| Titel: | Die Bewegung des Leuchtgases im Boden in der Richtung geheizter Wohnräume und über den Kohlenoxydgehalt des Gases. | 
| Autor: | W. Leybold | 
| Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 560 | 
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                        Die Bewegung des Leuchtgases im Boden in der
                           								Richtung geheizter Wohnräume und über den Kohlenoxydgehalt des Gases.Entgegnung auf die Arbeit von Sudakoff (Archiv für
                                    											Hygiene, 1886 Bd. 5 Heft 2).
                           							
                        Ueber die Bewegung des Leuchtgases im Boden.
                        
                     
                        
                           Im Hofe des hygienischen Instituts zu München stellte auf Pettenkofer's Veranlassung Sudakoff Versuche
                              									an: „Ueber die Bewegung des Leuchtgases im Boden in der Richtung geheizter
                                    											Wohnräume“, welche in diesem Journal (1886 262 180) im Auszuge beschrieben sind. Dieselben hatten den Zweck, zu
                              									beweisen, daſs in den meisten Fällen, in denen Gas in die Häuser eindringt, die
                              									aspirirende Kraft derselben das Hauptmoment sei, welches diese Erscheinung
                              									hervorrufe. Schon 1884 machte Wagner geltend (1886 262 180), daſs das Gas auf den Straſsen durch eine dichte
                              									Decke von Stein- oder Asphaltpflaster, Platten, Eis u. dgl. am Austreten gehindert,
                              									eben den bequemsten Weg hauptsächlich wähle und so durch locker aufgefüllte Stellen
                              									in die Wohnungen gelange, daſs dagegen die ansaugende Kraft derselben sich nur auf
                              									geringe Entfernungen geltend mache. Auch die Versuche von Bunte haben gezeigt, daſs die ansaugende Kraft der Häuser nur auf einige
                              									Meter wirkt, daſs aber das Gas dennoch am raschesten im lockeren, aufgefüllten Boden
                              									sich bewegt, und zwar bei dessen Versuchen zufällig gerade in einer dem geheizten
                              									Häuschen entgegengesetzten Richtung. Im Sommer lieſs sich der Geruch des Gases rasch
                              									auf der Oberfläche wahrnehmen, in einer kleinen mit der Hand gegrabenen Grube lieſs
                              									es sich sogar entzünden; im Winter dagegen war von Geruch gar nichts zu bemerken;
                              									der gefrorene Boden lieſs das Gas eben nicht austreten.
                           Gegen die Sudakoff'sche Arbeit wendet sich nun A. Wagner (Repertorium der analytischen Chemie, 1887
                              									Bd. 7 S. 131) und weist auf verschiedene unrichtige Angaben wie auch auf die mit der
                              									Wirklichkeit gar nicht übereinstimmende Versuchsanlage hin. Der Plan der letzteren
                              									war etwa folgender: Die geheizten Wohnräume wurden dargestellt durch 2 gleich
                              									groſse, nach oben sich verengende in den Boden eingelassene Zinkcylinder, deren über
                              									dem Boden befindlicher Rauminhalt je 0cbm,41
                              									betrug. Auf das obere, offene Ende jedes Cylinders wurde als Kamin eine 2m,5 hohe Röhre aufgesetzt, in welche durch eine
                              									seitliche verschlieſsbare Oeffnung eine kleine Erdöllampe gebracht werden konnte.
                              									Der Apparat wurde bei jedem Versuche „hermetisch“ abgedichtet. Durch Einleiten von Gas in 1m Tiefe wurde ein Rohrbruch nachgeahmt. Der Boden
                              									bestand aus einer 10 bis 20cm dicken Schicht
                              									Gartenerde, darunter Gerölle. Bei den letzten Versuchen wurden die ausgegrabenen
                              									Kanäle mit gesiebter Erde verschüttet.
                           Die aspirirende Wirkung der Zinkcylinder mit den Lampen wurde durch die Menge des der
                              									Luft in der Richtung zum geheizten Cylinder hin beigemischten Leuchtgases ermittelt.
                              									Diese Anordnung des Versuches stimmt mit der Wirklichkeit wenig überein, indem die
                              									Wohnräume nicht aus „hermetisch“ abgedichtetem, sondern aus porösem Material hergestellt
                              									sind und zahlreiche undichte Stellen in Thüren und Fenstern besitzen. Ferner besteht
                              									der feste Straſsenkörper, in dem die Gasleitungen eingebettet liegen, an der
                              									Oberfläche nicht aus Gartenerde bis zu 20cm Tiefe,
                              									sondern aus Granit, Asphalt, Macadam, Holz u. dgl. Hätte Sudakoff neben einem festen Straſsenboden statt des Zinkcylinders einen Bau von gleicher
                              									Gröſse aus porösem Material, mit den undichten Stellen der Thüren und Fenster
                              									aufgerichtet, so würde die brennende Lampe wohl keine, oder jedenfalls nur
                              									unbedeutende aspirirende Wirkung auf das ausströmende Leuchtgas ausgeübt haben.
                           Die Bestimmung der Leuchtgasmenge in der Bodenluft geschah aus deren
                              									Wasserstoffgehalt, welcher durch Verbrennung mittels Palladiumasbest ermittelt
                              									wurde. Selbstverständlich war der Wasserstoffgehalt des bei jedem Versuche benutzten
                              									Leuchtgases bekannt. Diese Art der Bestimmung kann auf Genauigkeit keinen Anspruch
                              									erheben; es ist z.B. bei einem Versuche angegeben, daſs die Bodenluft 18,74 Proc.
                              									Leuchtgas und 17,5 Proc. Sauerstoff enthalten habe. Auf 17,5 Proc. Sauerstoff müssen
                              									aber sicher 83cc,5 Stickstoff vorhanden sein, und
                              									die Summe ergibt – 17cc,5 Sauerstoff der Luft +
                              										83cc,5 Stickstoff der Luft + 18cc,74 Leuchtgas – die Zahl 119,74 anstatt 100.
                           Auffallend ist auch, daſs in den Zinkcylindern ein unverhältniſsmäſsig geringerer
                              									Leuchtgasgehalt der Luft gefunden wurde als im Rohre zwischen Einströmungsstelle und
                              									Cylinder. So z.B. bei einem Versuche im Cylinder 1,18 Proc., im mittleren Rohre
                              									dagegen 31,7 Proc., in einem anderen Falle 1,42 Proc. gegen 41,11 Proc. In mehreren
                              									Fällen war die Luft in dem Cylinder, in welchem die Lampe brennt, nach gleicher Zeit
                              									ärmer an Leuchtgas, als die aus der Röhre in der Richtung zum anderen nicht
                              									geheizten Cylinder strömende. Es zeigt dies, wie gering schon die saugende Wirkung
                              									der hermetisch gedichteten Cylinder war; wären dieselben jedoch gleich den Wohnungen
                              									aus undichtem Material gewesen, so wäre kaum eine Spur der aspirirenden Wirkung zu
                              									bemerken gewesen.
                           Nach Wagner's Ansicht läſst sich die saugende Wirkung
                              									geheizter Räume nur dadurch beweisen, daſs man im Winter Straſsen auswählt, welche
                              									nur auf einer Seite bebaut, auf der anderen aber frei sind, z.B. groſse Plätze. Das
                              									Leuchtgas wäre 1m tief in den festen, gefrorenen
                              									Straſsenkörper einzuleiten, unter Zusatz von Schwefelwasserstoff zum Gase; dann
                              									sollten nach der bebauten wie nach der unbebauten Seite der Straſse hin Gasproben
                              									genommen, auf Leuchtgas bezieh. Schwefelwasserstoff untersucht werden.
                           Sudakoff machte noch auf die Thatsache aufmerksam, daſs
                              									Leuchtgasvergiftungen mehr in entlegenen Stadttheilen als im Mittelpunkte der Stadt
                              									zu beobachten sind und schreibt dies in letzterem Falle dem Vorhandensein von
                              									Kellern mit meist feuchten, daher undurchlässigen Mauern zu. Am wahrscheinlichsten
                              									ist indessen die Erklärung, daſs im Mittelpunkte der Stadt starke, mehr
                              									widerstandsfähige Gasrohre liegen als in entlegenen Straſsen, wo die Rohre schon
                              									schwächer auslaufen und deshalb gegen Bodensenkungen empfindlicher sind. Dazu kommt
                              									noch, daſs in den im Mittelpunkte gelegenen, belebteren Stadttheilen etwaige Brüche
                              									rascher bemerkt und sofort reparirt werden.
                           
                           Einer eingehenden Besprechung unterzieht Wagner jenen
                              									Theil der Arbeit, welcher sich mit dem Kohlenoxydgehalte des Gases befaſst. Sudakoff stellt Analysen von englischem Leuchtgase vom
                              									J. 1851 und 1876 einander gegenüber, nach welchen im ersteren Jahre 10,35, im
                              									letzteren 5,24 Proc. Kohlenoxyd im Leuchtgase durchschnittlich enthalten waren, und
                              									bemerkt dazu: „daſs aus einer und derselben englischen Kohle, Dank wahrscheinlich
                                 										den Verbesserungen in der Bereitung des Leuchtgases, es gelungen ist, ein Gas zu
                                 										bereiten, welches nur halb so viel Kohlenoxyd enthält und folglich weniger
                                 										giftig ist.“
                              									Sudakoff fordert nun „auf Grund jener Fortschritte,
                                 										welche in England bezüglich der Verminderung des Gehaltes an Kohlenoxyd im
                                 										Leuchtgase gemacht worden sind“, die Polizeibehörden auf, den Direktoren der
                              									Gasfabriken vorzuschreiben, ein Gas von nur 5 Proc. Kohlenoxyd in den Verkehr zu
                              									bringen. Sudakoff sollte wissen, daſs es seit 1851
                              									Fortschritte nicht gibt, durch welche der Kohlenoxydgehalt des Gases auf die Hälfte
                              									vermindert werden könnte. Glaubt Sudakoff, daſs in
                              									England 1851 und 1876 das Gas wirklich „aus ein und derselben englischen
                                 										Kohle“ bereitet wurde? Welch verschiedenartiges Gas man aus englischen
                              									Kohlensorten erhält, zeigen die Versuche von SchillingSchilling, Handbuch., wie
                              									auch neuere von Schiele.Journal für Gasbeleuchtung, 1887 S.
                                       											3. Von ersterem seien als Beleg nur einige Zahlen
                              									angeführt:
                           
                              
                                 100k
                                 Old Pelton Main
                                 ergeben
                                 35,11cbm
                                 von 0,39
                                 sp.
                                 G.
                                 
                              
                                 100k
                                 Lesmahago Cannel
                                 „
                                 38,73  „
                                 von 0,55
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 100k
                                 Boghead
                                 „
                                 41,40  „
                                 von 0,66
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           Aeltere Gasanalysen sind auch oft mit neueren gar nicht zu vergleichen, da bei
                              									ersteren die Kohlenoxydbestimmung häufig mit metallischem Kalium ausgeführt
                              									wurde.
                           Insbesondere wendet sich Sudakoff gegen das Münchener
                              									Leuchtgas mit einem Gehalt von etwa 10 Proc. Kohlenoxyd, und fügt bei, daſs in Heidelberg aus derselben Kohle (Saarkohle) ein Gas mit
                              									4,04 bis 5,10 Proc. Kohlenoxyd – nach Landolt's Angaben
                              									– erzielt werde? wobei er die Schuld der Betriebsleitung der Münchener Fabrik zuschiebt. Landolt fand
                              									übrigens selbst im Heidelberger Gas einmal 7,64 Proc.
                              									Kohlenoxyd, Bunsen 1877 8,8 Proc. Nach Sudakoff soll das „aus englischen? westfälischen und
                                 										anderen deutschen Kohlensorten gewonnene Gas nicht mehr als 5 bis 6 Proc.
                                 										Kohlenoxyd“ enthalten, dem Münchener mit 10 Proc. gegenüber. Diese
                              									Behauptung ist vollständig unrichtig. So fand Fischer
                              									(1883 249 179) im Leuchtgase der Gasfabrik Hannover, aus westfälischen Kohlen erzeugt, 11,19 Proc.
                              									Kohlenoxyd. Bunte'sJournal für Gasbeleuchtung, 1885 S. 683 und 1886
                                    											S. 598. Versuche ergaben als Kohlenoxydgehalt des Gases aus
                              									Saarkohle „Heinitz 1“ 8,6 Proc., aus westfälischer Kohle „Consolidation“ 7,2 Proc., aus böhmischer Schwarzkohle von Littiz 10,0
                              									Proc., aus sächsischer Kohle 
                              									„Bürgergewerkschaft Zwickau“ 9,5 Proc., aus böhmischer Plattenkohle 8,3 Proc.Die weiter angeführte Angabe Löwe's welcher 1877
                                    											im Gase der Neuen Frankfurter Gasgesellschaft 18,65 Proc. Kohlenoxyd
                                    											gefunden haben will, ist entschieden unrichtig.
                           Nach Sudakoff erzeugen die Gastechniker auf dem
                              									Continent Leuchtgas von „schlechtester
                                 									Qualität“. Es scheint ihm also noch unbekannt zu sein, daſs in allen Städten das
                              									Gas nach Leuchtkraft und nach Reinigung hin Vertragsbestimmungen entsprechen
                              										muſsUm dem Nichtfachmanne ein Beispiel solcher Bestimmungen zu geben, seien hier
                                    											die für Frankfurt a M. gültige, sowie die vom
                                    											dortigen Tiefbauamt ausgeführte Controle beigesetzt:Gasbeleuchtung in Frankfurt am Main.30. Woche 1887.Bestimmungen über die Lichtstärke des Leuchtgases.Nach den Feststellungen, welche vom 1. April 1885 an über die Lichtstärke der
                                    											hier zur Verwendung kommenden Leuchtgasarten in Gültigkeit getreten sind,
                                    											muſs1) die Imperial-Continental-Gas-Association
                                    											(Englische Gesellschaft) ein Steinkohlengas liefern, welches bei einem
                                    												113l nicht übersteigenden stündlichen
                                    											Verbrauche eine Leuchtkraft hat, welche mindestens der von 9½ Wallrathkerzen
                                    											(von circa 343mm Länge und etwa 19mm Durchmesser) gleichkommt, wovon 4 auf
                                    												0k,5 gehen, und je 5g,0 Wallrath in der Stunde verbraucht;2) die Frankfurter Gas-Gesellschaft ein Mischgas
                                    											liefern, welches bei einem 50l nicht
                                    											übersteigenden stündlichen Gasverbrauche mindestens die gleiche (nicht unter
                                    											9½ der vorbeschriebenen Wallrathkerzen liegende) Leuchtkraft besitzt.Die vom 24. Juli bis 30. Juli d. J. angestellten Versuche haben folgende
                                    											Durchschnitte für die Leuchtkraft der beiden Gasarten ergeben.GesellschaftStündlicherVerbrauchin LiternLichtstärkein
                                          													KerzenDurchschnittder 7 TageRelativer Leuchtwerthbeider
                                          													Gas-ArtenEnglische11311,5100,0206,2sind gleichsind gleichFrankfurter  5010,548,5100,0Frankfurt a. M., den 1. August 1887.Tiefbau-Amt., worauf es ständig geprüft
                              									wird, und daſs bei Nichteinhaltung des Vertrages empfindliche Bestrafung
                              									eintritt.
                           W. Leybold.