| Titel: | Ueber Fortschritte in der Bierbrauerei. | 
| Autor: | C. J. Lintner | 
| Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 36 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber Fortschritte in der
                           								Bierbrauerei.
                        Patentklasse 6.
                        Lintner, über Fortschritte in der Bierbrauerei.
                        
                     
                        
                           Die Vertheilung des Stickstoffes der Gerste während des
                                 										Brauprozesses und die Trübungen im Biere.
                           Zur Frage über die Vertheilung der Stickstoff haltigen Bestandtheile der Gerste
                              									während des Brauprozesses hat die Trochgorny-Brauerei
                              									in Moskau durch ihren Chemiker Th. Senff Untersuchungen
                              									ausführen lassen, welche folgende Ergebnisse lieferten.
                           Die Grenzwerthe im Stickstoffgehalte der untersuchten Gersten, bezogen auf
                              									Trockensubstanz, betrugen 1,917 und 2,561 Proc., entsprechend 11,98 und 16,01 Proc.
                              									Protein. Bezüglich der Probenahme für die Malzuntersuchung ist zu bemerken, daſs
                              									dieselbe vorgenommen wurde unmittelbar, bevor die ganze Masse in die Schrotmühle
                              									gelangte. Die zu untersuchende Würze wurde kurz vor dem Sieden und vor dem
                              									Hopfenzusatze dem Hopfenkessel entnommen. Gehopfte Würze wurde beim Ablaufen der
                              									gekühlten Würze in die Gährbottiche aufgefangen. Die ungehopfte und gehopfte Würze
                              									wurden unfiltrirt untersucht, da es darauf ankam, die Menge an Stickstoff zu
                              									ermitteln, welche durch die vorhergehende Behandlungsweise entfernt war. Die ganze
                              									Menge des Kühlgelägers wurde gleich nach beendeter Filtration durch die Tropfsäcke
                              									gewogen und dann vom Rückstande (dem Kühlgeläger) und von der vollkommen klaren
                              									Tropfwürze die Proben entnommen. Das Bier wurde zur Erlangung einer guten Durchschnittsprobe aus
                              									allen zum Sude gehörigen Bottichen geschöpft und vor der Untersuchung zur Entfernung
                              									der in demselben vertheilten Hefe filtrirt.
                           Das mit allem Vorbehalte und nur für die 5 untersuchten Gersten als zutreffend in
                              									Anspruch genommene Ergebniſs der Untersuchung ist folgendes: Vom Proteingehalte des
                              									Malzes ausgehend sind im Durchschnitte an Stickstoff haltigen Verbindungen entfernt
                              									worden: 1) Durch Maischen und Läutern (also in den Trebern zurückgeblieben) etwa 7
                              									mal mehr als durch die beiden darauffolgenden Prozesse zusammengenommen:
                           2) durch die Hauptgährung (von der Hefe aufgenommen) mehr als doppelt soviel wie
                              									durch Kochen mit Hopfen und Absetzen auf der Kühle:
                           3) durch Filtration der Würzen, welche auf dem Kühlschiffe bereits Kühlgeläger
                              									abgesetzt hatten, konnten im Durchschnitte etwa 1½ Proc. Protein abgeschieden werden
                              									(ungefähr soviel als durch das Kühlgeläger selbst). 4) Stickstoff reiche Gersten
                              									geben nicht immer auch Stickstoff reiche Würzen bezieh. Biere, wenngleich bei
                              									gröſseren Unterschieden im Stickstoffgehalte der Rohstoffe auch die Producte
                              									Abweichungen in demselben Sinne aufweisen; 5) was nun das Verhalten der aus den 5
                              									Gersten erzeugten Würzen während der Hauptgährung, im Lagerkeller, im Geschmacke und
                              									beim Ausstoſse anbetrifft, so lieſs sich durchaus keine Beziehung zum
                              									Stickstoffgehalte des Rohstoffes erkennen. Alle 5 Biere klärten sich schön, waren
                              									von gutem und reinem Geschmacke und in Fässern wie in Flaschen gleich haltbar. Von
                              									sogen. Glutintrübung war selbst bei der an Stickstoff so sehr reichen Gerste nichts
                              									zu bemerken.
                           Senff sieht sich dadurch in der Meinung bestärkt, daſs
                              									manche in der Praxis auf die Eiweiſskörper als Ursache zurückgeführte dauernde
                              									Trübung des Bieres anderen Ursprunges sein möchte. (Zeitschrift für das gesummte Brauwesen, 1886 S. 237.)
                           Otto Reinke berichtet aus dem Vereinslaboratorium der Versuchs- und Lehranstalt in Berlin über diesen
                              									Gegenstand folgendes: Während im Mai von den eingesendeten Bieren 66 Proc. kleistertrübe waren, sind von den im Juni
                              									eingelaufenen Bieren 80 Proc. hefentrübe, 30 Proc. auch noch bakterientrübe gewesen.
                              									Hierbei erschien am häufigsten Trübung durch Paquetbakterien (Sarcina). ¼ aller Biere enthielten Saccharomyces Pastorianus und 2 Biere enthielten
                              									Flughefe. Diese Biere zeigten gleichzeitig beim Oeffnen der Flaschen heftiges
                              									Schäumen; ein starkes Schäumen wurde auch einige Mal bei sarcinatrüben Bieren,
                              									welche aus Maltose reichen Würzen erzeugt waren, beobachtet. Zu bemerken ist ferner,
                              									daſs in Brauereien, die mit Sarcina zu kämpfen hatten,
                              									die Temperatur der Lagerkeller oft eine hohe (4,4 bis 6,2°) war. (Wochenschrift für Brauerei, 1886 S. 466.)
                           Nach mündlicher Mittheilung kann der Referent hier anfügen, daſs man in Weihenstephan nahezu dieselben Beobachtungen gemacht
                              									hat. Was dann die sogen. Kleistertrübungen betrifft, so konnte als deren Ursache stets Erythrodextrin nachgewiesen werden. Diese Dextrine sind
                              									nämlich in warmem Wasser leicht und vollkommen klar löslich, schwerer löslich aber
                              									in kaltem Wasser und in verdünntem Alkohol. Nun bleibt eine warm bereitete Lösung
                              									auch bei starkem Abkühlen allerdings vollkommen klar; bei Anwesenheit von geringen
                              									Mengen Alkohol aber scheidet sich nach einigem Stehen etwas von diesen Dextrinen aus
                              									und es entsteht ein Opalisiren der Flüssigkeit, wie man es bei der Kleistertrübung
                              									wahrnimmt. Diese Trübung ist stets auf einen unregelmäſsigen Verlauf des
                              									Verzuckerungsprozesses zurückzuführen, da sich in richtig bereiteter Maische solche
                              									Dextrine nicht mehr vorfinden können.
                           Von den hefetrüben Bieren zeigten die Biere aus Bayern nur einmal Saccharomyces Pastorianus, die übrigen nur Flughefe,
                              									dagegen mehrere aus Norddeutschland eingesendete leichte Biere Sarcina. Es scheint, daſs die Biere nach bayerischer
                              									Brauart widerstandsfähiger sind als die weniger dunklen norddeutschen Biere.
                           K. Benkendorff versuchte nach dem Verfahren von Chodounsky (Zeitschrift für das
                                 										gesammte Brauwesen, 1884 S. 76, vgl. Wochenschrift
                                 										für Brauerei, 1886 Nr. 22), durch Zusatz von
                                 										Malzmehl kleistertrübe Biere zu klären. Nach diesem Vorschlage wurde zuerst
                              									ein Versuch im Kleinen angestellt, indem man zu einem Glase des fehlerhaften Bieres
                              									das Mehl von 2 bis 3 Körnern Malz setzte. Nach kurzer Zeit hatte sich das Malzmehl
                              									mit den trübenden Bestandtheilen zu Boden gesetzt und das Bier war völlig klar. Im
                              									Groſsen wurde nun anfangs auf je ein Faſs von 12hl
                              									Inhalt 1 Eſslöffel voll Malzmehl gegeben und durch lebhaftes Rühren mit dem Biere
                              									innig gemischt. Das Bier klärte sich zunächst nicht, wurde aber auf weiteren Zusatz
                              									von je 2 Eſslöffel Malzmehl schon nach einem Tage
                              									vollkommen klar und schön. Das auf diese Weise hergestellte Bier verträgt das
                              									Spunden nicht. Da aber Benkendorff zum Spunden
                              									gezwungen war, so wurde das Bier umgeschlaucht, mit Krausen versetzt und nach
                              									einigen Tagen gespundet. (Zeitschrift für das gesammte
                                 										Brauwesen, 1886 S. 373.)
                           Dieses Verfahren ist in der That empfehlenswerth und hat zudem den Vorzug, daſs es
                              									gesundheitspolizeilich nicht beanstandet werden kann.
                           Aubry theilte auf der 5. Versammlung bayerischer
                              									Vertreter der angewandten Chemie am 7. August 1886 zu Würzburg seine Erfahrungen
                              									über die Beurtheilung hefetrüber Biere mit. Da
                              									bekanntlich jedes Bier den Keim zur fortgesetzten Nachgährung in sich trägt, wird
                              									eine solche desto eher eintreten, je geringer der Vergährungsgrad ist, je mehr die
                              									Gährung durch Kühlung künstlich hintangehalten und je jünger das Bier ist.
                           Während die Trübungen, welche durch Individuen der reinen Bierunterhefe und deren
                              									Spielarten hervorgerufen werden, niemals Krankheiten des Bieres verursachen,
                              									geschieht dies durch die sogen. wilden Hefen, welche in der Natur frei leben (vgl.
                              									1886 259 419); letztere gelangen zur Sommerzeit mit dem
                              									Staube aus den Gärten auf die Kühle, kommen von da in den Gährkeller und vermehren
                              									sich dort. Durch den Hefewechsel werden sie von einer Brauerei zur anderen
                              									verschleppt, weshalb sie schon auſserordentlich verbreitet sind. Die einfache
                              									mikroskopische Prüfung läſst selten eine Verunreinigung der Satzhefe mit wilden
                              									Hefen erkennen. Jedenfalls ist, um die Art der Verunreinigung zu ermitteln, zur
                              									Anstellung von Reinkulturen zu schreiten.
                           Gegen wilde Hefen schützt nur die allergröſste Vorsicht. Nach Aubry's Dafürhalten kann das Uebel, wenn es einmal eingetreten ist, nur
                              									durch völliges Verwerfen der unreinen Hefe und Verwendung rein gezüchteter Hefe
                              									wirksam bekämpft werden. Nicht selten tritt mit der durch wilde Hefe
                              									hervorgebrachten Färbung eine unliebsame Geschmacksveränderung des Bieres ein. Bier,
                              									welches durch normale Hefe getrübt ist, kann durch geeignete Behandlung, z.B. durch
                              									längeres Lagern, Anwendung von Klärspänen, Entfernung der Hefe durch Filtriren,
                              									wieder klar und zum Genüsse geeignet werden. Anders verhält sich durch wilde Hefe
                              									getrübtes Bier. Solches Bier neigt immer wieder zur Trübung, da die auſserordentlich
                              									kleinen wilden Hefen beim geringsten Anlasse in die Höhe steigen, ja sogar zum
                              									Theile durch das Filter gehen.
                           In der Flasche tritt beim Biere leichter Hefetrübung ein als im Fasse, besonders wenn
                              									die Flasche aufrecht und im Lichte steht. Es kann ein Bier in der Flasche sich
                              									vollständig trüben, während es im Fasse nur geringe Neigung hierzu verräth. Die im
                              									Biere vorhandenen einzelnen Hefezellen werden im Fasse und im Keller wesentlich
                              									durch die niedere Temperatur und die Kohlensäure in der Entwickelung gehindert,
                              									während sie in der Flasche bei höherer Temperatur und namentlich, wenn beim
                              									Aufrechtstehen der Flasche der ausgetrocknete Kork der Kohlensäure den Austritt
                              									gestattet, gar bald sich zu vermehren beginnen. In der Flasche in liegendem Zustande
                              									aufbewahrt, wobei der Kork benetzt und gasdicht bleibt, widersteht das Bier längere
                              									Zeit der Trübung. Die Schlüsse, welche man auf die Untersuchung einer Bierprobe
                              									baut, können völlig unzutreffend sein, wenn diese Umstände nicht berücksichtigt
                              									werden. Die zur Aufnahme der Probe dienende Flasche sowie der zum Verschlüsse
                              									bestimmte Kork müssen ausgekocht sein, ehe eine kundige Hand die Probe einfüllt.
                           Die Untersuchung der Biertrübungen und Absätze im
                              									Allgemeinen findet zunächst mikroskopisch statt, wobei es sich herausstellt, welcher
                              									Art die Ausscheidungen sind. Bei Hefetrübungen wird die chemische Untersuchung in
                              									sehr vielen Fällen einen zu geringen Vergährungsgrad ergeben. Solches Bier ist,
                              									sofern keine wilden Hefen anwesend sind, nur augenblicklich für den Genuſs
                              									untauglich. Gleichzeitige Anwesenheit von wilden Hefen und Bakterien wird häufig
                              									durch die Geschmacksprobe verrathen.
                           Die Ansichten über die Gesundheitsschädlichkeit hefetrüber Biere gehen zur Zeit noch aus
                              									einander. Wahrscheinlich sind nur gewisse Arten von Hefepilzen oder ihre
                              									Gährungsproducte dem menschlichen Organismus schädlich. Aubry schlägt nun in dieser Hinsicht folgende Art der Beurtheilung
                              									hefetrüber Biere vor: 1) Wenig vergohrene Biere müssen für den Genuſs völlig frei
                              									von Hefe sein. 2) Gut vergohrene Biere mit mindestens 48 Proc. wirklicher Vergährung
                              									und sonst normaler Beschaffenheit sind mit einem leichten Hefeschleier noch für den
                              									Genuſs zulässig; doch darf sich bei 24stündigem Stehen bei Zimmertemperatur nicht
                              									merklich Hefe absetzen. 3) Stark durch Hefe getrübte Biere sind nicht genuſsfähig.
                              									4) Als verdorben sind diejenigen Biere zu betrachten, welche hefetrübe sind und
                              									auſserdem Bakterien enthalten, bei denen die chemische Untersuchung Anhaltspunkte
                              									für fortgeschrittene Zersetzung gibt und deren Geschmack ein schlechter ist. (Wochenschrift für Brauerei, 1886 S. 589.)
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)
                                 
                              C. J. Lintner.