| Titel: | Das Condens- oder Brüdenwasser der Zuckerfabriken als Kesselspeisewasser; von C. Stammer. | 
| Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 189 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Das Condens- oder Brüdenwasser der Zuckerfabriken
                           								als Kesselspeisewasser; von C. Stammer.
                        Stammer, über Brüdenwasser zur Kesselspeisung.
                        
                     
                        
                           In der Zeitschrift des Verbandes des
                                 										Dampfkessel-Ueberwachungsvereins, 1886 S. 139 ist eine Besprechung über
                              									diesen Gegenstand unter Bezugnahme auf eine Mittheilung von Dr. Claaſsen (Brühl) in der Deutschen Zuckerindustrie, 1886 Nr. 10 enthalten, welche eine etwas einseitige Auffassung einer Thatsache darstellt, die
                              									bekannter ist, als die beiden Verfasser anzunehmen scheinen und welche wohl eine
                              									andere als die aufgestellte Erklärung zuläſst. Eine solche ist schon vor langer Zeit
                              									gegeben worden und vielleicht in der Literatur, nicht aber in der Praxis der
                              									Zuckerfabrikation in Vergessenheit gerathen.
                           In dem erstgenannten Artikel spricht Mladek zunächst von
                              									den „verheerenden“ Corrosionen an Dampfkesseln, welche durch die Verwendung
                              									der Brüdenwässer als Speisewasser in Zuckerfabriken vorgekommen sind. Unter
                              									Brüdenwasser versteht man eigentlich nur die durch Oberflächenkühlung verdichteten
                              									Saftdämpfe, welche aus dem zweiten und dritten Körper der Verdampfapparate stammen
                              									und da, wo sie nicht zum Waschen der Knochenkohle Verwendung finden, zum
                              									Kesselspeisen benutzt werden. Es dürfte wohl selten der Fall sein, daſs nicht auch
                              									die sonst in der Fabrik sich bildenden Dampfwässer hinzukommen, denn ein Grund zur
                              									Trennung dieser beiden Arten Condenswasser liegt nicht vor. Ich werde daher im
                              									Folgenden den letzteren Ausdruck für beide, getrennt oder gemischt, brauchen, obwohl
                              									sie in einigen
                              									Beziehungen verschiedener Natur sind. Die Gefahr für Dampfkessel und das längst
                              									gebrauchte Gegenmittel ist für beide gleich.
                           Es führt nun der erstere Artikel aus., daſs man zum Theile das Ammoniak als die Ursache der Corrosion ansehe und
                              									demgemäſs, obwohl mit geringem Erfolge, entfernt zu halten suche, daſs aber ein
                              									solcher schädlicher Einfluſs des Ammoniaks nicht erwiesen sei. Dies letztere ist
                              									zuzugeben, damit aber der groſse Nachtheil nicht beseitigt, den das Ammoniak in
                              									Gegenwart von Luft und Zucker auf alle Metalle und besonders auf das in
                              									Zuckerfabriken so vielfach verwendete Kupfer ausübt, ein Nachtheil, über den
                              									vielfache Beobachtungen in der Praxis vorliegen, so daſs das Bestreben der
                              									Zuckerfabriken wohl gerechtfertigt ist, sich des Ammoniaks möglichst zu entledigen.
                              									Bei dem immer wiederholten Gebrauche des condensirten Dampfes nimmt nämlich der
                              									Ammoniakgehalt aller Condenswässer eher zu als ab, trotz der Flüchtigkeit des
                              									Ammoniaks. Denn es werden bei dem Verkochen der groſsen Mengen Saft immer neue
                              									Ammoniakmengen nicht sowohl aus dem Safte entwickelt, als vielmehr durch die beim
                              									Kochen stattfindende Einwirkung der Alkalien (und des Kalkes) auf die Stickstoff
                              									haltigen Saftbestandtheile gebildet, durch das
                              									Brüdenwasser weitergeführt und dieser niemals versiegende Zufluſs ist jedenfalls
                              									gröſser als der Abfluſs an Ammoniak, da ja offen ausströmender Dampf in Zuckerfabriken nur in unbedeutender Menge vorzukommen
                              									pflegt. Nebenbei will ich der Vollständigkeit wegen die Thatsache nicht unberührt
                              									lassen, daſs sich auch sehr viel kohlensaures Ammoniak
                              									entwickelt, von welchem ich gelegentlich bedeutende Mengen sammeln konnte.
                           Jedenfalls können die durch Ammoniak, Luft und Zucker veranlaſsten schädlichen
                              									Einwirkungen des Condenswassers oder des daraus entwickelten Dampfes auf die
                              									metallenen, namentlich kupfernen Leitungen der Zuckerfabriken sich bis zur
                              									Unerträglichkeit steigern und es ist dies Grund genug, der Zunahme des
                              									Ammoniakgehaltes mit allen Mitteln vorzubeugen. Ob eine unmittelbare verheerende
                              									Einwirkung dieser Stoffe allein auf das Kesselblech stattfindet, kann ich nicht
                              									bestimmt angeben, da in der Praxis eine andere, gleich zu erwähnende Erscheinung
                              									viel ernstere Berücksichtigung erheischt und diese besondere Wirkung jedenfalls
                              									verdeckt. Die Mittel, welche man anwendet, um das Ammoniak unschädlich zu machen,
                              									üben aber auch jedenfalls in dieser Richtung eine günstige Wirkung aus.
                           Auf die weiterhin von Mladek zur Sprache gebrachte
                              									Möglichkeit einer Schädigung durch die salpetersauren Salze braucht nicht näher
                              									eingegangen zu werden, da von einer solchen jedenfalls hier nicht ernsthaft die Rede
                              									sein kann.
                           Auch die Anführung der Citronen-, Oxal- und anderer organischer Säuren hat mit den
                              									hier auftretenden Wirkungen nichts zu thun, da diese Säuren bei normalem Betriebe
                              									nicht im Safte und noch weniger im Brüdendampfe frei
                              									vorkommen. Es bleibt also nur der Zucker als corrodirende Substanz übrig.
                           Nun werden direkte Beweise für die schädliche Wirkung der Zuckersäfte, namentlich in
                              									dem Aufsatze von Claaſsen angeführt; dabei finden sich
                              									in der Schluſsfolgerung zwei eigenthümliche Lücken, bei deren Vermeidung ganz andere
                              									Ergebnisse erzielt worden wären.
                           Es wird nämlich zunächst die Analyse eines braunen Pulvers mitgetheilt, das aus mit
                              									Condenswasser gespeisten Kesseln gesammelt war, und darin unter anderen
                              									Bestandtheilen eine gewisse Menge organischer Substanz (5,47 Proc. in Salzsäure
                              									löslich, 5 bis 6 Proc. unlöslich) angeführt. Von diesen über 11 Procent betragenden
                              									organischen Bestandtheilen wurde nur ermittelt, daſs kein Stickstoff darin enthalten
                              									war, daſs Behandlung mit Schwefelsäure und Aether eine saure Flüssigkeit gab, welche
                              									6 Procent des Pulvers ausmachte, und also hier Säuren
                              									vorlagen, die gröſstentheils in Wasser unlöslich waren. Ferner wurde ermittelt, daſs
                              									diese Säuren vorherrschend an ein Oxyd des Eisens gebunden waren. Auf die so nahe
                              									liegende Vermuthung, daſs es sich hier um fette Säuren
                              									handele, ist der Verfasser nicht gekommen; eine eingehendere Analyse würde dies
                              									sofort haben erkennen lassen. Der Verfasser sagt vielmehr, ohne daſs dazu eigentlich
                              									ein Grund vorläge: „Einziger Ausgangspunkt für diese organischen Säuren kann aber
                                 										nur der Zucker sein, da kein anderer Säure bildender Körper in den Condensatoren
                                 										der Verdampfapparate enthalten ist.“ Wäre die Analyse zu Ende geführt oder
                              									wären auch nur die organischen Säuren in hinreichender Menge dargestellt worden, so
                              									hätte ihre Natur unschwer erkannt werden müssen und der wenig begründete Schluſs,
                              									welchen Claaſsen auf aus dem Zucker entstandene Säuren
                              									zog, wäre nicht nöthig gewesen. Und hier findet sich die zweite Lücke, nämlich der
                              									fehlende Nachweis, daſs Zucker im Wasser vorhanden gewesen wäre. Der Verfasser sagt,
                              									es sei in dem Kesselspeisewasser bei häufiger Untersuchung durch Fehling'sche Lösung kein Zucker nachzuweisen gewesen,
                              									meint aber, es können sich im Laufe der Zeit doch Zuckermengen bezieh. deren
                              									Zersetzungsproducte anhäufen, durch welche dann die schädlichen Verbindungen
                              									entstanden seien.
                           Wozu chemische Analysen gemacht werden, wenn man trotz des dadurch geführten
                              									Nachweises des Nichtvorhandenseins von Zucker doch dessen Anwesenheit als die
                              									Ursache der Corrosionen annimmt, ist nicht zu ersehen; dann konnte der Schluſs auch
                              									unmittelbar ohne Zuhilfenahme der Analyse gezogen werden. Es wäre doch natürlicher
                              									und leichter gewesen, den braunen Schlamm weiter zu untersuchen – oder in der
                              									Literatur nach ähnlichen Erscheinungen zu forschen.
                           Es ist nämlich die Corrosion der Kessel durch Condenswasser eine ganz alte und längst
                              									aus dem Gehalte desselben an Fettsäuren erklärte
                              									Thatsache; die Gefährlichkeit der Kesselspeisung mit destillirtem Wasser hat viel und oft den Gegenstand
                              									technischer Besprechungen und Untersuchungen gebildet und man braucht nicht
                              									besonders das Brüdenwasser der Zuckerfabriken in Betracht zu ziehen, um dieser
                              									Corrosion zu begegnen, das Dampfwasser verhält sich ebenso und zwar in Folge des aus
                              									Dampfcylindern, Stopfbüchsen, Dichtungen mitgerissenen Fettes und der daraus
                              									naturgemäſs entstehenden Fettsäuren, wozu bei Zuckerfabriken noch besondere, jedem
                              									Fabrikanten genugsam bekannte Fettzusätze kommen.
                           Von den vielen, in den sechziger Jahren vorgekommenen Erörterungen über diesen
                              									Gegenstand sei hier nur eine beispielsweise erwähnt, welche sich auf die Anwendung
                              									des (jedenfalls doch wohl zuckerfreien) destillirten Wassers zum Kesselspeisen auf
                              									Seeschiffen bezieht (vgl. J. Jack 1864 172 109). An dieselbe ist im Jahresberichte für Zuckerfabrikation, 1864 S. 116 eine Besprechung
                              									geknüpft, welche die Erscheinung auf die Wirkung der Fettsäuren zurückführt, die
                              									sich, wie ich oftmals zu beobachten Gelegenheit hatte, durch die Gegenwart von
                              									fettsaurem Eisenoxyd, in Gestalt von Schlamm, Rinden oder freien Kugeln, bemerklich
                              									macht. Man wird ohne Zweifel in allen derartigen Fällen diese Verbindung nachweisen
                              									können und es ist dieselbe auch gewiſs in dem oben besprochenen Falle vorhanden
                              									gewesen, leider aber übersehen worden, wodurch dann die lückenhafte Schluſsfolgerung
                              									entstanden ist.
                           Diese Andeutungen über eine schon längst bekannte und in ihren Ursachen erkannte
                              									Erscheinung dürften wohl genügen. Dieselben Erfahrungen sind von den verschiedensten
                              									Seiten gemacht worden und haben sich auch praktisch dadurch bestätigt gefunden, daſs
                              									das sich darbietende Gegenmittel, der Zusatz von Soda, von Kalk oder eine
                              									Beimischung von etwas gewöhnlichem, Kalk haltigem Wasser, sich als vollkommen
                              									sicheres, dabei einfaches und so zu sagen selbstverständliches Schutzmittel gezeigt
                              									und auch nach meiner Erfahrung in Zuckerfabriken bewährt hat. Wäre man auf diese
                              									älteren und vielen Praktikern geläufigen Wahrnehmungen zurückgegangen, oder hätte
                              									man die Ausscheidungen in den Kesseln eingehender untersucht, so würde man nicht
                              									nöthig gehabt haben, die Gegenwart von Zucker selbst dann anzunehmen, wenn sich
                              									dieser nicht nachweisen lieſs.
                           Damit ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, daſs in besonderen Fällen dennoch der
                              									Zucker nachtheilig wirken könnte. Ich habe schon oben
                              									eine allgemeine dahingehende Beobachtung angeführt und es läſst sich nicht
                              									bestreiten, daſs die von Claaſsen a. a. O.
                              									mitgetheilten Versuche auf die schädliche Einwirkung des Zuckers hinweisen. Eine
                              									Bestätigung hierfür finden wir auch in den Versuchen von Klein und Berg (Bulletin de l'Association des Chimistes, 1886 S. 190; Zeitschrift für Zuckerindustrie, September 1886 S. 759)
                              									und es folgt daraus, daſs wenn Zucker oder dessen
                              									Abkömmlinge im Kesselwasser in nachweisbaren Mengen vorhanden sind, eine schädliche
                              									Einwirkung auf die Kessel zu erwarten steht. Daraus folgt aber nicht, daſs man diese
                              									Einwirkung auch anzunehmen habe, wenn diese Körper nicht nachgewiesen werden können. Fette werden stets vorhanden sein, aber
                              									den Zucker in den Säften festzuhalten und nicht in die Kessel gelangen zu lassen,
                              									ist doch auch aus anderen Gründen das ernste Bestreben jedes Zuckerfabrikanten, so
                              									daſs man eine Schädigung der Kessel durch Zucker nur
                              									als eine sehr vereinzelte Ausnahme wird betrachten
                              									können. Da dieselbe, wie es scheint, als eine Folge von aus dem Zucker entstehenden
                              									Säuren eintritt, so ist übrigens, auſser der ja immer gebotenen Achtsamkeit zum
                              									Schütze gegen Zuckerverluste, dasselbe Mittel mit Sicherheit anzuwenden, welches
                              									oben als Schutz gegen die fetten Säuren angeführt worden ist.