| Titel: | Julius Wiesner's Forschungen zur Geschichte der Papierfabrikation und mikroskopischen Papierprüfung. | 
| Autor: | Friedrich Kick | 
| Fundstelle: | Band 267, Jahrgang 1888, S. 137 | 
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                        Julius Wiesner's Forschungen zur Geschichte der
                           								Papierfabrikation und mikroskopischen Papierprüfung.
                        Wiesner's Forschungen zur Geschichte der
                           								Papierfabrikation.
                        
                     
                        
                           Es gilt als historische Wahrheit, oder vielmehr es galt
                              									als solche, daſs im 13. oder 14. Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Erzeugung von
                              									Papier aus Hadern in Europa erfunden worden sei, und
                              									daſs die früheren, älteren Papiere aus roher Baumwolle bestanden.
                           
                           Prof. Dr. Julius Wiesner hat in einer vor Kurzem
                              									erschienenen Schrift„Die mikroskopische Untersuchung des
                                          												Papieres“ mit besonderer Berücksichtigung der ältesten
                                    											orientalischen und europäischen Papiere von Dr. Julius Wiesner o. ö. Universitätsprofessor u.s.w. Wien, Verlag der
                                    											k. k. Staatsdruckerei 1887. bewiesen, daſs weder die Erfindung
                              									des Hadernpapieres eine europäische Erfindung sei, noch daſs es jemals sogen.
                              									Baumwollenpapiere, d.h. Papiere aus roher Baumwolle, gegeben hat.
                           Um derart einschneidende, bisher allseits, oder doch nahezu allseits Geglaubtes
                              									umstoſsende Behauptungen aussprechen und erweisen, unzweifelhaft beweisen zu können,
                              									müſste dem Forscher nicht nur ein auſserordentlich reichhaltiges Material geboten
                              									sein, sondern es muſsten auch die mikroskopischen Methoden der Papieruntersuchung
                              									erweitert und nach manchen Richtungen ergänzt werden.
                           Beides ist erfüllt. Wiesner konnte an Hunderten von
                              									Papieren, welche dem im österreichischen Museum in Wien bewahrten Urkundenschatze
                              									aus el-Faijûm „Papyrus Erzherzog Rainer“ angehören und aus dem 8 bis 14.
                              									Jahrhundert unserer Zeitrechnung stammen, Untersuchungen anstellen. Durch die
                              									wichtigen Resultate derselben angeregt, verschaffte sich der Genannte mehr als 500
                              									Proben weiterer Papiersorten aus dem 9. bis ins erste Drittel des laufenden
                              									Jahrhunderts, aus österreichischen, deutschen, dänischen, italienischen und
                              									französischen Bibliotheken.
                           Die Resultate dieser zeitraubenden und mühevollen
                              									Untersuchungen, bei welchen auch Dr. Wiesner's
                              									Assistent, Herr Dr. H. Molisch, in hervorragender Weise
                              									betheiligt war, sind die folgenden:
                           1) Jene alten Papiere, welche man als Baumwollenpapiere bezeichnete und aus roher
                              									Baumwolle erzeugt annahm, sind keine Baumwollenpapiere,
                              									sondern zumeist aus Leinenhadern, weit seltener
                              									theilweise aus Hanfhadern hergestellt. Baumwollenhadern wurden hierzu nur selten
                              									bezieh. in ganz untergeordneter Menge verwendet.
                           Der Zeug dieser alten Papiere war wesentlich langfaseriger als derjenige der modernen Papiere. In vielen fand Wiesner Garn-, ja selbst zuweilen Gewebsreste, so daſs die Verwendung von Hadern bei
                              									ihrer Erzeugung unzweifelhaft bewiesen wurde. In vielen dieser alten Papiere lieſsen
                              									sich an den Fasern haftende Theile der Oberhaut des Leinstengels, sowie Theile der
                              									Holzsubstanz dieser Stengel nachweisen und wurde es dadurch möglich, mit
                              									Bestimmtheit die Gattung der zur Papierfabrikation damals vorzugsweise verwendeten
                              									Hadern als Leinenhadern zu erkennen.
                           Die ältesten dieser Papiere stammten aus Aegypten oder dem Oriente und erscheint es
                              									hierdurch festgestellt, daſs die Erfindung der Papiererzeugung aus Hadern eine
                              									orientalische ist.
                           2) Die alten Papiere waren bis in die letzten Jahre des 13. Jahrhunderts mit Stärkekleister geleimt; als Füllmasse und wohl auch zur
                              										Beförderung der
                              									Weiſse wurde Weizenstärke zugesetzt. Zur Erkennung der Leimung mit Stärkekleister
                              									genügt die gewöhnliche Jodreaction nicht immer, weil der Kleister durch die
                              									Einwirkung der Zeit bezieh. von Fermenten in Dextrin, ja selbst theilweise in Zucker
                              									verwandelt wird. Man erhält jedoch die blauviolette Reaction durch Zusatz von
                              									Salzsäure zur Probe.
                           Gegen Ende des 13. Jahrhunderts tritt die Leimung mit thierischem Leim in Europa auf
                              									und wird bald allgemein, während im Oriente bis aus Ende des 15. Jahrhunderts die
                              									Stärkekleisterleimung beibehalten wird. Die Harzleimung wurde erst im zweiten
                              									Drittel des laufenden Jahrhunderts im Zusammenhange mit der Einführung der
                              									Papiermaschine allgemeiner.
                           Diese wichtigen Erkenntnisse zur Geschichte der Papierfabrikation, wenn sie auch
                              									bereits in D. p. J. 1887 265
                              									206 erwähnt wurden, dürfen wohl nochmals hervorgehoben werden, und dies um so mehr,
                              									weil ihre Erforschung die Ursache weiterer Ausbildung der Methoden der
                              									mikroskopischen Untersuchung des Papieres geworden.
                           Wiesner hat wohl schon in seiner „Technischen Mikroskopie“ (1867, Wien, Braumüller) auf die bei der Papierbereitung
                              									eintretenden Zerstörungsformen der Leinen- und
                              									Baumwollenfaser aufmerksam gemacht; doch finden sich die diesbezüglichen
                              									Erscheinungen noch des weiteren in der neuesten Schrift ergänzt.
                           Wiesner zeigt, daſs die Leinenfaser, in Folge der beim
                              									Stampfen eintretenden Quetschungen, eine bandartige Form annehmen könne (S. 36 der
                              									Untersuchungen), daſs es jedoch durch „Chromsäure“ (Gemenge von verdünnter
                              									Chromsäure mit Schwefelsäure) möglich sei, selbst mechanisch sehr angegriffene
                              									Leinen- und Baumwollenfasern von einander zu unterscheiden. Dieses Reagens bewirkt
                              									bei den Leinenfasern, daſs schon nach wenigen Secunden
                              									der Einwirkung leichter Druck oder Verschiebung des Deckgläschens zu einem
                              									charakteristischen Zerfall dieser Fasern in quer
                                 										abgeschnitten erscheinende Stücke führe, während bei der Baumwolle zerfasert aussehende Stücke, welche fast
                              									augenblicklich darauf in kleine Splitter zerfallen, entstehen.
                           Zum Zwecke der Unterscheidung der Flachs- und Hanffaser tritt Wiesner
                              									der von Prof. Cramer in Zürich zuerst hervorgehobenen
                              									Benutzbarkeit der histologischen Unterschiede der Oberhautgewebe der Flachsund
                              									Hanfpflanze bei. Diese Gebilde sind wohl bei feinen Geweben und aus ihnen gemachten
                              									Papieren selten noch vorzufinden, sie haften aber den Erzeugnissen aus roherer Faser
                              									häufig an und geben dann ein untrügliches Erkennungsmittel ab. Die Oberhautzellen
                              									des Flachses sind vorwaltend von rechteckiger Gestalt, meist gestreckt, jene des
                              									Hanfes sind vieleckig. Die Oberhaut des Flachses enthält Spaltöffnungen, jene des
                              									Hanfes aber Lücken von den abgefallenen einzelligen warzigen Härchen dieses
                              									Stengels. Auch diese Härchen finden sich zuweilen als Erkennungszeichen vor. Von
                              									besonderem Werthe für die Erkennung des Hanfes ist der von Cramer hervorgehobene Umstand, daſs zwischen den Bastzellen des Hanfes
                              									Parenchymzellen mit rothbraunem Inhalte sich fanden, welcher sowohl der Einwirkung
                              									kochender Kalilauge als concentrirter Schwefelsäure lange Widerstand leistet.
                           Wiesner hebt als weiteres Unterscheidungsmerkmal
                              									zwischen der Leinen- und HanflaserLeinen- und Flachsfaser die Verschiedenheit der natürlichen Enden dieser Bastzellen hervor. Die
                              									Leinenfaser hat, wenn unbeschädigt, ein spitzes, abgerundetes Ende, die Hanffaser
                              									hingegen häufig gabelige Enden und sie zeigt, mit Kupferoxydammoniak behandelt,
                              									breite, quergefaltete Auſsen- und Innenhäute. Diese Merkmale sind bei stark
                              									gequetschter Faser nicht mehr gut wahrnehmbar und haben daher die Cramer'schen Merkmale für viele Fälle ausschlaggebenden
                              									Werth. Von ebenso groſsem Interesse sind Wiesner's
                              									Untersuchungen betreffs der Papierleimung. Aus dem
                              									betreffenden Abschnitte sei das Nachstehende hervorgehoben.
                           Thierischer Leim kann durch das sogen. Millon'sche Reagens nachgewiesen werden, welches man
                              									bereitet, indem Quecksilber mit derselben Gewichtsmenge rauchender Salpetersäure
                              									versetzt einige Stunden stehen gelassen wird, darauf wird die Flüssigkeit mit dem
                              									gleichen Volum destillirten Wassers gemengt, 12 Stunden stehen gelassen und
                              									filtrirt. Dieses Reagens behält seine Wirksamkeit durch 3 bis 4 Wochen. Dasselbe
                              									färbt Leim roth. Diese Reaction zeigt eigentlich nicht die chemisch reine
                              									Leimsubstanz an, sondern hydroxylirte aromatische Gruppen, welche stets im
                              									käuflichen Leime enthalten sind, welche aber auch in Eiweiſskörpern vorkommen und zu
                              									welchen auch das, einen Bestandtheil der Holzsubstanz bildende Vanillin gehört. Der
                              									Eintritt der rothen Reaction in den im Papiere
                              									vorkommenden Pflanzenzellen kann daher von Eiweiſskörpern (Protoplasmaresten) und
                              									die Rothfärbung von Papiertheilen auch daher rühren, daſs dieselben Holzzeug sind.
                              									Letztere werden aber durch schwefelsaures Anilin gelb, durch Phloroglucin roth
                              									gefärbt und es läſst sich die Gegenwart von Holzzeug dadurch früher leicht
                              									ermitteln, fehlt derselbe und tritt die Rothfärbung nicht in, sondern an den Zellen
                              									(Fasern) und zwischen denselben auf, so wurde das Papier mit Leim geleimt.
                           Tragantleimung läſst sich dadurch nachweisen, daſs man
                              									ein Stückchen des zu prüfenden Papieres in einem Probegläschen mit einigen Tropfen
                              									concentrirter Orcin-Lösung und hierauf in Ueberschuſs zugesetzter Salzsäure kocht.
                              									Ist Tragant oder irgend eine Gummiart zur Leimung verwendet, so wird die Flüssigkeit
                              									violett.
                           Die Prüfung auf Harzleimung läſst sich nach der Wiesner'schen Methode in folgender Art vornehmen. Man
                              									betupft das Papier mit einem Tropfen Schwefelsäure, ist dasselbe mit Harz geleimt,
                              									so wird die Stelle rothviolett. Diese Färbung ist auf die Raspail'sche Reaction zurückzuführen, wonach Harze, Fette und
                              									Eiweiſskörper mit Zuckerlösung und Schwefelsäure eine rothviolette Färbung annehmen. Die
                              									Zuckerlösung ist hier nicht erforderlich, weil sich durch die Einwirkung der
                              									Schwefelsäure auf Cellulose (unverholzte Faser) bald die zur Reaction erforderliche
                              									kleine Menge Zuckers bildet. Bei Anwendung dieser Methode hat man sich nur früher zu
                              									überzeugen, ob das Papier eiweiſs- und fettfrei ist, was bei den gewöhnlichen
                              									Papieren fast immer zutrifft.
                           Die neueste Schrift Wiesner's enthält noch Interessantes
                              									über die Füllung der Faijümer Papiere, über den anhaftenden Staub, die Inkrustation
                              									der Fasern, die Untersuchung der Tinte und in einem besonderen Kapitel die
                              									Untersuchung orientalischer und europäischer Papiere aus dem 9. bis 19. Jahrhundert;
                              									sie ist eine Quellenarbeit, aus welcher jeder mit Papieruntersuchungen sich
                              									Beschäftigende reiche Belehrung schöpfen kann.
                           Friedrich
                                 										Kick.