| Titel: | Versuche über Anwendung der Dampfmäntel und der Compoundwirkung bei Locomotiven. | 
| Fundstelle: | Band 266, Jahrgang 1887, S. 213 | 
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                        Versuche über Anwendung der Dampfmäntel und der
                           								Compoundwirkung bei Locomotiven.
                        Dampfmäntel und der Compoundwirkung bei Locomotiven.
                        
                     
                        
                           Das Organ für Fortschritte des
                                       											Eisenbahnwesens theilt im Jahrgang 1887 H. 5 S. 198 nach
                              									einem Sonderabdruck aus den Memoires de la Société des
                                 										Ingenieurs civiles die Resultate von Versuchen mit, welche der
                              									Maschinenmeister der russischen Südwestbahn, A.
                                    											Barodine, in den Jahren 1880 bis 1885 über die oben
                              									genannten Verhältnisse angestellt hat. Zu diesen Versuchen waren eine gewöhnliche
                              									und eine gleiche nach der Mallet'schen Bauart zur
                              									Compoundwirkung eingerichtete zweifach gekuppelte Personenzuglocomotive verwendet
                              									worden.
                           An beiden Locomotiven waren die Cylinder nebst Deckeln mit Dampfmänteln versehen,
                              									welche nach Bedarf mit frischem Dampfe gefüllt oder abgesperrt werden konnten. Die
                              									Locomotiven hatten Dampfcylinder von 420 bezieh. 420 und 600mm Durchmesser bei 600mm Kolbenhub und arbeiteten mit 10at
                              									Ueberdruck.
                           
                           Die Versuche zerfielen in drei Gruppen, indem jede der beiden Locomotiven zunächst in
                              									der Werkstätte als Betriebsmaschine, sodann vor Versuchszügen mit möglichst
                              									gleichmäſsiger Leistung und schlieſslich im regelmäſsigen Betriebe geprüft
                              									wurde.
                           Während der Verwendung als Betriebsmaschinen wurden die Locomotiven fest gelagert und
                              									die durch aufgelegte Ringe verbreiterten Triebräder als Riemenscheiben benutzt;
                              									dieselben machten 92 bis 103 Umdrehungen in der Minute und leisteten bei
                              									entsprechend verminderter Dampfspannung nur gegen 90 Pferdestärken, da der Antrieb
                              									der angeschlossenen Arbeitsmaschinen keine stärkere Leistung erforderte.
                           Die erste Versuchsreihe mit der gewöhnlichen Maschine ergab, daſs
                           1) die Art der Einstellung der Dampfschieber, ob auf gleiche Voreilung oder auf
                              									Abschneiden bei gleichen Kolbenwegen, keinen Einfluſs auf den Dampfverbrauch
                              									habe;
                           2) die Dampfmäntel bei 20 Proc. Füllung eine Dampfersparniſs von 16 Proc., bei 30
                              									Proc. eine solche von 12 Proc. herbeiführten. Die Berechnung der Aufzeichnungen auf
                              									das bei verschiedenen Kolbenstellungen vorhandene Gewicht gesättigten Dampfes ergab
                              									ferner, daſs durch die Dampfmäntel eine erhebliche Verminderung des
                              									Dampfniederschlagens und der Nachverdampfung im Cylinder eintrete. Versuche mit
                              									einer anderen Locomotive gleicher Gattung ohne Dampfmäntel zeigten ferner, daſs bei
                              									Füllungsgraden von 20 und 30 Proc. kein wesentlicher Unterschied im Dampfverbrauche
                              										stattfinde.Diese Beobachtung erklärt sich aus der Wirkungsweise der Steuerung, Stephenson-Coulisse mit offenen Stangen, welche
                                    											für die geringen Füllungsgrade eine lineare Voreilung von 6,5 bis 8mm ergab, wodurch ein mit abnehmender
                                    											Füllung stark zunehmendes „schweres“ Arbeiten der Maschine
                                    											herbeigeführt werden muſste; bei einer Steuerung mit gekreuzten Stangen, und
                                    											für ¼ Füllung etwa 3mm Voreilung, würde
                                    											ein wesentlich anderes Ergebniſs erzielt worden sein. Bei den
                                    											Compoundmaschinen scheint die Steuerung in gleicher Richtung eingewirkt zu
                                    											haben, wie auch die Aufzeichnungen erkennen lassen. Bei den
                              									Versuchen mit der Compoundmaschine zeigte die Anwendung der Dampfmäntel aus
                              									verschiedenen Gründen keinen Erfolg, während sich ohne dieselben eine
                              									Dampfersparniſs von 17 Proc. gegen die andere Maschine ergab.
                           Die zweite Gruppe der Versuche, welche vor Zügen bei möglichst gleichförmiger
                              									Leistung stattfanden, wurde durch den Assistenten des Maschinendirektors, Herrn
                              									Ingenieur Loevy, durchgeführt. Eine Vorspannmaschine
                              									leistete die etwa mehr erforderliche Arbeit, während auf günstigen Strecken die
                              									Geschwindigkeit mittels der Bremsen eingehalten wurde. Die Fahrten fanden auf der
                              										66km langen Strecke Kieff-Fastoff statt, die
                              									in Vergleich gestellten Locomotiven waren mit allen zur Messung des Holz- und
                              									Wasserverbrauches, Dampfdruckes, der Geschwindigkeit und Umdrehungszahl
                              									erforderlichen Vorkehrungen, sowie mit Indicatoren an jedem Cylinder versehen.
                           Die sämmtlichen Versuche ergaben zunächst, daſs 1k
                              									Holz in der gewöhnlichen Maschine 3k,33, in der
                              									Compoundmaschine 3k,82 Wasser, in letzterer also 14,0 Proc.
                              									mehr als in ersterer verdampfte. Für die folgenden Einzelvergleiche wurden stets
                              									gleichartige, d.h. unter annähernd gleichen Verhältnissen durchgeführte Versuche
                              									einander gegenübergestellt. Der Vergleich des Dampfverbrauches, gemessen durch das
                              									verdampfte Wasser, ergab für die Compoundlocomotive bei einer
                           
                              
                                 Dampfausdehnung
                                   4,8
                                   4,5
                                   3,3
                                 2,5 fach
                                 
                              
                                 eine Dampfersparniſs von
                                 22
                                 21
                                 13
                                 9 Proc.
                                 
                              
                           gegenüber der gewöhnlichen, während sich nach Maſsgabe der
                              									Verdampfungsziffer die Brennstoffersparniſs auf bezieh. 32, 31, 22 und 20 Proc.
                              									berechnet.
                           Dem geringeren Einheitsverbrauche entsprechend leistete die Compoundmaschine für
                              									gleichen Verbrauch entsprechend mehr Arbeit, und zwar verhältniſsmäſsig um so mehr,
                              									je geringer der Verbrauch war. Für einen Wasserverbrauch von 2cbm,4 in der Stunde, einen Dampfdruck von 9at,0 und 75 Umdrehungen in der Minute ergab sich
                              									eine Mehrleistung von 19 Proc; auf gleichen Holzverbrauch bezogen würde dieselbe 32
                              									Proc. betragen haben. Für gleiche Leistung, nämlich rund 190 Pferdestärken bei 85
                              									Umdrehungen, wurde eine Ersparniſs an Dampf von 19 Proc., an Feuerung von 29 Proc.
                              									ermittelt.
                           Die Anwendung der Dampfmäntel ergab bei der gewöhnlichen Locomotive für ganz geringe
                              									Füllungsgrade eine Dampfersparniſs von 12 Proc., bei stärkeren Füllungen verschwand
                              									dieselbe, während bei der Compoundmaschine sogar ein Mehrverbrauch eintrat.
                              									Letzteres Ergebniſs wird den groſsen Abkühlungsflächen und mangelhafter Ableitung
                              									des Niederschlagswassers, sowie dem Umstände zugeschrieben, daſs in Folge der
                              									Anwärmung des Dampfes in dem in der Rauchkammer gelegenen Verbindungsrohre, der
                              									Dampfmantel am groſsen Cylinder wenig zur Wirkung gelange.
                           Die dritte Versuchsgruppe, welche lediglich einen Vergleich der von beiden
                              									Locomotiven während fünfjähriger Dienstleistung auf der Maschinenstation Kasatine
                              									ausgeführten Leistungen mit dem gesammten Feuerungsverbrauche darstellt, ergab zu
                              									Gunsten der Compoundlocomotive, auf die geleisteten Locomotiv- bezieh. Achskilometer
                              									bezogen, eine Ersparniſs von 15 bezieh. 25 Proc.
                           Am Schlüsse des Berichtes ist für die Compoundmaschine aus den für verschiedene
                              									Füllungsgrade im groſsen Cylinder erhaltenen Ziffern der Schluſs gezogen, daſs die
                              									Füllung unveränderlich gleich dem Querschnittsverhältnisse der Kolben ½ sein müſste,
                              									um die vortheilhafteste Arbeitsleistung zu erhalten, daſs im Uebrigen kleinere
                              									Füllungen sehr nachtheilig, gröſsere bis zu 67 Proc. ohne erheblichen Einfluſs
                              										seien.Auf dieses Ergebniſs ist wiederum die geringe Gröſse des Zwischenbehälters
                                    											von Einfluſs gewesen, da dieselbe verhältniſsmäſsig gröſsere Füllungen im
                                    											groſsen Cylinder erforderte, damit trotz des vor dem Abschneiden des
                                    											Schiebers stärker als bei gröſseren Zwischenbehältern abnehmenden Druckes in
                                    											demselben die richtige Dampfmenge aufgeschluckt und eine zu hohe mittlereSpannung in
                                    											demselben vermieden werde. Uebrigens ist bei diesem Schlusse auf die durch
                                    											unveränderliche Füllung im groſsen Cylinder herbeigeführte ungleiche
                                    											Arbeitsleistung beider Kolben keine Rücksicht genommen, was zu Herbeiführung
                                    											ruhigen Arbeitens, gleichmäſsiger Beanspruchung und Abnutzung der
                                    											Triebwerkstheile, sowie zu möglichster Ausnutzung der Schienenreibung doch
                                    											wünschenswerth erscheinen dürfte.
                           
                           Bezüglich der Dampfmäntel ist gefolgert, daſs dieselben nur bei der gewöhnlichen
                              									Locomotive während deren Verwendung als Betriebsmaschinen, im Uebrigen aber keine
                              									Vortheile ergeben haben.
                           Für die Compoundlocomotive wird schlieſslich eine sichere Dampf- und
                              									Brennstoffersparniſs im gewöhnlichen Betriebe von 15 bis 20 Proc. angenommen und mit
                              									Rücksicht darauf, daſs dieselbe im Bau nicht schwieriger und nicht theurer sei, als
                              									andere Locomotiven, die Einführung dieser Bauart empfohlen. Die bessere Verdampfung
                              									der Compoundmaschine wird auf die [geringere Beanspruchung des Kessels u.s.w. in
                              									Folge des geringeren Dampfverbrauches zurückgeführt.