| Titel: | Ueber Explosionen von Kochgefässen u. dgl. | 
| Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 273 | 
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                        Ueber Explosionen von Kochgefäſsen u.
                           								dgl.
                        Mit Abbildungen auf Tafel
                              									17.
                        Ueber Explosionen von Kochgefäſsen u. dgl.
                        
                     
                        
                           Die Frage, ob Kochgefäſse nach den Gesetzen Dampfkesseln gleich zu stellen sind, so
                              									daſs für die ersteren ebenso wie für die letzteren Concessionspflicht sowie
                              									Vorschriften zur Ueberwachung gelten sollen, harrt in den verschiedenen Staaten noch
                              									ihrer Entscheidung. Nachstehend sei über zwei Fälle berichtet, welche zeigen, welche
                              									verschiedenen Umstände bei einer gesetzlichen Regelung dieser Angelegenheit in
                              									Betracht zu ziehen sind. Die eine Explosion betrifft einen stehenden Lumpenkocher, die andere ein Gefäſs zur
                                 										Theerdestillation; beide Explosionen kamen in England gegen Ende 1886 vor
                              									und sind nach Engineering, 1886 Bd. 42 * S. 601 bezieh.
                              									* S. 669 hier mitgetheilt. (Vgl. 1883 249 * 44.)
                           Im J. 1876 hatten T. H. Bracken und
                                 										Comp. in ihrer Papierfabrik zu Stainland bei Halifax einen von Sinclair in Leith gelieferten Lumpen-Kochapparat aufgestellt, dessen Einrichtung in Fig. 16 und 17 Taf. 17
                              									veranschaulicht ist. Der Kocher ist ein sogen. Ueberguſsapparat mit beständigem
                              									Kreislaufe der Kochflüssigkeit (Sodalauge), stehend, von cylindrischer Form mit
                              									gewölbtem Boden und Deckel und besitzt in der Mitte ein weiteres Rohr R, in welches bis nahe an den Boden das
                              									Dampfeinführungsrohr d reicht. Die Lumpen kommen auf
                              									einen Siebboden zu liegen und beim Einströmen von Dampfreiſst derselbe in dem
                              									Mittelrohre R die durch die Lumpenschicht gesickerte
                              									Flüssigkeit mit in die Höhe, welche sich oben, durch einen Schirm ausgebreitet,
                              									wieder über die Hadernschicht ergieſst. Der Kochkessel war im Durchmesser 2m,74, im cylindrischen Theile 2m,13 Höhe und die Pfeilhöhe der Boden- und Deckel
                              									Wölbung hatte 280mm, einem Radius von 3m,5 entsprechend. Die Blechstärke betrug an allen
                              									Stellen 9mm,5 und die Verbindung der einzelnen
                              									Platten war überall mittels einreihiger Nietung hergestellt. Der Deckel und der
                              									Boden, aus 3 Platten zusammengenietet, besaſsen umgebördelten Nietrand. Das
                              									Dampfzuleitungsrohr d hatte 31mm,8 Durchmesser und gleich groſs war auch der
                              									Durchmesser des Abblaserohres a. Der Kessel besaſs
                              									keinerlei Einrichtung zur Erkennung der in demselben herrschenden Dampfspannung und
                              									auch kein unmittelbar aufgesetztes Sicherheitsventil; letzteres war vielmehr
                              									seitlich an dem Dampfzuleitungsrohre d bei S angeschlossen und sein Körper enthielt auf der
                              									unteren Seite ein sich nach innen öffnendes Luftventil. Hatte das Gericht des
                              									Sicherheitsventiles einen Hebelarm von 390mm, so
                              									blies das Ventil bei 1at,8, dagegen bei 2at,5 innerem Druck ab, wenn das Gewicht am Ende
                              									des Hebels hing. Weiter besaſs der Kessel noch ein Abfluſsrohr A und an einer Seite und im Deckel viereckige
                              									Mannlöcher zum Ein- und Ausbringen der Lumpen. Den Kochdampf lieferten zwei
                              									Flammrohrkessel, die mit 4at Spannung arbeiteten
                              									und an welche das Dampfzuleitungsrohr unmittelbar ohne Einschaltung eines
                              									Minderungsventiles o. dgl. angeschlossen war.
                           Dieser Lumpenkocher war nach seiner Aufstellung selten benutzt
                              									worden und erst etwa 6 Wochen vor der Explosion in regelmäſsigen Gebrauch gekommen.
                              									Am 10. November 1886 Abends gegen 7 Uhr fand die Explosion statt, bei welcher der
                              									Deckel des Kessels nach den in Fig. 16 und 17 kräftig
                              									gezeichneten Bruchlinien ausgerissen und mit dem gerade daraufstehenden. zur
                              									Bedienung des Kochers angestellten Arbeiter etwa 55m weit in nördlicher Dichtung fortgeschleudert wurde.
                           Die Untersuchung über den Unfall ergab als Ursache folgendes: Das
                              									Sicherheitsventil hat kurz vor der Explosion abgeblasen. Der verunglückte Arbeiter
                              									stieg deshalb auf den Kessel, um den Dampfzutritt abzusperren; da ihn hierbei der
                              									aus dem Sicherheitsventile strömende Dampf hinderte, so drückte er mit der linken
                              									Hand dasselbe zu, während er mit der rechten den nur mittels Handschlüssels zu
                              									drehenden Hahn im Rohre d zu erreichen suchte. In diesem Augenblicke
                              									erfolgte die Explosion. Der Dampfeiniaſshahn konnte sonderbarer Weise bis jetzt
                              									nicht wiedergefunden werden.
                           Engineering knüpft an den Bericht
                              									über diesen Fall einige Bemerkungen und betont dabei, daſs eine Endplatte von 2m,74 Durchmesser und nur 9mm,5 Dicke ohne jede weitere Versteifung und
                              									Stütze, selbst bis zu dem angegebenen Grade gewölbt, überhaupt den gestellten
                              									Forderungen nicht entspräche und höchstens für die Hälfte der benutzten Spannung
                              									zulässig gewesen sei. Dies beweise auch, daſs der Deckel nicht in der Vernietung
                              									ausgerissen, auſser einem Stücke von etwa 400mm,
                              									welches jedoch an einer bereits ausgebesserten, vorher leckenden Stelle sich befand.
                              									Es sei auch kaum zu glauben, daſs die Explosion allein durch eine plötzliche Zunahme
                              									der Dampfspannung im Kocher beim Zuhalten des Sicherheitsventiles hervorgerufen
                              									wurde; denn zu einer Spannungserhöhung von 1at,8,
                              									bei welcher der Kocher abblies, bis zu der im Dampfkessel herrschenden Spannung
                              									hätte es, indem die im Kessel enthaltene Flüssigkeit von etwa 10cbm Inhalt um ungefähr 20° in ihrer Temperatur
                              									gesteigert werden muſste, längerer Zeit bedurft, als die wahrgenommenen wenigen
                              									Secunden zwischen dem Aufhören des Abblasens und der Explosion ausmachten. Der
                              									Kocher war eben so schwach, daſs es nur einer ganz geringen Spannungserhöhung
                              									bedurfte, um denselben zum Bersten zu bringen.
                           Der hierbei gemachte Vorschlag, das mittlere Ueberguſsrohr zur
                              									Verbindung des Deckels und des Bodens solcher Kocher zu benutzen, um die Steifigkeit
                              									zu erhöhen, dürfte aber kaum ohne weiteres durchzuführen sein. Das
                              									zweckentsprechende Ausspritzen der Flüssigkeit bedingt eine freie Rohrmündung. Zur
                              									Erhöhung der Sicherheit solcher Kochgefäſse müſste nach anderen Richtungen hin mehr,
                              									als bis jetzt versucht ist, gethan werden. Diese Explosion eines Lumpenkochers steht
                              									nicht vereinzelt da. A. a. O. werden noch zwei solche Fälle erwähnt. Der eine
                              									derselben kam Ende des J. 1885 in Newtonle-Willows vor, betraf einen liegenden
                              									Drehkocher und wurde durch einen ungenügenden Mannlochverschluſs bedingt; 3 Personen
                              									wurden getödtet und bedeutende Zerstörungen verursacht. Bei der zweiten am 30.
                              									December 1883 in Godalming vorgekommenen Explosion eines guſseisernen, zum Kochen
                              									von Espartogras dienenden Kessels wurden 5 Personen getödtet und 5 andere verletzt;
                              									die Explosion wurde einer Verstopfung des Rohransatzes für das Sicherheitsventil mit
                              									Kochmaterial zugeschrieben.
                           Mit welcher Sorglosigkeit oft bei Anlage von Destillationsgefäßen verfahren wird, zeigt folgender
                              									Unfall: In Fig.
                                 										14 und 15 Taf. 17 ist ein Destillirkessel für Theer dargestellt, wie mehrere
                              									solche sich in den Werken der Redheugh Tar Products
                                 										Company in Gateshead-on-Tyne im Betriebe befinden. Der Kessel war
                              									cylindrisch, von 2m,81 Durchmesser und 2m Höhe; Deckel und Boden, durch Winkeleisenring
                              									mit dem cylindrischen Theile verbunden, waren nach einer Pfeilhöhe von 250mm nach auſsen bezieh. nach innen gewölbt. Im
                              									Inneren befand sich ein drehbarer Rahmen R aus 31mm weitem, mit einer Anzahl kleiner Mundstücke
                              									versehenen Schmiedeisenrohr, welcher von auſsen in Drehung versetzt wurde und sowohl
                              									zum Rühren der abzudestillirenden Masse, als auch zum Einleiten von Dampf in
                              									dieselbe diente. Der Kessel wurde zum Destilliren von Theer wie zur nochmaligen
                              									Destillation des beim ersten Destilliren erhaltenen Kreosots benutzt; bei letzterer
                              									Anwendung wurde von der Dampfeinführung kein Gebrauch gemacht. Die
                              									Destillationsdämpfe wurden in eine 24m lange, von
                              									Wasser umgebene Kühlschlange S aus 76mm weitem Guſseisenrohre geleitet, an deren
                              									Ausmündung das gewonnene Oel aufgefangen wurde. Der Kessel war auf dem Deckel noch
                              									mit 2 Röhren a und b (Fig. 15) zum
                              									Einlassen des Theeres oder Kreosots, einem Mannloche und einem 25mm weiten Halme h
                              									versehen, welch letzterer sowohl zur Einführung einer Stange, um den
                              									Flüssigkeitsstand im Kessel nachzusehen, als auch zum Abblasen des Kessels diente.
                              									Am Boden besaſs der Kessel noch ein Entleerungsrohr A;
                              									die Heizung erfolgte durch eine Unterfeuerung.
                           Am 3. December 1886, als ein solcher Kessel mit ungefähr 9000l Kreosotöl gefüllt im Betriebe stand und Naphta
                              									bereits an der Mündung der Kühlschlange abfloſs, explodirte derselbe, wobei der
                              									Boden vollständig ausgetrieben, der übrige Theil zu einer bedeutenden Höhe
                              									emporgeworfen wurde und dann etwa 100m entfernt im
                              									Fluſsbette der Tyne niederfiel. Das ganze Mauerwerk wurde zerstört und der gesammte
                              									Inhalt des Kessels umhergeschleudert; sofort getödtet wurden zwei unmittelbar zur
                              									Zeit der Explosion an dem Kessel beschäftigte Personen und zwei weitere entfernter
                              									stehende, unter denen sich der Direktor befand, wurden dermaſsen mit brennendem Oele
                              									überschüttet, daſs sie alsbald den erhaltenen Verletzungen erlagen.
                           Die Untersuchung über diesen Unfall ergab Folgendes: Der
                              									Oberaufseher des Werkes war mit dem Direktor Chinnery
                              									am Unglückstage etwa 10 Minuten nach 12 Uhr zusammen, als beide eine aufsteigende
                              									Dampfsäule gewahr wurden, welche von einem der sechs in einer Reihe stehenden
                              									Destillationskessel ausging. Beide sprangen hinzu, um nachzusehen, und es fand sich,
                              									daſs aus dem Mauerwerke in der Nähe des Ablaſsrohres Flammen aufstiegen. Während der
                              									Aufseher zurücklief, um die Feuerspritze zu holen, erfolgte die Explosion. Das
                              									Wasser des Kühlgefäſses sollte immer eine solche Temperatur besitzen, daſs das Oel
                              									aus der Kühlschlange auf etwa 35° abgekühlt ausfloſs; sank die Temperatur, so
                              									krystallisirte das Oel in der Kühlschlange fest, verstopfte dieselbe und bewirkte
                              									eine Störung des Betriebes, indem nach Unterbrechung der Reizung die Kühlschlange
                              									durch Anwärmung des sie umgebenden Wassers bis auf 95°, wobei die Oelkrystalle
                              									schmolzen, erst wieder frei gemacht werden müſste, ehe die Destillation ihren
                              									Fortgang nehmen konnte. Auch vor der Explosion ist dies der Fall gewesen; man fand
                              									den Hahn zur Einleitung von Dampf in das Kühlwasser offen, jedoch schien die
                              									Anwärmung zu spät erfolgt zu sein. Die beiden sofort getodteten Arbeiter sind mit
                              									Ausräumen des Feuers unter dem Kessel beschäftigt gewesen und scheinen zum Oeffnen
                              									des Abblaschahnes keine Zeit gehabt zu haben, da sie durch das aufsteigende Feuer
                              									erschreckt gewesen sein müssen. Dieses Feuer dürfte durch ein Leck des Kessels und
                              									aus demselben getretenes Oel entstanden sein. Der sofort getödtete Aufseher hatte
                              									die Kessel schon 6 Jahre zufriedenstellend bedient und scheint demnach mit allen
                              									Vorkommnissen bei denselben vertraut gewesen zu sein.
                           Sonderbar erscheint es, daſs solche Destillationskessel keinerlei
                              									Sicherheitsventil erhielten, auch keine Vorrichtungen zur Erkennung des inneren
                              									Druckes, um den Arbeitern die wachsende Gefahr anzuzeigen. Daſs solche Versäumnisse
                              									vorkamen, nimmt darum noch mehr Wunder, weil eine ähnliche Explosion eines
                              									Theerdestillirkessels bereits am 12. April 1880 in den Werken von Burt und Comp. in Woolwich vorgekommen war, wobei 11
                              									Personen getodtet und eine gröſsere Anzahl verletzt wurden. Auch hierbei ist die
                              									Explosion durch Verstopfung des Dampfabführungsrohres durch Krystallansetzung
                              									verursacht worden.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
