| Titel: | Die Fabrikation des Arsensäurefuchsins; von Dr. Otto Mühlhäuser. | 
| Autor: | Otto Mühlhäuser | 
| Fundstelle: | Band 266, Jahrgang 1887, S. 504 | 
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                        Die Fabrikation des Arsensäurefuchsins; von Dr.
                           									Otto Mühlhäuser.
                        (Fortsetzung der Abhandlung S. 455 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildungen auf Tafel 26 u. 27.
                        Mühlhäuser, über die Fabrikation des
                           								Arsensäurefuchsins.
                        
                     
                        
                           III. Die nasse Behandlung der
                                 										Rothschmelze.
                           Die Behandlung der Schmelze auf nassem Wege bezweckt die Trennung der in derselben
                              									vorhandenen technisch verwerthbaren Farbstoffe von den Säuren des Arsens und die
                              									Abgrenzung von Zwischenproducten, welche bei nachfolgender Reinigung in
                              									Handelsproducte übergeführt werden können. Die Isolirung dieser als Rohfuchsin und
                              									Rohcerise zu bezeichnenden Zwischenproducte ist lange Zeit mit Schwierigkeiten verbunden
                              									gewesen. Erst als die Anwendung constant zusammengesetzter Rothöle die regelmäſsige
                              									Herstellung der Fuchsinschmelze gestattete und wissenschaftliche Arbeiten die
                              									Kenntnisse über die Zusammensetzung der Schmelze und die Eigenschaften ihrer
                              									Bestandtheile erweiterten, gelang es, die älteren Verfahren so umzugestalten, daſs
                              									die Trennung der werthvollen Farbstoffgemenge von den nicht verwerthbaren Pigmenten
                              									und die Abscheidung der ersteren in passender Form und in arsenarmem Zustande
                              									möglich wurde.
                           
                        
                           
                              Geschichtliches.
                              
                           Zu Anfang der Industrie, im J. 1860, zu einer Zeit, als man groſse Ansprüche an die
                              									Reinheit des Fuchsins nicht machte, mochte wohl die im Patente von Girard und de Laire1861 159 229 und 452. aufgezeichnete Methode der Reinigung, nach welcher die Schmelze mit
                              									Wasser und Salzsäure abgekocht und das Filtrat mit Natron gefällt wird, genügen.
                              									Alles Arsen bleibt hierbei als arsensaures und arsenigsaures Natron in Lösung, der
                              									Farbstoff fällt als Base aus, wird filtrirt und kann mit Säuren wieder in Lösung
                              									gebracht werden.
                           Diese Methode, welche ein unrein färbendes, aber ziemlich arsenfreies Fuchsin
                              									liefert, wurde zunächst aus ökonomischen Gründen dahin abgeändert, daſs man statt
                              									Natron die weniger theure Soda zum Ausfällen des Farbstoffes benutzte. In dieser
                              									modificirten Form ist das Verfahren im J. 1862 in der Fabrik der Herren Rénard frères et Franc in Lyon in Gebrauch gewesen. Wie
                              										WurtzRapports du Jury international de l'exposition de
                                          													Londres de 1862 Bd. 1 S. 295. mittheilt, wurde die zerkleinerte Schmelze mit 2 Th. gewöhnlicher
                              									Salzsäure unter Einleiten von Dampf gekocht, vom Rückstand durch Filtration
                              									getrennt, die klare Lösung mit Soda ausgefällt und der abgeschiedene Farbstoff mit
                              									dem Schaumlöffel abgehoben. Bei dieser Arbeitsweise wird als
                              									Schmelzabkochungsrückstand ein Gemenge von arseniger Säure mit Violanilin und
                              									Mauvanilin erhalten. In Lösung gehen wenig Mauvanilin, alle Fuchsine und Phosphine
                              									in Form der arsen-, arsenig- und chlorwasserstoffsauren Salze. Beim Neutralismen des
                              									Filtrates mit kohlensaurem Natron scheidet sich sämmtlicher Farbstoff in Kuchenform
                              									aus, während Arsensäure und arsenige Säure als Natronsalze in Lösung gehen. Beim
                              									Abkochen des Kuchens, der ein Gemenge von salzsauren Fuchsinen und Phosphinen mit
                              									freier Mauvanilinbase darstellt, mit Wasser, gehen die Chlorhydrate in Lösung,
                              									während Mauvanilinbase als Rückstand bleibt. Das heiſse Filtrat scheidet beim
                              									Erkalten das Fuchsin in Krystallen, das Phosphin und geringe Mengen eines violetten
                              									Farbstoffes als Harz ab. Diese Abscheidung wurde, wie Wurtz mittheilt, einer nochmaligen Krystallisation unterworfen. Die
                              									kostspielige und schwer ausführbare Methode, welche ein verhältniſsmäſsig reines,
                              									arsenarmes Product ergab, wurde in der Folge dadurch ökonomischer gemacht, daſs man – wie ReimanM. Reiman, Technologie des Anilins. Berlin
                                       												1866 S. 64. es thut – die theure Soda durch die billige Kreide ersetzte. Nach
                              									wie vor blieb aber dem Verfahren das lästige Aufschäumen beim Carbonatzusatz und die
                              									schwer durchführbare Filtration der Massen anhaften. Habedank1864 171 73. suchte die Verwendung von Salzsäure und Soda dadurch zu umgehen,
                              									daſs er die Schmelze mit Wasser, dem so viel Kochsalz zugesetzt ist, als zur
                              									Umwandlung aller in der Schmelze vorhandenen Arsensäuren in Natriumarseniat und
                              									-arsenit nöthig ist, abkocht. Der von der Natronsalzlösung getrennte FarbstoffNach Brimeyr (1867 184 145) erhält man beim Abkochen der Schmelze mit Kochsalzlösung
                                    											nach dem Erkaltenlassen einen Kuchen, welcher, im Gewicht ungefähr 50 bis 60
                                    											Proc. von der Rohmasse betragend, den meisten Farbstoff, etwas arsenige
                                    											Säure und den unlöslichen Rückstand enthält. Nach dem Ausziehen mit Wasser
                                    											ohne Säure verbleiben 18 bis 20 Proc. violettblauer Farbstoff und schwarzer
                                    											Rückstand. In Lösung gehen 52 Proc. arsenige Säure, also beinahe die ganze Menge der
                                    											angewendeten, wenn man die in der Schmelze enthaltene zu 56 bis 58 Proc.
                                    											berechnet. gibt bei der fractionirten Abkochung mit heiſsem Wasser verschieden reine
                              									Fractionen, von denen die erste – als unrein – mit Kochsalz ausgesalzen, die übrigen
                              									der Krystallisation überlassen bleiben. Diese Methode, welche die gründliche
                              									Wegschaffung des Arsens aus der Schmelze bezweckt, liefert in der That ein
                              									arsenarmes, aber auch ein unrein färbendes Fuchsin, das durch Umkrystallisiren nur
                              									schwer reiner zu erhalten ist. Das Verfahren hat indessen den zeitlichen
                              									Bedürfnissen des Marktes ebenso genügt, wie ein von J.
                                 											Levinstein1865 176 155. im J. 1864 beschriebenes Verfahren. Der letztgenannte Techniker
                              									kocht die Schmelze einfach in Wasser ab, erhält als Schmelzabkochungsrückstand ein
                              									Gemenge von arseniger Säure, Violanilin und Mauvanilin, im klaren Filtrate eine
                              									Lösung der Arseniate und Arsenite des Fuchsins und Phosphins neben
                              									Mauvanilinarseniat. Beim Erkalten der Lösung werden Fuchsinkrystalle erhalten, denen
                              									Mauvanilin und Spuren der Phosphine als harzige Bestandtheile anhängen.
                           Als ein groſser Fortschritt ist es zu betrachten, daſs man die von Habedank und Levinstein
                              									empfohlenen Verfahren in geeigneter Weise combinirte, d.h. die Schmelze nur mit
                              									Wasser abkochte und erst im Filtrate die Umwandlung und Abscheidung der Farbstoffe
                              									mit Kochsalz vornahm. Diese Methode, welche von Hofmann,
                                 										Girard und de LaireRapports du Jury international de l'exposition de
                                          													Paris de 1867 Bd. 7 S. 243. im J. 1867 beschrieben worden ist, wurde wie folgt ausgeführt:
                           300k Schmelze werden in 1500k Wasser mit direktem Dampfe etwa 4 bis 5 Stunden
                              									gekocht, die Lösung abklären gelassen und das Filtrat durch Einrühren von 360k Kochsalz vollständig ausgefällt. Man erhält so
                              									den Farbstoff als ein Product von ziemlicher Löslichkeit und Reinheit der Nuance, das bei nochmaligem
                              									Umkrystallisiren ein zur Zeit genügend reines Fuchsin bei guter Ausbeute lieferte.
                              									Diese Reinigungsweise erfuhr eine bedeutende Verbesserung, als die von A. W. Hofmann begründete Chemie der Arsensäureschmelze
                              									durch die Arbeiten von Girard, de Laire und ChapotautZeitschrift für Chemie 1867 S. 17 und
                                       												236. noch weiter aufgeklärt wurde. Man wuſste nunmehr die Eigenschaften
                              									aller wesentlichen in der Schmelze enthaltenen Bestandtheile und war in den Stand
                              									gesetzt, auf Grund dieser Eigenschaften die Schmelzbestandtheile zu trennen. Aus der
                              									Farbstoffbrühe fällte man in Zukunft nicht mehr sämmtlichen Farbstoff mit Kochsalz
                              									aus, suchte vielmehr diejenigen Farbstoffe, die sich vom eigentlichen Fuchsin durch
                              									gröſsere Löslichkeit auszeichnen, in den Mutterlaugen zu behalten. Diese Methode der
                              									Schmelzhandlung ist von WurtzProgrès des matières colorantes artificielles p.
                                          													Wurtz 1876 S. 55. im J. 1876 beschrieben worden. Danach kocht man die Schmelze mit
                              									wenig Wasser unter Druck ab, läſst das heiſse Filtrat in Klärgefäſsen behufs
                              									Absonderung der violetten Farbstoffe auf 60 bis 70° erkalten, decantirt die klare
                              									Brühe und versetzt nun erst die von Mauvanilin befreite Flüssigkeit mit Kochsalz. Da
                              									man auf 100 Th. Schmelze 120 Th. Kochsalz anwendet, so wird aus der stark
                              									concentrirten Farbbrühe alles Rosanilin und ein Theil der gelben Farbstoffe
                              									ausgefällt, während ein gelbrothfärbendes Farbstoffgemisch, das Rohcerise, in der
                              									Mutterlauge bleibt. In ähnlicher, aber weniger ökonomischer Weise gewinnt auch Schoop1885 258 276. (1885) das Rohfuchsin durch Abkochen von 100 Th. Schmelze in
                              										40001 Wasser und Versetzen des Filtrates mit
                              										230k Salz. Da bei derartiger Behandlungsweise
                              									immer noch viel Phosphin mit den Fuchsinen ausfällt und beim Zusatz von wenig
                              									Kochsalz zu viel Fuchsin in Lösung bleibt, so benutzte man die Eigenschaft der
                              									Phosphine, in Säuren bedeutend löslicher zu sein als Fuchsin, um sie in Lösung zu
                              									behalten. Man säuert zu dem Zweck die Schmelzabkochung mit Salzsäure an und setzt
                              									Kochsalz zu. Auf diese Weise gelingt es, fast alles Fuchsin abzuscheiden, beinahe
                              									alles Phosphin und andere leicht lösliche rothe Farbstoffe in Lösung zu behalten.
                              									Diese Methode der nassen Behandlung gibt in Bezug auf Ausbeute und Qualität des
                              									Farbstoffes das beste Resultat und ist auch heute noch in Ausübung.
                           Die Ausfällung der in den Mutterlaugen verbleibenden Farbstoffe geschieht im
                              									Wesentlichen heute noch so, wie sie von Levinstein1865 176 155. (1864), KoppTraité des matières colorantes artificielles p.
                                          													Bolley et Kopp 1874 S. 143. (1874), WurtzProgrès de l'industrie des matières colorantes p.
                                          													Wurtz 1876 S. 55. (1876), HäuſsermannDie Industrie der Theerfarbstoffe, 1881 S.
                                       												24. (1881) und Schoop1885 258 * 276. (1885) angegeben worden ist. Man versetzt entweder mit Kalk oder
                              										mit Soda und gewinnt
                              									das Rohcerise durch Abschöpfen. Die Gewinnung des Anilins aus den entfarbstofften
                              									und mit Kalkmilch überalkalisirten Laugen erwähnt WurtzProgrès de l'industrie des matières colorantes p.
                                          													Wurtz 1876 S. 56. im J. 1876.
                           
                        
                           
                              Die Schmelzabkochung und die Gewinnung der
                                 										Zwischenproducte.
                              
                           Die Rothschmelze wurde zu Anfang der Industrie in offenen Gefäſsen aus Holz oder
                              									Eisen mit Salzsäure oder reinem Wasser extrahirt. Erst Mitte der sechziger Jahre
                              									fing man an, die Abkochung in mit Rührwerk versehenen geschlossenen Cylindern unter
                              									Druck vorzunehmen. Vollständige Extraction der Schmelze, Ersparniſs an Wasser, Dampf
                              									und Fällmaterial, an Zeit und Arbeit waren die unmittelbaren Folgen der Einführung
                              									dieser rationellen Arbeitsweise, welche heute noch ausgeübt wird. Als Kochgefäſs
                              									dient ein aus Kesselblech erstellter, mit Rührwerk versehener liegender Cylinder F von etwa 40001
                              									Inhalt. Der Kessel F besitzt ein am Dom angebrachtes
                              									Mannloch zur Eingabe der Materialien. Am untersten Theile des etwas geneigt
                              									aufgestellten Kessels befindet sich ein Arbeitsloch zur Ausstoſsung der Rückstände.
                              									Die Verbindung mit der Dampf- und Wasserleitung gestattet die Extraction mit
                              									kochendem Wasser, welche durch das Rührwerk unterstützt wird. Das oberhalb des
                              									Kessels F auf einem Holzgestell ruhende Druckfilter G dient zur Filtration des „abgeruhten“
                              									Farbextractes, der als Filtrat in einen der Rohfuchsinkrystallisationskasten HH1H2 oder H3 geleitet wird. Ein über dem Kochkessel
                              										F aufgestellter eiserner Behälter J nimmt die durch nochmalige Abkochung des
                              									Schmelzabkochungsrückstandes resultirende, wenig Farbstoff enthaltende Farbbrühe
                              									auf, Welche behufs Verarbeitung einer frischen Schmelze an Stelle von reinem Wasser,
                              									wieder in den Kessel F zurückflieſsen gelassen
                              									wird.
                           Die unterhalb der Rohfuchsinkrystallisationskasten HH1H2 und H3 stehenden
                              									Rohcerisekasten K und K1 dienen zur Aufnahme der
                              									Rohfuchsinmutterlaugen. Nach dem Ausfällen des Rohcerise wird dieses mit
                              									Schaumlöffeln abgeschöpft und die nur noch wenig Farbstoff suspendirt enthaltenden
                              									Laugen behufs Gewinnung dieser letzten Mengen Farbstoff in ein Druckfaſs L abgezogen und durch die Filterpresse M filtrirt. Das anilinhaltige Filtrat läuft direkt in
                              									den Destillationskessel N, in welchem das Anilin durch
                              									Wasserdampf abgetrieben wird.
                           Die spröde, in Stücke zerschlagene Masse wird, wenn die allererste Schmelze
                              									verarbeitet werden soll, mit Wasser, in allen anderen Fällen aber mit der sogen.
                              										„Schmelzrückstandsbrühe“ abgekocht, welche man durch Abkochung des nach
                              									der ersten Extraction zurückbleibenden Rückstandes mit frischem Wasser erhält. In
                              									den Kessel wird zunächst Schmelzrückstandsbrühe eingefüllt und ein Volum von 2400l Flüssigkeit Eventuell durch Nachfüllen mit
                              									Wasser bis zum Markirhahn hergestellt. Die Schmelze wird bei gehendem Rührwerk zur
                              									kochenden Flüssigkeit eingegeben. Ist der Apparat beschickt, so schlieſst man den Kessel, bringt den
                              									Druck mit Dampf auf 1at,5 und erhält diese
                              									Spannung unter Inganghaltung des Rührwerkes etwa 1 Stunde lang. Es geht fast aller
                              									Farbstoff als arsensaures Salz in Lösung. Nach einstündiger Behandlung stellt man
                              									Rührwerk und Dampfzufuhr ab. Der Druck sinkt während 1½ Stunden auf 0at,3 zurück, so daſs jetzt durch Oeffnen eines am
                              									Mannlochdeckel angebrachten Hahnes der Ueberdruck des Kochers „abgeblasen“
                              									werden kann. Die heiſse Behandlung der Schmelze dauert im Ganzen ungefähr 3 Stunden.
                              									Da der Kessel etwa 2 Stunden der Ruhe überlassen bleibt, ehe der Kesselinhalt
                              									filtrirt wird, so setzt sich der in saurem Wasser unlösliche Antheil als mürbe, mehr
                              									oder weniger von Harz durchsetzte Masse zu Boden. Nur wenig harziger Rückstand
                              									bleibt in der der Ruhe überlassenen heiſsen Brühe suspendirt. Man trennt von Harz
                              									und festem Rückstand durch Filtration. Da nicht der ganze Kesselinhalt filtrirt
                              									wird, sondern nur die wenig Rückstand enthaltende Flüssigkeit und eine groſse
                              									Filtrirfläche, der gutartigen Filtration halber, unnöthig wird, so gebraucht man
                              									zweckmäſsig ein Druckfilter. Die Anwendung des letzteren hat in diesem speciellen
                              									Falle Manches vor der Filterpresse voraus. Das auf einem Gestell ruhende Druckfilter
                              										G ist oberhalb des Kessels F auf dem Podium aufgestellt und kann mit einem in den Kessel eingesetzten
                              									Steigrohr mittels des Kautschuckschlauches eines Quetschhahnes in Verbindung
                              									gebracht werden. Soll filtrirt werden, so bringt man das Innere des Kessels auf
                              									Atmosphärendruck, führt ein Steigrohr durch einen am Kessel angebrachten Stutzen in
                              									den Kessel ein, stellt die Verbindung mit dem Druckfilter her und setzt durch Zufuhr
                              									von Dampf die Filtration in Gang. Das Steigrohr, welches nicht ganz bis auf den
                              									Boden des Kessels reicht, sondern sich bis auf etwa 10cm der auf dem Kesselboden liegenden Rückstandschichte nähert, wird,
                              									sobald demselben keine Flüssigkeit mehr entströmt, durch ein etwas längeres
                              									Steigrohr ersetzt, welches bis auf den Boden der Harzdecke geht. Man filtrirt damit
                              									den letzten, ziemlich viel Rückstand enthaltenden Antheil der Flüssigkeit. Durch
                              									dieses 2malige Einsetzen verschieden langer Röhren in den Kochkessel F bewerkstelligt man eine sehr glatte Filtration, denn
                              									bei der Anwendung des kurzen Steigrohres geht die Hauptmenge der Flüssigkeit, da sie
                              									kaum Rückstand enthält, sehr rasch durchs Filter, was nicht der Fall wäre, wenn von
                              									vornherein, das bis auf den Boden reichende Rohr in Anwendung gebracht würde. Im
                              									letzteren Falle würde das Filter bald, durch Harz verschmiert, für Flüssigkeit fast
                              									undurchdringlich werden, die Filtration würde nur langsam fortschreiten können,
                              									bezieh. bald vollständig aufhören. Ein Filterwechsel wäre dann nothwendig, was wegen
                              									der darauf zu verwendenden Zeit mit einer Deconcentration der Brühe, in Folge
                              									eintretender Abkühlung, gleichbedeutend ist. Ein neues Aufkochen der Brühe würde
                              									nöthig, Zeit und Arbeit müſsten geopfert werden. Man filtrirt deshalb zweckmäſsig mit der kurzen
                              									Steigröhre den abgeklärten Theil, mit der langen den trüben Theil der heiſsen
                              									Farbbrühe. Das Filtrat leitet man in einen der auf einem Podium stehenden
                              									Krystallisationskasten HH1,
                                 											H2 oder H3. Ist zu Ende filtrirt, so öffnet man das
                              									Filter durch Abheben des Deckels, welcher mittels Zwingschrauben am Filterkasten
                              									befestigt ist- dann löst man das mit Schrauben befestigte, zur Verstärkung und
                              									Anpressung des Baumwolltuches dienende Sieb, das im Inneren des Eisenkastens auf
                              									einspringenden Rändern aufliegt, los, nimmt das Baumwolltuch heraus, reinigt
                              									dasselbe und setzt den Kasten für die nächste Filtration in Stand.
                           Da der im Kochkessel verbleibende Rückstand noch extrahirbaren Farbstoff enthält, so
                              									wird derselbe einer zweiten Extraction unterworfen. Man löst erst das Rührwerk von
                              									dem die Rührarme festhaltenden Harze los, füllt den Kessel von Neuem mit 2000l Wasser an, setzt das Rührwerk in Gang und
                              									erhitzt zum Kochen. Zur kochenden Masse gibt man 10k Arsensäure. Der Kessel wird geschlossen und während einer Stunde die
                              									durch Umrühren in Bewegung gehaltene Masse auf 1at
                              									Druck erhitzt. Man stellt das Rührwerk ab und läſst den Druck im Kessel innerhalb
                              									einer Stunde auf 0at,3 zurückgehen. Nach dem
                              									Abblasen des Dampfes filtrirt man die heiſse Brühe unter den oben citirten
                              									Vorsichtsmaſsregeln in das über dem Kocher stehende Reservoir J. Den im Kessel verbleibenden mürben Rückstand, den
                              									sogen. Schmelzrückstand wirft ein in den erkalteten Kessel gestiegener Arbeiter
                              									durch das am Boden angebrachte Mannloch heraus. Dieser Rückstand wird von den
                              									meisten Fabriken verloren gegeben, in wenigen Werken wird derselbe jedoch auf
                              									Arsensäure verarbeitet. In amerikanischen Werken wird der Schmelzabkochungsrückstand
                              									von den Farmern zur Vertilgung des potato-bug
                              									aufgekauft. Der Schmelzabkochungsrest besteht zum gröſsten Theile aus arseniger
                              									Säure, aus violetten Farbstoffen: Mauvanilin und Violanilin und aus noch nicht näher
                              									definirten humusartigen Stoffen, unter denen sich wahrscheinlich diejenigen
                              									Zersetzungsproducte finden dürften, die entweder durch die Hitze allein oder durch
                              									die vereinigte Wirkung von höherer Temperatur und Arsensäure auf die Farbstoffe
                              									entstanden sind.
                           Wollte man das im Reservoir J befindliche, durch
                              									Abkochung des Rückstandes erhaltene heiſse Filtrat, welches die letzten Mengen
                              									löslichen Farbstoffes des Schmelzrückstandes enthält, erkalten lassen, so würde sich
                              									daraus dennoch kein Farbstoff abscheiden. Denselben für sich aus der Brühe mittels
                              									Kochsalz abzusondern, würde sich kaum lohnen; man benutzt daher in zweckmäſsiger
                              									Weise diesen Auszug zur Extraction der nachfolgenden Schmelze, indem man die heiſse
                              									Brühe aus dem Reservoir J in den Kochkessel F zurücklaufen läſst, dieselbe zum Kochen bringt und
                              									dazu die frische Schmelze unter Umrühren eintragt, im Uebrigen genau wie oben
                              									beschrieben ist die Schmelze extrahirt und das farbstoffreiche Filtrat weiter
                              									verarbeitet. Dieses heiſse, grünschimmernde, stark mit Farbstoff beladene Filtrat
                              									enthält die Fuchsine und Phosphine neben etwas Mauvanilin als arsen- bezieh.
                              									arsenigsaures Salz und auſserdem freie arsenige Säure und Arsensäure. Es handelt
                              									sich jetzt darum, einerseits die ganze Menge des Rosanilins ins Chlorhydrat
                              									überzuführen und letzteres von der in der Brühe enthaltenen Arsensäure zu befreien,
                              									andererseits so viel freie Säure im Ueberschuſs zu haben, um das in Säuren leicht
                              									lösliche Chrysanilin in Lösung zu behalten. Zu dem Zwecke gibt man zur Brühe 10k Salzsäure von 21° B. zu, dann rührt man 50k Kochsalz, das man in kleinen Mengen zustreut,
                              									ein. Es findet dann doppelte Umsetzung statt. Sämmtlicher arsensaurer Farbstoff
                              									setzt sich mit dem Kochsalz unter Bildung von salzsaurem Farbstoff und arsensaurem
                              									Natron um. Letzteres fällt beim Erkalten der Mischung etwas schwer löslichen, aus
                              									Mauvanilin bestehenden Farbstoff aus und bringt fast alles Fuchsin zur
                              									krystallinischen Abscheidung. Dieses Farbstoffgemenge, das sogen.
                              										„Rohfuchsin“ setzt sich innerhalb 3 Tagen in Form von mit Harz
                              									durchsetzten grünen Krystallkuchen an Wand und Boden des Kastens H ab. Nach vollständigem Erkalten wird Flüssigkeit und
                              									Ausscheidung getrennt, indem man die nunmehr fuchsinarme Mutterlauge in den
                              									unterstehenden Kasten K ablaufen läſst und dort nach
                              									Ausfällen von sämmtlichem Farbstoff das „Rohcerise“ gewinnt.
                           Das Rohfuchsin, welches in festen Krusten nach dem Ablaufen der Mutterlauge in dem
                              									geneigt stehenden eisernen Krystallisirkasten H
                              									zurückbleibt, wird mit einem eisernen Brecheisen von einem sich in den Kasten
                              									begebenden Arbeiter losgelöst, in ein Faſs gebracht und zur weiteren Verarbeitung
                              									bei Seite gestellt, oder wenn der Feinkocher frei ist, sofort weiter verarbeitet.
                              									Die Mutterlauge vom Rohfuchsin, welche sich in H
                              									befindet, wird mit Kalkmilch und Soda versetzt. Es wird so zunächst alle vorhandene
                              									freie Säure neutralisirt, endlich aller Farbstoff mit Soda niedergeschlagen. Will
                              									man aus der Flüssigkeit das Rohcerise abscheiden, so erhitzt man dieselbe erst mit
                              									direktem Dampfe auf 40° und trägt nun eine aus 30k
                              									Kalk bereitete, durch ein Sieb von grobem Material getrennte, Kalkmilch mittels
                              									Schöpfer unter Umrühren in die rothe Brühe ein. Nunmehr wird beim Einrühren der Soda
                              									ein Aufschäumen nicht mehr stattfinden. Nach dem Einstreuen von 20 bis 25k Soda ist aller Farbstoff ausgefällt und hat sich
                              									derselbe, vermöge seines geringeren specifischen Gewichtes an der Oberfläche der
                              									Flüssigkeit und in Folge der lauwarmen Temperatur des Bades in harziger, leicht zu
                              									handhabender Form abgeschieden und kann mit durchbohrten Schöpfpfannen in ein Faſs
                              									abgeschöpft werden. Die anilinhaltige Brühe läſst man in das Druckfaſs L ablaufen, drückt sie mit comprimirter Luft durch die
                              									Filterpresse M, befreit sie dort von allem in
                              									Suspension gehaltenem Farbstoff und leitet die Brühe in den Destillator N, wo dieselbe, nachdem man sie noch auf ihre
                              									Alkalinität geprüft hat, über freiem Feuer
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 266, S. 511
                              Zwischenproducte; Nebenproducte;
                                 										Abfallproducte; Schmelze mit Schmelzrückstandsbrühe 1 Stunde lang gekocht; Heiße
                                 										Farbbrühe mit HCl und NaCl versetzt und erkalten gelassen; Rohfuchsin;
                                 										Mutterlauge lauwarm mit Ca(OH)2 und CO3Na2 versetzt;
                                 										Rohcerise; Filtrat destillirt; Anilinöl; Salzbrühe; I. Rückstand mit Wasser 1
                                 										Stunde bei 1at gekocht; II. Rückstand
                                 										(Schmelzabkochungsrückstand); Heiße Schmelsrückstandsbrühe;
                                 										Schmelzrückstandsbrühe; Schmelzabkochungsrückstand
                              
                           
                           zum Kochen erhitzt wird. Nachdem die Destillation in Gang
                              									gesetzt ist, läſst man einen Dampfstrom in die Flüssigkeit eintreten. Die sich im
                              									Kühler O condensirenden anilinhaltigen Dämpfe werden
                              									gesammelt, das Destillat mit Kochsalz ausgesalzen, Anilin und Wasser im
                              									Scheidetrichter getrennt. Man erhält so noch ungefähr 6 bis 8k Anilin. Die im Kessel N verbleibende, von ausgeschiedenem Calciumarsenit milchig getrübte
                              									Flüssigkeit wird in einen Kanal abgelassen, der zu einer Grube führt, in welcher
                              									sämmtliche aus dem Fuchsinbetriebe kommenden Abwässer sich ansammeln und mit Kalk
                              									einer nochmaligen Behandlung unterworfen werden.
                           Das Schema auf S. 511 zeigt in übersichtlicher Weise die Herstellung der
                              									Zwischenproducte, wie man sie bei der nassen Behandlung einer Rohschmelze
                              									erhält.
                           
                        
                           IV. Die Verarbeitung der
                                 										Zwischenproducte.
                           Bei der Verarbeitung der Zwischenproducte handelt es sich nicht um Isolirung
                              									bestimmter chemischer Individuen, sondern um Herstellung derjenigen
                              									Farbstoffgemenge, welche auf dem Farbenmarkte unter den Handelsnamen: Fuchsin 00, Fuchsin 0, Rosanilin, Cerise RR, Cerise R
                              									und Marron verlangt werden.
                           Nach den Untersuchungen derjenigen Chemiker, welche sich mit der Isolirung der bei
                              									Einwirkung von Arsensäure auf Rothöl entstehenden Farbstoffe beschäftigt haben, sind
                              									es namentlich: Pararosanilin, Rosanilin, Chrysanilin,
                                 										Chrysotoluidin, Mauvanilin und Violanilin,
                              									welche beim Schmelzprozeſs entstehen. Diese Farbstoffe setzen auch die oben
                              									erwähnten Handelsmarken zusammen. So stellen die Fuchsinmarken ein Gemenge der
                              									Chlorhydrate des Rosanilins und Pararosanilins, die Cerise ein Gemenge von
                              									Pararosanilin und seinen Homologen mit mehr oder weniger Chrysanilin und seinen
                              									Homologen nebst anderen noch nicht definirten Farbstoffen dar, das Marron endlich
                              									ist ein Gemenge von Mauvanilin, wenig Fuchsinen, Phosphin und braunen
                              									Farbstoffen.
                           Da die Rosaniline in Form von Fuchsinkrystallen den werthvollsten Farbstoff der
                              									Fuchsinschmelze darstellen, so ist die möglichst vollkommene Isolirung des Fuchsins
                              									das Hauptbestreben des Fabrikanten. Die Trennung des Fuchsins von den Begleitern ist
                              									indessen nach den zur Verfügung stehenden, technisch möglichen Trennungsverfahren
                              									eben nur unvollkommen, ein Uebelstand, der durch die Nachfrage von Seiten der Färber
                              									nach den anderen erwähnten Farbstoffgemischen, die, wenn sie nicht direkt erhalten
                              									würden, doch durch Mischung der isolirten Farbstoffe dargestellt werden müſsten,
                              									nicht so sehr viel zu bedeuten hat.
                           
                              1. Die Fabrikation von Rosanilin
                                    											und Fuchsin.
                              
                                 a) Die Herstellung der
                                       												Fuchsinkrystalle.
                                 
                                    Geschichtliches.
                                    
                                 Die Reindarstellung des Fuchsins in Krystallform scheint zuerst 
                                    											Ch. NicholsonWagner's Jahresbericht 1862 S.
                                             														554. gelungen zu sein, der zu der denkwürdigen Untersuchung von
                                    												A. W. Hofmann das Material in Form des
                                    											Acetates lieferte.
                                 Anfangs der sechziger Jahre brachte man im Allgemeinen das Fuchsin noch als
                                    											eine viel Harz enthaltende teigige Masse in den Handel. Etwas später, etwa
                                    											im J. 1862, gelang es, auch das Fuchsin im Groſsen in Krystallen zu
                                    											erhalten, jedoch waren die auf den Markt kommenden Producte noch unrein und
                                    											namentlich sehr arsenhaltig. Im weiteren Verlaufe der Entwickelung der
                                    											Fabrikation hat man die unreinen, schlecht ausgebildeten, mehr oder weniger
                                    											von Harz durchsetzten Krystalle, wie sie nach den verschiedenen Methoden in
                                    											mehr oder weniger reiner Qualität erhalten wurden, der reinigenden Operation
                                    											des Umkrystallisirens unterworfen, erhielt hierbei aber neben nur wenig
                                    											reinerem Fuchsin auch eine schlechte Ausbeute an Krystallen. In dieser Weise
                                    											reinigte man, wie aus den Abhandlungen von WurtzRapports du Jury international de
                                                															l'exposition de Londres, 1862 Bd. 1 S. 296. (1862), Hofmann, Girard und de
                                       													LoireRapports du Jury international de
                                                															l'exposition de Paris, 1867 Bd. 1 S. 244. (1867), WurtzProgrès de l'industrie de matières
                                                															colorantes p. Wurtz 1876 S. 54. (1876) und Anderen hervorgeht, das Fuchsin bis in die Mitte
                                    											der siebziger Jahre. So erhält man z.B. nach den Mittheilungen von Hofmann, Girard und de Laire das
                                    											Krystallfuchsin, indem man das (durch Kochsalz aus der Schmelzabkochung
                                    											erhaltene) Rohfuchsin in Wasser löst und das Filtrat auskrystallisiren
                                    											läſst. Man muſste so, je nachdem das Fuchsin den verschiedenen Stellen des
                                    											Krystallbottiches: der Wand, den eingehängten Krystallisationsstäben oder
                                    											dem Boden entnommen war, auch verschieden reine Fuchsinsorten erhalten, die
                                    											unter den verschiedensten Namen auf den Markt gebracht wurden. Nur wenigen
                                    											Fabrikanten gelang die Erzeugung eines schönen mit reiner Nuance färbenden
                                    											Fuchsins, welches zur Fabrikation des phenylirten Rosanilinblau, zu Hofmann's Violett und Jodgrün hätte dienen
                                    											können. In Folge dessen war der Preis der feinen Fuchsinsorten ein bedeutend
                                    											höherer, als derjenige der etwas weniger reinen, zum Rothfärben dienenden
                                    											Producte. Im J. 1869 standen, wie M. VogelDie Entwickelung der
                                                															Anilin-Industrie von M.
                                                															Vogel 1870 S. 14. mittheilt, die Preise der verschiedenen Fuchsinsorten in
                                    											folgender Proportion zu einander:
                                 
                                    
                                       Fuchsin
                                       gelblich
                                       M.
                                       15
                                       bis
                                       18
                                       für
                                        1k
                                       
                                    
                                       „
                                       bläulich
                                       „
                                       15
                                       „
                                       18
                                       „
                                       1
                                       
                                    
                                       Fuchsin
                                       ff. Bläulich
                                       „
                                       21
                                       „
                                       27
                                       „
                                       1
                                       
                                    
                                       „
                                       prima ff. Bläulich
                                       „
                                       48
                                       „
                                       60
                                       „
                                       1
                                       
                                    
                                 Der hohe Preis der einen Sorte gegenüber einer anderen, lediglich durch das
                                    											Fehlen einer geringen Beimischung von Chrysanilin und Mauvanilin bedingt,
                                    											muſste auch fallen, sobald es gelang, die Vermengung dieser lästigen
                                    											Producte mit dem Fuchsin zu verhindern. Auf dem Wege der bloſsen
                                    											Krystallisation war dies äuſserst schwer zu erreichen. Man versuchte daher diese
                                    											Trennung auf anderem Wege durchzuführen und erinnerte sich hierbei wohl der
                                    											bereits verlassenen, schon zu Anfang der Industrie in französischen Fabriken
                                    											angewendeten Behandlungsweise mit SodaDie Reinigung der Schmelze mit Soda erwähnt zuerst E. J. Hughes in seinem am 24. Juni 1860
                                          													genommenen Patent (1860 158 147)., welche die Trennung des Fuchsins und Mauvanilins gestattet. Indem
                                    											man das Rohfuchsin mit einer verdünnten Sodalösung abkochte, gingen Fuchsin
                                    											und Chrysanilin in Lösung, während Mauvanilin zurückblieb. Das Filtrat lieſs
                                    											beim Erkalten das Fuchsin auskrystallisiren und das Chrysanilin mehr oder
                                    											weniger harzig ausfallen. Man erhielt ein in der Form unschönes, aber rein
                                    											färbendes, immerhin noch zu gelbstichiges Präparat. Als in der Folge eine
                                    											weitere Verbesserung gemacht wurde und man dem Filtrate Salzsäure zusetzte
                                    											und dadurch das Phosphin in Lösung behielt, gelang die Darstellung des
                                    											Fuchsins in vollkommen reiner und krystallisirter Form. Die Reinigung des
                                    											mit Kochsalz abgeschiedenen Rohfuchsins mit Soda scheint, wie aus dem
                                    											Berichte von Wurtz hervorgeht, im J. 1876 noch
                                    											nicht gebräuchlich gewesen zu sein, ebenso wenig der Zusatz von Kochsalz zu
                                    											der mit Soda gereinigten und mit Salzsäure versetzten Farblösung. Diese
                                    											Methode der Krystalldarstellung hat P. Schoop1885 258 281. im J. 1885 kurz beschrieben.
                                 
                              
                           
                        
                           Die Fuchsinkrystallisation.
                           Zur Aufarbeitung des Rohfuchsins auf Handelsfuchsin benöthigt man ein
                              									Apparatensystem, das analog zusammengesetzt ist wie dasjenige, welches zur
                              									Aufarbeitung der Schmelze dient. Der Kochkessel N
                              									gestattet das Abkochen des Rohfuchsins unter schwachem Druck, das Druckfilter Y erlaubt die Filtration der geläuterten Fuchsinbrühe,
                              									welche als Filtrat nach einem der Krystallbottiche Z, Z1, Z2, Z3, Z4, Z5 geleitet wird. Das Druckfaſs C dient zur Aufnahme der erkalteten Fuchsinmutterlaugen
                              									und zum Transport derselben nach a. Das Rohfuchsin, wie
                              									man es dem Krystallisationskasten entnimmt, enthält auſser dem Fuchsin noch Phosphin
                              									und Mauvanilin, ferner in geringen Mengen Violanilin und huminartige Stoffe.
                              									Auſserdem kann es, wenn man mit einem leichten Ueberschuſs von Anilin gearbeitet
                              									hat, kleine Mengen phenylirter Producte enthalten. Man trennt nun diese Farbstoffe
                              									zunächst in einen in verdünnter Sodalösung leicht löslichen und in einen darin
                              									unlöslichen Antheil. Das Abkochen des Rohfuchsins wird, wie erwähnt, in einem
                              									groſsen, dem „Schmelzkocher“ vollkommen gleichen Kochkessel, dem
                              										„Feinkocher“
                              									X ausgeführt. Löst man das Rohfuchsin in kochendem
                              									Wasser auf und behandelt man die Lösung mit Soda, so erfolgt zunächst Umsetzung
                              									zwischen den Salzen des Mauvanilins und Violanilins, Kohlensäure entweicht und die
                              									freien Basen scheiden sich ab, während das Fuchsin neben Phosphin in Lösung bleibt und durch
                              									Filtration vom im Alkali unlöslichen Rückstande getrennt werden kann.
                           Dieser Rückstand, welcher aus viel Mauvanilin und Violanilin, neben etwas Chrysanilin
                              									und Rosanilin besteht, liefert nach fast vollständigem Entzug der letzteren das
                              									Material zur Marrondarstellung. Das heiſse Filtrat läſst nach dem Neutralisiren
                              									bezieh. schwachem Ansäuern mit Salzsäure und dem Einrühren derjenigen Menge
                              									Kochsalz, welche gerade zur Abscheidung des Fuchsins ausreicht, den gröſsten Theil
                              									des Fuchsins auskrystallisiren. Nur wenig Fuchsin neben allem Phosphin bleibt in
                              									Lösung. Die vom Fuchsin getrennte Mutterlauge findet zum Umkochen von Rohcerise
                              									Verwendung. Da bei der Krystallisation neben sehr schön ausgebildeten, groſsen,
                              									treppenförmig über einander gelagerten Oktaedern, die sich an Schwimmdeckel und
                              									Büttenwandung angesetzt haben, auch minder gut ausgebildete und weniger ansehnliche
                              									Krystalle sich am Boden des Bottichs ansetzen, letztere aber in Bezug auf Qualität
                              									ebenfalls nichts zu wünschen übrig lassen, so verwendet man die letzteren zur
                              									Herstellung von Rosanilin, indem man die getrockneten Krystalle mit einer Sodalösung
                              									nochmals umkocht und das Filtrat mit Natronlauge ausfällt. Die nach dem Erkalten vom
                              									Rosanilin getrennte Brühe, die sogen. „Basenbrühe“, welche neben Kochsalz und
                              									Soda noch Rosanilin in Lösung hält, wird anstatt Wasser zum Umkrystallisiren von
                              									Rohfuchsin verwendet. Da diese Basenbrühe nur wenig Natron im Ueberschuſs enthält
                              									und dasselbe bei Zugabe des stets sauer reagirenden Rohfuchsins neutralisirt wird,
                              									so kann die Rosanilinmutterlauge in der That mit Vortheil zum Umkrystallisiren des
                              									Rohfuchsins verwendet werden. Man zieht dann nicht allein das in der Lösung
                              									vorhandene Rosanilin, sondern auch noch die darin enthaltene Soda zu Nutzen. Man
                              									wird daher thunlichst immer diese Basenbrühe zur Krystallisation von Fuchsin
                              									verwenden und nur dann Wasser zum Umkrystallisiren nehmen, wenn keine Basenbrühe
                              									vorräthig ist. Ist letzteres der Fall, so füllt man den Kochkessel X bis zur Marke mit kaltem Wasser an. Beginnt aus dem
                              									Markirhahn Wasser auszulaufen, so enthält der Kessel die zur Krystallisation nöthige
                              									Menge Wasser, nämlich 2500l. Das Wasser wird
                              									zunächst durch direkten Dampf ins Sieden gebracht, dann setzt man das Rührwerk in
                              									Gang und läſst den Dampf nur noch schwach einströmen, so daſs das Ausströmen
                              									desselben durchs Mannloch das Arbeiten an letzterem nicht behindert. Zum kochenden
                              									Wasser gibt man das Rohfuchsin einer Schmelzabkochung, wie man es beim Ausbrechen
                              									aus dem Krystallisationskasten erhält, so schnell als es das Füllen und Entleeren
                              									der Zutrageimer erlaubt.
                           Statt des Rohfuchsins einer Schmelze kann auch die entsprechende Menge von Rohfuchsin
                              									anderer Provenienz, wie man es bei Verarbeitung des Rohcerise und des sogen.
                              									Krystallrückstandes erhält, verwendet werden.
                           
                           Nach Eingabe des Rohfuchsins in den Kessel X wird
                              									zunächst ½ Stunde bei offenem Kocher gekocht. Es ist dann aller in Wasser löslicher
                              									Farbstoff in Lösung gegangen. Jetzt erst streut man 10k Soda unter Umrühren ein. Das Einstreuen der der Gesammtmenge des
                              									Farbstoffgemenges äquivalenten Menge Soda muſs wegen starkem Aufschäumen anfangs
                              									langsam geschehen, kann jedoch, sobald letzteres nachläſst, rascher stattfinden.
                              									Nach Vermischung der Ingredientien schlieſst man den Kessel X und erhitzt ungefähr 1½ Stunden lang auf 0at,5. Nach Verfluſs dieser Zeit stellt man das Rührwerk ab, läſst den
                              									Druck im Inneren des Kessels auf 0at,3 zurückgehen
                              									und „bläst“ endlich den Kessel ab. Man setzt das Steigrohr ein, stellt die
                              									Verbindung mit dem Druckfilter Y her und drückt den
                              									ganzen Kesselinhalt durchs Druckfilter Y in einen der
                              									auf dem Boden aufgestellten Krystallisationsbottiche Z.
                              									Sobald etwa ein Drittel des Kessels in den Bottich abgelaufen ist, rührt man in den
                              									letzteren 18k Salzsäure von 21° B. ein und setzt
                              									nun das Umrühren so lange fort, bis alles Filtrat sich im Krystallisationsbottich
                              									angesammelt hat. Zur heiſsen und concentrirten, schwach sauren Lösung von salzsaurem
                              									Rosanilin rührt man 25k Kochsalz innerhalb 10
                              									Minuten ein und bedeckt die gesättigte Lösung mit einem mehrtheiligen Schwimmdeckel.
                              									Dieser Schwimmdeckel wird aus acht zurechtgeschnittenen Brettern so eingelegt, daſs
                              									der ganze Spiegel der grünroth schillernden Flüssigkeit bis auf 2cm peripherischen Spielraum durch den 8theiligen
                              									Deckel bedeckt wird. Die Krystallisation findet über Nacht und in den darauf
                              									folgenden 2 Tagen statt. Es scheiden sich hierbei der gröſste Theil der Krystalle an
                              									der Wand und am Deckel, ein anderer Theil am Boden der Bütte aus. Da man nun
                              									möglichst wenig Bodengut erzielen will, so macht man die Krystallisationsbottiche
                              									ziemlich hoch, d.h. etwa ebenso hoch wie breit. Man erhält nach dem Erkalten an
                              									Deckel und Wandung sehr reines Product, ein nur wenig unreineres Fuchsin von
                              									unschönem Aeuſseren am Boden selbst. Ist alles Fuchsin auskrystallisirt und hat der
                              									Bottich die Temperatur des Arbeitsraumes angenommen, so hebt man die Schwimmbretter
                              									ab, stellt sie in einer mit hölzerner Lehne versehene Rinne auf und läſst sie dort,
                              									gegen die Lehne gestellt, absickern.
                           Die Mutterlauge der Krystallisation läſst man in das im Boden versenkte Druckfaſs C ablaufen und drückt sie mittels Luft in den
                              									Cerisekocher a, wo sie zum Um kochen von Cerise
                              									verwendet wird. Die vollständig von Mutterlauge befreite Bütte Z säubert man zuerst von den Bodenkrystallen, indem ein
                              									in den Bottich gestiegener Arbeiter die Krystallkruste losbricht, zusammenschabt,
                              									herausschöpft und auf Zinkblechen vertheilt. Ist der Boden vollkommen blank, so
                              									kratzt man das Wandgut sorgfältig auf den reinen Boden herunter und vertheilt
                              									dasselbe gesondert vom Bodengut, ebenfalls auf zinkene Trockenbleche. Die
                              									Deckelkrystalle werden ebenfalls für sich getrocknet. Die reine Bütte dient zur Aufnahme einer
                              									nachfolgenden Brühe. Die abgelösten Fuchsinkrystalle, welche man je nach ihrem
                              									Bildungsorte von Deckel, Wand und Boden als Diamantfuchsin
                                 										oder Fuchsin 00, Fuchsin 0, Fuchsin B bezeichnet, kommen in den mit heiſser
                              									Luft gespeisten Trockenraum, wo sie, auf den Zinkblechen ausgestreut, einer
                              									Temperatur von 50 bis 60° ausgesetzt werden und innerhalb 2 bis 3 Tagen vollkommen
                              									trocknen.
                           Man erhält im Mittel eine Ausbeute von Fuchsin 00 12k, Fuchsin 0 35k, Fuchsin B 16k. Die beiden ersten Sorten bilden die
                              									Handelswaare, die dritte Sorte wird auf Rosanilin verarbeitet. Die Gröſse der
                              									erhaltenen Krystalle hängt hier wie in ähnlichen Fällen von der langsamen
                              									Abscheidung ab. Krystalle werden, wenn Fuchsin zum Export nach China oder Ost-Indien
                              									bestimmt ist, stets groſs gefordert. Der europäische und amerikanische Consument
                              									gibt wenig auf diese Aeuſserlichkeit. Die langsame Abscheidung hängt von der
                              									Concentration der Brühe, dann auch von der Menge des zugesetzten Kochsalzes ab.
                              									Einen groſsen Einfluſs auf die Krystallbildung hat ferner der Standort der Bütten
                              									und die Holzdicke derselben. Man wird, um groſse Krystalle zu erzielen, die Dicke
                              									des Holzes nicht zu schwach nehmen dürfen und die Bütte an einem ruhigen, einer
                              									Erschütterung nicht ausgesetzten Ort aufstellen.
                           Bei einem Inhalte von 3000l ist, wenn Durchmesser
                              									und Höhe annähernd gleiches Maſs haben, eine Holzdicke von 3cm,5 hinreichend und zweckdienlich. Es findet dann
                              									unter den oben erwähnten Verhältnissen die Bildung schöner Krystalle statt. Folgende
                              									Tabelle ergänzt Obiges durch einige Beispiele.
                           
                              
                                 Rohfuchsinaus einer Schmelze
                                 CalcinirteSoda
                                 Salzsäurevon 21° B.
                                 Salz
                                 Ausbeute
                                 
                              
                                 Ganzer Posten
                                  10k
                                  18k
                                  25k
                                  59k
                                 
                              
                                      „         „
                                 10
                                 18
                                 25
                                 61
                                 
                              
                                      „         „
                                 10
                                 18
                                 25
                                 62
                                 
                              
                                      „         „
                                 10
                                 18
                                 30
                                 60
                                 
                              
                           
                              (Schluſs folgt.)
                              
                           
                        
                     
                  
               
