| Titel: | Zur richtigen Werthschätzung des Wassergases. | 
| Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 514 | 
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                        Zur richtigen Werthschätzung des
                           								Wassergases.
                        Zur richtigen Werthschätzung des Wassergases.
                        
                     
                        
                           Im Laufe der letzten Jahre wurde das, wenn auch mit Unrecht als eine neue
                              									amerikanische Erfindung hingestellte Wassergas als
                              											„der Brennstoff der Zukunft“ unablässig
                              									angepriesen und an seine fernere Verwerthung die höchsten Erwartungen und kühnsten
                              									Hoffnungen geknüpft, so daſs ein nicht unbedeutender und gerade der besonnenere
                              									Theil der Techniker der Sache mit gewissem Miſstrauen gegenüber stand. Auch die
                              									Frankfurter Versuche des Jahres 1881 waren von keinem durchgreifenden Erfolge
                              									begleitet, und geraume Zeit verharrten die Verhältnisse in demselben Stadium. Erst
                              									in der jüngsten Zeit sind wirkliche Fortschritte gemacht worden, so daſs der
                              									Ausblick in die Zukunft ein vielverheiſsender geworden ist. Allerdings ist noch Manches zu klären, und
                              									immer Neues wird das eben alt gewordene ablösen.
                           Die Weiterentwickelung des Wassergasverfahrens hat diese angeblich amerikanische
                              									Erfindung vor Allem deutschen Fachmännern zu verdanken – theils durch genaueres
                              									Studium und Aufdeckung vorhandener Mängel, theils durch erhebliche Modifikationen
                              									der Apparate selbst – da die Ausbildung, welche ersteres in Amerika erfahren, sich
                              									für unsere Verhältnisse wenig tauglich erwiesen hat.
                           Beachtenswerthe Verbesserungen in dieser Hinsicht verdanken wir der Fabrik von Schultz, Knaudt und Comp. in Essen, später Europäische
                                 										Wassergasgesellschaft (vgl. 1887 264 * 26), und
                              									speciell deren Ingenieur E. Blass, welcher sich dadurch
                              									ein unleugbar groſses Verdienst um die Einführung und praktische Verwerthung der
                              									Wassergasapparate erworben hat.
                           Dieses neue, vielversprechende Stadium, in welches die Wassergasfrage in letzter Zeit
                              									getreten ist, hat Lunge veranlaſst, derselben
                              									eingehende Untersuchungen zu widmen, um dadurch einerseits vorhandene Vorurtheile zu
                              									beseitigen, andererseits lange bestehende, fest eingewurzelte Irrthümer aufzuklären
                              									und damit endlich aus der Welt zu schaffen.
                           Zunächst gibt genannter Forscher eine Definition darüber, was wir überhaupt unter der
                              									Bezeichnung „Wassergas“ zu verstehen haben, da bisher unter diesem Worte zwei
                              									ganz verschiedene Arten von Heizgas zusammengeworfen wurden. Eigentliches „Wassergas“ sollte man nur ein Gemenge von (theoretisch) gleichen
                              									Raumtheilen Kohlenoxyd und Wasserstoff nennen, welches bei der Einwirkung von
                              									Wasserdampf auf glühenden Kohlenstoff bei genügend hoher Temperatur entsteht, und
                              									dem in der Praxis natürlich stets noch kleine Mengen von anderen Grasen, wie
                              									Kohlensäure, Stickstoff, Schwefelwasserstoff, Siliciumverbindungen u.s.w.,
                              									beigemengt sind. Häufig versteht man aber auch unter Wassergas ein Generatorgas, dem durch Einführung von Wasser oder
                              									Wasserdampf eine erhebliche Menge (bis zu 15 Raumtheilen) Wasserstoff beigemengt
                              									ist, wie ein solches nach dem Verfahren von Schilling
                              									und Bunte in München (vgl.
                              									1883 248 * 25) in dem Wilson'schen und Dowson'schen Generator, den
                              									neueren Formen des Siemens'schen Generators (vgl. auch
                              									1885 257 * 70) und sonst erzeugt wird. Die Absicht der
                              									Erfinder bei Erzeugung dieses Generatorgases – von Bunte
                                 											„Generatorwassergas“, von Lunge
                                 											„Halbwassergas“ genannt, da auch bei dem eigentlichen Wassergas
                              									Generatoren zur Anwendung kommen – war die, den betrieb gewöhnlicher
                              									Kohlenoxyd-Generatoren durch Verhütung des Schlackens der Kohlenasche weniger mühsam
                              									und ökonomischer zu gestalten. Das Wasser, welches sofort verdampft, verhindert
                              									durch Temperaturerniedrigung das Zusammenbacken der Kohlenasche und die zu schnelle
                              									Zerstörung der unteren Theile des Generators, so daſs die Asche bequem entfernt werden kann.
                              									Hierbei entsteht aber bei Einwirkung von Wasser auf den Kohlenstoff durch die
                              									Bildung von Kohlenoxyd und Wasserstoff ein Nutzen, welcher keineswegs auſser Acht
                              									gelassen werden darf. Die Reaction verläuft jedoch nur bei Einhaltung bestimmter
                              									Temperaturgrenzen in diesem Sinne, sie tritt zwischen 700 und 800° ein und ist bei
                              									1000 bis 1200° vollständig nach folgender Gleichung:
                           C + H2O = CO + H2.
                           Wird aber der glühenden Kohlenmenge eine so groſse Wassermasse
                              									zugeführt, daſs die Temperatur auf 500° oder noch weiter erniedrigt wird, so
                              									geschieht dies zum Nachtheile der Operation, da die Reaction alsdann nach der
                              									Gleichung C + 2H2O = CO2 + 2H2 eintritt. Man darf deshalb mit der
                              									Wasserzufuhr nicht über eine bestimmte Grenze gehen: nach Bunte's Versuchen ist es am zweckmäſsigsten, auf je 1k vergasten Kohlenstoff nicht unter 0,7 und nicht
                              									über 0k,8 Wasserdampf einwirken zu lassen;
                              									unterhalb dieser Grenze tritt noch immer Schlackenbildung und Verstopfung des Rostes
                              									ein; über 0k,8 aber entsteht zu viel Kohlensäure.
                              									Die günstigste Reaction wird durch die Gleichung:
                           2C + O + H2O = 2CO + H2
                           dargestellt; sie verlangt auf 1 Th. Kohlenstoff 0,75 Th.
                              									Wasserdampf. In der Praxis stellt sich die Sache jedoch etwas anders; denn während
                              									obige Formel einem Gase von 40,9 Proc. Kohlenoxyd, 20,4 Proc. Wasserstoff und 38,7
                              									Proc. Stickstoff entspricht, bekommt man nach Schilling
                              									und Bunte's Angaben ein Gas von nachstehender
                              									Volumzusammensetzung:
                           
                              
                                 Kohlensäure
                                   8,6
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                 20,6
                                 „
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 15,0
                                 „
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 55,8
                                 „
                                 
                              
                           Die übrigen Generatorgase zeigen eine ähnliche Zusammensetzung mit geringen
                              									Unterschieden im Kohlensäure- und Kohlenoxydgehalte, auſserdem enthalten sie
                              									theilweise Wasserdampf und Kohlenwasserstoffe, wie z.B. Methan.
                           Das Wilson-Gas hat nach Stoeckmann's Untersuchungen folgende Durchschnittszusammensetzung:
                           
                              
                                 Kohlensäure
                                   6
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                 21
                                 „
                                 
                              
                                 Methan
                                   2
                                 „
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                   7,5
                                 „
                                 
                              
                                 Wasserdampf
                                   4,5
                                 „
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 59
                                 „
                                 
                              
                           Alle diese Arten von Gasen, wie auch das Dowson-Gas,
                              									welche Lunge „Halbwassergase“ genannt haben
                              									will, concurriren nur mit dem gewöhnlichen Generatorgas, dem Siemens-Gas und können im besten Falle einen kleinen Vortheil durch
                              									Zersetzung von Wasser auf Kosten von sonst verlorener Ausstrahlungswärme
                              									beanspruchen, suchen und finden aber ihren wesentlichen
                              									Vortheil in der leichteren Bedienung des Generators. Solches Gas eignet sich seiner Concentration
                              									halber namentlich zur Speisung von Gaskraftmaschinen und wird sowohl in England wie
                              									auch auf dem Continente vielfach zum Betriebe von Otto-Maschinen gebraucht.
                           Irrthümlicher Weise nun wird dieses Wilson- oder Dowson-Gas häutig schon als „Wassergas“ bezeichnet. Ein diesem ähnliches Gas erhält man zwar,
                              									wenn man das wirkliche Wassergas des Essener Apparates
                              									mit dem beim Heiſsblasen erzeugten Generatorgase mischt, jedoch wird ein solches Gas
                              									auch auf dem viel einfacheren Wege der naſs arbeitenden, gewöhnlichen Gasgeneratoren
                              									gewonnen, wozu der kostspielige Wasserapparat, mit seinem complicirten,
                              									intermittirenden Betriebe nicht nöthig ist. Man wird daher einen Wassergasapparat
                              									nur dann anlegen, wenn man das eigentliche Wassergas für
                                 										sich auffangen und benutzen will.
                           Hiermit ist es eigentlich schon ausgesprochen, daſs das wirkliche Wassergas, im
                              									Gegensatze zu dem Generatorgase, zu dem auch das „Halbwassergas“ zu rechnen ist, nicht dazu bestimmt sein kann, die
                              									Möglichst vollständige quantitative Ausnutzung des Brennwerthes der Kohle als
                              									Eigenzweck herbeizuführen, daſs man vielmehr seine eigentliche Nutzanwendung
                              									anderswo suchen muſs.
                           Lunge wendet sich alsdann gegen die Angaben Naumann's, welcher seinen Berechnungen die Annahme zu
                              									Grunde legt, daſs das Generatorgas vor seiner Verwendung auf die Temperatur der
                              									umgebenden Luft abgekühlt werde, und in Folge der daraus gezogenen Schlusse das
                              									Wassergas weit über das Generatorgas stellt. Nun paſst aber diese Art von Berechnung
                              									nur für den, von keinem modernen Praktiker in Bedacht gezogenen Fall, daſs man
                              									gewöhnliches Generatorgas ebenso, wie es allgemein mit Retorten-Leuchtgas geschieht,
                              									in einer Centralfabrik darstellen und weit entlegenen Abnehmern durch
                              									Röhrenleitungen zuführen wollte, während man heutzutage allgemein die Gasgeneratoren
                              									möglichst nahe an die Stelle setzt, wo das Gas verbrannt werden soll, dasselbe geht
                              									dann noch ganz heiſs in den Verbrennungsraum ein, und man verliert nur unbedeutend
                              									mehr Wärme als bei der direkten Verbrennung, nämlich nur so viel, als die wegen des
                              									gröſseren Umfanges des Generators etwas vermehrte Ausstrahlung des Feuerraumes
                              									beträgt.
                           Andererseits wird bei den Wassergasapparaten das Wasser in den Prozeſs in flüssiger
                              									Form eingeführt, verläſst denselben aber in den Rauchgasen in Dampfform, so daſs
                              									also beim Wassergas von vornherein die latente Wärme des Wasserdampfes einen schon
                              									der Theorie nach unvermeidlichen, zu allen anderen, mehr zufälligen Verlustquellen
                              										hinzukommenden Wärmeverlust von 8 Proc. verursacht.
                              									Auſserdem geht nicht allein die Erzeugung von Wassergas nicht ohne Verlust an Wärme
                              									durch Ausstrahlung aus dem meist eine groſse Oberfläche bietenden Apparat vor sich,
                              									sondern es wird auch die von dem Wassergas aus dem Kohlenschacht mitgenommene Wärme
                              									keineswegs vollständig ausgenutzt.
                           
                           Aus den angeführten Gründen ergibt sich, daſs schon nach theoretischen Erwägungen die
                              									Bezeichnung des Wassergases als des „Brennstoffes der Zukunft“ eine durchaus unberechtigte ist. Für die
                              									meisten industriellen Verwendungen der Kohle, nämlich überall, wo es auf möglichst
                              									gute quantitative Ausnutzung des Brennwerthes ankommt, und wo die verlangten
                              									Temperaturen bis zur Stahlschmelzhitze gehen, ist die Umwandlung der Kohle in
                              									Wassergas, abgesehen von der gröſseren Umständlichkeit bei dieser Darstellung, eine
                              									ungünstigere Ausnutzung des Heizwerthes als bei derjenigen im Generatorgas, unter
                              									der selbstverständlichen Voraussetzung, daſs die Generatoren rationell construirt
                              									und betrieben werden. Auch ist nicht zu übersehen, daſs bisher nur eine sehr
                              									begrenzte Klasse von Brennmaterialien als tauglich zur Umwandlung in Wassergas
                              									befunden worden ist.
                           Bei den Versuchen in Essen hat es sich nicht allein als
                              									zwecklos, sondern sogar als schädlich erwiesen, den Verbrennungsprozeſs der Kohle
                              									beim Heiſsblasen, d.h. in der mit der Wassergasbildung abwechselnden Arbeitsperiode,
                              									so zu leiten, daſs der Kohlenstoff hauptsächlich zu Kohlensäure verbrennt; die
                              									Apparate leiden hierbei auſserordentlich, und es läſst sich doch nur ein kleiner
                              									Theil der überschüssigen Wärme – nicht über 7 Proc. – im Regenerator zurückhalten.
                              									Man verbrennt deshalb in dem Essener Apparate den
                              									Kohlenstoff auch während der Periode, wo man nur überschüssige Wärme zur
                              									Hervorbringung der Wassergas-Reaction ansammeln will, nur bis zum Stadium von
                              									Kohlenoxyd, d.h. zu gewöhnlichem Generatorgas, von dem 4cbm auf 1cbm Wassergas entstehen,
                              									welches natürlich ganz wie gewöhnliches Siemens-Gas
                              									verwendet werden kann; allerdings geschieht dies in den wenigsten Fällen, da
                              									dasselbe beinahe stets und nur in sehr groſsen Apparaten nicht vollständig verloren
                              									geht.
                           Zur Beurtheilung der Frage nach dem jetzigen Stand der Wassergasfrage in der Praxis
                              									theilt Verfasser die Resultate mit, welche in Essen gewonnen wurden, ergänzt durch persönlich
                              									dortselbst und in Winterthur erhaltene Aufschlüsse.
                              									Diesen Angaben wird man sicherlich nicht vorwerfen können, daſs sie zu ungünstig für
                              									das Wassergas hingestellt worden seien. Hiernach braucht man mit dem schon längere
                              									Zeit bei Schultz, Knaudt und Comp. in Betrieb stehenden
                              									Apparate, welcher stündlich 250 bis 300cbm
                              									Wassergas liefert, durchschnittlich 1k Kohlenstoff
                              									(in Form von 1k,2 Koke) zur Erzeugung von 1cbm Wassergas. Analysen desselben sind:
                           
                              
                                 
                                 ungereinigt
                                 gereinigt
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                   3,2
                                 Proc.
                                   4,0
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                 42,3
                                 „
                                 41,2
                                 „
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 49,2
                                 „
                                 49,5
                                 „
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                   4,8
                                 „
                                   5,3
                                 „
                                 
                              
                                 Schwefelwasserstoff
                                   0,5
                                 „
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Siliciumwasserstoff
                                 Spuren
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                           Dazu bekommt man noch 4cbm Generatorgas von der
                              									Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Kohlensäure
                                   2,0
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                 28,0
                                 „
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                   2,0
                                 „
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 68,0
                                 „
                                 
                              
                           Die folgenden Rechnungen sind der Einfachheit wegen, mit Blass nicht auf die wirklichen, ohnehin immer etwas schwankenden Analysen
                              									von Wassergas, sondern auf das theoretische Wassergas von 50 Volumprocent Kohlenoxyd
                              									und 50 Volumprocent Wasserstoff begründet, welches in 1cbm 0k,627 Kohlenoxyd und 0k,0448 Wasserstoff, zusammen 0k,672 enthält.
                           
                              
                                 1cbm Wassergas
                                    											enthält
                                 0k,269
                                 Kohlenstoff.
                                 
                              
                                 Die Erzeugungsreaction verbraucht 868Blass setzt den Wärmezuschuſs bei der
                                          													Erzeugung von Wassergas in seinem ganzen Aufsatze = 775
                                          													Wärmeeinheiten, was aber auf einem leicht ersichtlichen Rechenfehler
                                          													beruht (1523 – 648 ist doch nicht 775, sondern 875!) Lunge kommt durch Annahme von CO = 2473
                                          													und H2O = 34200 auf 868
                                          													Wärmeeinheiten. Wärmeein-   heiten, zu erhalten
                                    											durch Verbrennung von Kohlen-   stoff zu Kohlenoxyd =
                                 0k,351
                                 „
                                 
                              
                                 Mehr verbrannt und verloren durch Strahlung und   durch
                                    											Abkühlung der Gase
                                 0k,380
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 1k,000
                                 Kohlenstoff
                                 
                              
                           Bei der Verbrennung entwickelt nun 1cbm Wassergas:
                              									0,627 × 2403 + 0,0448 × 28800 = 2797Blass setzt den Heizwerth von 1cc CO + H2
                                    											= 3023 Wärmeeinheiten; aber dies beruht auf der praktisch ganz unmöglich zu
                                    											erfüllenden Forderung, daſs man den Wasserstoff zu flüssigem Wasser
                                    											verbrenne. Wir dürfen unbedingt für Wasserstoff nicht 34200, sondern nur
                                    											28800 Wärmeeinheiten einsetzen, wie dies ja auch in allen entsprechenden
                                    											Fällen bei rein wissenschaftlichen Benennungen geschieht.
                              									Wärmeeinheiten. Nun entwickelt bekanntlich 1k
                              									Kohlenstoff bei direkter Verbrennung 8080 Wärmeeinheiten. Wenn also das Generatorgas
                              									der Heiſsblasperiode verloren geht, so behält man im Wassergas nur 2797/8080 oder
                              									34,6 Proc. des Brennwerthes der verbrauchten Kohle.
                           Weit besser stellt sich natürlich die Rechnung, wenn man eine vollständige
                              									(theoretische) Verwerthung des beim Heiſsblasen erzeugten Generatorgases annimmt,
                              									was allerdings in der Praxis selten zu erzielen sein wird. Dann bekommen wir
                              									folgenden Ansatz:
                           
                              
                                 1cbm Wassergas
                                    											entwickelt
                                 2797
                                 Wärmeeinheiten
                                 
                              
                                 4cbm Generatorgas mit 28
                                    											Proc. Kohlenoxyd und   2 Proc. Wasserstoff, zu 900 WärmeeinheitenLunge acceptirt hierbei die Angabe von
                                          														Blass, daſs man 4cc Gas von 28 Proc. CO, 2 Proc. H
                                          													und nur 2 Proc. CO2 erhält, was
                                          													sicher nicht unter der
                                          													Durchschnittsqualität sein wird, nicht aber seine Schätzung von 1000
                                          													Wärmeinheiten für 1cc dieses
                                          													Gases, da man durch Rechnung nur auf 900 Wärmeeinheiten
                                          												kommt.   entwickeln
                                 3600
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 6397
                                 Wärmeeinheiten
                                 
                              
                           Auch bei der vollst denkbaren Ausnutzung des Generatorgases bekämen wir also aus diesem und dem
                              									Wassergas zusammen nur 6397/8080 = 79,2 Proc. des direkten Heizwerthes der
                              									Kohle. Mit diesem Verlust von 21 Proc. sind nun die 5 Proc. Verlust zu vergleichen,
                              									welche man bei gewöhnlichen Gasgeneratoren, die das Gas heiſs verwenden,
                              									erleidet.
                           Bei dem besten bisher bekannten Wassergasapparate und bei der höchstmöglichen
                              									Ausnutzung von dessen Producten erleidet man also beim Wassergas 16 Proc. mehr
                              									Verlust an Heizkraft als durch die Vergasung der Kohle in Generatoren.
                           Es ist daher nicht möglich zu einem anderen Schluſs zu kommen als dem, daſs die
                              									Vergasung der Kohle in Form von Wassergas in
                              									theoretischer wie in praktischer Hinsicht dieselbe weniger
                                 										gut verwerthet, als die Vergasung in Form von Generatorgas, falls letzteres auch am Orte seiner Erzeugung verbraucht
                              									wird.
                           Es soll jedoch damit dem Wassergase keineswegs jede künftige Verwerthung abgesprochen
                              									werden, vielmehr steht demselben nach einer anderen Richtung hin ein weites Feld
                              									noch offen, da es nach allein vorhin Ausgeführten mit dem Retorten-Leuchtgase
                              									zusammen in die Kategorie der Special- oder Luxusbrennmaterialien gesetzt werden
                              									muſs. Diese aussichtsvolle Zukunft verdankt es vor Allem der auſserordentlich hohen
                              									Temperatur, welche bei seiner Verbrennung mit einfachsten Mitteln zu erzeugen ist.
                              									Diese Temperatur ist höher sowohl als die, welche man mit Generatorgas bei passender
                              									Vorwärmung des letzteren, als auch die, welche man mit dem dem Wassergase
                              									theoretisch an Heizeffect ganz nahestehenden Leuchtgas hervorzubringen vermag.
                           Wir besitzen daher in dem Wassergase zweifellos ein unschätzbares Mittel zur
                              									Erzeugung sehr hoher Temperaturen, und man wird gerade da, wo es auf eine möglichst
                              									hohe Temperatur ankommt, äuſserst günstige Ergebnisse erzielen können.
                           Verfasser stellt alsdann Betrachtungen an über die
                              									Ursache der hohen Temperatur der Wassergasflamme namentlich gegenüber der des
                              									Leuchtgases und findet, daſs der Grund wohl der ist, daſs im Leuchtgase bis 40
                              									Raumprocent Methan enthalten sind, welches Gas sich bei der Gasanalyse bekanntlich
                              									viel schwerer verbrennlich als Wasserstoff und Kohlenoxyd erwiesen hat. Diese
                              									verhältniſsmäſsig schwierige Brennbarkeit des Methans bewirkt nun, daſs die
                              									Verbrennung des Leuchtgases viel langsamer als diejenige des Wassergases verläuft,
                              									wodurch sich die längere und dem entsprechend weniger heiſse Flamme genügend
                              									erklärt.
                           Weiter gibt Verfasser ein Bild von dem künftigen
                              									Arbeitsfeld, welches dem Wassergase in Folge seiner hohen Verbrennungstemperatur
                              									voraussichtlich sich erschlieſsen wird. Es unterliegt keinem Zweifel, daſs, falls
                              									die 4cbm Generatorgas, welche neben 1cbm Wassergas aus 1k Kohlenstoff entstehen, ausgiebig verwerthet werden, was bei gröſseren
                              									Anlagen wohl möglich gemacht werden kann, das Wassergas sich wesentlich billiger stellen wird als
                              									bisher, wo das Generatorgas meist verloren ging. Aber selbst diesen ungünstigeren
                              									Fall vorausgesetzt, wird sein Preis, auch bei Anwendung guter Koke und in ziemlicher
                              									Entfernung vom Fabrikationssitze, 4 Pf. für 1cbm
                              									nicht übersteigen und sogar in den von den Gruben entfernteren Ländern, wie z.B. in
                              									der Schweiz, wird 1cbm nicht viel über 5 Pf. zu
                              									stehen kommen. Rechnet man hierzu noch 2 Pf. auf 1cbm für Verzinsung des Rohrnetzes, Patentabgabe u. dgl., so erreichen die
                              									Kosten höchstens 7 Pf. für 1cbm, was sicherlich
                              									als Durchschnittspreis von Centraleuropa gelten kann. Da hierbei das nebenher
                              									gewonnene Generatorgas nicht mit eingerechnet ist, so wird an diesem bei obigem
                              									Preise ein weiterer schöner Nutzen zu erreichen sein.
                           Es erscheint daher als sehr vortheilhaft, wenn das Wassergas, ganz wie jetzt das
                              									Leuchtgas, an vielen Orten fabrikmäſsig erzeugt und durch Röhrenleitungen an
                              									einzelne Abnehmer in beliebigen Mengen abgegeben wird. Als eine wesentliche
                              									Erleichterung für die Einführung des Wassergases erscheint der Umstand, daſs die
                              									bestehenden Gasfabriken ihre sämmtlichen Condensations- und Reinigungsapparate,
                              									Gasbehälter und Röhrenleitungen unverändert benutzen können, allerdings nur in dem
                              									Falle, daſs sie, wie Lunge sagt, vollständig „umsatteln“. Aber auch für Fabriken anderer Art wird sich die
                              									Aufstellung eines Wassergasapparates empfehlen, da sie dann so viel Generatorgas
                              									umsonst bekommen und das Wassergas selbst sowohl zu Heizzwecken wie zur Beleuchtung
                              									verwenden können.
                           Obwohl das Wassergas an sich keine leuchtende Flamme besitzt, so ist doch seine
                              									allgemeine Verwendung bisher die zur Beleuchtung
                              									gewesen. Die Leuchtkraft wurde dem Gase durch Dämpfe mitgetheilt, welche durch die
                              									Berührung von Erdölrückständen mit glühenden Flächen entstehen. Auf diese Art werden
                              									über 100 Städte von Nordamerika erleuchtet, und alle die verschiedenen Apparate,
                              									welche zu diesem Zwecke construirt wurden, sind nur Modificationen dieses
                              									Verfahrens. Aber alle diese Systeme haben auch ihre groſsen Schattenseiten, vor
                              									Allem die, daſs trotz sorgfältigster Operation die Licht gebenden Oele bei längerem
                              									Verweilen in den Röhrenleitungen und namentlich bei kaltem Wetter groſsentheils
                              									wieder zur Ausscheidung kommen, und das Gas dann schlecht leuchtend wird; und wenn
                              									diese Art der Beleuchtung in Amerika solch groſse Verbreitung gefunden hat, so hat
                              									sie dies nur dem dortigen hohen Preis guter Gaskohle einerseits und der Billigkeit
                              									von gutem Anthracit und von Erdölrückständen andererseits zu verdanken.
                           Bei uns dürften also wohl alle ähnlichen Verfahren nicht auf Verdrängung des alten
                              									Steinkohlen-Leuchtgases rechnen können.
                           Eine aussichtsvolle Zukunft eröffnet sich aber dem „Wassergas-Glühlicht“. Die Mängel, welche eine wirklich praktische
                              									Verwerthung desselben bis heute verhinderten, sind jetzt glücklich überwunden:
                              									einerseits ist das
                              									Wassergas billig genug geworden und andererseits verwendet man jetzt als
                              									Leuchtkörper anstatt der wenig haltbaren Platinkörbchen des in Frankreich mehrere
                              									Jahre eingeführten Systems Gillard mit Vortheil die Fahnehjelm'schen Magnesiakämme (vgl. 1886 261 * 526), welche so billig herzustellen sind, daſs
                              									trotz oftmaliger Erneuerung derselben die Kosten der Beleuchtung dadurch nur um 1
                              									Pf. für 1cbm erhöht werden. Eine mit neuem
                              									Magnesiakamm versehene Wassergasflamme gibt bei einem Gasverbrauche von 150l die Stunde 20 bis 22 Kerzen, während
                              									gewöhnliches Leuchtgas bei demselben stündlichen Verbrauch im Durchschnitt nur 15
                              									Kerzen gibt. Allerdings sinkt auch das Fahnehjelm'sche
                              									Licht nach etwa 50 Brennstunden auf 15 Kerzen, da die Spitzen der Magnesiakämme
                              									allmählich abbrennen, allein letztere können bei ihrer groſsen Billigkeit ohne
                              									weitere groſse Kosten leicht erneuert und die alten Kämme, wenn daran gelegen, immer
                              									noch für Treppenbeleuchtung u. dgl. verwendet werden.
                           Das Fahnehjelm-Licht oder Magnesia-Glühlicht kommt bei einem Maximalpreis des Wassergases von 7 Pf.
                              									auf 8 Pf. für 1cbm zu stehen. Damit kann nun
                              									Jedermann den Preis vergleichen, den er für 1cbm
                              									Leuchtgas von höchstens ebenso groſser Leuchtkraft bezahlen muſs, und er wird
                              									finden, daſs bei Einführung der Wassergasbeleuchtung mit Magnesia-Glühlicht, ein
                              									sehr bedeutender Vortheil sich für den Abnehmer ergibt, wobei auch den Gasfabriken
                              									ein guter Verdienst gegönnt sein soll. Dabei ist aber dieses Licht dem alten
                              									Gaslicht in mehrfacher Hinsicht überlegen: Nicht allein ist seine Farbe eine
                              									auſserordentlich angenehme, dem Tageslichte ähnliche, da ihm weder das tote
                              									bläuliche Weiſs des elektrischen Bogenlichtes, noch aber eine so groſse Menge gelber
                              									Strahlen eigen ist, wie sie das Gaslicht und das elektrische Glühlicht besitzen,
                              									sondern ein weiterer Vorzug desselben ist auch die völlige Kühe der Flamme und
                              									ferner ist die Erwärmung der Luft durch das Magnesia-Glühlicht eine weit geringere
                              									als die durch die Leuchtgasflamme.
                           Hiernach ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daſs die Wassergasbeleuchtung mit Fahnehjelm'schem Glühlichte weitaus billiger, schöner
                              									und in Bezug auf die Verbrennungsproducte gesünder als unser jetziges Leuchtgas
                              									ist.
                           Eine Forderung muſs jedoch hinsichtlich des Wassergases,
                              									ehe man seine allgemeine Einführung in Hausleitungen empfehlen kann, erfüllt werden:
                              									Da dasselbe geruchlos und dabei auſserordentlich giftig ist, muſs man es hinreichend
                              										„parfümiren“, um Lecke in Röhren, offenstehende Hähne u. dgl. leicht
                              									entdecken zu können. Zu diesem Zwecke angestellte Versuche sind schon gelungen und
                              									sehen immer fortschreitenden Verbesserungen entgegen.
                           Ist das Wassergas einmal durch Röhrenleitungen allgemein zugänglich, so wird dasselbe
                              									bald vielfach als Heizgas für häusliche Zwecke
                              									verwendet werden, zum
                              									eigentlichen Heizen wie zum Kochen. Es ist dafür auſserordentlich bequem, da es aus
                              									einfachen Loch- oder Schlitzbrennern vollkommen rauch- und ruſsfrei brennt.
                           Für industrielle Zwecke wird man das Wassergas natürlich
                              									in erster Linie da verwenden, wo es sich um die Erzielung sehr hoher Temperaturen
                              									handelt, auſserdem eignet es sich aber auch sonst zu allen technischen Operationen,
                              									bei denen es nicht auf die möglichst vollständige Ausnutzung eines Brennstoffes
                              									ankommt, sondern wo die Regelmäſsigkeit, Reinlichkeit und Einfachheit der Erhitzung
                              									in erster Linie stehen; also Fälle, wo man schon heute gern Leuchtgas anwenden
                              									würde, wenn sein Preis nicht zu hoch wäre.
                           Endlich wird auch die Anwendung von Gasmotoren bei
                              									Einführung des Wassergases eine unvergleichlich gröſsere Ausdehnung als bisher
                              									gewinnen. Nach in Essen angestellten Versuchen braucht
                              									man für 1e und 1 Stunde 2cbm Wassergas.
                           Alles in Allem genommen ist dem weiteren Fortschreiten der Wassergaserzeugung eine
                              									sehr günstige Aussicht zu stellen, nicht als „Brennstoff der Zukunft“ zum Ersatze der direkten und der
                              									Generator-Feuerung, sondern zur zweckmäſsigen Ergänzung beider, und vor Allem zur
                              									Beleuchtung. (Nach der Chemischen Industrie 1887 Bd. 10
                              									S. 170.)
                           Die in Lunge's Abhandlung enthaltene Richtigstellung der
                              									von Naumann in seiner Schrift: Die Heizungsfrage, mit besonderer Rücksicht auf Wassergaserzeugung und
                                 										Wassergasheizung, Gieſsen, Ricker'sche
                              									Buchhandlung 1881, gegebenen Erklärungen und Bezeichnungen hat einen lebhaften
                              									Meinungsaustausch zwischen diesen beiden Gelehrten hervorgerufen, auf welchen hier
                              									näher nicht eingegangen werden soll. (Chemiker-Zeitung
                                 									1887 Bd. 11 S. 816 und 872.)