| Titel: | Ueber orange Azofarbstoffe; von Dr. Otto Mühlhäuser. | 
| Autor: | Otto Mühlhäuser | 
| Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 181 | 
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                        Ueber orange Azofarbstoffe; von Dr. Otto Mühlhäuser.
                        Mühlhäuser, über orange Azofarbstoffe.
                        
                     
                        
                           Bei der Bedeutung, welche die Azofarbstoffe, insbesondere die Naphtolorangefarben,
                              									besitzen, dürfte allen Denjenigen, welche der Azofarbenpraxis fern stehen, ein
                              									Einblick in die Herstellungsweise dieser Körper von Interesse sein. Der Einblick in
                              									diesen – in Bezug auf Fabrikation – einfachsten Zweig der Azofarbenindustrie ist
                              									schon darum bemerkenswerth, weil die Herstellung der niedrigst sulfurirten Derivate
                              									des Naphtolazobenzols und seiner Homologen typisch für alle später entdeckten
                              									Azofarbstoffe geworden ist und unmittelbar die fabrikmäſsige Darstellung isomerer,
                              									homologer und analoger Körper im Gefolge hatte.
                           Eine kurze Darstellung der Geschichte
                              									der Azofarbstoffe bis zu dem Zeitpunkte, wo die Entdeckung der orangen
                              									Naphtolfarbstoffe erfolgte, möge der Beschreibung der Fabrikationsweise
                              									vorausgeschickt sein.
                           Das von Mitscherlich im J. 1834 durch
                              									Destillation von Nitrobenzol mit alkoholischem Kali erhaltene Stickstoffbenzid oder,
                              									wie wir es heute nennen: Azobenzol, war der erste bekannte Körper, für welchen das
                              									Vorhandensein der Gruppe – N = N – charakteristisch war. Der Repräsentant einer anderen neuen
                              									Körperklasse, dem diese Stickstoffgruppe eigen war, wurde im J. 1858 von Peter Grieß entdeckt, welcher bei Verallgemeinerung der
                              										Piria'schen Reaction und ihrer Anwendung auf Anilin
                              									und andere aromatische Amine eine Klasse Stickstoff haltiger Körper entdeckte, die
                              									man als Diazoverbindungen bezeichnet hat. Diese Körperklasse, welche bis vor einem
                              									Jahrzehnt nur theoretisches Interesse beanspruchte, hat eine technische Bedeutung
                              									erlangt, seit Grieß die Fähigkeit der einzelnen Glieder
                              									dieser Klasse, mit aromatischen Aminen und Phenolen in Reaction zu treten, kennen
                              									lehrte.
                           Vertreter dieser Farbstoffnatur besitzenden Reactionsproducte,
                              									welche man später als Azofarbstoffe bezeichnete, waren seit Anfang der 60 er Jahre
                              									nur zwei bekannt, nämlich das von Simpson, Maule und
                              										Nicholson in Handel gebrachte Anilingelb und das
                              									von Robert Dale und Comp. erzengte Manchesterbraun. Die
                              									Untersuchungen, welche Caro im Vereine mit Grieß und Grieß mit Martius (vgl. 1866 180 326)
                              									ausführten, zeigten, daſs das färbende Princip dieser Farbstoffe im einen Falle
                              									Amidoazobenzol, im anderen das braunfärbende Triamidoazobenzol sei. Die Thatsache,
                              									daſs aromatische Amine sich mit Diazoverbindungen vereinigen können, hat Grieß an einigen weiteren Beispielen kennen gelehrt und
                              									dadurch die der Bildung basischer Azofarbstoffe zu Grunde liegende Reaction
                              									verallgemeinert. Die dem Amidoazobenzol entsprechende Oxyverbindung erhielt Grieß durch Einwirkung von Bariumcarbonat auf ein
                              									Diazosalz des Benzols und dann durch Schmelzen von Azobenzolsulfosäure mit Kali. Kekulé und Hidegh stellten
                              									es im J. 1870 nach einem der Bildung der Amidoazokorper analogen Verfahren dar-
                              									letztere zeigten, daſs sich salpetersaures Diazobenzol mit Phenol in Form von
                              									Phenolkalium zu Oxyazobenzol vereinigt. Diese Reaction, welche wiederum durch Grieß ihre Verallgemeinerung fand, ermöglichte allein
                              									die rasche und ausgedehnte Entwickelung der Azofarbenindustrie und es ist das
                              									Verdienst von H. Caro und O. N.
                                 										Witt, die Tragweite der Grieß'schen
                              									Forschungen in technischer Beziehung erkannt zu haben. Die Entdeckung des Chrysoїdins,
                              									jenes zwischen Anilingelb und Manchesterbraun stehenden Farbstoffes, durch Witt, erinnerte die Chemiker an den von Grieß stammenden Ausspruch, daſs Diazokörper mit
                              									aromatischen Aminen und Phenolen Farbstoffe von bedeutender Echtheit erzeugten.
                           Das Chrysoїdin (vgl. auch A. W.
                                 										Hofmann 1877 225 197) wurde von O. N. Witt im Januar 1876 gleichzeitig und unabhängig
                              									von H. Caro entdeckt. Caro
                              									erhielt es aus Diazoamidobenzol und Phenylendiamin, Witt dagegen den Grieß'schen Ueberlegungen
                              									gemäſs aus Diazobenzolsalz und Phenylendiamin. also nach einer Methode, wie sie in
                              									Zukunft für die Herstellung der Azofarbstoffe überhaupt angewendet wurde und deren
                              									technische Verallgemeinerung durch Substitution des Amins durch ein Phenol man
                              									ebenfalls Witt verdankt. Letzterer stellte schon im
                              									Januar 1877 nach dieser Methode aus Diazobenzolsulfosäure und Phenol einen gelben
                              									Farbstoff dar, die Sulfosäure des Oxyazobenzols: das Tropäolin Y.
                           Damit war die Kekulé-Hidegh'sche
                              									Reaction in die Groſspraxis übertragen und das Beispiel gegeben, nach welchem man in
                              									Zukunft Oxyazokörper erzeugte. In dieselbe Zeit fällt auch die Entdeckung der
                              									einfachen Sulfosäure des α- und β-Naphtolazobenzols durch Caro, Witt und Roussin, welcher Entdeckung unmittelbar die Fabrikation
                              									dieser als Orange oder Tropäoline bezeichneten Farbstoffe folgte.
                           Die bei Weitem wichtigsten orangen Farbstoffe, welche
                              									Massenartikel geworden sind und im Handel vorkommen, sind:
                           1) Ein aus Diazo-p-Benzolsulfosäure und α-Naphtol zu erhaltender Farbstoff von folgender Zusammensetzung:
                           \mbox{SO}_3\mbox{Na}(4)-\mbox{C}_6\mbox{H}_4-(1)\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6-\mbox{OH}(\alpha),
                           das sogen. Orangé I, Naphtolorange Nr. 1, Tropäolin 000
                              									Nr. II.
                           2) Ein aus Diazo-p-Benzolsulfosäure und β-Naphtol erhaltbarer Farbstoff von der Zusammensetzung:
                           \mbox{SO}_3\mbox{Na}(4)\mbox{C}_6\mbox{H}_4-(1)\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6-\mbox{OH}(\beta),
                           das Orangé II, Naphtolorange Nr. 2, Tropäolin 000 Nr.
                              									I.
                           3) Ein aus einem Gemenge von Diazo-o- und Diazo-p-Toluolsulfosäure
                              									und β-Naphtol erhaltbares Product von der
                              									Zusammensetzung:
                           
                              \left. {\mbox{CH}_3\ \ \ \,\atop
                                 										\mbox{SO}_3\mbox{Na}}\right>\mbox{C}_6\mbox{H}_3-\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6-\mbox{OH}(\beta)
                              
                           welches als Orange R in
                              									den Handel kommt.
                           4) Ein aus Diazoxylolsulfosäure und β-Naphtol erhaltbares Product, das Orange RR, von der Zusammensetzung:
                           
                              \left. {\mbox{CH}_3\atop
                                 										\mbox{CH}_3}\right>\mbox{C}_6\mbox{H}_2\left<\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6-\mbox{OH}(\beta)\atop
                                 										\mbox{SO}_3\mbox{Na}\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \,.
                              
                           Der Herstellung dieser Farbstoffe geht in allen Fällen die
                              									Fabrikation der Sulfaminsäure voraus. Es sei daher der allgemeinen Betrachtung der
                              									Fabrikation der orangen Farbstoffe diejenige ihrer Vorproducte, der Sulfaminsäuren,
                              									vorausgeschickt.
                           
                        
                           Fabrikation der Anilinsulfosäure und ihrer
                                 									Abkömmlinge.
                           Die Sulfurirung des Anilins und seiner Abkömmlinge geschieht im Groſsen nach 2
                              									Methoden: Entweder löst man die Amine in rauchender Schwefelsäure auf und sulfurirt
                              									die so entstehenden Aminsulfate bei etwa 100 bis 110°, also bei mäſsiger Temperatur
                              									im guſseisernen Rührkessel mit der im Ueberschusse vorhandenen Schwefelsäure, oder
                              									aber man stellt die sauren Aminsulfate dar und setzt dieselben einer geeigneten
                              									höheren Temperatur aus. Die erstere Methode findet mit Vortheil ihre Anwendung bei
                              									Sulfurirung des Xylidins. Bei Sulfurirung des Anilins und Toluidins hat man diesen
                              									Weg jetzt verlassen und arbeitet nach der 2. Methode, welche auch in bestimmten
                              									Fällen für die Monosulfurirung von Anisidin, α- und β-Naphtylamin mit Vortheil angewendet wird.
                           
                           Kommt die 2. Methode zur Aminsulfurirung in Anwendung, so ist eine gute Ausbeute in
                              									allen Fällen von dem Einhalten der folgenden Bedingungen abhängig: 1) Herstellung
                              									einer Amin im Ueberschusse enthaltenden innigen Mischung annähernd gleicher Moleküle
                              									Amin und Schwefelsäure. 2) Einführung der in Blechkasten in den Muffelofen
                              									eingeführten Kuchen in einer Dicke, welche ein gleichmäſsiges Erhitzen der Masse
                              									zuläſst. 3) Einhalten einer gleichmäſsigen, nicht zu hohen und nicht zu niederen
                              									Temperatur, am besten etwa 200 bis 230°, je nach der Natur des Amins.
                           Hält man die genannten Bedingungen ein, so wird man in allen Fällen neben guter
                              									Beschaffenheit auch eine der theoretischen Ausbeute sehr nahe kommende Menge Product
                              									erhalten. Nichtbeachtung von Punkt 1, also Ueberschuſs von Schwefelsäure, führt
                              									Verkohlung herbei, welche proportional der im Ueberschusse zugesetzten Schwefelsäure
                              									ist. Der Sulfanilsäure ist in diesem Falle immer ein blauer Farbstoff beigemengt und
                              									die in Alkali gelöste Säure zeigt eine weinrothe Färbung. Die Auſserachtlassung von
                              									Punkt 2, also die Verwendung zu dicker Kuchen, bewirkt ein unvollständiges Ausbacken
                              									der Masse. Es bildet sich in diesem Falle ein Kern von nicht in Reaction getretenem
                              									Aminsulfat im Inneren und die Behandlung endigt mit unvollständiger Sulfurirung des
                              									Kuchens. Ein Verstoſs gegen Punkt 3 bewirkt bei zu niedrigem Erhitzen eine
                              									unvollkommene Sulfurirung, bei zu hohem Erhitzen eine Verkohlung, also in beiden
                              									Fällen eine verminderte Ausbeute.
                           Die Wasserabspaltung aus dem Anilinsulfate beginnt bei etwa 190° und findet unter
                              									heftigem Kochen der sich immer mehr verdickenden Masse statt. Es scheint sich
                              									hierbei in allen Fällen erst ein Sulfamid zu bilden, welches sich dann in
                              									Aminsulfosäure umlagert. Bei der Sulfurirung des Naphtylamins verliefe also der
                              									Prozeſs in folgender Weise:
                            I)
                              										\mbox{C}_{10}\mbox{H}_7.\mbox{NH}_2.\mbox{H}_2\mbox{SO}_4=\mbox{H}_2\mbox{O}+\mbox{C}_{10}\mbox{H}_7.\mbox{N}\left<\mbox{H}\
                                 										\ \ \ \ \,\atop \mbox{SO}_3\mbox{H}
                            II)
                              										\mbox{C}_{10}\mbox{H}_7.\mbox{N}\left<\mbox{H}\ \ \ \ \ \,\atop
                                 										\mbox{SO}_3\mbox{H}\right.=\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6\left<\mbox{NH}_2\ \
                                 										\atop \mbox{SO}_2\mbox{H}.
                           
                        
                           Quantitative Analyse der Rohmaterialien.
                           Diejenigen Rohstoffe, welche bei einer zweckmäſsig betriebenen
                              									Orangefabrikation eine Gehaltsbestimmung benöthigen, sind die Sulfaminsäuren
                              									(Sulfanilsäure, Toluidinsulfosäure und Xylidinsulfosäure), das Aetznatron, die
                              									Schwefelsäure und das Nitrit.
                           Bei den in gröſster Reinheit im Handel vorkommenden Naphtolen
                              									genügt eine qualitative Prüfung.
                           Bestimmung der Sulfanilsäure. Eine
                              									gute Sulfanilsäure soll sich in alkalischem Wasser mit heller Farbe lösen und keinen
                              									oder nur wenig Rückstand geben. Da die Sulfanilsäure mit Natriumnitrit bei Gegenwart
                              									überschüssiger Salzsäure im Sinne folgender Gleichung:
                           
                              
                              
                           eine quantitative Umsetzung erleidet, so kann diese
                              									Gleichung als Grundlage für eine volumetrische Bestimmung der Sulfanilsäure mittels
                              									Natriumnitrit dienen. Bei Bestimmung der Sulfanilsäure ist vor Allem die vorkommende
                              									Verunreinigung mit schwefelsaurem Anilin zu berücksichtigen. Man kann das Anilin durch Kochen der
                              									im Ueberschusse mit Alkali behandelten und in Lösung gebrachten Sulfanilsäure mit
                              									den Wasserdämpfen wegtreiben und so eine Flüssigheit erhalten, in welcher man nach
                              									dem Ansäuern mit Salzsäure die Sulfanilsäure mittels einer Normalnitritlösung
                              									titriren kann. Das Ende der hierbei stattfindenden Umsetzung gibt ein mit der
                              									Flüssigkeit betüpfelter, schwach die Salpetrigsäurereaction anzeigender
                              									Jodkalium-Papierstreifen zu erkennen, 1cc
                              									Normalnitritlösung entspricht 0g,173
                              									Sulfanilsäure.
                           Probeflüssigkeiten: 1)
                              									Normalnitritlösung erhält man durch Auflösen von 69g bei 100° getrocknetem Nitrit in 1l
                              									Wasser. 2) Normalnatronlauge. 3) Normalsalzsäure.
                           Beispiel: 5g der auf ihren
                              									Gehalt zu untersuchenden Durchschnittsprobe werden im Becherkolben mit 150cc heiſsem Wasser und 30cc Normalnatronlösung versetzt und ungefähr 10
                              									Minuten lang gekocht. Die durch Kochen von Anilin befreite, schwach alkalische
                              									Lösung bringt man auf ein Volumen von 250cc,
                              									mischt vollkommen und filtrirt. Dem Filtrate entnimmt man 50cc, die man in einem Becherglase mit 15cc Normalsalzsäure ansäuert und nun so lange
                              									tropfenweise mit Normalnitritlösung versetzt, bis ein mit einem Glasstabe auf einen
                              									Streifen Jodkaliumstärkepapier gebrachter Tropfen Flüssigkeit eine sofortige Bläuung
                              									bezieh. Bildung von Jodstärke verursacht. Angenommen, man habe 5cc,6 Nitritlösung verbraucht, so berechnet sich
                              									für die fragliche Sulfanilsäure ein Gehalt von 96,9 Proc.
                           In derselben Weise bestimmt man den Gehalt der Toluidinsulfosäure
                              									und der Xylidinsulfosäure in irgend einer zur Untersuchung vorliegenden Form. 1cc Normalnitritlösung entspricht 0g,187 Toluidinsulfosäure und 0g,201 Xylidinsulfosäure.
                           Prüfung der Naphtole: Die als α- und β-Naphtol im Handel
                              									vorkommenden geschmolzenen weiſsen Massen von blätterig krystallinischer Textur
                              									lassen in Bezug auf Güte selten etwas zu wünschen übrig. Bei der Untersuchung der
                              									Naphtole hat man vor Allem ihren Schmelzpunkt und ihre Löslichkeit in verdünntem
                              									Alkali zu berücksichtigen. Einen etwaigen Rückstand bestimmt man nach vollkommenem
                              									Auswaschen durch Trocknen und Wägen.
                           Bestimmung des Nitrits: Das
                              									Handelsnitrit stellt zumeist weiſse oder schwach gelblich gefärbte derbe Krystalle
                              									dar. Es enthält in der Regel 95 bis 98 Proc., NaNO2.
                              									Eine Bestimmung des Gehaltes des zur Nitrosirung kommenden Nitrits ist von Zeit zu
                              									Zeit vorzunehmen, da dasselbe aus der Luft Wasser aufnimmt, wodurch sich der Gehalt
                              									ändert. Man bestimmt den Gehalt an Nitrit mittels einer
                              									0,1-Normalsulfanilsäurelosung, welche man sich durch Auflösen von 19g,5 bei 110° getrocknetem Natriumsulfanilat in
                              										1l Wasser herstellt.
                           Dieser 0,1-Normallösung entspricht dann 0g,0069 NaNO2.
                              									Auſserdem benöthigt man noch eine Normalsalzsäurelösung. Bei Ausführung der Analyse
                              									löst man am besten 69g einer aus allen Theilen des
                              									Fasses entnommenen Durchschnittsprobe im Liter auf und verdünnt von dieser Lösung
                              									wieder 100cc auf 1l, Man sieht dann zu, wie viel Cubikcentimeter dieser Nitritlösung zur
                              									Zersetzung einer Mischung von 20cc
                              									0,1-Normalsulfanilatlösung und 5cc
                              									Normalsalzsäurelösung nöthig sind, und berechnet aus der Zahl der verbrauchten
                              									Cubikcentimeter den Procentgehalt des Nitrits.
                           
                        
                           Technik der orangen Farbstoffe.
                           Im Groſsen sucht man bei der Herstellung der Naphtolorange an der Hand der oben
                              									erwähnten Analysenmethoden molekulare Einwirkung von aminsulfosaurem Natron,
                              									Schwefelsäure und Nitrit behufs Erzeugung eines Diazokörpers und Einwirkung des
                              									erzeugten Diazokörpers auf 1 Mol. Naphtolnatrium behufs Farberzeugung derart zu
                              									bewerkstelligen, daſs keine dieser Substanzen im Ueberschusse angewendet werde, daſs
                              									also die Umsetzung möglichst im Sinne folgender Gleichungen ihren quantitativen
                              									Verlauf nehme:
                           
                            I) 
                            II) 
                           worin R die Radicale  oder
                              										 vorstellen kann.
                           Da es nun nicht gelingt, eine vollkommen diesen Gleichungen entsprechende Umsetzung
                              									herbeizuführen, das eine oder andere Einwirkungsmittel unter allen Umständen im
                              									Ueberschusse verbleiben wird, so sei hier auf den Einfluſs hingewiesen, den ein
                              									Uebermaſs des einen oder anderen Reagens auf die Beschaffenheit oder Menge des
                              									entstehenden Farbstoffes ausübt, wie auch, in welcher Weise man einem schädlichen
                              									Einflüsse von vornherein begegnet.
                           Das Vorhandensein eines kleinen Ueberschusses von Diazoverbindung nach der Paarung
                              									ist gut, ein Ueberschuſs von Naphtol ungünstig, da eine vollständige Entfernung der
                              									Naphtol haltigen Mutterlaugen aus den Preſskuchen durch Ausblasen mit Luft nicht
                              									gelingt, somit also Naphtol dem Farbstoffe beigemengt bleibt und bei Anwesenheit
                              									einer gröſseren Menge der Ausfärbung des Farbstoffes auf der Faser die
                              										„Blume“ nimmt, denselben trüb erscheinen läſst. Man wird daher diesem
                              									Umstände vorweg dadurch begegnen, daſs man einen kleinen Ueberschuſs von
                              									Sulfanilsäure in Reaction bringt bezieh. einfach das etwa 99 procentige Naphtol
                              									gegenüber der wirklich 100 procentigen Sulfanilsäure als 100 procentig in Rechnung
                              									bringt. Durch die Anwendung dieses kleinen Ueberschusses an Diazoverbindung ist man
                              									dann sicher, alles Naphtol in Reaction zu bekommen, während die überschüssige
                              									Diazoverbindung sich bald nach der Paarung zersetzt und unschädlich wird.
                           Ein anderer wichtiger Punkt in der Fabrikation der eigentlichen Naphtolfarbstoffe ist
                              									die Vermeidung eines Säureüberschusses. Man wird daher in allen Fällen ungefähr 3
                              									Proc. Alkali mehr anwenden, als zur Neutralisation der gesammten Säuremenge nöthig
                              									ist. Ein allzu groſser Natronüberschuſs wirkt dagegen in dem Sinne unvortheilhaft,
                              									als er ein vollständiges Ausfallen des Farbstoffes verhindert, indem ein Theil
                              									desselben als zweibasisches Salz in Lösung bleibt. Auf Menge und Beschaffenheit
                              									beeinträchtigend wirkt ein Ueberschuſs von Säure, insofern Naphtol abgeschieden wird
                              									und dadurch der Farbstoff in oben beschriebener Weise eine Verunreinigung erleidet,
                              									andererseits aber dasselbe der Farbstoffbildung entzogen wird und so einen Verlust
                              									herbeiführt. Ein Ueberschuſs an Nitrit ist unschädlich, so lange alkalische Reaction
                              									vorhanden; ein Ueberschuſs von Säure und Nitrit dagegen wirkt doppelt schädlich.
                           Die Gewinnung der Farbstoffe kann unmittelbar geschehen, wenn der Farbstoff ohne
                              									weiteres in kristallinischem Zustande ausfällt und also eine Filtration zuläſst.
                              									Gallertartig sich abscheidende Farbstoffe dagegen werden nach ihrer Erzeugung wieder
                              									in Lösung gebracht und in der Hitze mit Salzwasser ausgefällt, wodurch in allen
                              									Fällen eine krystallinische Abscheidung herbeigeführt und somit der Farbstoff
                              									filtrationsfähig wird. Bei Einhaltung der genannten Bedingungen erhält man immer ein
                              									schönes Product und gleicht die Ausführung der verschiedenen technischen
                              									Behandlungsweisen einer im Groſsen ausgeführten quantitativen Analyse. Bei
                           Herstellung der orangen Azofarbstoffe ist man in der That dem erstrebten Ziele,
                              									reinen Farbstoff neben theoretischer Ausbeute zu erhalten, nicht nur nahe gekommen,
                              									sondern hat es vollkommen erreicht.
                           
                        
                           Herstellung der Sulfanilsäure.
                           Die Herstellung der Sulfanilsäure geschieht, wie bereits erwähnt, am zweckmäſsigsten
                              									durch Erhitzen von schwefelsaurem Anilin auf höhere Temperatur unter den weiter oben
                              									angeführten Umständen. Man benöthigt dazu folgende Apparate:
                           Einen gußeisernen, mit Rührwerk versehenen
                                 										Kessel, welcher mit einem Bleikühler in Verbindung steht und eine
                              									Belästigung durch die beim Mischen von Anilin und Schwefelsäure entstehenden
                              									Anilindämpfe verhindert.
                           Zur Umwandlung des sauren Sulfates in Sulfanilsäure dienen 2 Muffelöfen, in welchen man das in eisernen Kasten in
                              									die Muffel gebrachte Sulfat backt. Die Muffel stellt einen flachen, an einer
                              									Kurzseite mit eisernen Thüren verschiebbaren guſseisernen Kasten dar, dessen durch
                              									ein Gewölbe geschützter Boden der Wirkung der Stichflamme, eine Kurz- und die beiden
                              									Langseiten den heiſsen Feuergasen ausgesetzt sind. An der nicht vom Feuer umspülten
                              									Decke der Muffel befindet sich eine Oeffnung für das Thermometer und eine den
                              									Dämpfen Abzug gestattende, mit Drosselklappe versehene Abzugsröhre, welche in den
                              									Schornstein einmündet und diesem das Reactionswasser zuführt. Der Muffel gibt man
                              									zweckmäſsig eine Länge und Breite von je 100cm und
                              									eine Höhe von 50cm.
                           Zur Einführung des Anilinsulfates in den Ofen dienen auf Schlitten
                              									sitzende Schwarzblechkasten, 75cm lang und breit, sowie 25cm hoch. Die Schlitten haben einen doppelten
                              									Zweck: einmal gestatten sie ein leichteres Handhaben der schweren Kasten; dann aber
                              									verhindern sie ein ungleiches Erwärmen des Sulfates, wie solches bei unmittelbarem
                              									Aufsitzen der Blechkacheln auf dem Boden stattfände, in einfachster Weise. Man
                              									benöthigt 6 Kasten.
                           Um das saure Anilinsulfat herzustellen, bringt man
                              									zunächst 49k Schwefelsäure von 66° B. in den
                              									guſseisernen Kessel. Dazu läſst man innerhalb 20 Minuten 46k,5 Anilinblauöl in dünnem Strahle durch die
                              									Kühlschlange einlaufen. Unter starker Erwärmung findet Vereinigung statt,
                              									Anilindämpfe werden im Bleikühler verdichtet. Sobald alles Anilin zur Schwefelsäure
                              									eingerührt ist, hebt man den Deckel des Mischkessels ab und vertheilt den Inhalt
                              									gleichmäſsig auf 3 Blechkasten. Inzwischen hat man die Temperatur in den beiden
                              									Muffelöfen auf 220 bis 230° gebracht. Ist diese Temperatur erreicht, so führt man in
                              									aller Eile in jede Muffel einen Kasten ein und schlieſst die Thüren. Das Sulfat
                              									schmilzt, die Reaction beginnt bei 195° und unter Entweichen von Wasser entsteht
                              									zunächst: \mbox{C}_6\mbox{H}_5.\mbox{N}\left<\mbox{H}\ \ \ \ \
                                 										\,\atop \mbox{SO}_3\mbox{H}, welches sich in Sulfanilsäure
                              									umlagert:
                           
                           \mbox{C}_6\mbox{H}_5.\mbox{NH}_2.\mbox{H}_2\mbox{SO}_4=\mbox{H}_2\mbox{O}+\mbox{C}_6\mbox{H}_5.\mbox{N}\left<\mbox{H}\
                                 										\ \ \ \ \,\atop
                                 										\mbox{SO}_3\mbox{H}\right.=\mbox{C}_6\mbox{H}_4\left<\mbox{NH}_2\ \ \atop
                                 										\mbox{SO}_3\mbox{H}.
                           Nach etwa 3 stündigem Erhitzen auf 220 bis 230° öffnet man die Thüren der Muffeln und
                              									dreht die Kasten um. Nach weiteren 3 Stunden ist die Masse gar gebacken, alles
                              									Anilinsulfat in Sulfanilsäure umgewandelt. Um sich vom Schlusse des Prozesses zu
                              									überzeugen, ritzt man die Kuchen mit einem Meiſsel an und beurtheilt dann aus der
                              									Härte des Kuchens das Ende der Umsetzung. Sind die Kuchen überall gleich hart, so
                              									zieht man die Bleche aus der Muffel heraus und beschickt die Oefen von Neuem. Aus
                              									den erkalteten Blechen schlägt man die steinharte grauweiſse Masse mit dem Hammer
                              									heraus.
                           
                              
                                 Anilin
                                 Schwefelsäure
                                 Sulfanilsäure
                                 
                              
                                 46,5
                                 49
                                    79,5
                                 
                              
                                 46,5
                                 49
                                 80
                                 
                              
                                 46,5
                                 49
                                     81,5.
                                 
                              
                           
                              (Schluſs folgt.)