| Titel: | Ueber das Abdampfen von Flüssigkeiten durch mechanische Arbeit, System Piccard. | 
| Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 380 | 
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                        Ueber das Abdampfen von Flüssigkeiten durch
                           								mechanische Arbeit, System Piccard.
                        Piccard's Abdampfung von Flüssigkeiten durch mechanische
                           								Arbeit.
                        
                     
                        
                           Ueber das Piccard'sche Verfahren des Abdampfens von
                              									Flüssigkeiten, besonders von Salzlösungen mit Hilfe mechanischer Arbeit, welches
                              									Verfahren sich bereits in den Salzbergwerken von Bex im Canton Waadt, Ebensee im
                              									Salzkammergut, Schönebeck bei Magdeburg, Maix (Departement Meurthe et Moselle) sowie
                              									in Salies-de-Salat (Departement Haute Garonne) als brauchbar bewährt hat (vgl. 1879
                              										231 * 65. * 211), bringt die Revue industrielle, 1886 S. 324 einige beachtenswerte Mittheilungen.Vgl. auch Pearce's Wasserdestillirapparat 1886
                                    												259 * 314.
                           Der Versuch, mechanische Arbeit als Mittel zur Wärmeerzeugung in
                              									gröſserem Maſsstabe zu verwerthen, ist nicht neu. H.
                                 										Tresca erwähnt 1883 in einer Abhandlung: „Von der
                                 										Arbeitsübertragung“ eines bereits 1855 von Beaumont und Mayer benutzten Apparates (vgl.
                              									1855 137 73), welcher bestimmt war, Arbeit in Wärme
                              									umzusetzen. Derselbe bestand aus einem kapfernen, mit Wasser gefüllten Gefäſse, in
                              									welchem ein gegen die Wände mit Hanfpackung stark reibender Kolben sich drehte, so
                              									daſs die bei der Drehung des Kolbens durch die Reibungsarbeit erzeugte Wärme sich
                              									zunächst auf die Gefäſswände und von diesen auf das Wasser übertrug. Die damit
                              									angestellten Versuche ergaben jedoch, daſs bei einem Arbeitsaufwande von 15 Pferd
                              									nicht mehr Wärme entstand, als etwa durch die Verbrennung des zum Schmieren des
                              									Apparates nöthig gewesenen Oeles gewonnen worden wäre. Daſs es unmöglich ist, auf
                              									diesem Wege jemals in vortheilhafter Weise mechanische Arbeit in Wärme umzusetzen,
                              									läſst sich auch rechnerisch leicht nachweisen. Die Arbeit 1mk ist gleichwertig einer Wärmemenge von 75/424 Calorie.
                              									Wird nun eine Pferdestärke = 75mk durch Reibung
                              									aufgezehrt, also völlig in Wärme umgesetzt, so müssen dafür 1/424 Calorien in
                              									der Secunde erscheinen, oder in der Stunde = 636 Calorien. Diese Wärme entspricht
                              									gerade derjenigen, welche nöthig ist, um 1k Wasser
                              									in Dampf von 100° zu verwandeln. Da es nun gestattet ist, für ein Pferd, unter
                              									Voraussetzung einer guten Dampfmaschine, einen stündlichen Verbrauch von 1k Kohle anzunehmen, so folgt aus Obigem, daſs in
                              									allen Fällen, wo die durch Verbrennen von Kohle gewonnene Wärme in Reibungsarbeit
                              									und diese wieder in Wärme umgesetzt wird, mit 1k
                              									Kohlen höchstens 1k Dampf erzielt werden kann,
                              									während man doch bei unmittelbarer Ausnutzung des Brennstoffes in einer gewöhnlichen
                              									guten Kesselanlage leicht eine 9fache Verdampfung erreicht.
                           Wenn es gelingen sollte, das Abdampfen von Wasser mittels mechanischer Arbeit
                              									erfolgreich in die Industrie einzuführen, so müſste jedenfalls ein anderer Weg zur
                              									Ueberführung der Arbeit in Wärme eingeschlagen werden; sodann ist zu
                              									berücksichtigen, daſs der entwickelte Dampf den gröſsten Theil von der dem Wasser
                              									zugeführten Wärme enthält, welche verloren ist, wenn der Dampf in die Atmosphäre
                              									entweicht, und zu versuchen, ob diese Wärme nicht wieder gewonnen werden kann.
                              									Beides ist nun im Piccard'schen Verfahren gelungen. Piccard läſst die einzudampfende Salzlösung in einem
                              									geschlossenen Kessel unter atmosphärischem Druck kochen, saugt mittels einer Pumpe
                              									den Dampf an und verdichtet denselben auf 2at. Der
                              									etwa 120° heiſse Dampf wird nun durch eine Spirale gedrückt, welche in der 100°
                              									heiſsen Salzlösung liegt; der Dampf condensirt dabei in Folge des
                              									Temperaturunterschiedes und, indem derselbe seine latente Wärme an die Flüssigkeit
                              									abgibt, wird aus dieser wieder die gleiche Menge Dampf erzeugt. Die Wärme des aus
                              									der Spirale mit 100° abflieſsenden Condensationswassers wird ebenfalls zum groſsen
                              									Theile wiedergewonnen, indem sie zum Vorwärmen der kalten Soole benutzt wird. Es ist
                              									hierbei von Wichtigkeit, nicht trockenen, sondern nassen Dampf anzusaugen, damit
                              									während der Compression ein Verdampfen des mitgerissenen Wassers stattfindet und
                              									eine Ueberhitzung vermieden wird.
                           Bei gut construirten Compressoren kann man rechnen, daſs mit jeder aufgewendeten
                              									Pferdestärke stündlich 8k,5 Dampf von 1at auf 3at
                              									Spannung gepreſst werden; nimmt man auch hier wieder an, daſs die Maschine auf ein
                              									Pferd 1k Kohle verbraucht, so ergibt sich, daſs
                              									bei diesem Verfahren mit Aufwand von 1k Kohlen
                              										8k,5 Dampf gewonnen werden können, also nahezu
                              									ebenso viel als durch Verdampfen in einem Kessel bei Steinkohlenfeuerung. Die in Bex
                              									und Ebensee gemachten Erfahrungen haben in der That ergeben, daſs die Leistungen der Piccard'schen Apparate 94 bis 98 Procent derjenigen von
                              									gewöhnlichen guten Dampfkesseln erreichten. Natürlich wird man das Piccard'sche Verfahren nicht dort anwenden, wo man die
                              									mechanische Arbeit erst durch Verbrennen von Kohle gewinnen muſs, da man in diesem
                              									Falle weit bessere Ergebnisse durch stufenweise Abdampfung in Vacuumapparaten
                              									erhält, wobei es gelingt, mit 1k Kohlen 30 bis
                              										40k Wasser zu verdampfen, sondern wird sich
                              									desselben mit groſsem Vortheile nur da bedienen, wo eine unentgeltliche Naturkraft,
                              									beispielsweise eine un-ausgenutzte Wasserkraft, zur Verfügung steht, wie in
                              									Salies-de-Salat, wo durch Abstechen des gewundenen Fluſslaufes des Salat auf eine
                              									Länge von 4km eine Wasserkraft von 800 Pferd
                              									geschaffen worden ist, mit welcher jährlich 20000t
                              									Salz durch Eindampfen auf die beschriebene Weise gewonnen werden.