| Titel: | Elektrische Bahn München-Ungererbad. | 
| Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 459 | 
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                        Elektrische Bahn München-Ungererbad.
                        Elektrische Bahn München-Ungererbad.
                        
                     
                        
                           Der Besitzer Ungerer des beim Vororte Schwabing
                              									gelegenen schönsten der Münchener Freibäder hat dasselbe im Sommer 1886 mit dem 10
                              									bis 15 Minuten entfernten Schwabing durch eine elektrische Bahn verbinden lassen.
                              									Die Ausführung der Geleisanlage übernahm Herr A. Ungerer
                                 										jun. Die Wagen wurden von der Nürnberger
                                 										Maschinenbau-Aktiengesellschaft, die sämmtlichen elektrischen Einrichtungen
                              									von der Firma S. Schuckert in Nürnberg ausgeführt.
                           Die Triebkraft für die Bahn wird nach dem Centralblatt für
                                       										Elektrotechnik, 1887 * S. 275 durch eine Locomobile geliefert, welche am
                              									Pumpwerke aufgestellt ist und in ihrer Construction nichts Neues bietet. Bei 150
                              									Umdrehungen per Minute und 6 Atmosphären ist sie im Stande 14e an eine mit ihr durch Riemen verbundene Maschine
                              										TL6 abzugeben. Beim gewöhnlichen Betriebe der Bahn
                              									genügen indeſs 3 Atmosphären, wobei nur etwa 8e
                              									auf die elektrische Maschine übertragen werden.
                           Der von der elektrischen Maschine erzeugte Strom wird vom Maschinenhause aus durch
                              									zwei unterirdische Kabel bis zu den beiden Schienen der Bahn geleitet, welche
                              									demnach immer mit der Stromquelle in direkter Verbindung stehen. Die beiden
                              									Endstrecken der Bahn haben eine Steigung und sind nicht in leitender Verbindung mit
                              									dem stromführenden Geleise. Durch ihre lebendige Kraft laufen die Wagen auf dem
                              									stromlosen Theile auf diese Erhöhung, wo sie durch kräftige Bremsen festgehalten
                              									werden.
                           Beim Loslassen der Bremsen laufen die Wagen von selbst bis zu dem horizontalen Theile
                              									des Geleises, in welchem Strom vorhanden ist.
                           Bei dieser Anordnung wird die lebendige Kraft vor dem Anhalten dazu verwendet, die Wagen auf
                              									ein höheres Niveau zu bringen und dadurch die Geschwindigkeit zu verringern.
                              									Hierdurch sind die Wagen befähigt, von selbst ohne Stromwirkung und zwar sehr sanft
                              									anzulaufen. Man erspart also in dieser Periode den Strom und unnützes Bremsen,
                              									wodurch die ganze Anlage geschont wird.
                           Der Strom der treibenden Maschine wird der getriebenen Maschine in folgender Weise
                              									zugeführt: Von der treibenden Maschine wird der Strom zu den Schienen geleitet und
                              									geht von da auf die Räder über. Diese sitzen isolirt auf den Achsen, so daſs ein
                              									Kurzschluſs durch letztere oder ein Uebergang an das Wagengestell nicht stattfinden
                              									kann. Von den Rädern wird der Strom durch Schleiffedern abgenommen, und von da zu
                              									den Bürsten der getriebenen Maschine geleitet.
                           Es sind zwei Bürstenpaare vorhanden, von denen aber immer nur das eine am Commutator
                              									anliegt, während das andere absteht, entsprechend der Drehrichtung, die man der
                              									getriebenen Maschine geben will.
                           Zur Regulirung der Fahrgeschwindigkeit ist ein Regulator mit Widerstand unterhalb der
                              									einen Plattform angebracht. Der Widerstand ist in einzelnen Eisenrahmen
                              									untergebracht, welche neben einander in einen anderen Rahmen hineingeschoben sind
                              									und leicht ausgewechselt werden können. Die Bewegung des Regulatorhebels geschieht
                              									durch ein Handrad.
                           Die Contactknöpfe des Regulators sind doppelt vorhanden vorne und hinten, weil
                              									mittels des Handrades zugleich das Umstellen der Bürstenpaare besorgt wird, wenn
                              									sich die Fahrrichtung und deshalb die Drehrichtung der getriebenen Maschine ändern
                              									soll.
                           Die Bewegung wird von der getriebenen Maschine auf den Wagen mittels Riemen
                              									übertragen und zwar von einer Scheibe der Dynamo auf eine Scheibe, welche auf der
                              									einen Seite des Wagens auf der Radachse festgekeilt ist. Eine Vorrichtung gestattet
                              									ein Spannen des Riemens. Der Riemen ist reichlich breit, wodurch derselbe auch unter
                              									ungünstigen Verhältnissen die nöthige Adhäsion besitzt. Durch die Verwendung eines
                              									Riemens ist auch dem bei vielen anderen Einrichtungen auftretendem lästigen
                              									Geräusche vorgebeugt, während der Antrieb selbst sanfter nicht gedacht werden
                              									kann.
                           Je nach der aufgewandten Kraft ist auch die Geschwindigkeit verschieden. Bei normalem
                              									Betriebe wird die ganze Strecke (750m) in 2,5
                              									Minuten zurückgelegt (4m,8 in der Secunde); bei
                              									den Probefahrten wurden dagegen 12m
                              									Geschwindigkeit in der Secunde überschritten, bei voller Belastung = 42 Personen.
                              									Unter ersteren Verhältnissen bietet die Maschine TL5 22
                              									Ampère 2,15 Volt = 4700 Volt-Ampère == 5 Pferde, im Maximum dagegen bietet sie 9e = 220 Volt 38 Ampère; dem entsprechend liefert
                              									die Locomobile in ersterem Falle etwa 7,5 im letzteren 14e.
                           Messungen über den Stromverlust haben ergeben, daſs derselbe selbst bei schlechtem
                              									Wetter ein sehr geringer ist, Das Geleise ist 740m
                              									lang und die beiden stromlosen Weichen je 18m.
                           
                           Diese elektrische Bahn ist die zweite in Bayern. Die erste, eine Lastbahn, wurde
                              									ebenfalls von S. Schuckert im J. 1883 in Brannenburg
                              									für die Herren Steinbeis und Consorten gebaut (vgl.
                              									1887 264 140).