| Titel: | Sauerstoffübertragung und lösende Wirkung von flüssigen Kohlenwasserstoffen auf Metalle; von C. Engler und Ed. Kneis. | 
| Autor: | C. Engler, Ed. Kneis | 
| Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 193 | 
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                        Sauerstoffübertragung und lösende Wirkung von
                           								flüssigen Kohlenwasserstoffen auf Metalle; von C. Engler und Ed. Kneis.
                        Engler u. Kneis, Wirkung flüssiger Kohlenwasserstoffe auf
                           								Metalle.
                        
                     
                        
                           Im J. 1866 theilte SchönbeinJournal für praktische Chemie, 1866 Bd. 98 S.
                                    											264. Siehe ferner daselbst Bd. 100 S. 469. Bd. 102 S. 145. die
                              									Beobachtung mit, daſs der Sauerstoff der Luft durch Berührung mit Terpentinöl, Erdöl
                              									u.a. flüssigen Kohlenwasserstoffen in einen „beweglichen,“ d.h. chemisch
                              									wirksameren Zustand versetzt werde, so daſs er nun oxydirende Wirkungen zeige, die
                              									der gewöhnliche Sauerstoff nicht auszuüben vermag. Der Sauerstoff geht dabei
                              									theilweise in das betreffende Oel und bildet mit demselben Verbindungen
                              										(„Autozonide“), welche ihren Sauerstoff ebenfalls nur lose gebunden
                              									enthalten und deshalb auch leicht wieder an andere oxydirbare Stoffe abgeben,
                              									während ein anderer Theil in der über den Oelen befindlichen Luft als Ozon sich
                              									befindet. Beobachtungen, durch welche die reichhaltigen Versuchsergebnisse Schönbeins in gleichem Sinne ergänzt werden, theilen
                              									später FudakowskyBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
                                    											1873 Bd. 6 S. 106., SchaerDaselbst 1873 Bd. 6 S. 406. u.a. mit. Ganz besonderes Interesse
                              									aber verdienen die Versuche Schiel'sDaselbst 1879 Bd. 12 S. 507., denen zu Folge Natrium, Thallium,
                              									Blei und andere Metalle unter einer Schicht von Petroleumäther rasch zu Metalloxyden
                              									oxydirt werden, wobei wohl eine theilweise Lösung des Metalles in dem Oele eintritt,
                              									die Hauptmenge des gebildeten Oxydes dagegen in unlöslicher Form abgeschieden wird.
                              									In Zusammenhang mit diesen Wahrnehmungen steht ohne Zweifel die Beobachtung Macadam'sNach dessen Vortrage in der Zeitschrift für chemische
                                       												Großindustrie, 1879 Bd. 3 S. 28., wonach das Erdöl aus
                              									Blei haltigen Metallbehältern soviel Blei aufnehme, daſs dadurch seine Leuchtkraft
                              									in Folge kohliger Ausscheidungen am Dochte erheblich beeinträchtigt werde. Er warnt deshalb vor
                              									Aufbewahrung des Erdöles in verbleiten Gefäſsen, in Cisternen, welche mit Blei
                              									ausgeschlagen, oder auch nur mit Blei haltigem Loth verlöthet sind.
                           Durch das patentirte Verfahren von E. Schaal in
                              									Stuttgart (vgl. 1885 258 * 230) der Darstellung von
                              									Seifen durch Oxydation von Mineralölen bei Gegenwart von freiem Alkali, durch die
                              									von KrämerSitzungsbericht des Vereins zur Beförderung des
                                       												Gerwerbefleißes, 1885 S. 288. mitgetheilten
                              									interessanten Versuche über den Grad der Oxydation erwärmten Erdöles durch Luft,
                              									auch durch die Mittheilung Markownikoff's und Ogloblin'sBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
                                    											1883 Bd. 16 S. 1873., daſs Metalloxyde durch Erdöl nur in
                              									Gegenwart Sauerstoff haltiger Verbindungen gelöst werden, sowie endlich durch die
                              									zahlreichen Versuche der Verwendung der Dämpfe von Terpentinöl, Erdöl u.s.w. in
                              									Vermischung mit Luft zum Bleichen verschiedenartiger Stoffe haben jene früheren
                              									Beobachtungen Schönbein's u.a. erneute Bedeutung
                              									gewonnen; sie bilden bis zu einem gewissen Grade einen Schlüssel für viele bei der
                              									praktischen Verwendung flüssiger Kohlenwasserstoffe hervortretenden und verwertheten
                              									Eigenschaften. Immerhin jedoch sind die Bedingungen, unter denen jene
                              									verschiedenartigen Erscheinungen – oxydirende und bleichende Wirkung der Oele und
                              									ihrer Dämpfe, Bildung von Säure aus den Kohlenwasserstoffen, Uebertragung des
                              									Sauerstoffes durch die Oele an Metalle und andere Stoffe, ohne selbst Säure zu
                              									bilden, Lösung der Metalle nach Macadam u.a.m. – bis
                              									jetzt noch nicht in genügenden Zusammenhang gebracht und wir hatten es deshalb schon
                              									vor einigen JahrenSiehe bei E. Kneis' Inauguraldissertation: Ueber die Wirkung des Sauerstoffgases auf flüssige
                                       												Kohlenwasserstoffe. (Freiburg i. B. 1880.) unternommen,
                              									jene Bedingungen genauer zu studiren und in ihren Wirkungen zu verfolgen. Ganz
                              									besonders waren es aber die schon erwähnten Versuche Macadam's und Schiel's, welche uns eine
                              									solche Untersuchung nothwendig erscheinen lieſsen.
                           Wir sagten uns, die Löslichkeit der Metalle in flüssigen Kohlenwasserstoffen ist ohne
                              									Zweifel nur eine Folge ihrer Oxydation zu Metalloxyden, welch letztere alsdann von
                              									den Säuren gelöst werden, die sich aus den Kohlenwasserstoffölen ebenfalls durch
                              									Oxydation mit Luftsauerstoff gebildet haben. Um diesen Satz auf seine Richtigkeit zu
                              									prüfen, setzten wir zunächst verschiedene Metalle, zumeist das für diese Versuche am
                              									besten geeignete Blei, unter Schichten von Terpentinöl,
                              									Harzöl und Erdöl der Wirkung der Luft in flachen Schalen, also mit gröſstmöglicher
                              									Oberfläche, aus und stellten nach bestimmten Zeiten die Menge des gelösten Metalles
                              									fest. Aehnliche Versuche wurden dann noch in theilweise (capillar) verschlossenen
                              									Flaschen, sowie unter gänzlichem Luftabschlüsse durchgeführt und endlich wurde auch
                              									die Löslichkeit einiger fettsauren Salze in Kohlenwasserstoffölen unmittelbar
                              									ermittelt.
                           
                        
                           
                           1) Wirkung der Kohlenwasserstofföle auf
                                 										Metalle an freier Luft.
                           Bei dieser ersten Versuchsreihe wurden meist 150g
                              									des zerkleinerten Metalles in flachen Schalen mit 700g amerikanischem Erdöl des Handels überschichtet an der Luft bei
                              									Zimmerwärme stehen gelassen, von dem Oele nach Verlauf von 2, dann 8 und 14 Tagen, 1
                              									und 4 Monaten Probe gezogen und genau auf gelöstes Metall geprüft. Es zeigte sich,
                              									daſs nach Verlauf eines Monates in dem Erdöle auch noch keine nachweisbaren Mengen
                              									der darin gelegenen Metalle – Blei, Kupfer, Zink, Zinn, Magnesium – enthalten und
                              									daſs erst nach 4 Monaten, wobei das verdunstende Oel stetig ersetzt worden war,
                              									Spuren von Blei und von Kupfer in Lösung gegangen waren. Zink, Zinn und Magnesium
                              									lieſsen sich auch nach 4monatlicher Einwirkung nicht einmal in Spuren erkennen.
                              									Natrium endlich verliert zwar unter den angegebenen Bedingungen schon nach einigen
                              									Stunden seinen Metallglanz, nimmt aber erst nach 8 bis 10 Wochen das bekannte
                              									schmutziggelbe Aussehen an, durch welches das längere Zeit in Erdöl aufbewahrte
                              									Natrium immer gekennzeichnet ist; die Menge des gelösten Metalles ist dabei
                              									ebenfalls so gering, daſs sie sich nicht bestimmen läſst. Auch aus Erdöl, in welchem
                              									schon seit einigen Jahren Natrium aufbewahrt war, lieſs sich mit Salzsäure kein
                              									Chlornatrium ausschütteln.
                           Bezüglich einzelner Fractionen des Erdöles konnte
                              									festgestellt werden, daſs bei gleicher Behandlung, wie oben beschrieben, der unter
                              									230° siedende Theil nach 4 Monate langer Einwirkung auf Blei noch keine bestimmbaren
                              									Mengen, der von 230/300° siedende 0,0026 Proc., der über 300°. siedende Theil aber
                              									0,0244 Procent seines Gewichtes an Blei gelöst hatte.
                           Unter Anwendung von je 50g
                              									frisch destillirten Terpentinöles und 20g Bleischnitzel fanden sich nach 8tägiger
                              									Einwirkung noch keine bestimmbaren Mengen, nach 14tägiger Einwirkung 0,0722 Proc.
                              									Blei in dem Oele gelöst. Altes Terpentinöl löst Blei
                              									ungleich rascher: nach 8tägiger Einwirkung enthielt es bei unserem Versuche schon
                              									0,0522 Proc. Blei und auſserdem hatte sich ein rother Körper ausgeschieden, welcher
                              									sich als organische Bleiverbindung erwies. Zählt man das in letzterer enthaltene
                              									Blei noch hinzu, so waren 0,0752 Proc. Blei oxydirt bezieh. gelöst. Der gleiche
                              									Versuch ergab nach 14tägiger Einwirkung 0,1435 Proc. gelösten und 0,2468 Proc. in
                              									Gestalt jener rothen Verbindung ausgeschiedenen Bleies, im Ganzen also 0,3903
                              									Proc.
                           Frisch destillirtes und altes Terpentinöl, unter im Uebrigen gleichen Bedingungen auf
                              									dem Wasserbade mit eingelegten Bleischnitzeln erwärmt
                              									ergab Procent gelöstes Blei:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 In frischem Oel
                                 In altem Oel
                                 
                              
                                 Nach
                                 2
                                 tägiger
                                 Einwirkung
                                 0,085
                                 0,578
                                 
                              
                                 „
                                 8
                                 „
                                 „
                                 0,265
                                 0,982
                                 
                              
                                 „
                                 14
                                 „
                                 „
                                 0,715
                                 1,851
                                 
                              
                           
                           Ganz die gleichen Versuche wie mit Terpentinöl wurden auch mit frisch gereinigtem (mittels Natronlauge u.s.w.) und an der Luft einige Zeit gestandenem käuflichem Harzöle
                              									durchgeführt, wobei in 100 Th. des Oeles die folgenden Gewichtsmengen Blei gelöst
                              									waren:
                           
                              
                                 
                                 Bei gewöhnl Temperatur
                                 Auf dem Wasserbade
                                 
                              
                                 
                                 nach 8 Tag
                                 14 Tag
                                 nach 2 Tag
                                 8 Tag
                                 14 Tag
                                 
                              
                                 Frisch gereinigtes Harzol
                                 Spuren
                                 0,024
                                 0,130
                                 0,380
                                 0,880
                                 
                              
                                 An der Luft gestandenes Harzol
                                 0,073
                                 0,185
                                 0,670
                                 1,190
                                 2,711
                                 
                              
                           Im Gegensatze zu den Versuchen mit Erdöl und mit Terpentinöl blieb bei den Versuchen
                              									mit Harzöl das Metall auch nach langer Einwirkung stets vollkommen blank, woraus
                              									vorläufig zu schlieſsen ist, daſs die Oxydation des Harzöles zu Säuren, welche das
                              									gebildete Metalloxyd lösen, mindestens ebenso rasch vorwärts schreitet als diejenige
                              									des Metalles selbst, während bei ersteren Versuchen die gebildete Säure nicht
                              									ausreicht, um das gleichzeitig entstehende Metalloxyd aufzulösen. In Erdöl und in
                              									Terpentinöl überziehen sich deshalb auch die eingelegten Metalle immer mit einer
                              									Oxydschicht.
                           Um den Einfluſs noch höherer Temperaturen und eines
                                 										Ueberschusses an Luft auf Lösung und Oxydation der Metalle durch flüssige
                              									Kohlenwasserstoffe kennen zu lernen, wurden beide unter Durchleitung von Luft
                              									längere Zeit mit einander erhitzt. Erdöl oder einzelne
                              									seiner Fractionen, sowie Paraffin wurden (je 300g) mit der Hälfte
                              									ihres Gewichtes an Metall (150g, nur bei dem
                              									Versuche mit Magnesium wurde bloſs der vierte Theil an Metall angewendet) auf 130
                              									bis 150° erwärmt, Luft durch dieselben hindurchgeleitet und dann in dem Oele das
                              									gelöste Metall bestimmt. Da dabei neben gelöstem Metalle jeweils auch noch
                              									beträchtliche Mengen von freien Oxyden zu bemerken waren, bestimmten wir auch die
                              									letzteren nach Möglichkeit. Dies gelang leicht mit dem Bleioxyde, welches sich
                              									mittels Essigsäure von dem ungelösten Blei trennen lieſs, nur theilweise, d.h.
                              									insoweit dasselbe in dem Erdöle vertheilt war, mit dem Magnesiumoxyde und gar nicht
                              									mit Kupfer und Zinn. In folgender Tabelle sind die Procent Metall, welche nach 8
                              									bezieh. 14tägiger Einwirkung in den Oelen gelöst und in Oxyd umgewandelt waren,
                              									zusammengestellt:
                           
                              
                                 Tage:
                                 AmerikanBrennerdol
                                 Fraction 150/230°
                                 230/300°
                                 über 300°
                                 Paraffin
                                 
                              
                                 8
                                 14
                                 8
                                 14
                                 8
                                 14
                                 8
                                 14
                                 8
                                 14
                                 
                              
                                 Blei, in Lösung
                                 0,130
                                 0,286
                                 nichts
                                 Spur
                                 Spur
                                 0,002
                                 0,144
                                 0,324
                                 0,176
                                 0,415
                                 
                              
                                    „   als Oxyd
                                 3,351
                                 6,818
                                 2,630
                                 5,463
                                 3,102
                                 6,327
                                 3,479
                                 6,493
                                 3,570
                                 7,107
                                 
                              
                                 Magnesium, in Losg.
                                 Spur
                                 Spur
                                 Nicht bestimmt
                                 0,012
                                 0,027
                                 0,016
                                 0,042
                                 
                              
                                           „        als Oxyd
                                 0,035
                                 0,588
                                 „
                                 0,324
                                 1,631
                                 0,127
                                 2,116
                                 
                              
                                 Kupfer, in Losung
                                 0,040
                                 0,087
                                 „
                                 0,052
                                 0,113
                                 0,061
                                 0,134
                                 
                              
                                 Zinn, in Losung
                                 0,073
                                 0,152
                                 „
                                 0,093
                                 0,177
                                 0,107
                                 0,221
                                 
                              
                           Diese Zahlen lassen insbesondere die leichtere Löslichkeit und Oxydirbarkeit des
                              									Bleies, sowie auch die Zunahme der Löslichkeit und Oxydirbarkeit mit steigendem
                              									Siedepunkte der Fractionen erkennen, wodurch das weiter oben mitgetheilte Versuchsergebniſs
                              									seine Bestätigung findet.
                           In ähnlicher Weise lieſsen wir auch Terpentinöl und Harzöl (je 50g),
                              									beide in frischem und der Luft ausgesetztem Zustande, auf Blei (20g) einwirken und bestimmten nach 8 und 14tägiger
                              									Einwirkung das gelöste Metall; 100 Th. Oel enthielten Th. Blei:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Nach 8 Tag
                                 Nach 14 Tag
                                 
                              
                                 Terpentinol,
                                 frisch
                                 0,938
                                 2,045
                                 
                              
                                 „
                                 alt
                                 1,738
                                 4,083
                                 
                              
                                 Harzol, frisch
                                 1,050
                                 2,065
                                 
                              
                                      „      alt
                                 2,208
                                 4,740
                                 
                              
                           Bei sämmtlichen Versuchen waren auch immer erhebliche Mengen von freiem Bleioxyd
                              									entstanden; doch haben wir letzteres hierbei nicht bestimmt.
                           Inwieweit die Temperatur und die relativen Mengenverhältnisse von Kohlenwasserstofföl
                              									und Metall die Löslichkeit des letzteren beeinflussen, zeigen die folgenden
                              									Versuchsergebnisse, welche wir bei 14tägigem Erhitzen von 300g des über 300° siedenden Theiles des Erdöles mit
                              									verschiedenen Mengen Blei bei gleichmäſsigem Durchleiten von Luft und unter
                              									entsprechender Abänderung der übrigen Versuchsbedingungen erhalten haben. Es
                              									enthielten Procent gelöstes Blei:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Mit 50g Blei
                                 Mit 150g Blei
                                 Mit 300g Blei
                                 
                              
                                 Bei
                                 100°
                                 0,046
                                 0,277
                                 0,349
                                 
                              
                                 „
                                 150
                                 0,147
                                 0,356
                                 0,400
                                 
                              
                                 „
                                 200
                                 0,214
                                 0,432
                                 0,732
                                 
                              
                                 „
                                 300
                                 0,073
                                 0,133
                                 0,185
                                 
                              
                           Hiernach löst sich um so mehr Metall in dem Oele auf, je mehr von demselben im
                              									Verhältnisse zum Oele angewendet wird. Dagegen steigt diese Löslichkeit nicht
                              									fortwährend mit steigender Temperatur; sie erreicht vielmehr bei etwa 200° einen
                              									Höchstwerth und geht jedenfalls zwischen 200 und 300° schnell zurück. Wir können für
                              									diese auffallende Erscheinung vorerst keine andere Erklärung finden, als daſs die
                              									Oxydation und Lösung des Metalles mit der Bildung von Ozon durch die Oeldämpfe
                              									derart in Zusammenhang steht, daſs die Oxydation der Metalle im vorliegenden Falle
                              									durch das aus Luftsauerstoff zwischengebildete Ozon bewirkt wird und, da nach AndrewsPoggendorf's Annalen, 1856 Bd. 98 S.
                                    										452. das Ozon bei 237°, nach Andrews und
                              										TaitDaselbst 1861 Bd. 112 S. 249. bei 270°, also jedenfalls zwischen
                              									200 und 300° unter Rückbildung gewöhnlichen Sauerstoffes sich zersetzt, so sind die
                              									obigen auffallenden Versuchsergebnisse durch diese Annahme genügend erklärt. Eine
                              									weitere Stütze findet die letztere in den unten beschriebenen Versuchen mit
                              									flüssigen Kohlenwasserstoffen bei beschränktem Luftzutritte.
                           Um den Grad der Sauerstoffübertragung unter verschiedenen Versuchsbedingungen noch
                              									genauer festzustellen, wurden die Kohlenwasserstofföle über eine Lösung von
                              									arsenigsaurem Natron geschichtet, welche im Liter 82g,5 Arsenigsäure enthielt, und nach Verlauf von bestimmten Zeiten durch
                              									Titration mit Jodlösung ermittelt, wieviel von der arsenigen Säure zu Arsensäure
                              									oxydirt war. Wir entnahmen für diese Proben je 1cc
                              									der Arsenitlösung, verdünnten auf 250cc und
                              									verwendeten von dieser verdünnten Lösung wieder 10cc für die Jodtitration. Die Jodlösung war so gestellt, daſs für die 10cc verdünnter Arsenitlösung in frisch bereitetem
                              									Zustande 20cc verbraucht wurden, bis Bläuung des
                              									zugesetzten Stärkekleisters eintrat. Jedem Cubikcentimeter Jodlösung, welches bei
                              									Titration der mit Oelen behandelten Arsenitlösung (10cc auf 250cc verdünnt und davon 10cc) weniger als 20 verbraucht wurde, entsprachen
                              									dann 0g,06675 Sauerstoff, welche durch das
                              									Kohlenwasserstofföl an 100cc der
                              									Arsenigsäurelösung übertragen worden waren.
                           Durch die folgenden Versuche sollte zunächst festgestellt werden, inwieweit die absolute Menge und die Dicke der über der
                                 										Arsenitlösung befindlichen Oelschicht auf die Schnelligkeit der
                                 										Sauerstoffübertragung von Einfluſs sind? Je 100cc Lösung von arsenigsaurem Natron wurden mit 150, 100 und mit 50cc
                              									altem Terpentinöl überschichtet und 5 Tage lang bei
                              									durchschnittlich 18° stehen gelassen. Drei Versuche (I) dieser Art wurden in ganz
                              									flachen (Krystallisirschalen), drei andere (II) in engeren (Bechergläser) unter sich
                              									immer gleich groſsen Glasgefäſsen durchgeführt und ergaben:
                           
                              
                                 Angewen-detesTerpentinöl
                                 Jod-lösung
                                 IUebertragener Sauerstoff
                                 Jod-lösung
                                 IIUebertragener Sauerstoff
                                 
                              
                                 für 100cc
                                    											Arsenit-lösung
                                 für 1ccOel
                                 für 100cc
                                    											Arsenit-lösung
                                 für 1ccOel
                                 
                              
                                 cc
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                                 150
                                 6,5
                                 0,44055
                                 307
                                 2
                                   6,05
                                 0,4005
                                 279,5
                                 1,9
                                 
                              
                                 100
                                 6,3
                                 0,42052
                                 295
                                      2,95
                                 5,6
                                 0,3738
                                 260,8
                                 2,6
                                 
                              
                                   50
                                 6,1
                                 0,39925
                                 279
                                      5,58
                                 4,6
                                   0,30705
                                 214,2
                                 4,3
                                 
                              
                           Aus diesen Versuchen folgt, daſs die Sauerstoffübertragung um so stärker ist, je mehr
                              									Oel man auf die gleiche Menge der Arsenitlösung zur Anwendung bringt, daſs aber
                              									gleiche Mengen Oel um so stärker oxydiren, in je dünnerer Schicht sie ausgebreitet
                              									werden. Bezogen auf die gleiche Oelmenge ist deshalb auch die oxydirende Wirkung in
                              									dünnerer Schicht stärker als in dicker, was sich z.B. ganz deutlich in der ersten
                              									Versuchsreihe zeigt, wo bei Ueberschichtung mit 50cc Terpentinöl durch 1cc des Oeles fast
                              									das Dreifache (5cc,58) an Sauerstoff übertragen
                              									wurde als unter Anwendung von 150cc (2cc), also bei etwa 3facher Schichtdicke des
                              									Terpentinöles.
                           Daſs bei niederer Temperatur die Säuerstoffübertragung eine
                                 										erheblich geringere ist, zeigen die folgenden Versuche, welche bei strenger
                              									Winterkälte in einem meist unter 0° gehaltenen Raume und 8tägiger Versuchsdauer
                              									ausgeführt worden sind:
                           
                           
                              
                                 AngewendetesTerpentinöl
                                 Jodlösung
                                 
                                    Uebertragener Sauerstoff
                                    
                                 
                              
                                 für 100cc
                                    											Arsenitlösung
                                 für 1cc Oel
                                 
                              
                                 cc
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                                 250
                                 1,7
                                 0,11347
                                 79,2
                                 0,32
                                 
                              
                                 200
                                   1,15
                                 0,07676
                                 53,6
                                 0,27
                                 
                              
                                 150
                                 0,9
                                 0,06007
                                 41,9
                                 0,27
                                 
                              
                                 100
                                   0,65
                                 0,04339
                                 30,3
                                 0,30
                                 
                              
                                   50
                                 0,6
                                 0,04005
                                 27,9
                                 0,56
                                 
                              
                           Endlich wurde auch noch festgestellt, welchen Einfluſs die
                                 										Concentration der Arsenitlösung auf die Menge des übertragenen Sauerstoffes
                              									ausübt. Zu diesem Behufe wurden je 100cc
                              									Arsenitlösung mit verschiedenem Gehalte an Arsenigsäure mit je 100cc Terpentinöl überschichtet und nach 14tägigem
                              									Stehen der aufgenommene Sauerstoff ermittelt. Hierbei ergab sich:
                           
                              
                                 Gehalt der Lösungan As2O3
                                 
                                    Uebertragener Sauerstoff
                                    
                                 
                              
                                 für 100cc
                                    											Arsenitlösung
                                 für 1cc Oel
                                 
                              
                                 g
                                 g
                                 cc
                                 cc
                                 
                              
                                 8,25
                                 0,09345
                                 65,2
                                 0,65
                                 
                              
                                   4,125
                                 0,08010
                                 55,9
                                 0,56
                                 
                              
                                 2,75
                                 0,06007
                                 41,9
                                 0,42
                                 
                              
                                    2,0625
                                 0,04005
                                 27,9
                                 0,28
                                 
                              
                           Je concentrirter also die zu oxydirende Lösung, desto stärker ist die Sauerstoff
                              									übertragende Wirkung des Terpentinöles. Dieses Ergebniſs ist insofern wichtig, als
                              									es zeigt, daſs die Sauerstoffaufnahme der Kohlenwasserstofföle nicht bloſs eine
                              									specifische Verwandtschaftserscheinung derselben ist, daſs vielmehr jene Aufnahme in
                              									hohem Grade abhängt von Beschaffenheit und Menge der Substanz, mit welcher das Oel
                              									in Berührung ist, bezieh. von der Schnelligkeit, mit welcher der einmal aufgenommene
                              									Sauerstoff von dem Oele wieder abgegeben wird. Demgemäſs können wir die
                              									Kohlenwasserstofföle als Apparate betrachten, welche zwar je nach Natur des
                              									Kohlenwasserstoffes an sich verschieden schnell arbeiten, d.h. den Sauerstoff
                              									verschieden rasch aufnehmen und in „thätigen“ Zustand versetzen, welche aber
                              									alle um so rascher die Uebertragungsarbeit leisten, je schneller der gelöste und
                              										„thätige“ Sauerstoff aus dem Oele wieder verschwindet.
                           Durch den folgenden einfachen Versuch läſst sich dies zur Gewiſsheit klar machen. Wir
                              									setzten gleiche Mengen (100cc) über Natrium
                              									destillirten Terpentinöles in gleichen Gefäſsen während 14 Tagen der Luft aus. In
                              									dem einen Gefäſse befanden sich unter dem Terpentinöle 50cc Arsenitlösung, im anderen nichts als das Oel.
                              									Nach der abgelaufenen Zeit wurde festgestellt, daſs das Terpentinöl im ersten
                              									Gefäſse 23cc,1 Sauerstoff übertragen hatte.
                              									Gleichzeitig wurden jetzt mit dem Terpentinöle des zweiten Gefäſses 50cc Arsenitlösung kräftig durchgeschüttelt. Hatte
                              									dieses letztere Terpentinöl während 14 Tagen ebenso viel Sauerstoff aufgenommen als
                              									das erste, so hätte in der damit durchgeschüttelten Arsenitlösung ebenfalls ungefähr
                              										23cc Sauerstoff gefunden werden müssen; es
                              									fanden sich aber nur 9cc,8.
                           
                           Frisch destillirtes Terpentinöl überträgt auch auf die
                              									Arsenitlösung den Sauerstoff viel langsamer als an der
                              									Luft gestandenes. Unter Anwendung verschieden weiter Glasgefäſse erhielten wir mit
                              										100cc Arsenitlösung, welche mit je 100cc frischem Terpentinöle überschichtet waren:
                           
                              
                                 Dicke der Oel-schicht
                                 cc übertragener Sauerstoff für 1cc Oel
                                 
                              
                                 nach 7 Tag
                                 nach 21 Tag
                                 
                              
                                   16mm
                                 Spur
                                 0,01
                                 
                              
                                 7
                                 0,10
                                 0,51
                                 
                              
                                 3
                                 0,18
                                 0,60
                                 
                              
                           Versuche mit frischem und mit altem Harzöle ergaben unter Anwendung von 100cc Arsenitlösung und bei 8tägiger Versuchsdauer:
                           
                              
                                 
                                 AngewendetesHarzöl
                                 
                                    Uebertragener Sauerstoff
                                    
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 für 1cc Oel
                                 
                              
                                 
                                 cc
                                 g
                                 cc
                                 cc
                                 
                              
                                 Frisches
                                 200  50
                                 0,3160,174
                                   220  121
                                   1,10  2,42
                                 
                              
                                 Altes
                                 200  50
                                 1,892  0,4215
                                 1320  294
                                 6,65,9
                                 
                              
                           Altes Harzöl besitzt hiernach die Eigenschaft der Sauerstoffübertragung von den
                              									untersuchten Oelen in höchstem Maſse, eine Wahrnehmung, welche mit der schon oben
                              									mitgetheilten der Löslichkeit des Bleies vollkommen übereinstimmt. Der scheinbare
                              									Widerspruch gegenüber früheren Versuchen, daſs altes Harzöl in dickerer Schicht
                              									verhältniſsmäſsig stärker überträgt als in dünnerer, beruht jedenfalls darauf, daſs
                              									dieses Oel schon in hohem Grade mit Sauerstoff gesättigt ist und diesen letzteren
                              									zunächst ohne eigentliche Uebertragungsarbeit an die zu oxydirende Substanz
                              									abgibt.
                           Dagegen war die Uebertragung durch Erdöl so unbedeutend,
                              									daſs nach bisher befolgter Methode der Ausschlag in den Endzahlen zu gering war und
                              									mit 200cc Arsenitlösung gearbeitet werden muſste.
                              									Schichteten wir auf letztere in flacher Schale 200cc Handelserdöl, so betrug die Gesammtsauerstoffübertragung während eines
                              									ganzen Monates nur 0g,18 = 125cc (im Tag also wenig über 4cc) oder für 1cc
                              									Erdöl 0cc,625 Sauerstoff.
                           
                              (Schluſs folgt.)