| Titel: | Ueber die chemische Natur des Vaselins; von C. Engler und M. Böhm. | 
| Autor: | C. Engler, M. Böhm | 
| Fundstelle: | Band 262, Jahrgang 1886, S. 524 | 
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                        Ueber die chemische Natur des Vaselins; von C.
                              								Engler und M. Böhm.
                        (Schluſs der Abhandlung S. 488 d. Bd.)
                        Engler und M. Böhm, über Vaselin.
                        
                     
                        
                           Destillation des festen und des flüssigen Vaselins.
                              									Beide fangen bei 240 bis 245° an zu sieden und geben bis 340° ein Destillat, welches
                              									bei festem Vaselin das Zweifache, bei flüssigem das Dreifache des Rückstandes
                              									beträgt; Schmelzpunkt des Rückstandes aus festem Vaselin = 40 bis 41°, des Destillates =
                              									36 bis 37°. Rückstand und Destillat des flüssigen Vaselins waren beide flüssig,
                              									ersterer allerdings so dick wie schwere russische Oleonaphta. Endlich muſs auch hier
                              									betont werden, daſs der Rückstand des festen Vaselins vollkommen amorph, das
                              									Destillat aber stark krystallinisch war.
                           In Rücksicht auf die zuletzt erwähnte Beobachtung, die wir bei jeder Destillation von
                              									Vaselin oder festem Vaselin gemacht haben und nach welcher der feste Theil desselben
                              									durch den Destillationsprozeſs von der amorphen in die krystallisirte Form überging,
                              									erschien es uns von Interesse, festzustellen, ob sich mit der Aenderung des
                              									Schmelzpunktes vielleicht auch eine Aenderung in der chemischen Zusammensetzung
                              									vollzieht. Wir destillirten zu diesem Behufe einen Posten bei 40° schmelzenden
                              										„festen Vaselins“ in oben beschriebener Weise bis auf wenige Tropfen
                              									Rückstand im Vacuum ab, wobei wir ein zu wachsgelber fester krystallinischer Masse
                              									erstarrendes, bei 37° schmelzendes Destillat erhielten. Durch Lösen in Petroläther
                              									und Behandlung mit Thierkohle wurde dieses Destillat entfärbt, geschmolzen (beim
                              									Erstarren zeigt es eine dem Vaselin abgehende, dagegen dem Paraffin sehr
                              									eigenthümliche starke Contraction) und analysirt, wobei wir 85,98 und 86,00 Proc.
                              									Kohlenstoff sowie 14,10 und 14,17 Proc. Wasserstoff erhielten. Diese Analysen zeigen
                              									im Vergleiche mit der Zusammensetzung des festen Vaselins (Mittel 86,25 Proc.
                              									Kohlenstoff und 13,79 Proc. Wasserstoff) eine nicht unerhebliche Zunahme des
                              									Wasserstoff- und eine geringe Abnahme des Kohlenstoffgehaltes, eine Erscheinung,
                              									welche man entweder dadurch erklären kann, daſs bei der Destillation lediglich eine
                              									mechanische Scheidung in Wasserstoff reichere Theile, welche überdestilliren, und in
                              									Wasserstoff ärmere, welche zurückbleiben, stattfindet, oder aber dadurch, daſs durch
                              									einen Dissociationsprozeſs Wasserstoff reichere und ärmere Producte gebildet werden.
                              									Obgleich die Möglichkeit der letzteren Annahme, gegen welche jedoch auch das Fehlen
                              									der bei solchen Dissociationen gewöhnlich auftretenden gasigen Zersetzungsproducte
                              									spricht, nicht für ganz ausgeschlossen erklärt werden kann, neigen wir doch mehr der
                              									ersteren Auffassung zu und möchten demgemäſs das Krystallinischwerden der
                              									Kohlenwasserstoffe beim Destilliren lediglich als einen Uebergang vom amorphen in
                              									den krystallinischen Aggregatzustand erklären.
                           Als wir amerikanisches Vaselin vom Schmelzpunkt 32 bis
                              									33° einer gleichen Scheidung durch fractionirte Fällung unterwarfen, erhielten wir
                              									nur 14 Proc. „festes Vaselin“ vom Schmelzpunkt 49 bis 50°; der Rest war bei
                              									gewöhnlicher Temperatur flüssig. Die entgültige Feststellung des Verhältnisses
                              									zwischen festen und flüssigen Theilen des amerikanischen Vaselins bedarf jedoch noch
                              									weiterer Gegen versuche.
                           Jedenfalls muſs aus den zur Mittheilung gebrachten Versuchen der Schluſs gezogen
                              									werden, daſs die natürlichen Vaseline aus einer wechselnden Mischung bei gewöhnlicher
                              									Temperatur fester und flüssiger Kohlenwasserstoffe bestehen, welche beide,
                              									wenigstens für das aus galizischem Erdöl dargestellte Vaselin, von fast ganz
                              									gleicher procentischer Zusammensetzung sind, auch annähernd gleiche Siedepunkte
                              									besitzen. Beide lassen sich deshalb auch durch fractionirte Destillation nicht
                              									genügend von einander scheiden. Es gelingt dies bis jetzt vielmehr nur durch
                              									fractionirte Fällung nach der von uns angegebenen Methode.
                           In Bezug auf die chemische Natur dieser flüssigen und festen Kohlenwasserstoffe des
                              									Vaselins mag noch bemerkt werden, daſs sie – wenigstens bei unserer
                              									Darstellungsweise – insgesammt gesättigt sind; denn schon bei Zusatz eines Tropfens
                              									Brom zu den flüssigen Oelen oder zu den in Schwefelkohlenstoff gelösten „festen
                                 										Vaselinen“ tritt starke Bromwasserstoff-Entwickelung ein, was bei
                              									Anwesenheit der Homologen des Aethylens und Acetylens nicht möglich wäre. Ob
                              									aromatische Kohlenwasserstoffe anwesend sind, haben wir nicht entschieden.
                           Die festen Kohlenwasserstoffe des Vaselins sind amorph und gehen erst durch
                              									Destillation in solche von krystallinischer Structur über, woraus wir weiter glauben
                              									den Schluſs ziehen zu sollen, daſs eigentliches krystallisirtes Paraffin in rohen
                              									Erdölen im Allgemeinen nicht vorkommt, daſs die in letzterem vielfach wahrgenommenen
                              									festen Kohlenwasserstoffe ihrer chemischen Natur nach vielmehr mit dem Erdwachs
                              									übereinkommen, welches ja auch von Vielen nur als eingetrocknetes Erdöl angesehen
                              									wird. Andr. BuchnerWagner's Jahresbericht, 1869 S.
                                       											709., welcher im J. 1819 dieses sogen. Paraffin nach Fuchs zuerst aus dem Erdöle von Tegernsee darstellte,
                              									bezeichnete es deshalb seinem Aussehen nach auch ganz richtig als „Bergfett“.
                              									Wir erinnern ferner an die Erdwachs artigen Körper, welche sich durch Alkohol und
                              									durch Aether aus dem Pyropissit ausziehen lassen, die theilweise noch in dem durch
                              									trockene Destillation aus Schweelkohle (Pyropissit) gewonnenen Theer der sächsischen
                              									Mineralölfabriken enthalten sind, so daſs eine nochmalige Destillation des Theeres
                              									nothwendig ist, um jene Uebergangsstoffe in wirkliches Paraffin überzuführen. Daſs
                              									nicht ausnahmsweise doch Erdöle vorkommen, welche schon fertig gebildetes Paraffin
                              									enthalten, soll damit nicht gesagt sein; wir meinen nur, daſs in der Regel das
                              									Paraffin noch in Form einer Uebergangsstufe darin enthalten ist.
                           Daſs zwischen natürlichem und künstlichem Vaselin ein erheblicher innerer Unterschied
                              									besteht, unterliegt nach obigen Versuchen keinem Zweifel, denn wenn sie auch beide
                              									sich in einen flüssigen und einen festen Theil zerlegen lassen, so sind diese
                              									Componenten beim künstlichen Vaselin doch von viel abweichenderen chemischen und
                              									physikalischen Eigenschaften als beim natürlichen. Das erstere nimmt in Folge dessen
                              									auch weit leichter eine ungleiche körnige Beschaffenheit an und durch Destillation läſst
                              									es sich wieder leicht in Oel und Ceresin scheiden. Auch die Zähflüssigkeit
                              									(Viscosität) ist verschieden, wie beistehende Versuchszahlen (mit dem Engler'schen Apparate, vgl. 1885 258 * 126, bestimmt; auf Wasser = 1 bezogen) erweisen:
                           
                              
                                 
                                 bei 45°
                                 50°
                                 80°
                                 100°
                                 
                              
                                 Natürl. amerikan. Vaselin
                                 4,8
                                 3,7
                                 2,1
                                 1,6
                                 
                              
                                 Künstliches Vaselin
                                 läuft nichtmehr aus
                                 läuft nichtmehr aus
                                 1,5
                                 1,2
                                 
                              
                           Der Mangel homogener Beschaffenheit des künstlichen gegenüber dem natürlichen Vaselin
                              									tritt beim Schmelzen und Wiedererstarren besonders deutlich hervor. Während das
                              									natürliche Vaselin beim Erwärmen ganz allmählich vom durchsichtigen salben artigen
                              									in ganz dickflüssigen und allmählich dünner flüssigen Zustand übergeht und, wie auch
                              									die obigen Viscositätsbestimmungen zeigen, beim Erkalten eine immer dicker werdende
                              									Flüssigkeit bildet, die ohne zu bemerkende feste, gar krystallinische Ausscheidungen
                              									wieder durchsichtige Salbenconsistenz annimmt, geht zwar auch das künstliche Vaselin
                              									von Schmalzbeschaffenheit nach und nach in salbenartigen Zustand über; dann aber
                              									erfolgt ein ziemlich plötzlicher Uebergang von der breiigen Form zur dünnen
                              									Flüssigkeit und, während das natürliche Vaselin noch bei 80° mehr als die 2 fache,
                              									bei 50° über die 3 fache, bei 45° die fast 5 fache Dickflüssigkeit des Wassers
                              									besitzt, ist das künstliche bei 100° fast so dünn wie Wasser und doch schon wieder
                              									bei 65° so dick, daſs es in der Ausfluſsspitze des Apparates stecken bleibt. Dabei
                              									zeigen sich beim Abkühlen deutliche feste Ausscheidungen, so daſs die eintretende
                              									Salbendichtigkeit nichts als eine mechanische Mischung fester körniger Massen mit
                              									flüssigem Paraffinöl darstellt. Kurz das natürliche Vaselin verhält sich beim
                              									Schmelzen fast genau wie ein thierisches Fett (Schmalz), das künstliche nicht.
                           Was den Säuregehalt des Vaselins betrifft, so ist zu unterscheiden zwischen Säure,
                              									welche von der Raffination her noch in dem Vaselin sich befindet, und solcher, die
                              									sich durch Einwirkung der Luft erst gebildet hat oder noch bildet. In ersterer
                              									Beziehung kommen insbesondere die Sulfonsäuren in Betracht, die bei Behandlung des
                              									Vaselins oder – bei dem künstlichen – seiner Componenten (Vaselinöl und Ceresin) mit
                              									Schwefelsäure sich bilden und dann in geringer Menge in demselben zurückbleiben
                              									können. Im Hinblicke auf die Schädlichkeit eines solchen Säuregehaltes hat man es
                              									schon vielfach und von beiden Seiten versucht, den Vorzug einer sichereren
                              									Säurefreiheit für das künstliche oder für das natürliche Vaselin in Anspruch zu
                              									nehmen. Dafür jedoch, daſs Sulfonsäuren in einem künstlichen oder natürlichen
                              									Vaselin nicht enthalten sein können, bietet weder die
                              									vielfach, ja meist geübte Darstellungsweise des Vaselinöles (Paraffinum liquidum) und des Ceresins (Paraffinum
                                 										solidum), aus welchen das Vaselin (Unguentum
                                 										Paraffini) der deutschen Pharmakopöe bereitet wird, noch diejenige des
                              									natürlichen Vaselins an sich eine sichere Gewähr. Da wie dort wendet man
                              									Schwefelsäure zur
                              									Reinigung an oder kann man es dem Präparate nicht ansehen, ob solche bei einer
                              									Bereitung angewendet worden ist, und bleibt es deshalb der Sorgfalt des Fabrikanten
                              									sowie eigener genauer Prüfung überlassen, die Säure vollständig wieder aus den
                              									Producten herauszuschaffen oder fern zu halten. Nur bei einer Darstellungsart, wie
                              									wir solche beispielsweise auch für unser aus galizischem Erdöl hergestelltes Vaselin
                              									angewendet haben, also Entfärbung bloſs mit Thierkohle, ist die Gegenwart von
                              									Sulfonsäuren ausgeschlossen. Sache des Fabrikanten ist es dann nur noch, solche
                              									Erdölsorten auszuwählen, deren Rückstände ein Vaselin von gewünschtem Schmelzpunkte
                              									ergeben, bezieh. die Verarbeitung so zu leiten, um den in Bezug auf Dichtigkeit
                              									gestellten Anforderungen gerecht zu werden.
                           In Bezug auf die Säuerung, welche durch Aufnahme des Sauerstoffes aus der Luft
                              									bedingt ist, liegen vergleichende Versuche von R.
                                 										Fresenius (vgl. 1880 236 503) vor. Danach nahmen
                              									beim Erhitzen mit Sauerstoff in Glasröhren während 15 Stunden auf 110° 4g,17 natürliches amerikanisches Vaselin (der Chesebrough Company in New-York) 21cc,8 Sauerstoff, 4g,08 deutsches „Virginia-Vaselin“ (von Hellfrisch und Comp. in Offenbach) dagegen nur 3cc,2 Sauerstoff auf. Ersteres gab nach Behandlung
                              									mit Sauerstoff eine deutlich sauer reagirende ätherische Lösung, letzteres zeigte
                              									nur ganz schwach saure Reaction.
                           Da aus der angezogenen Notiz nicht hervorgeht, ob das deutsche
                              										„Virginia-Vaselin“ durch Mischung von Paraffinum
                                 										solidum mit Paraffinöl nach Vorschrift der deutschen Pharmakopöe bereitet
                              									war, sowie auch um Aufschluſs über die ungefähre Menge der gebildeten Säure zu
                              									erlangen, haben wir die Versuche in etwas weiterem Umfange mit der Abänderung
                              									wiederholt, daſs wir dem Vaselin jeweils eine kleine Menge Wasser zusetzten in der
                              									Voraussetzung, daſs durch Anwesenheit des Wasserdampfes der Oxydations- bezieh.
                              									Säuerungsprozeſs befördert werde. Es wurden je 11 bis 15g Vaselin unter Zusatz von 2 bis 3cc
                              									Wasser mit den unten angegebenen Mengen Sauerstoffgas in zugeschmolzenen Röhren etwa
                              									24 Stunden lang auf 110 bis 115° erhitzt, nach beendigter Einwirkung das
                              									aufgenommene Sauerstoffgas durch Abbrechen der Röhrenspitzen unter Wasser an dem
                              									eindringenden Wasser gemessen und dann nach Beseitigung des letzteren die Säuremenge
                              									sowohl in dem unter dem Vaselin festgehaltenen ursprünglich zugesetzten Wasser, als
                              									auch in dem in Aether gelösten Vaselin durch Titration mit alkoholischer 1/50-Normalkalilauge (die Hauptmenge der Säure befand sich jeweils im Vaselin)
                              									ermittelt. In gleicher Weise wurden des Vergleiches halber zwei Versuche unter ganz
                              									denselben Bedingungen mit reinem Schweineschmalz durchgeführt, desgleichen wurde
                              									festgestellt, welcher der beiden Componenten des künstlichen Vaselins (Paraffinum solidum oder liquidum) bei gleicher Behandlung die stärkste Absorptionswirkung
                              									gegenüber Sauerstoffgas aufweist. Das zu den drei Versuchen mit natürlichem Vaselin verwendete
                              									Material entstammte der bekannten Chesebrough Manufacturing
                                 										Company in New-York, das künstliche Vaselin war durch Mischung von 1 Th.
                              									Ceresin (Paraffinum solidum) mit je 3 Th. zwei
                              									verschiedener Sorten Vaselinöl (Paraffinum liquidum)
                              									nach Vorschrift der deutschen Pharmakopöe bereitet:
                           
                              
                                 Material
                                 Angewendete Menge
                                 Aufgenom-menerSauerstoff
                                 Säuregehalt, aus-gedrückt in
                                    											KOH
                                 
                              
                                 Vaselinu.s.w.
                                 Sauerstoff
                                 
                              
                                 
                                 g
                                 cc
                                 cc
                                 mg
                                 Gew. %
                                 
                              
                                 Natürliches Vaselin I
                                 12,9
                                 59,5
                                 34,9
                                   5,5
                                 0,043
                                 
                              
                                     Desgleichen        II
                                 11,6
                                 71,5
                                 46,5
                                   9,1
                                 0,078
                                 
                              
                                     Desgleichen       III
                                 14,7
                                 76,3
                                 42,9
                                 10,5
                                 0,071
                                 
                              
                                 Künstliches Vaselin I
                                 15,5
                                 74,0
                                   4,5
                                   0,7
                                 0,005
                                 
                              
                                     Desgleichen        II
                                 11,7
                                 69,1
                                   4,7
                                   0,7
                                 0,006
                                 
                              
                                     Desgleichen       III
                                 14,8
                                 74,7
                                   4,2
                                   1,4
                                 0,009
                                 
                              
                                 Schweineschmalz I
                                 14,5
                                 71,2
                                 49,8
                                 31,1
                                 0,214
                                 
                              
                                     Desgleichen     II†
                                 14,9
                                 57,3
                                 42,0
                                 39,4
                                 0,264
                                 
                              
                                 Vaselinöl  I
                                 12,0
                                 56,7
                                   5,5
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 Vaselinöl II
                                 11,0
                                 56,9
                                   4,1
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 Ceresin
                                 11,4
                                 52,7
                                   3,0
                                 –
                                 –
                                 
                              
                           † Der anfängliche Säuregehalt der beiden Schmalzsorten
                              									ist bei den hier gegebenen Zahlen schon in Abzug gebracht. Die Vaseline waren
                              									säurefrei.
                           Nach diesen Versuchen zeigt das Schweinefett entschieden die stärkste Neigung,
                              									Sauerstoff aufzunehmen, und verhältniſsmäſsig noch gröſser ist die Säuremenge, die
                              									sich unter dem Einflüsse dieser Sauerstoffaufnahme in diesem Fette bildet. Denn
                              									während beispielsweise rund 42 bis 46cc
                              									aufgenommenen Sauerstoffgases in dem Chesebrough-Vaselin nur 9 bis 10mg Säure (ausgedrückt in KOH, was nach den
                              									Atomgewichten ungefähr gleichem Gewichte Essigsäure entspricht) bilden, geben z.B.
                              										49cc von dem Schweineschmalz aufgenommenen
                              									Sauerstoffes zur Bildung von 31mg,1 Säure
                              									Veranlassung. In Rücksicht auf die in den Fetten, nur in gebundener Form, schon
                              									enthaltenen Säuren kann dies nicht auffallen. Ungleich geringer ist die
                              									Aufnahmefähigkeit der durch Mischung aus Paraffinum
                                 										solidum und liquidum erhaltenen künstlichen
                              									Vaseline für Sauerstoffgas; sie beträgt nach obigen Zahlen nur ungefähr den 10.
                              									Theil und entsprechend geringer ist auch der in diesen Vaselinen dabei eintretende
                              									Säuerungsgrad. Von deren Componenten scheint das Vaselinöl etwas stärker zu
                              									absorbiren als das Ceresin.
                           Vom Gesichtspunkte der Verwendung des Vaselins zu medicinisch-chirurgischen Zwecken
                              									sprechen die mitgetheilten Versuche sehr zu Gunsten des nach der deutschen
                              									Pharmakopöe bereiteten künstlichen Vaselins (Unguentum
                                 										Paraffini); doch glauben wir, daſs man viel zu weit geht, wenn man aus
                              									diesem Grunde die Anwendung des natürlichen Vaselins zu besagten Zwecken ohne
                              									Weiteres verwerfen will. Es ist zu berücksichtigen, daſs die obigen Versuche, sowie
                              									auch die früher von R. Fresenius mitgetheilten, unter
                              									Bedingungen angestellt wurden, welche für Sauerstoffaufnahme und Säuerung ganz
                              									besonders günstig sind
                              									und wie sie im praktischen Gebrauche des Vaselins (110° sowie starker Druck und
                              									reiner Sauerstoff) niemals vorkommen.
                           Wir haben von demselben natürlichen Vaselin (Chesebrough
                                 										Company) in zwei Proben je 10g auf
                              									Glasplatten zu 16cm im Quadrat nach Möglichkeit
                              									ausgestrichen und 14 Tage lang in der Nähe des Ofens der Luft ausgesetzt, in
                              									gleicher Weise auch je eine Platte mit künstlichem Vaselin und mit Schweineschmalz
                              									und dabei die folgenden Säuremengen in den einzelnen Proben gefunden:
                           
                              
                                 
                                 Natürliches Vaselin
                                 Künstliches Vaselin
                                 Schweineschmalz
                                 
                              
                                 Gew.-Proc. Säure (aus-
                                 I
                                 II
                                 
                                 
                                 
                              
                                     gedrückt in KOH)
                                 0,025
                                 0,026
                                 0,015
                                 0,048
                                 
                              
                           Hiernach ist bei der in der Nähe des Ofens obwaltenden
                              									Temperatur (durchschnittlich 30°) die Säurebildung im Ganzen nur sehr gering und
                              									beim natürlichen Vaselin nicht viel stärker als beim künstlichen.
                           Mit atmosphärischer Luft in oben beschriebener Weise in Glasröhren eingeschlossen und
                              									2 Tage lang auf 40 bis 50° erwärmt, ergab sich eine Aufnahme von:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Natürliches Vaselin
                                 Künstliches Vaselin
                                 Schweineschmalz
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 cc
                                 2,0
                                 1,5
                                 2,3
                                 
                              
                           Ersatz der atmosphärischen Luft durch reinen Sauerstoff
                              									ergab kaum einen merklichen Unterschied.
                           Unter den für das Vaselin bei chirurgisch-medicinischen Zwecken in Betracht kommenden
                              									Bedingungen ist es demnach gegen Säuerung jedenfalls hinreichend widerstandsfähig
                              									und hat vor dem künstlichen Gemische der Pharmakopöe die gröſsere Homogenität in
                              									physikalischer und chemischer Beziehung sowie auch ausgesprochenere und beständigere
                              									Salbenconsistenz bei wechselnden Temperaturen, endlich erheblich stärkere
                              									Dickflüssigkeit bei etwas erhöhter Temperatur gegenüber dem bei relativ geringer
                              									Abkühlung körnig, bei schwacher Erwärmung sehr dünnflüssig werdenden künstlichen
                              									Vaselin voraus. Dem gegenüber dürfte dem von vielen Seiten betonten Vorzuge, daſs
                              									das künstliche Vaselin kräftigen chemischen Agentien, wie z.B. concentrirter
                              									Schwefelsäure, Salpetersäure u. dgl., mehr widerstehe als das natürliche, in
                              									Rücksicht darauf, daſs eine so weit gehende Inanspruchnahme der „Paraffinität“ (chemische Indifferenz) desselben
                              									gar nicht in Betracht kommt, kein oder doch nur ein sehr untergeordneter Werth
                              									beizulegen sein.
                           Daſs in allen übrigen Verwendungsweisen, wo es sich um Schmierfähigkeit,
                              									Dickflüssigkeit in der Wärme u. dgl. handelt, gleiche Preise vorausgesetzt, das
                              									natürliche. dem künstlichen Vaselin vorzuziehen ist, ergibt sich insbesondere aus
                              									den oben (S. 527) mitgetheilten Viscositätsmessungen. Dagegen ist unter Verwendung
                              									bei höheren Temperaturen, wenn schon eine erheblich geringere Säuerungsneigung, als
                              									es z.B. Schweineschmalz zeigt, nachtheilig wirken sollte, dem künstlichen Vaselin
                              									der Vorzug zu geben.