| Titel: | Ueber die Herstellung von Kaliumchlorat mit Magnesia. | 
| Autor: | P. Naef | 
| Fundstelle: | Band 266, Jahrgang 1887, S. 91 | 
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                        Ueber die Herstellung von Kaliumchlorat mit
                           								Magnesia.
                        Ueber die Herstellung von Kaliumchlorat mit Magnesia.
                        
                     
                        
                           C. Longuet
                                    											Higgins bespricht im Journal of the Society of chemical
                                       												Industry 1887 Bd. 6 S. 248 das E. K. Muspratt und G. Eschellmann patentirte
                              									Verfahren zur Herstellung von Kaliumchlorat mit Magnesia (vgl. 1884 252 224. 254 90), welches im
                              									J. 1883 von Eschellmann in Muspratt's Fabrik in Widnes ausgearbeitet
                              									worden ist und seither dort zur Chloratherstellung benutzt wird.
                           Schon Weldon wollte Magnesia zur Herstellung von
                              									Kaliumchlorat verwenden und aus dem gebildeten Chlormagnesium Chlor und Magnesia
                              									wieder gewinnen. Eschellmann wurde zur Benutzung von
                              									Magnesia statt Kalk durch die viel höhere Chloratausbeute, sowie auch durch den
                              									Umstand, daſs Chlormagnesium mit Vortheil an Appreteure verkauft werden kann,
                              									veranlaſst.
                           Die Magnesia wird aus Magnesit durch Brennen gewonnen. Das Mineral Magnesit kommt
                              									hart, weich oder erdig im Handel vor und hat 2,8 bis 3,08 spec. Gew. Gut gebrannte
                              									Magnesia ist leicht und weich wie Kreide und zeigt strahlige Struktur und manchmal
                              									violette Farbe. Da sich Magnesit viel leichter brennen läſst als Kalkstein, kann ein
                              									Ueberbrennen der Magnesia ziemlich leicht vorkommen, so daſs eine harte, schwere
                              									Masse von 3,07 bis 3,61 spec. Gew. entsteht, welche von Chlor nicht angegriffen
                              									wird.
                           Magnesia ist fast unlöslich in Wasser und löscht sich daher nicht wie Kalk. Vor
                              									Behandlung mit Chlor muſs sie aufs feinste gemahlen und in Wasser suspendirt werden,
                              									und selbst dann ist die Einwirkung bedeutend langsamer als bei Kalk, so daſs die
                              									Temperatur im Absorptionsgefäſs höchstens bis 60° steigt. Die Menge der behandelten
                              									Flüssigkeit, sowie Gehalt des Chlorgases und Temperatur scheinen auf das fertige
                              									Product keinen wesentlichen Einfluſs zu haben. Magnesiumchlorat bildet sich schon
                              									bei gewöhnlicher Temperatur, so daſs Lauge, welche mit verdünntem Chlor hergestellt
                              									wurde, ganz gleiche Eigenschaften besaſs wie solche, welche sich durch Behandlung
                              									mit concentrirtem Chlorgas erwärmt hatte. Die Rosafärbung kann nicht wie bei
                              									Behandlung von Kalk mit Chlor als ein Zeichen der Sättigung dienen, da eine solche
                              									oft schon auftritt, wenn noch ungelöste Magnesia vorhanden ist. Da durch Behandlung
                              									von Magnesia mit Chlor auch bei gewöhnlicher Temperatur keine Bleichlösung
                              									hergestellt werden kann, muſs die Umwandelung von Magnesiumhypochlorit in Chlorat
                              									sehr schnell vor sich gehen.
                           
                           So enthielt die stark rosa gefärbte Lauge aus einem groſsen Absorptionsgefäſs, in
                              									welchem verdünntes Chlor bei sehr niedriger Temperatur (fast 0°) eingeleitet wurde,
                              									nur sehr geringe Mengen von Hypochlorit.
                           Die gesättigte Lauge hat bis zu 1,25 spec. Gew.; das Verhältniſs von Chlorat und
                              									Chlorid ist dem theoretischen sehr nahe und schwankt von 1 : 5 bis 1 : 5,1. Da das
                              									Chlorgas immer etwas Salzsäure enthält, ist also der Verlust durch Sauerstoffbildung
                              									sehr gering und bedeutend kleiner als bei Verwendung von Kalk, wo das Verhältniſs 1
                              									: 5,3 bis 5,6 oder durchschnittlich 1 : 5,4 ist. Es werden also etwa 7 Proc. weniger
                              									Chlorid erzeugt als mit Kalk, was als ein groſser Vortheil des Magnesiaverfahrens zu
                              									betrachten ist.
                           Bei der Behandlung von Magnesia mit Chlor kommt es bei einem gewissen Zeitpunkt
                              									manchmal vor, daſs die Flüssigkeit, wahrscheinlich durch Ausscheidung von
                              									Magnesiumoxychlorid, dickbreiig wird. Die Rosafärbung der Lauge wird durch den
                              									Mangangehalt der Magnesia bedingt. Mit fast weiſser Magnesia erhält man daher auch
                              									hellere Laugen als mit rosa gefärbter. Die Magnesiumchloratlauge dampft man so weit
                              									ein, daſs etwa 50 Proc. des Magnesiumchlorides als MgCl2.6H2O mit 44 Proc. MgCl2 auskrystallisirt. Weiteres Eindampfen ist nicht
                              									rathsam, da sich sonst das Chlormagnesium so fest abscheidet, daſs es nur mit Mühe
                              									aus den Krystallisirgefäſsen entfernt werden kann. Zu der concentrirten
                              									Chloratlösung, welche nun noch Chlorat und Chlorid im Verhältniſs von 1 : 2,8
                              									enthält, wird die theoretische Menge Chlorkalium zugesetzt und Kaliumchlorat
                              									auskrystallisirt. Der Zusatz des Chlorkaliums muſs mit groſser Sorgfalt geschehen,
                              									da dasselbe sonst leicht ungelöst bleibt. Ebenso muſs Sorge getragen werden, daſs
                              									möglichst nahe die theoretische Menge zugesetzt wird, da bei zu geringer Zugabe
                              									Chlorkalium verloren geht und bei Ueberschuſs Carnallit
                              										(MgCl2.KCl.6H2O)
                              									sich mit dem Kaliumchlorat abscheidet. Die Krystallisation geht zuerst schnell unter
                              									Bildung von dünnen Blättchen vor sich; nachher entstehen Carnallit ähnliche Nadeln,
                              									welche im Ausehen völlig verschieden von den beim gewöhnlichen Kalkverfahren
                              									erhaltenen Krystallen sind. Das erhaltene Kaliumchlorat ist sehr rein und enthält,
                              									da die Lauge nur kurze Zeit in Eisenpfannen erwärmt wird, wenig Eisen. Da
                              									Kaliumchlorat in Chlormagnesiumlösung bedeutend weniger löslich ist als in
                              									Chlorcalciumlauge und die Menge der Mutterlauge erheblich geringer ist, geht viel
                              									weniger Chlorat in derselben verloren als beim Kalkverfahren. Die Mutterlauge vom
                              									Magnesiumverfahren enthält mindestens 10g und
                              									durchschnittlich 19g Chlorat in 1l, während diejenige vom Kalkverfahren
                              									durchschnittlich 30g in 1l enthält. Die Chloratausbeute bei der ersten
                              									Krystallisation beträgt beim Magnesiaverfahren 90 Proc. des gebildeten
                              									Kaliumchlorates. Dieses Rohchlorat wird auf gewöhnliche Weise einer Reinigung durch
                              									Umkrystallisiren unterworfen.
                           Die Mutterlauge, welche neben Chlormagnesium etwas Chlorcalcium, Kaliumchlorat, Gyps und Magnesia
                              									enthält, läſst man zusammen mit der concentrirten Lauge der Chlormagnesiumkrystalle
                              									in ein Steingefäſs ablaufen, zersetzt das Chlorat durch Zusatz von Salzsäure und
                              									Erwärmen, und leitet das gebildete Chlor in die Absorptionsgefäſse zurück. Bei 60°
                              									ist die Gasentwickelung mit Phosphorescenz begleitet, welche durch Zersetzung von
                              									Euchlorin, ClO2, verursacht wird und durch
                              									Unvorsichtigkeit zu Explosionen führen kann. Nachdem die letzten Spuren Chlor durch
                              									Dampf ausgetrieben sind, neutralisirt man mit Magnesia und fügt dem vorhandenen
                              									Calciumchlorid entsprechend Kieserit zu. Dann pumpt man die Lauge in Gefäſse, in
                              									welchen Eisenoxyd und Gyps sich absetzen. Die völlig klare, grünlich gefärbte
                              									Chlormagnesiumlauge wird hierauf in guſseisernen Kesseln eingedampft. Zuerst
                              									benutzte man schmiedeiserne Pfannen zu diesem Zwecke, welche jedoch durch das
                              									Chlormagnesium bedeutend angegriffen wurden und deshalb wieder auſser Verwendung
                              									kamen. In einem schmiedeisernen Gefäſse, welches mit neutraler Chlormagnesiumlauge
                              									gefüllt ist, bildet sich nach einiger Zeit ein grüner Niederschlag von
                              									Eisenoxydulhydrat, welcher durch Oxydation röthlich wird, woraus hervorgeht, daſs
                              									die Einwirkung schon bei gewöhnlicher Temperatur stattfindet. Auch von den
                              									guſseisernen Pfannen löst sich doch genügend Eisen, um die Flüssigkeit zu färben.
                              									Die Chlormagnesiumlösung wird beim Erwärmen zuerst trübe durch ausgefällten Gyps.
                              									Wenn auch die eingedampfte Lösung durch Zusatz von Magnesia alkalisch gemacht wird,
                              									bleibt das Eisen in der Wärme doch als Chlorür in Lösung und scheidet sich erst beim
                              									Erstarren der concentrirten Lösung als Oxydhydrat ab. Da durch den Eisengehalt dem
                              									Chlormagnesium eine rosa Farbe verliehen wird, welche erst bei Behandlung mit Wasser
                              									wieder verschwindet, ist es von Wichtigkeit, die Verunreinigung mit diesem Metall
                              									möglichst zu vermeiden und das gelöste Eisen wieder aus der Flüssigkeit zu
                              									entfernen. Ersteres geschieht, wie schon erwähnt, am besten durch Anwendung
                              									guſseiserner Abdampfgefäſse, letzteres durch völlige Oxydation des Eisens in der
                              									concentrirten Chlormagnesiumlauge und nachheriges Zufügen von Magnesia. Dann läſst
                              									man absitzen und schöpft die völlig klare, grünliche Lösung in Fässer, worin
                              									dieselbe bald zu einer harten Masse erstarrt. Das so erhaltene Chlormagnesium ist
                              									völlig weiſs, frei von Eisen und Calciumchlorid und hat einen Gehalt von 47 Proc.
                              										MgCl2. Der auf dem Boden der Abdampfpfanne
                              									abgesetzte Niederschlag enthält Eisenoxyd, Gyps, Magnesia und etwa 30 Proc. MgCl2.
                           Im Anschlüsse an die werthvolle Arbeit von C. L. Higgins
                              									mag erwähnt werden, daſs Referent mehrere Male Gelegenheit hatte, das beschriebene
                              									Verfahren in der Muspratt'schen Fabrik in Widnes in Ausführung zu sehen und sich von den groſsen
                              									Vorzügen desselben zu überzeugen. Sowohl das erzeugte Kaliumchlorat wie auch das als
                              									Abfallsproduct erhaltene Magnesiumchlorid sind von ausgezeichneter Qualität. Der gröſste Vortheil
                              									des Verfahrens ist aber die groſse Ausbeute an Chlorat. Es ist nur schade, daſs
                              									diese Herstellungsweise von Kaliumchlorat vor der Hand ganz auf Gegenden beschränkt
                              									ist, in welchen der Verkauf von Magnesiumchlorid mit Vortheil möglich ist. Wenn aber
                              									je die Zersetzung von Magnesiumchlorid mit Erfolg ausgearbeitet wird, so wird auch
                              									dieses Verfahren wahrscheinlich allgemeinere Anwendung erlangen.
                           P.
                                 										Naef.