| Titel: | Die Einfuhr von gefrorenem Fleisch aus überseeischen Ländern nach Europa. | 
| Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 564 | 
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                        Die Einfuhr von gefrorenem Fleisch aus
                           								überseeischen Ländern nach Europa.
                        Einfuhr von gefrorenem Fleisch nach Europa.
                        
                     
                        
                           In den durch ihre Bodenbeschaffenheit und ihre Bevölkerungsververhältnisse vorwiegend
                              									auf Viehzucht angewiesenen überseeischen Ländern macht sich schon seit Langem das
                              									Bestreben geltend, die dort in Ueberfluſs vorhandenen Fleischvorräthe durch Ausfuhr
                              									nach den damit weniger reich bedachten europäischen Ländern möglichst zu verwerthen.
                              									Die ersten Versuche in dieser Richtung wurden in den La Plata-Staaten mit der
                              									Ausfuhr von Liebig's Fleischextract gemacht; doch war
                              									die Ausnutzung des Fleisches hierbei noch keine vollständige, da alle zur
                              									Herstellung von Extract nicht geeigneten Theile der Thiere unbenutzt im Lande
                              									zurückblieben, und erst in neuester Zeit, seitdem man dank der Verbesserungen an den
                              									Land- und Schiffskühlmaschinen in den Stand gesetzt ist, das Fleisch selbst im rohen
                              									Zustande auf die gröſsten Entfernungen zur See zu verfrachten, ist diese wichtige
                              									Frage ihrer Lösung näher gerückt. Es war längst bekannt, daſs frisch geschlachtetes
                              									Fleisch in gefrorenem Zustande beliebig lange aufbewahrt werden kannVgl. G. Jüdell 1877 223 78 Tabelle S. V: Symington (1853)
                                    											Nr. 74 bezieh. Acres (1855) Nr. 101
                                    										u.a., ohne in seiner Beschaffenheit als Nahrungsmittel irgend welche
                              									nachtheilige Aenderung zu erleiden, und es handelte sich demnach nur darum, das
                              									Fleisch unmittelbar nach dem Schlachten mittels Kältemaschinen zum Erstarren zu
                              									bringen (vgl. 1885 257 165), während des Seeweges in
                              									gefrorenem Zustande zu erhalten und, am Bestimmungsorte angelangt, an die wiederum
                              									mit Kühlmaschinen ausgestatteten Lagerhäuser abzugeben.
                           
                           Zur Ausnutzung dieses Verfahrens haben sich bereits Gesellschaften gebildet,
                              									besonders in Südamerika und Australien, welche die Ausfuhr von gefrorenem Fleisch in
                              									groſsem Maſsstabe betreiben und ist u.a. die Ausfuhr aus Melbourne in stetem Wachsen
                              									begriffen. Die ersten dortigen Unternehmer, welche sich mit dem Versandt von
                              									gefrorenem Fleisch befaſsten, hatten zwar geringen Erfolg gehabt, weil sie ihre
                              									Kräfte zu sehr zersplitterten, indem sie auſser dem Tödten der Thiere und Gefrieren
                              									des Fleisches auch den Verkauf besorgten. Seitdem aber die Gefrierwerke in andere
                              									Hände übergegangen sind und die gegenwärtigen Eigenthümer die eigentlichen
                              									Handelsgeschäfte aufgaben, ist ein ganz bedeutender Aufschwung des Unternehmens zu
                              									verzeichnen. Die Melbourner Werke befassen sich nur mit dem Schlachten und Abkühlen,
                              									während das Verladen der Schafe, der Versandt nach Europa und der Absatz des
                              									Fleisches in den Hafenorten durch andere Unternehmer besorgt wird. Dieses zuerst in
                              									Neuseeland erprobte System ist nun auch in Melbourne eingeführt mit solchem Erfolge,
                              									daſs im Laufe des ersten Betriebshalbjahres die Zahl der aus dem Werke von
                              									Williamstown ausgeführten Schafe bereits auf 50000 stieg. Daſs hierbei sämmtliche
                              									Betheiligte ihre Rechnung zu finden scheinen, lieſse sich daraus entnehmen, daſs
                              									durch den Verkauf der Schafe in London für jedes Thier nach Abzug aller Unkosten ein
                              									Erlös von 15 M. bis 17,50 M. erzielt werden soll, während der Marktpreis für ein
                              									lebendes Schaf in Melbourne nur 12 M. beträgt. Dabei ist zu berücksichtigen, daſs
                              									dieser Preis von 12 M. nur die Folge der durch die Ausfuhr vermehrten Nachfrage ist
                              									und daſs ohne diese Ableitung des Ueberflusses nach auſsen der Werth eines Schafes
                              									nur etwa 5 M. betragen würde.
                           Was die zum Kühlen der Schiffsräume dienenden Kältemaschinen betrifft, so wurden
                              									hierzu bisher fast ausschlieſslich sogen. Kaltluftmaschinen benutzt, wie sie von Bell Coleman, von Lightfoot u.a. gebaut werden, und welche darauf beruhen, daſs Luft, welche
                              									stark zusammengepreſst und gleichzeitig abgekühlt wird, bei darauf folgender
                              									Wiederausdehnung sich weit unter Null abkühlt. Diese – 40 bis 50° kalte Luft wird
                              									unmittelbar in die zu kühlende Fleischkammer eingeblasen. Was die Verwendung dieser
                              									Art von Maschinen als Schiffskühlmaschinen besonders begünstigte, ist, daſs sie als
                              									Kälte erzeugendes Mittel nur atmosphärische Luft benutzen, daſs also durch etwaige
                              									Undichtheiten an der Maschine keine Verschlechterung der Luft in den Schiffsräumen
                              									hervorgerufen werden kann, während bei Compressionsmaschinen, besonders den mit
                              									Ammoniak, Schwefligsäure u. dgl. arbeitenden, solche Undichtheiten unangenehmer
                              									sind. Dem ist es wohl allein zuzuschreiben, daſs solche Maschinen auf Schiffen noch
                              									weniger häufig angewendet wurden, trotzdem sie in Bezug auf Leistungsfähigkeit die
                              									Kaltluftmaschinen weit überragen. Nachdem nun aber die Compressionsmaschinen derart
                              									vervollkommnet sind, daſs mit denselben Monate lang gearbeitet werden kann, ohne die geringsten
                              									Betriebsstörungen durch Undichtheit der Stopfbüchse befürchten zu müssen, steht der
                              									Verwendung derselben auf Schiffen nichts mehr im Wege.