                              									Schwefelsäure vornimmt (vgl. 1856 141 237), so ist es
                              									nach Reinitzer nothwendig, verdünnte Schwefelsäure (1 :
                              									4) und eine Temperatur von 30 bis 40° anzuwenden, wenn schöne Aetzung erzielt werden will. Betrachtet man eine nach diesem
                              									Verfahren hergestellte, gut gelungene, matte Glastafel unter dem Mikroskope, so
                              									sieht man, daſs die Oberfläche derselben mit dicht neben einander stehenden, in und
                              									durch einander greifenden, rundlich begrenzten, muldenartigen Grübchen besetzt ist, welche die
                              									verschiedenste Tiefe haben und zwischen denen inselartig höher gelegene Theile von
                              									sehr zerrissenen Umrissen liegen, deren Oberfläche selbst wieder von einzelnen
                              									Vertiefungen unterbrochen ist. Ueber die Entstehung dieser Oberfläche kommt man erst
                              									dann zu etwas bestimmteren Vorstellungen, wenn man Stellen betrachtet, an denen das
                              									Matt noch nicht vollkommen entwickelt ist. Man erblickt dann fast stets Bilder, wie
                              									ein solches in Fig. 6 dargestellt ist. Man sieht
                              									zunächst gröſsere, inselartige, unregelmäſsig rundlich begrenzte Erhöhungen, welche
                              									von ein oder zwei Furchen umzogen sind. Es ist leicht einzusehen, daſs diese Flecke
                              									jene Stellen sind, wo je ein gröſseres Stückchen Fluſsspath lag. Durch die
                              									Einwirkung der Schwefelsäure wurde im Umkreise desselben Fluſssäure gebildet und
                              									diese erzeugte die um dasselbe herumlaufende Furche. Als das Stück durch den Angriff
                              									der Schwefelsäure kleiner geworden war, konnte sich noch eine zweite Furche bilden,
                              									oder es entstanden Grübchen oder eine Mulde. Die zwischen diesen rundlichen Figuren
                              									vorhandene Fläche ist von zahlreichen kleinen, unregelmäſsig netzförmig verbundenen
                              									Furchen durchzogen, welche offenbar genau in der eben geschilderten Weise entstanden
                              									sind, nur daſs hierbei sehr kleine Bruchstückchen von Fluſsspath thätig waren. Daſs
                              									bei diesem Verfahren keine Krystallätzungen entstehen, erklärt sich aus dem hohen
                              									Säuregehalte des Aetzgemisches. Auch das Aussehen der fertigen Aetzung ist nicht
                              									schwer zu erklären. Es bildet sich allmählich eine gleichmäſsige Lösung von
                              									Fluſssäure, welche die Furchen in der schon früher beschriebenen Weise ausätzt,
                              									wodurch dieselben immer näher an einander rücken, bis sie endlich zusammentreffen.
                              									An Stelle der gröſseren Fluſsspathstückchen scheidet sich wahrscheinlich
                              									feinpulveriger Gyps ab, wodurch die oben erwähnten inselartigen Erhöhungen
                              									entstehen.
                           
                              
                              Fig. 6., Bd. 262, S. 329
                              Maſsstab 450 : 1.
                              
                           Zum Schlüsse hebt Reinitzer noch hervor, daſs die
                              									besprochenen (chemischen) Mattätzungen auf mikroskopischem Wege sich leicht von
                              									(mechanischen) Mattirungen mit dem Sandstrahle oder durch Schleifen unterscheiden
                              									lassen, da auf letztere Weise mattirtes Glas unter dem Mikroskope unzählige
                              									Bruchflächen von sehr verschiedener Richtung und Gröſse aufweist, welche alle den
                              									charakteristischen muscheligen Bruch erkennen lassen.