| Titel: | Die Fabrikation des Arsensäurefuchsins; von Dr. Otto Mühlhäuser. | 
| Autor: | Otto Mühlhäuser | 
| Fundstelle: | Band 266, Jahrgang 1887, S. 455 | 
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                        Die Fabrikation des Arsensäurefuchsins; von Dr.
                           									Otto Mühlhäuser.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 26 und 27.
                        Mühlhäuser, über die Fabrikation des
                           								Arsensäurefuchsins.
                        
                     
                        
                           Da bis dahin unsere Literatur eine der Wichtigkeit des Farbstoffes Entsprechende
                              									Darstellung der Fabrikation des Arsensäurefuchsins, namentlich unter voller
                              									Berücksichtigung des entwickelungsgeschichtlichen Momentes nicht besitzt, so hat der
                              									Verfasser die Bearbeitung des Stoffes von dieser interessanten Seite aus
                              									unternommen. Eigene Erfahrungen in der Fuchsinfabrikation erlaubten die Ergänzung
                              									der meist der fremdländischen Literatur entnommenen Resultate.
                           Die Art und Weise dieser Behandlung des Stoffes dürfte namentlich dem sich für
                              									Technologie-Historik interessirenden chemischen Technologen erwünscht sein, aber
                              									auch dem der Farbenindustrie näher Stehenden wird ein Einblick in die Fabrikation
                              									und in die historische Entwickelung, welche dieselbe im Laufe der Jahre durchgemacht
                              									hat, nicht uninteressant erscheinen, zumal die Fuchsinfabrikation derjenige
                              									Farbbetrieb ist, in welchem die die organische Farbentechnik charakterisirenden
                              									Arbeitsweisen und Kunstgriffe, welche immer wieder da zur Anwendung kommen, wo es
                              									sich um die Uebertragung einer Laboratoriumsmethode in den Groſsbetrieb handelt,
                              									ihre Ausbildung erfahren haben.
                           Um dem weniger mit der Sache vertrauten Interessenten das Studium der Abhandlung zu
                              									erleichtern, ist der quantitativen Seite der Fabrikation meist die qualitative nebst
                              									kurzer Charakteristik des betreffenden Apparatensystemes vorangestellt. Dadurch
                              									werden in einigen Fallen Wiederholungen nöthig, aber diese flüchtigen Skizzen,
                              									welche der eigentlichen Ausführung vorhergehen, gestatten das tiefere Eingehen auf
                              									den Gegenstand. Diese Ausführlichkeit der Darstellung chemischer Prozesse und
                              									Manipulationen bringt allein den Gegenstand der Behandlung der Wirklichkeit nahe, es
                              									ist daher angezeigt, auch geringfügig erscheinende Operationen und Kunstgriffe,
                              									welche zum Gelingen der Operation beitragen, in einer Abhandlung zu schildern,
                              									welche vielleicht später geschichtliches Interesse erlangen wird.
                           
                        
                           I. Die Rothschmelze.
                           Erhitzt man ein Gemenge der zweifach sauren Arseniate des Anilins  des o- und p-Toluidios  auf 180 bis 190°, so entsteht unter
                              									Reduction der Arsensäure zu Arsentrioxyd eine cantharidengrüne Masse, welche die
                              									Fuchsinbasen: Pararosanilin, Methyl-Pararosanilin und wahrscheinlich auch
                              									Dimethyl-Pararosanilin; die Phosphinbasen: Chrysanilin und Methyl-Chrysanilin und
                              									die Indulinbasen: Violanilin und Mauvanilin in Form der Arsenite bezieh. Arseniate enthält.
                           Die Bildung des einfachsten Rosanilins, des Pararosanilins geschieht durch
                              									Herausoxydiren von Wasserstoffatomen aus einem Gemisch von 1 Mol. Paratoluidin und 2
                              									Mol. Anilin nach folgender Gleichung:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 456
                              
                           In analoger Weise erfolgt die Bildung des Methyl-Pararosanilins (Rosanilin) und des
                              									Dimethyl-Pararosanilins (Rosotoluidin) aus entsprechenden Alkaloidgemengen.
                           Auſser diesen der Schmelztemperatur und den Angriffen der
                                 										Arsensäure Widerstand leistenden Pararosanilinen werden wahrscheinlich noch
                              									drei, jenen drei isomere, Verbindungen vorübergehend gebildet, nämlich das aus 1
                              									Mol. o-Toluidin und 2 Mol. Anilin entstehende
                           Diparaamido-orthoamidotriphenylcarbinol
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 456
                              
                           das aus 2 Mol. o-Toluidin und 1
                              									Mol. Anilin entstehende Diparaamido-orthoamidodiphenyltolylcarbinol
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 456
                              
                           und das aus 3 Mol. o-Toluidin
                              									entstehende Diparaamido-orthoamido-phenylditolylcarbinol
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 456
                              
                           Diese 3 letztgenannten Rosaniline werden voraussichtlich in gleicher Weise in die
                              									entsprechenden Phosphine zerlegt werden, wie O. Fischer
                              									und KörnerO. Fischer und Körner, Berliner Berichte 17, S. 203. es beim Diparaamido-orthoamidotriphenylmethan dargethan haben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 457
                              
                           Wenn wir die Formel
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 457
                              
                           als Ausdruck der Zusammensetzung des einfachsten der leicht
                              									oxydirbaren Rosaniline wählen, so dient die Formel:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 457
                              
                           als entsprechendes Symbol für die Zusammensetzung des beim
                              									Erhitzen von Diparaamidoorthoamidotriphenylcarbinol mit Arsensäure entstehenden
                              									einfachsten Phosphins des Chrysanilins und wir können uns den in der Arsenschmelze
                              									statthabenden Prozeſs nach folgender Gleichung verlaufend denken:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 457
                              
                           Ebenso dürften auch die homologen Chrysaniline das
                              									Methylchrysanilin (Chrysotoluidin):
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 457
                              
                           und das Dimethylchrysanilin:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 457
                              
                           aus den correspondirenden Rosanilinen entstehen.
                           
                           Während man die Bildung der Rosaniline und der secundär entstehenden Phosphine in der
                              									oben ausgeführten Weise deuten muſs, so ist es schwer, sich Vorstellungen über die
                              									Bildungsweise der Indulin artigen Farbstoffe zu machen. Am besten gelingt dies noch,
                              									wenn man ihrer Entstehung analoge Vorgänge zu Grunde legt, wie der Rosanilin-
                              									bezieh. Phosphinbildung. Man gelangt dann für die einfachsten Glieder der Reihe zu
                              									folgenden Formeln:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 458
                              
                           entsprechend dem Chrysanilin und dessen Zwischenproduct
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 458
                              
                           
                        
                           
                              Geschichtliches.
                              
                           Wenige Monate nach der Aufsehen erregenden Entdeckung Emanuel
                                 										Verguin's fanden der englische Arzt H. Medlock
                              									und der Chemiker Edward Chambers Nicholson fast
                              									gleichzeitig und unabhängig von einander ein Verfahren zur Herstellung von Fuchsin
                              									durch Erhitzen von arsensaurem Anilin. Dieses Verfahren, das in England zum ersten
                              									Male von Medlock1860 158 146. am 18. und von Nicholson am 26. Januar
                              									1860 zum Patent angemeldet wurde, erhielt Ersterer patentirt. Nach der Medlock'schen PatentvorschriftTraité des derivês de la Houille 1873 p. Girard et de
                                       											Laire, 1873 S. 554. erzeugt man das Fuchsin durch Mischen von 2 Th. Anilin mit 1 Th.
                              									wasserfreier Arsensäure und Erhitzen zum Sieden, welches so lange fortgesetzt wird,
                              									bis das Gemisch satte Purpurfarbe annimmt. In Frankreich wurde dasselbe Verfahren
                              									den französischen Chemikern Charles Girard und Georges de Laire1861 159 229 und 452. am 1. Mai 1860 patentirt. Die Genannten geben in ihrem Patente ein
                              									ausführlich beschriebenes Verfahren zur Herstellung der Schmelze an. Danach bringt
                              									man in einen Destillirapparat 12 Th. Arsensäureanhydrid und 12 Th. Wasser. Sobald
                              									die Säure sich hydratisirt hat, setzt man unter Umrühren 10 Th. Anilin zu. Das
                              									Gemenge wird in Folge der Bildung von arsensaurem Anilin fest. Darauf erwärmt man
                              									behutsam. Die Masse wird wieder flüssig und es beginnt Wasser zu verdampfen. Bei
                              									einer Temperatur von 120°, die nicht höher als 160° steigen darf, geht das Anilin in
                              									den rothen Farbstoff über. Nach 4 bis 5stündiger Einwirkung erhält man eine unter 100° flüssige
                              									Masse, die beim Erkalten hart und spröde wird und Bronzeglanz besitzt. Bald nach der
                              									Entdeckung von Girard und de
                                 										Loire erfolgte die Ausbeutung der Erfindung in der Fabrik der Herren Rénard frères und Franc in Lyon. Wie Adolf WurtzRapports du Jury international de l'exposition de
                                          													Londres de 1862 Bd. 1 S. 295. im J. 1862 mittheilt, stellte man in der genannten Fabrik die
                              									Schmelze wie folgt dar: Man erhitzt in einem im Luftbade sitzenden guſseisernen
                              									Kessel ein Gemenge von 15k Anilin und 25k Arsensäure von 76 Proc. As2O5-Gehalt während 3
                              									bis 4 Stunden auf 150 bis 170°. Von Zeit zu Zeit entnimmt man der Reactionsmasse mit
                              									einem Stabe eine Probe. Sobald dieselbe beim Erkalten erstarrt, Bronzeglanz und
                              									spröden Bruch besitzt, wird der Kessel entleert und die Masse erkalten gelassen.
                           Nur wenig Beachtung verdient ein im J. 1864 von D.
                                 											DawsonChemical News, Bd. 9 S. 271. genommenes Englisches Patent, nach welchem man das Fuchsin durch
                              									Erhitzen einer wässerigen Arsensäurelösung mit Anilin unter Druck erhält. Aehnliche
                              									Angaben wie A. Wurtz macht auch Max ReimanTechnologie des Anilins von M. Reiman, 1866, S. 62. im J. 1865. Bald darauf, im J. 1867, ist der
                              									Arsensäureschmelzprozeſs in der Weise, wie er heute noch ausgeführt wird von A. W. Hofmann, Ch. Girard und G. de LaireRapports du Jury international de l'exposition
                                          													universelle de Paris de 1867, Bd. 7 S. 241. beschrieben worden. Spätere Mittheilungen von Charles LauthDictionnaire de Chimie p. Wurtz Bd. 1 S.
                                       												315. (1867), Girard und de LaireTraité des derivés de la Houille p. Girard
                                       												et de Laire 1873 S. 555. (1873), A. WurtzProgrès de l'industrie des matières colorantes p.
                                          													Wurtz, 1876 S. 52. (1876) und Paul Schoop1885 258 * 276. (1885) haben die ausführlicheren Mittheilungen der erstgenannten
                              									Forscher theils bestätigt, theils ergänzt. Die Zusammensetzung der die günstigsten
                              									Resultate gebenden Arsensäureanilinmischung haben schon Girard und de Laire in ihrem Patente
                              									Angegeben. Untersuchungen über diesen Gegenstand führte R.
                                 											Brimeyr1866 179 395. aus. Er kommt zur Ansicht, daſs man eine um so günstigere und
                              									schönere Ausbeute an Fuchsin erhält, je näher das Mischungsgewicht von Säure und
                              									Anilin dem Molekularverhältniſs 1 : 2 steht und je rascher die Operation zu Ende
                              									geführt wird. Die meisten der oben angeführten Fabrikationsvorschriften weisen in
                              									der That – wie Tabelle auf S. 460 oben zeigt – Mischungsgewichte auf, welche mit Brimeyr's Resultat in Einklang stehen.
                           Zur Ausführung der Arsenschmelze bediente man sich zu Anfang der Fabrikation
                              									guſseiserner Schmelzkessel von 50l InhaltTraité des derivés de la Houille p. Girard et
                                    												de Laire, 1873 S. 555., eine Gröſse, die man im J. 1861 für ungeheuer fand. Später führte man
                              									Kessel
                           
                           
                              
                                 Zeit
                                 
                                    
                                    
                                    Autoren
                                    
                                 Anilin
                                 Arsensäure
                                 Temperatur
                                 Arsensäure
                                 Anilin
                                 MoleküleAnilin *
                                 MoleküleAs2O5
                                 
                              
                                 Theile
                                 Theile
                                 GehaltanAs2O5
                                 
                              
                                 1860
                                 
                                    H. Medlock
                                    
                                 2
                                 1
                                 100
                                 Siedepunkt
                                 230
                                 460
                                 4,6
                                 1
                                 
                              
                                 1860
                                 Girard und de
                                       												Laire
                                 10
                                 24
                                   50
                                 120–60°
                                 230
                                 191
                                 1,9
                                 1
                                 
                              
                                 1862
                                 
                                    Rénard frères et Franc
                                    
                                 15
                                 25
                                   76
                                 150–70°
                                 230
                                 182
                                 1,8
                                 1
                                 
                              
                                 1864
                                 
                                    D. Dawson
                                    
                                 
                                    –
                                    
                                 
                                    –
                                    
                                   77
                                 –
                                 230
                                 279
                                 2,3
                                 1
                                 
                              
                                 1867
                                 A. W. Hofmann undGirard und de Laire
                                 800
                                 1370
                                   72
                                   190–200°
                                 230
                                 187
                                 1,9
                                 1
                                 
                              
                                 1867
                                 
                                    Ch. Lauth
                                    
                                 100
                                 140
                                   75
                                 Siedepunkt
                                 230
                                 219
                                 2,2
                                 1
                                 
                              
                                 1873
                                 Girard und de
                                       												Laire
                                 10
                                 16
                                   75
                                 180–90°
                                 230
                                 191
                                 1,9
                                 1
                                 
                              
                                 1876
                                 
                                    A. Wurtz
                                    
                                 1000
                                 1500
                                   75
                                   190–200°
                                 230
                                 204
                                 2,0
                                 1
                                 
                              
                                 1885
                                 
                                    P. Schoop
                                    
                                 500
                                 1000
                                   75
                                 –
                                 230
                                 246
                                 2,5
                                 1
                                 
                              
                           * Das Molekulargewicht des Anilins ist = 100 angenommen.
                           von 300lDictionnaire de chimie p. Wurtz Bd. 1 S.
                                    											315., 25001Traité des dérivés de la Houille p. Girard et
                                    												de Laire, 1873 S. 568.; ja selbst 4000lProgrès de l'industrie des matières colorantes p.
                                       												Wurtz 1876 S. 52. Inhalt in den Fuchsinschmelzereien ein. Groſse Schwierigkeiten und
                              									Unannehmlichkeiten hat seiner Zeit die Entleerung der Kessel verursacht. Während man
                              									heute die Schmelze gerade soweit eindickt, daſs sie noch ausgeschöpft werden kann,
                              									oder von selbst aus einer am untersten Theile des Schmelzkessels angebrachten
                              									Oeffnung abflieſst, ging man früher in französischen WerkenRapports du Jury international de l'exposition de
                                       												Paris p. Hofmann, de Laire et Girard
                                    											Bd. 7 S. 241. mit dem Eindicken so weit, daſs weder ein Ausschöpfen noch ein Ablassen der
                              									Schmelze möglich war. Man machte daher die noch heiſse Schmelze unter Zusatz von
                              									Wasser wieder plastisch und entleerte den Kessel mittels Dampfdruck in den
                              									Abkochkessel. Diese Art der Kesselentleerung ist, wie schon erwähnt, verlassen. Bei
                              									hinreichend groſsem Kaliber der Ausfluſsöffnung des Schmelzkessels gelingt die
                              									Entleerung ohne Schwierigkeit, vorausgesetzt, daſs die Schmelze nur so weit
                              									eingedickt wird, als es überhaupt nöthig ist.
                           
                        
                           
                              Die Schmelze.
                              
                           Zur Herstellung der Schmelze dient der mit Rührwerk versehene Guſskessel A (Taf. 26 und 27). Der Deckel des Kessels besitzt ein
                              									Mannloch zur Eingabe der Materialien- einen Stutzen zur Verbindung mit der
                              									Kühlschlange B und eine in den Deckel eingelassene –
                              									zur Aufnahme des Thermometers dienende und theilweise mit Gel gefüllte – Kanüle. Am
                              									Boden des Kessels befindet sich eine weite, mit einem guſseisernen Zapfen
                              									verschlieſsbare Ablaſsöffnung.
                           Ein anderer Kessel A1
                              									steht in Reserve. Die Kessel A und A1 sind derart
                              									eingemauert, daſs das Feuer den Boden bestreicht und in einem 5mal den Kessel
                              									umstreichenden Abzugskanal als Rauchgas dem Schornstein zugeführt wird. Beide Kessel
                              									sind mit einer gemeinschaftlichen Kühlschlange B
                              									verbunden, welche durch einen Strom kalten Wassers abgekühlt wird, um die während der Reaction sich
                              									entwickelnden Dämpfe zu condensiren. Das Destillat wird in einem Gefäſs D, das mit einem Ablaſshahn und einem Wasserstand
                              									versehen ist, aufgefangen. Ein an der Abfluſsſeite der Schmelzkessel etwa 25cm hoch aufgemauerter Raum E dient zur Aufnahme der heiſsen Schmelze und als Zerkleinerungsraum. Vor
                              									dem Anfeuern bezieh. während desselben wird der Schmelzkessel zunächst mit Anilinöl
                              									und Arsensäure beladen. 570k syrupförmige
                              									Arsensäure von 74° B. und 340k Rothöl von 1,008
                              									spec. Gew. bei 15° werden gleichzeitig unter Umrühren einlaufen gelassen. Man erhält
                              									so ein Gemisch der Arseniate des Anilins, o- und p-Toluidins in Form einer weiſsen Gelatine, die schon
                              									bei mäſsiger Erwärmung schmilzt. Zur Einleitung der Reaction bezieh. Destillation
                              									wird die, während der ganzen Schmelzdauer in Bewegung gehaltene Mischung durch
                              									Unterhaltung eines schwachen Feuers vorsichtig und langsam auf etwa 120° erhitzt, um
                              									ein Ueberschäumen, das bei allzuschnellem Erhitzen leicht eintritt, zu verhindern.
                              									Ist diese Temperatur annähernd erreicht, so beginnt auch schon die Destillation und
                              									jetzt kann man die Hitze durch vermehrtes Heizen steigern, ein Uebersteigen des
                              									Kesselinhaltes ist nicht mehr zu befürchten.
                           Nach etwa 7stündigem Erhitzen der durch Umrühren in Bewegung gehaltenen Mischung
                              									kommt die Temperatur im Inneren des Kessels auf ungefähr 180°, von nun ab führt man
                              									den Prozeſs so, daſs die Temperatur nur noch langsam ansteigt, so daſs nach weiteren
                              									2 Stunden diejenige Temperatur erhalten wird, bei der die Oxydation zu Ende geführt
                              									wird. Dieselbe ist 185 bis 189°. Sobald das Thermometer 184° anzeigt, werden dem
                              									Kessel von Zeit zu Zeit Proben entnommen, um das Ende des Prozesses zu erfahren und
                              									dasselbe mit der Kesselentleerung zusammenfallen zu lassen. Von diesem Abpassen des
                              									richtigen Augenblickes hängt sowohl die Ausbeute als auch die mehr oder weniger
                              									leichte Verarbeitbarkeit der Schmelze ab. Erhitzt man nämlich die Masse nicht lange
                              									genug, so wird eine zu dünne, klebrige Schmelze erhalten, die sich nicht allein
                              									schlecht verarbeiten läſst, sondern dazu noch schlechte Ausbeute ergibt, erhitzt man
                              									im Gegentheil zu lange, so wird die Schmelze zu dick, bleibt im Kessel stecken und
                              									läuft nicht mehr heraus. Sie muſs dann im Kessel erkalten gelassen und
                              										herausgebrochenDiese harte Arbeit endet meist damit, daſs derjenige, der sie ausführt, sich
                                    											eine Arsenvergiftung zuzieht, die zwar mit dem stets bereit liegenden Fuchs'schen Mittel schnell gehoben und
                                    											ungefährlich gemacht wird. Man wird aber unter solchen Umständen unter einem
                                    											die Fabrikation beeinträchtigenden Arbeiterwechsel zu leiden haben, da ein
                                    											Arbeiter zum zweiten Male zu einer derartigen Arbeit nicht zu bewegen
                                    											ist. werden. Zeigt die Probe das Ende des Prozesses an, so zieht man sogleich den
                              									Zapfen, behält aber das die Entleerung fördernde Rührwerk im Gang. Dem Kessel
                              									entströmt die cantharidenfarbige Schmelze als etwa 18cm dicker Strom, der sich in der ausgemauerten Vorlage E ausbreitet und dieselbe in etwa 10cm hoher Schichte anfüllt. Oft gelangt die heiſse Masse nach dem Ablassen
                              									aus dem Kessel nochmals ins Arbeiten. Sie bläht sich auf und vergröſsert ihr Volum.
                              									Diese Volumvergröſserung findet unter heftigem Aufwallen der Schmelze statt, Gase
                              									entbinden sich und das Ganze zeigt dieselben Erscheinungen wie das Erstarren des
                              									Magmas vulkanischer Laven unter Bimssteinbildung.
                           Die Regulirung der Wärmezufuhr während des Schmelzens geschieht durch verminderte
                              									oder vergröſserte Zufuhr von Kohle, durch Bedecken des Feuers mit Asche oder endlich
                              									durch Herausziehen des Feuers aus dem Herde und Oeffnen der Feuerthür, behufs
                              									Abkühlung des Kessels durch Luftcirculation in den Zügen des Ofens. Die bequemste
                              									Art der Heizung ist hier, wie in vielen anderen Fällen, die Gasfeuerung, wie solche
                              									in den dem Verfasser näher bekannten Fuchsinwerken des Staates New-York eingeführt
                              									ist.
                           Auſser an der Schmelzprobe kann das Fortschreiten des Prozesses und das Ende
                              									desselben auch an der Menge Anilin und Wasser, welche aus dem Kessel A in die Vorlage D
                              									überdestilliren, erkannt werden. Arbeitet man – wie es in der That geschieht – immer
                              									unter denselben Bedingungen in Bezug auf Concentrationsgrad der Arsensäure,
                              									Temperatur, Schmelzdauer, Mischungsverhältniſs von Arsensäure und Anilin bei
                              									constanter Zusammensetzung des Anilins, so wird auch ein constantes Verhältniſs
                              									zwischen erzeugter Schmelze und dem bei der Reaction entweichenden Destillate zu
                              									constatiren sein. Die Destillationsmenge wird also den Maſsstab abgeben, mit dem der
                              									Prozeſs controllirt werden kann. Man kann in der That in übersichtlicher Weise am
                              									leicht zugänglichen Wasserstande der Vorlage das Ende der Reaction durch Messen des
                              									Destillatvolums feststellen. Hat nämlich dieser die Höhe der Marke – die man sich
                              									ein für allemal feststellt – erreicht, so kann die Schmelze aus dem Kessel entleert
                              									werden. Es ist jedoch unzweckmäſsig, sich auf dieses Indicium allein zu verlassen,
                              									wird es vielmehr nur als ungefähren Hinweis auf das Ende der Operation, das
                              									Probeziehen aber als absolutes Mittel der Feststellung der Garheit der Schmelze
                              									betrachten.
                           Aus der nachfolgenden Tabelle ist die Temperatursteigerung einiger Ansätze zu
                              									entnehmen. Die endständigen Zeit- und Temperaturnotirungen sind in dem Augenblicke
                              									gemacht, wo die gezogene Probe das benöthigte Ablassen der Schmelze anzeigte und die
                              									Destillatsmenge das – durch die am Wasserstande angebrachte Marke – begrenzte
                              									Normalvolum von 330l annähernd eingenommen, gerade
                              									erreicht oder nur wenig überschritten hatte.
                           Im milchigen Destillate scheidet man Anilin und Wasser durch Einrühren von 50k Kochsalz. Das auf der Salzlauge schwimmende Oel
                              									wird abgehebert, erstere verloren gegeben. Da das ungefähr 140k wiegende Anilindestillat wegen seines Gehaltes
                              									an Paratoluidin noch
                           
                           
                              
                                 Zeit
                                 1
                                 2
                                 3
                                 4
                                 5
                                 
                              
                                 Temperatur
                                 Temperatur
                                 Temperatur
                                 Temperatur
                                 Temperatur
                                 
                              
                                 
                                 Grad
                                 Grad
                                 Grad
                                 Grad
                                 Grad
                                 
                              
                                   7h,30
                                 –
                                 –
                                 –
                                 115
                                 –
                                 
                              
                                   8h
                                 –
                                 115
                                 –
                                 119
                                 –
                                 
                              
                                   8h,30
                                 114
                                 120
                                 –
                                 121
                                 116
                                 
                              
                                   9h
                                 118
                                 121
                                 115
                                 126
                                 121
                                 
                              
                                   9h,30
                                 121
                                 124
                                 119
                                 132
                                 125
                                 
                              
                                 10h
                                 127
                                 130
                                 121
                                 140
                                 130
                                 
                              
                                 10h,30
                                 132
                                 139
                                 125
                                 148
                                 138
                                 
                              
                                 11h
                                 136
                                 150
                                 130
                                 153
                                 147
                                 
                              
                                 11h,30
                                 144
                                 160
                                 138
                                 161
                                 158
                                 
                              
                                 12h
                                 154
                                 168
                                 148
                                 167
                                 167
                                 
                              
                                 12h,30
                                 163
                                 176
                                 158
                                 170
                                 172
                                 
                              
                                   1h
                                 170
                                 180
                                 167
                                 175
                                 176
                                 
                              
                                   1h,30
                                 174
                                 182
                                 173
                                 178
                                 178
                                 
                              
                                   2h
                                 178
                                 182
                                 175
                                 180
                                 180
                                 
                              
                                   2h,30
                                 180
                                 183
                                 177
                                 182
                                 181
                                 
                              
                                   3h
                                 180
                                 185
                                 180
                                 182
                                 182
                                 
                              
                                   3h,30
                                 187
                                 189
                                 180
                                 185
                                 183
                                 
                              
                                   4h
                                 –
                                 –
                                 182
                                 189
                                 187
                                 
                              
                                   4h,30
                                 –
                                 –
                                 184
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                   5h
                                 –
                                 –
                                 187
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                   5h,10
                                 –
                                 –
                                 187
                                 –
                                 –
                                 
                              
                           einmal zu einer Schmelze verwendet „ausgenutzt“ werden
                              									kann, so wird dasselbe bei der folgenden Operation – nachdem sein Gewicht durch
                              									frisches Gel auf 340k gebracht worden ist – wieder
                              									verschmolzen. Das nunmehr resultirende Destillat, die échappés par excellence –
                              									welche der Hauptmenge nach aus o-Toluidin und Anilin
                              									bestehen – kann nicht mehr mit Vortheil mit Arsensäure verarbeitet werden, findet
                              									vielmehr Verwendung zur Herstellung von Saffranin und Azofarbstoffen.
                           Folgende Tabelle ergänzt das eben Besprochene und zeigt an einigen Beispielen den
                              									Wechsel der Mengen an überdestillirendem Anilin, das im Mittel 135 bis 140k betragen soll.
                           
                              
                                 NummerderSchmelze
                                 Frisches Rothöl
                                 Destillat
                                 NummervonSchmelze
                                 Gesammtöl
                                 Arsensäure
                                 
                              
                                  I
                                   340k
                                 –
                                 –
                                  340k
                                  570k
                                 
                              
                                  II
                                 204
                                 136
                                 I
                                 340
                                 570
                                 
                              
                                 III
                                 340
                                 –
                                 –
                                 340
                                 570
                                 
                              
                                 IV
                                 205
                                 135
                                 II
                                 340
                                 570
                                 
                              
                                  V
                                 340
                                 –
                                 –
                                 340
                                 570
                                 
                              
                                 VI
                                 200
                                 140
                                 V
                                 340
                                 570
                                 
                              
                           Das Gewicht einer Schmelze beträgt im Mittel 11½ Centner.
                           Die unter normalen Verhältnissen dargestellte Rothschmelze enthält:
                           
                              
                                 1) Arsenige Säure,
                                 
                                 
                                 
                              
                                 2) Arsensäure,
                                 
                                 
                                 
                              
                                 3) Farbstoffe:
                                 a)
                                 
                                    Fuchsinc:
                                    
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Pararosanilin,
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Methylpararosanilin (Rosanilin),
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Dimethylpararosanilin (Rosotoluidin),
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 
                                 b)
                                 
                                    Phosphine:
                                    
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Chrysanilin
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Methylchrysanilin (Chrysotoluidin),
                                 
                              
                                 
                                 c)
                                 
                                    Induline:
                                    
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Violanilin,
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Mauvanilin,
                                 
                              
                                 
                                 d)
                                 
                                    Braune Farbstoffe,
                                    
                                 
                              
                           4) Humusartige Substanzen von unbekannter Natur.
                           Die Bildung phenylirter Fuchsine, Phosphine und Induline wird eintreten, sobald aus
                              									Versehen mehr Anilin angewendet worden ist, als dem Verhältniſs 1 As2O5 auf 2 Mol.
                              									Anilin entspricht. Dann wird, sobald alle Arsensäure zu arseniger Säure reducirt
                              									ist, auch Phenylirung statthaben. In der That bemerkt man gegen das Ende der
                              									Reaktion stets eine Ammoniakentwickelung. Endlich kann die Menge der braunen
                              									Farbstoffe bedeutend gesteigert werden, wenn die zum Schmelzen vorgeschriebene
                              									Temperatur überschritten wird.
                           Die qualitative und quantitative Zusammensetzung der Schmelze hängt wesentlich auch
                              									von der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Anilinöles ab. Seit
                              									Anfang der Fabrikation hatten die Fabrikanten die Wahrnehmung gemacht, daſs der
                              									Erfolg ihres Betriebes wesentlich von der Natur des Anilins, welches sie in Reaction
                              									brachten, abhängig sei, jedoch ohne sich über die Ursachen, denen man den Grund
                              									dieser Erscheinung zuschreiben muſste, genauere Rechenschaft abzulegen. Sie
                              									constatirten wohl das Vorhandensein einer gewissen Beziehung zwischen den
                              									Siedepunkten des angewendeten Anilinöles und der Ausbeute an Farbstoff, aber damit
                              									hörte alle ihre Wissenschaft auf. Sie beschränkten sich bei der Werthbestimmung des
                              									Anilinöles darauf, dasselbe zu destilliren und verwendeten zur Fabrikation nur
                              									solche Oele, die verglichen mit einem Type, d.h. mit einem Oele, das gute Resultate
                              									gab, ungefähr in denselben Temperaturgrenzen überdestillirte. Die Epoche machenden
                              									Arbeiten A. W. Hoffmann'sA. W. Hofmann, Compt. rend. Bd. 54 S.
                                       												428. über das Rosanilin, die Ermittelung seiner Zusammensetzung und
                              									namentlich die Mittheilung der überraschenden Thatsache1863 169 374 und 376., daſs diese Base keineswegs, wie man bis dahin annahm, ein Derivat des
                              									reinen Anilins sei, sondern seinen Ursprung der Gegenwart einer gewissen, im
                              									Anilinöl enthaltenen Menge Toluidin verdanke, gaben den Schlüssel zur Ausarbeitung
                              									eines auf rein empirischem Wege gefundenen Verfahrens. Die Hoffmann'sche Rothbildungstheorie und die Erfahrung, daſs die Ausbeute und
                              									Qualität der Schmelze wesentlich von dem Verhältniſs, in dem sich Anilin und
                              									Toluidin im Handelsanilin vorfinden, abhängt, lieſs die Herstellung des Rothöles
                              									durch Mischen der Bestandtheile wünschenswerth und dringend erscheinen, denn nur mit
                              									einem Oele von bekannter Zusammensetzung entging man allen Eventualitäten, denen man beim Arbeiten
                              									mit einem unbekannten Stoffe, wie ihn das frühere Handelsanilin darstellte,
                              									ausgesetzt war. Man verdankt namentlich Theodore
                                 											CoupierCoupier, Bulletin de la société industrielle de
                                          													Mulhouse, Bd. 36 S. 260 und 1866 181
                                       												385. den auſserordentlichen Erfolg, von welchem diese zeitgemäſsen
                              									Bestrebungen begleitet waren. Indem er sich auf die von A.
                                 										W. Hofmann aufgestellte Theorie stützte, stellte er, um eine den
                              									theoretischen Anforderungen völlig entsprechende Oelmischung zu ermöglichen,
                              									diejenigen Basen in reinem Zustande dar, die zur Rosanilinbildung beitragen.
                           Dank der Einführung des Kolonnenapparates in die Kohlenwasserstoffrectification durch
                              										Coupier wurde die Trennung von Benzol und Toluol
                              									und also auch die Einzelnitrirung dieser Kohlenwasserstoffe technisch möglich, und
                              									nachdem Rosenstiehl1866 181 389. das Handelstoluidin Coupier's in seine
                              									Componenten o- und p-Toluidin trennen gelehrt und auch eine Methode zu ihrer quantitativen
                              										Bestimmung1872 204 326. angegeben hatte, war es erst möglich, das constante Verhältniſs zu
                              									entdecken, in welchem sich o- und p-Toluidin stets im technischen Toluidin vorfinden. Die
                              									von Rosenstiehl1866 181 389. angeregten Versuche, welche der Fuchsintechniker mit Oelen
                              									ausführte, die er durch Mischen der 3 Componenten darstellte, ergaben die für den
                              									Schmelzprozeſs günstigste Anilinmischung, deren Zusammenstellung nunmehr auch
                              									jederzeit im Groſsen ausgeführt werden konnte. Nach einer Privatmittheilung, die der
                              									Verfasser Herrn Dr. Carl Häuſsermann in Griesheim a. M.
                              									verdankt, „hat das Rothöl in fast allen Fabriken, welche
                                    											nach dem Arsensäureverfahren arbeiten, ein spec. Gew. von 1,008, es
                                    											destillirt zwischen 190 bis 198° über und wird durch Mischen von 1 Th.
                                    											Anilin, mit 2 Th. gewöhnlichem Toluidin erhalten. Da das fabrikmäſsig
                                    											hergestellte Toluidin fast immer aus 36 Proc. p-Toluidin und etwa 64 Proc.
                                    											o-Toluidin besteht, so ergibt sich als Zusammensetzung ein Gehalt von 33,3
                                    											Proc. Anilin, 24,0 Proc. p-Toluidin und 42,7 Proc. o-Toluidin.“
                              									Thatsächlich erhält man auch durch Mischen dieser 3 Componenten in den angegebenen
                              									Verhältnissen ein mit dem gewöhnlichen Rothöl hinsichtlich Siedepunkt und spec. Gew.
                              									völlig übereinstimmendes Product.
                           Die genannten Zahlen stehen nun keineswegs in Einklang mit der Theorie, welche zur
                              									Herstellung des Rosanilins ein Oel von folgender Zusammensetzung fordert: 30 Proc.
                              									Anilin, 35 Proc. p-Toluidin und 35 Proc. o-Toluidin.
                           Eine Mischung dieser Zusammenstellung gibt aber eine allzu geringe Ausbeute an
                              									Fuchsin; um die Maximalausbeute zu erhalten, müssen weit gröſsere Mengen o-Toluidin in Anwendung gebracht werden, als die Theorie verlangt.
                              									Die Gegenwart eines gewissen Toluidinüberschusses auſser demjenigen Toluidin,
                              									welches zur Rosanilinbildung verwendet wird, scheint zur Erleichterung der Reaction
                              									beizutragen.
                           Von groſsem Einfluſs auf die qualitative und quantitative Zusammensetzung der
                              									Schmelze ist auch die Temperatur. Leider ist dieser Einfluſs bis heute nur
                              									ungenügend studirt worden. Es ist aber wahrscheinlich, daſs jeder der Farbstoffe,
                              									welche aus Anilin und den beiden Toluidinen unter dem Einfluſs der Arsensäure
                              									entstehen, sich nur bei einer gewissen Temperatur, die immer für denselben Körper
                              									dieselbe ist, entwickelt. Die Schwierigkeit der Bestimmung der Bildungspunkte der
                              									einzelnen Farbstoffe mag die Ursache sein, daſs dieselbe, trotz des Interesses, das
                              									man hat, sie zu kennen, nicht ausgeführt worden ist.
                           Nicht ohne Einfluſs ist die Temperatur auf die gebildeten Arsenite und Arseniate am
                              									Schluſse der Operation: die Endtemperatur. Unter 190° wird wohl keiner der in der
                              									Schmelze vorhandenen Farbstoffe sonderlich angegriffen werden, selbst nicht bei
                              									Gegenwart von überschüssiger Arsensäure. Ueber 190° aber erleiden alle diese
                              									Farbstoffe, insbesondere aber bei Gegenwart von Arsensäure, eine Zersetzung. So wird
                              									das Rosanilin schon durch Erhitzen mit Wasser auf 230° zersetzt und die
                              									Zersetzungsproducte sind im Allgemeinen ein mehr oder weniger gelbes Roth. Bei
                              									ungefähr 210° zersetzt sich das Rosanilin in ein unlösliches Violett. Andererseits
                              									erleiden Violanilin und Mauvanilin ähnliche Zersetzungen. Man muſs dieser doppelten
                              									Wirkung der hohen Temperatur und der Arsensäure auf die Farbstoffe die Bildung
                              									granatrother und brauner Farbstoffe zuschreiben. Daraus folgt, daſs man gegen das
                              									Ende der Operation die Temperatur mäſsigen und ein höheres Erhitzen als 190°
                              									vermeiden soll. Es ist eine jener Temperaturgrenzen, welche man, da sie nicht
                              									überschritten werden darf, kluger Weise auch nicht zu erreichen strebt. Im
                              									Allgemeinen ist zu bemerken, daſs eine höhere Temperatur die Dauer der Schmelzung
                              									abkürzt, das Gewicht des überdestillirenden Anilins vermehrt, das Gewicht der
                              									Rothschmelze aber vermindert. Eine zu niedere Temperatur verlängert die Dauer der
                              									Schmelze, vermehrt das Gewicht des nicht umgewandelten Anilins, das, da es in der
                              									Schmelze hinterbleibt, auch das Gewicht der letzteren, nicht aber die Ausbeute an
                              									Fuchsin erhöht.
                           
                        
                           II. Die Zerkleinerung der
                                 									Schmelze.
                           Zu einer Zeit, als die Schmelze noch in offenen Bütten abgekocht wurde, war die
                              									vollständige Extraction des Farbstoffes nur möglich, wenn die Schmelze dem heiſsen
                              									Wasser in fein vertheiltem Zustande dargeboten wurde. Man bemühte sich daher, die
                              									Schmelze zu zerkleinern und nahm diese Arbeit in den ersten Anfängen der Fabrikation
                              									in Mörsern vor. Um die Arbeiter von dieser überaus schädlichen Beschäftigung zu
                              									befreien, wurden später Pulverisirapparate in den Fuchsinwerken eingeführt. Da aber das
                              									Zerkleinern der Schmelze mit Störungen verknüpft ist, sie sich beim Mahlen
                              									hinreichend erwärmt, um theilweise zu erweichen und plastisch zu werden, so war die
                              									Beschaffung passender Mahlvorrichtungen sehr schwer. Andererseits konnte trotz der
                              									Anwendung geschlossener Mühlen die Verbreitung des giftigen Mehlstaubes in der
                              									Atmosphäre des Arbeitsraumes nicht verhindert werden. Seitdem jedoch die Schmelze in
                              									geschlossenen und mit Rührwerk versehenen Kesseln unter Druck abgekocht wird, hat
                              									man das trockene Mahlen der Schmelze aufgegeben und behielt das nasse Pulverisiren
                              									nur da bei, wo es sich um die Wiedergewinnung der im Ueberschuſs zugesetzten
                              									Arsensäure handelt. In diesem speciellen Falle wird, wie Schoop1885 258 * 276. berichtet, die Schmelze in einem Kollergange unter Zusatz von
                              									Wasser zerrieben, Schlamm und verdünnte Arsensäure durch Filtration getrennt und
                              									letztere auf den Gebrauchsgrad eingedampft. Diese Zerkleinerungsoperation bezweckt
                              									aber nicht eine Vertheilung behufs erleichterter Extraction des Farbstoffes, sondern
                              									vielmehr die vollständige Aussüſsung von im Ueberschuſs verwendeter Arsensäure. Da
                              									man in der Mehrzahl der Fuchsinbetriebe nur so viel Arsensäure anwendet, als zur
                              									Oxydation des Anilins nöthig ist, so nimmt man von einer derartigen, etwas
                              									umständlichen Behandlungsweise Abstand und begnügt sich damit, die Schmelze mit
                              									einem Brecheisen in handgroſse Stücke zu zerstoſsen, eine Operation, welche rasch
                              									auszuführen ist, verhältniſsmäſsig geringes Stauben verursacht und dem Zwecke
                              									vollständig genügt. Als Schutzvorrichtung gegen den Arsenstaub wird den Arbeitern
                              									gewöhnlich das Umbinden eines Tuches um Mund und Nase anempfohlen. Es ist
                              									augenscheinlich, daſs sich ein solcher Schutz als ungenügend erweist. Der Staub,
                              									dessen man sich erwehren will, ist zerflieſslich, der Wasserdampf der Respiration
                              									verdichtet sich im Tuche, befeuchtet es nach und nach, macht den Staub anhaften und
                              									imprägnirt die Binde mit Gift, welches alsdann auf Gesicht und Lippen wirkt. Es
                              									können auf diese Weise eicht Vergiftungsfälle vorkommen, im günstigsten Falle haftet
                              									der Staub auf der Haut fest und zerfriſst sie unter Bildung schmerzhafter
                              									Geschwüre.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)
                              
                           
                        
                     
                  
               
