| Titel: | Ueber die Fabrikation der Holzessigsäure; von W. Rudnew. | 
| Autor: | W. Rudnew | 
| Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 88 | 
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                        Ueber die Fabrikation der Holzessigsäure; von W. Rudnew.
                        Rudnew, über die Fabrikation der Holzessigsäure.
                        
                     
                        
                           Obgleich die Darstellung der Holzessigsäure zu den altbekannten Industrien gehört,
                              									sind die technischen Methoden ihrer Darstellung bisher keiner näheren Untersuchung
                              									unterworfen worden. Ich habe einige Laboratoriumsversuche mitzutheilen, welche diese
                              									Fabrikation berühren und auf meine Veranlassung ausgeführt sind.
                           Die eine Untersuchung hatte zum Zwecke, die Ausbeute der Essigsäure aus verschiedenen
                              									Holzarten zu ermitteln. Die praktischen Angaben über die Ausbeute der Essigsäure,
                              									welche man bei der trockenen Destillation verschiedener Holzarten erhält, sind nicht
                              									ganz genau, weil bei der Arbeit im Groſsen die Ausbeute von vielen Bedingungen
                              									abhängt: von der Methode der Destillation, von den Apparaten u.s.w. Von den Arbeiten
                              									über diesen Gegenstand werden für die bemerkenswerthesten die vor 50 Jahren
                              									ausgeführten Versuche von Stoltze und von PetersenVgl. Muspratt's Chemie 3. Auflage Bd. 2 S. 995.gehalten. In letzterer
                              									Zeit hat Senff (1885 256
                              									556) eine ausführliche Mittheilung über dieselbe Frage veröffentlicht. Bei allen
                              									diesen Versuchen bestrebte man sich unter solchen Bedingungen zu arbeiten, welche
                              									dem Groſsbetriebe durchaus entsprechend sind. Die auf diese Weise gewonnenen
                              									Ergebnisse sind von wichtiger praktischer Bedeutung; indessen ist es unter diesen
                              									Umständen sehr schwer, zu vollständig gleichbleibenden Schlüssen zu gelangen und
                              									eine genaue Vorstellung über den Einfluſs der Beschaffenheit des Holzes
                              									(Baumspecies) auf die Ausbeute der Essigsäure zu bekommen. So wurde z.B. bei allen
                              									oben genannten Versuchen lufttrockenes Holz (von verschiedenem Wassergehalte)
                              									benutzt; auſserdem war auch die Ausführung einiger Versuche (z.B. derjenigen von Stoltze) nicht genau. In wissenschaftlicher wie in
                              									praktischer Beziehung wäre es wünschenswerth, die Ausbeute der Essigsäure aus
                              									vollständig trockenem Holze zu bestimmen und dabei die trockene Destillation bei
                              									möglichst gleichmäſsiger Erwärmung auszuführen. Solche Versuche hat A. Jakowlew gemacht; obgleich er nur eine kleine Zahl
                              									von Holzarten verwendete, erlaube ich mir die Ergebnisse seiner Arbeit nachfolgend
                              									mitzutheilen, da dieselben, nach meiner Meinung, nicht ohne Interesse sind.
                           Der Gegenstand der anderen Arbeit (von S. Wienzkowsky)
                              									ist die Aufsuchung einer zur Holzessigsäure-Darstellung brauchbaren technischen
                              									Methode. Die reine Essigsäure wird aus dem rohen Holzessig, wie bekannt, auf die
                              									Weise dargestellt, daſs man durch die Sättigung mit Soda Natriumsalz erhält und
                              									dieses der Reinigung und der weiteren Verarbeitung unterwirft. Nach dem anderen
                              									Verfahren sättigt man den Holzessig mit Kalkhydrat und verarbeitet den gewonnenen
                              									unreinen essigsauren Kalk auf Essigsäure. Die so dargestellte Essigsäure ist sehr
                              										unrein und kann nur
                              									zu einigen technischen Zwecken verwendet werden. Aber in einigen Ländern (z.B. in
                              									Ruſsland), wo die Fabrikation der Holzessigsäure überhaupt unter sehr günstigen
                              									Bedingungen betrieben werden kann und das Holz sehr niedrig im Preise steht, ist die
                              									letztere Methode der Holzessigsäure-Gewinnung, als die billigste und einfachste, die
                              									einzig angewendete. In Folge dessen wäre es wünschenswerth, dieses Verfahren so
                              									auszubilden, daſs mittels desselben nicht nur rohe, sondern auch reine Essigsäure
                              									dargestellt werden könnte.
                           Bei näherer Betrachtung der Essigsäure-Gewinnung mittels Calciumsalz sieht man, daſs
                              									die ganze Art der Darstellung in technischer Beziehung sehr unvollkommen ist. Die
                              									Ausbeuten an Essigsäure sind sehr klein (man gewinnt z.B. in russischen Fabriken aus
                              									100 Th. rohem Holzessig mit 6,5 Proc. Gehalt an Essigsäure nur 3,2 Th. der
                              									letzteren). Ferner ist roher essigsaurer Kalk sehr unrein, er enthält höchstens 65
                              									Proc. Ca(C2H3O2)2; daher
                              									verbraucht man in den Fabriken bei der Zersetzung des rohen essigsauren Kalkes mit
                              									Schwefelsäure einen bedeutenden Ueberschuſs derselben unnützer Weise und gewinnt
                              									sehr unreine Essigsäure, welche ohne weitere Reinigung sogar für viele technische
                              									Zwecke unverwendbar ist.
                           Ich will im Nachfolgenden alle Arbeiten, welche zur Darstellung der Essigsäure
                              									mittels Calciumsalz dienen, einer näheren Betrachtung unterwerfen.
                           Roher Holzessig ist, wie bekannt, eine wässerige Lösung von vielen Substanzen:
                              									flüchtigen Fettsäuren, Phenolen, Alkoholen, Ketonen u.s.w. und nichtflüchtigen
                              									Körpern, wie Harze, Farbstoffe u.s.w. Ich muſs bemerken, daſs man im Holzessig die
                              									Anwesenheit dreier verschiedener Arten von Harzen annehmen kann. Die einen verbinden
                              									sich nicht mit Kalk und sind in wässeriger Essigsäure löslich; die anderen Harze
                              									bilden mit Kalk in Wasser unlösliche Verbindungen und die dritten geben mit Kalk
                              									Verbindungen, welche in Wasser löslich sind. Das Vorkommen dieser 3 Arten von Harzen
                              									im Holzessig läſst sich folgendermaſsen erkennen. Neutralisirt man rohen Holzessig
                              									mit Kalkhydrat, so scheidet sich eine groſse Menge Harz, welche nur durch freie
                              									Säuren in Lösung gehalten wurde, aus. Filtrirt man dann die Flüssigkeit und setzt
                              									nochmals Kalkhydrat zu, so scheidet sich eine neue Menge von Harzen in Verbindung
                              									mit Kalk ab. Wenn nun die Flüssigkeit nach der Uebersättigung mit Kalkhydrat, dem
                              									Abfiltriren vom gebildeten Niederschlage und der Entfernung des Ueberschusses von
                              									Kalk mit Kohlensäure, eingedampft und dann mit Schwefelsäure angesäuert wird, so
                              									erhält man nach dem Abdestilliren der Essigsäure als Rückstand wieder eine gewisse
                              									Menge von Harz. Es ist also klar, daſs der mit Kalk übersättigte Holzessig die
                              									löslichen Kalkverbindungen der Harze enthält.
                           Was die Sättigung des Holzessigs mit Kalkhydrat anlangt, so wird in Fabriken auf
                              									verschiedene Weise verfahren: entweder sättigt man bis zur neutralen Reaction (man
                              									läſst sogar eine ganz kleine Menge der Säure ungesättigt), oder setzt das Kalkhydrat
                              									im Ueberschusse zu. In beiden Fällen bekommt man eine Lösung von essigsaurem Kalk,
                              									welche Harze theils in freiem Zustande, theils als Kalkverbindungen enthält. Es wird
                              									deshalb von einigen Technikern empfohlen, nach dem Neutralisiren von Neuem eine
                              									kleine Menge Mineralsäure zuzusetzen, um noch etwas Harz auszuscheiden. Nach dem
                              									Gesagten ist es indessen einleuchtend, daſs dadurch die vollständige Trennung von
                              									den Harzen nicht erreicht werden kann; auſserdem ist, da die Menge der beizufügenden
                              									Mineralsäure nicht genau bestimmbar, sehr leicht ein Verlust von Essigsäure
                              									möglich.
                           Der rohe essigsaure Kalk wird gewöhnlich der Trocknung bei allmählich steigender
                              									Temperatur von 40° bis 180° (oder noch höher) unterworfen; seltener trocknet man das
                              									Salz nur bei 40°. Die Erwärmung des Salzes bei hoher Temperatur (das Rösten des
                              									Salzes) wird in den Fabriken in der Meinung vorgenommen, man könne die Harze und
                              									theilweise auch Salze der höheren Fettsäuren dadurch zerstören. Nach dem Trocknen
                              									bei hoher Temperatur bekommt man ein Product, welches, wie erwähnt, nicht mehr als
                              									65 Proc., meistens nur 50 Proc. Ca(C2H3O2)2 enthält. Durch die Erwärmung des rohen essigsauren
                              									Kalkes bis 180° (oder noch höher) gelingt es indessen nicht, die Zersetzung der
                              									Harze und Salze der höheren Fettsäuren in irgend nennenswerthem Maſse zu
                              									bewerkstelligen; vielmehr zersetzt sich bei dieser Temperatur nur eine groſse Menge
                              									von essigsaurem Kalk. Es wird also das Ziel durch diese oft empfohlene und
                              									gebräuchlichste Methode der Reinigung des rohen essigsauren Kalkes nicht
                              									erreicht.
                           Der bei hoher Temperatur getrocknete essigsaure Kalk wird mit Schwefelsäure (in
                              									Ruſsland) oder mit Salzsäure zersetzt und die Essigsäure abdestillirt. Die so
                              									gewonnene Essigsäure ist sehr unrein; sie enthält viel Harze und flüchtige
                              									Beimischungen. Es fehlt nicht an Vorschlägen für die Reinigung solcher rohen
                              									Essigsäure; so z.B. empfiehlt man wiederholte Destillation, Filtration durch
                              									entfärbende Stoffe u.s.w. Alle diese Vorschläge haben den Zweck, die farblose Säure
                              									zu erhalten und theilweise die Harze zu entfernen. Die in roher Essigsäure
                              									enthaltenen Farbstoffe und Harze sind indessen nicht flüchtig oder wenigstens
                              									verflüchtigen sich die letzteren sehr schwer; vielmehr ist anzunehmen, daſs in roher
                              									Essigsäure (welche schon einmal destillirt ist) die Farbstoffe und Harze sich aus
                              									den flüchtigen Substanzen, wie Phenole, Aldehyde u.s.w., gebildet haben. Man wird
                              									also durch bloſse Entfernung der Farbstoffe und Harze eine genügende Reinigung der
                              									Essigsäure nicht erzielen, vielmehr werden die in der
                              									Essigsäure zurückbleibenden flüchtigen Beimischungen unter dem Einflüsse von Luft
                              									und Licht immer wieder Harze und Farbstoffe bilden. Ein anderes Verfahren, um die
                              									rohe Säure zu reinigen, besteht in der Destillation der Säure mit oxydirenden Substanzen, wie
                              									Kaliumbichromat oder Braunstein. Man erhält auf diese Weise eine Essigsäure, welche
                              									lange Zeit farblos bleibt; aber auch die so gereinigte Säure enthält noch eine
                              									bedeutende Menge von flüchtigen Verunreinigungen. Hieraus geht sonach hervor, daſs
                              									man nach den besprochenen Methoden zur Darstellung von Essigsäure aus dem Holzessig
                              									mittels Kalksalz keine reine Essigsäure erhält.
                           Ich habe schon hervorgehoben, daſs es für viele Gegenden sehr wichtig wäre, den
                              									Holzessig auf reine Essigsäure durch Verwandeln in Calciumsalz verarbeiten zu
                              									können. Der richtigste Weg zur Lösung dieser Aufgabe wird eingeschlagen, wenn man
                              									versucht, reinen essigsauren Kalk aus rohem Holzessig
                              									herzustellen, und die Reinigung roher Essigsäure völlig
                              									bei Seite läſst. S. Wienzkowsky machte einige
                              									Laboratoriumversuche zu dem Zwecke, die Bedingungen zu bestimmen, bei welchen aus
                              									dem rohen Holzessig am leichtesten das reine essigsaure Calcium gewonnen werden
                              									kann. Obwohl ich keine Gelegenheit hatte, das von uns vorgeschlagene Verfahren der
                              									Essigsäure-Darstellung im Groſsen zu prüfen, erlaube ich mir diese Versuche
                              									mitzutheilen, da, nach meiner Meinung, die Ergebnisse derselben die Fehler der jetzt
                              									zur Verarbeitung des Holzessigs angewendeten Methoden klarlegen.
                           
                        
                           I) Ueber die Ausbeute der Essigsäure aus
                                 										verschiedenen Holzarten; von A. Jakowlew.
                              								
                           Zur Untersuchung wurden folgende Holzarten genommen: Eiche, Birke, Aspe, Linde,
                              									Kiefer, Tanne, Birkenrinde und auſserdem die Cellulose, welche aus Kiefern- und
                              									Birkenholz bereitet war. Die Bestimmung der Ausbeute an Essigsäure aus Cellulose
                              									wurde vorgenommen, um den Einfluſs der Zusammensetzung
                              									verschiedener Holzarten auf die Ausbeute zu erklären. Zur Darstellung der Cellulose
                              									wurden die Birken- und Kiefernspäne einige Tage mit einer Mischung von Salpetersäure
                              									und Salzsäure macerirt, der Rückstand mit verdünntem wässerigem Ammoniak ausgekocht,
                              									mit Wasser gewaschen und bei 120° vollständig getrocknet. Obgleich man auf diese
                              									Weise keine vollkommen reine Cellulose gewinnt, so ist das erhaltene Product doch
                              									für den erwähnten Zweck vollständig geeignet.
                           Für jeden Versuch nahm man 20 bis 47g Holz in Form
                              									von Sägespänen, die vorher bei 120° vollständig getrocknet wurden. Die trockene
                              									Destillation führte man in einer mit Kühler verbundenen Glasretorte, welche in einem
                              									Bade von Wood'schem Metalle erwärmt wurde, aus; in der
                              									Retorte und in dem Bade waren Thermometer eingesetzt. Als die Temperatur des Bades
                              									150° erreichte, wurde die Erwärmung so langsam erhöht, daſs die Temperatur nicht
                              									mehr als um 1° in 1 Minute stieg. Nachdem die Temperatur 300° erlangt hatte, setzte
                              									man das Erhitzen ohne Thermometer fort, bis keine flüssigen Producte mehr
                              									übergingen. Nach der Destillation wurde, um die von der Kohle zurückgehaltene Essigsäure zu sammeln,
                              									durch die Retorte Wasserdampf, der sich im Kühler verdichtete, geleitet und die
                              									erhaltene Flüssigkeit mit dem ersten Destillate vereinigt. Das Destillat wurde
                              									filtrirt, um eine kleine Menge Theer von der wässerigen Flüssigkeit zu trennen. In
                              									der abfiltrirten Flüssigkeit wurde die Essigsäure durch Titration mit Aetzbaryt und
                              									Phenolphtaleїn als Indicator bestimmt. Die erhaltenen Zahlen (alle flüchtigen Säuren
                              									als Essigsäure berechnet) sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt:
                           
                              
                                 Auf 100 Th. Holz von
                                 
                                    Essigsäure
                                    
                                 
                              
                                 
                                 I
                                 II
                                 
                              
                                 Linde
                                 10,24
                                 10,17
                                 
                              
                                 Birke
                                  9,52
                                  9,29
                                 
                              
                                 Aspe
                                  8,06
                                  8,37
                                 
                              
                                 Eiche
                                  7,92
                                  8,24
                                 
                              
                                 Kiefer
                                  5,65
                                  6,12
                                 
                              
                                 Tanne
                                  5,24
                                  5,09
                                 
                              
                                 Birkenrinde
                                  2,20
                                  2,38
                                 
                              
                                 Cellulose aus Birke
                                  6,21
                                 –
                                 
                              
                                 Cellalose aus Kiefer
                                  5,07
                                 –
                                 
                              
                           Die Ergebnisse dieser Versuche bestätigen die bekannte Thatsache, daſs man aus
                              									Laubhölzern viel mehr Essigsäure als aus Nadelhölzern erhält. Die gefundenen Zahlen
                              									weichen aber von denen anderer Forscher ab, da die hier beschriebenen Versuche unter
                              									ganz anderen Bedingungen ausgeführt sind. Da die Cellulose überhaupt weniger
                              									Essigsäure als fast alle Holzarten liefert, so sollte man meinen, daſs bei der
                              									trockenen Destillation des Holzes der gröſste Theil der Essigsäure aus dem sogen.
                              										Lignin entsteht; daher müſsten die festen Holzarten
                              									mehr Essigsäure als die weichen geben, weil die ersteren eine gröſsere Menge Lignin
                              									enthalten. Aber aus den angeführten Zahlen ist ersichtlich, daſs eine der weichsten
                              									Holzarten, die Linde, die gröſste Ausbeute an Essigsäure gibt.
                           
                              (Schluſs folgt.)