| Titel: | Verfahren zur Wiedergewinnung von Strontian aus den Abfällen der Melassenentzuckerung. | 
| Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 96 | 
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                        Verfahren zur Wiedergewinnung von Strontian aus
                           								den Abfällen der Melassenentzuckerung.
                        Wiedergewinnung von Strontian bei der
                           								Melassenentzuckerung.
                        
                     
                        
                           A. Wendtland in Königsberg i. d. Neumark bietet in einem
                              									Rundschreiben ein „neues, vollständig ausprobirtes Verfahren an, welches allen
                                 										Anforderungen genügen und eine schon längst gefühlte Lücke in der
                                 										Zucker-Industrie ausfüllen soll,“ auch schon patentgesetzlich geschützt
                              									(vgl.* D. R. P. Kl. 75 Nr. 38013 vom 6. April 1886) ist. Nachstehend ist kurz das
                              									Prinzip des Verfahrens mitgetheilt.
                           Wendtland löst den Strontianrückstand in Salzsäure,
                              									fällt mit Aetzkalk die gelöste Kieselsäure als körniges Calciumsilicat, Eisen und
                              									Thonerde als Oxyd, filtrirt durch Filterpressen, süſst den Presseninhalt aus und
                              									gewinnt so eine Lösung von Calcium- und Strontiumchlorid. Das Filtrat wird durch
                              									Eindampfen bis auf einen gewissen Punkt concentrirt, was bei Anwendung einer
                              									33procentigen rohen Salzsäure nur sehr wenig Kohlen erfordert, und erkalten
                              									gelassen. Es krystallisirt hierbei sämmtliches Strontiumchlorid aus. Die als
                              									Mutterlauge zurückbleibende Chlorcalciumlösung enthält in der Trockensubstanz kaum
                              									noch Spuren von Strontiumchlorid (es wurden nur einige hundertstel Procent gefunden)
                              									und ist, da sehr rein, gut verwerthbar in Webereien u.
                              									dgl. Das Strontiumchlorid wird nach gründlichem Ausschleudern in Wasser gelöst und
                              									in die Lösung Ammoniak und Kohlensäure geleitet, wodurch das Chlorid in
                              									Strontiumcarbonat übergeführt wird. Es wird je nach der Gründlichkeit des
                              									Ausschleuderns ein Strontiumcarbonat von 90 bis 98 Proc. erhalten; der Rest besteht
                              									aus Calciumcarbonat, das für die Fabrikation völlig unschädlich ist.
                           Die Anwendung von Ammoniak und Kohlensäure bietet einen ähnlichen, nur noch bedeutend
                              									gröſseren Vortheil gegenüber der Anwendung von Soda, wie diesen die
                              									Ammoniaksodafabriken dem alten Leblanc'schen Verfahren
                              									gegenüber haben: den der gröſstmöglichen Billigkeit. Denn das Ammoniak geht im
                              									Kreislauf, indem das bei der Saturation mit NH2 und
                              										CO2 entstandene Chlorammonium immer wieder zu
                              									einer neuen Behandlung verwerthet wird. Es geht eben nur der billige Kalk verloren,
                              									während der mechanische Verlust von Ammoniak, aus der viel umständlicheren
                              									Ammoniaksodafabrikation her zu schlieſsen, wo er nur 5 Proc. NH4Cl von der gewonnenen Soda beträgt, ein äuſserst
                              									geringer sein muſs. Die Anwendung von Ammoniak und die Entstehung von Chlorammonium
                              									als Zwischenproduct hat aber noch den Vorzug vor anderen Methoden, daſs man das
                              									Chlorammonium und den Rückstand desselben auf einander wirken lassen kann. Man
                              									entwickelt so in einer Behandlung Ammoniak und löst zugleich den Kalk und einen
                              									Theil des kohlensauren Strontians. Der Hauptvortheil ist der, daſs auf diese Weise
                              									gleichzeitig ⅓ bis ½ Kalk und Salzsäure erspart wird. Der im Chlorammonium unlösliche Theil des
                              									Rückstandes wird darauf mit Salzsäure gelöst und wie beschrieben behandelt.
                           Wendtland berechnet die Unkosten des
                              									Verfahrens bei einem täglichen Zusätze von 50 Centner 80 procentigen Strontianits
                              									folgendermaſsen:
                           
                              
                                 Salzsäure
                                 180 M.
                                 
                              
                                 Ammoniak 1,33 Centner NH4Cl
                                   17,3
                                 
                              
                                 Aetzkalk für 26,83 Centner NH4Cl = 33,6 Ctr.
                                   30
                                 
                              
                                 Arbeitslöhne und Materialien
                                   20
                                 
                              
                                 Abschreibungen und Zinsen
                                   20
                                 
                              
                                 Kohlen
                                   15
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 Summe
                                 282,3 M.
                                 
                              
                                 Die Unkosten für 1 Centner
                                    											Strontiumcarbonat
                                     7,7 M.
                                 
                              
                                 Der Werth von 36,9 Centner beträgt
                                 664,2
                                 
                              
                                 Mithin bleibt für täglich ein Gewinn
                                    											von
                                 382,0
                                 
                              
                           Bei Benutzung von Ammoniumchlorid zur Lösung des Rückstandes
                              									stellen sich die Unkosten für Salzsäure um 75 M., für Aetzkalk um 10 M., zusammen
                              									also um 85 M. geringer.
                           Die Gesammtunkosten betragen demnach nur 197,30 M. für den Tag,
                              									die für 1 Centner Strontiumcarbonat von 80 Proc. aber 5,40 M. Die jährliche
                              									Ersparniſs beläuft sich somit angeblich auf 114000 bezieh. 140100 M.
                           M. M. Rotten in Berlin (D. R. P. Kl. 89 Nr. 36994 vom 6.
                                 									Januar 1885) trennt den Kalk vom Strontian durch
                                 										fractionirte Saturation. Wendet man zur Melasse-Entzuckerung mittels
                              									Strontian Kalk haltige Strontianpräparate oder an Kalkverbindungen reiche Melasse
                              									an, so geht bekanntlich der gesammte Kalkgehalt in die Schlempelaugen über. Haben
                              									sich nun diese Laugen mit Kalk in der Weise angereichert, daſs das aus denselben
                              									durch Saturation gewonnene Strontiumcarbonat oder die mittels Spiritus daraus
                              									abgeschiedene Strontianverbindung zu stark mit Kalk verunreinigt ist und demgemäſs
                              									ein an Kalk zu reiches Strontianpräparat liefert, welches wegen der leichten
                              									Löslichkeit des Zuckerkalkes die Zuckerausbeute schmälern würde, so empfiehlt es
                              									sich, eine Trennung des Kalkes vom Strontian vorzunehmen. Diese Trennung wird
                              									dadurch erreicht, daſs man entweder die an Kalk reichen Laugen vor dem Versetzen mit
                              									Spiritus, oder die wässerige Lösung der aus denselben mittels Spiritus gefällten
                              									Strontianverbindung einer Behandlung mit ungenügenden Mengen Kohlensäure unterwirft,
                              									wodurch ein Niederschlag erfolgt, welcher vorwiegend aus kohlensaurem Kalk mit wenig
                              									Strontian besteht, während in der darauf folgenden weiteren Saturation dann ein
                              									ziemlich kalkfreies Strontiumcarbonat ausfällt. Die fractionirte Saturation der
                              									Schlempelaugen liefert jedoch nicht unter allen Umständen ein befriedigendes
                              									Ergebniſs. Wendet man die Laugen unverdünnt mit Kalk an, oder benutzt man zu
                              									reichhaltiges (namentlich reines) Kohlensäuregas, so reiſst der zuerst
                              									niederfallende Kalk so bedeutende Mengen Strontian mit nieder, daſs nur eine
                              									durchaus ungenügende Trennung des Kalkes vom Strontian erreicht wird. Eine wenn auch
                              									nicht ganz vollständige, aber für die Zwecke der Technik vollkommen genügende
                              									Trennung des Kalkes vom Strontian wird dagegen erzielt, wenn man in folgender Weise
                              									verfährt: Technisches Kohlensäuregas (Saturationsgas vom Brennen des Kalkes oder
                              									Strontianits oder Feuergase) wird in die auf etwa 15° Brix verdünnte heiſse Lauge so
                              									lange eingeleitet, bis die Gesammtalkalität derselben um die Kalkalkalität (welche
                              									vorher zu ermitteln) verringert worden ist. Nach Schluſs dieser ersten Saturation
                              									wird aufgekocht und die vom Niederschlage getrennte Flüssigkeit bis zur Neutralität
                              									saturirt.
                           Eine in dieser Weise bewirkte Trennung lieferte folgendes
                              									Ergebniſs. Auf 100 Th. SrO bezogen enthielten:
                           die angewendete Lauge: 1,3833 Th. SrO auf 0,5633 Th. CaO,
                              									entsprechend 40,72 Th. CaO,
                           der Niederschlag von der ersten Saturation: 0,138 Th. SrO
                              									auf 0,836 Th. CaO, entsprechend 605,80 Th. CaO,
                           der Niederschlag von der zweiten Saturation: 0,802 Th. SrO
                              									auf 0,171 Th. CaO, entsprechend 21,32 Th. CaO.
                           
                              St.