| Titel: | Ueber die Reibung der Dampfschieber. | 
| Fundstelle: | Band 267, Jahrgang 1888, S. 200 | 
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                        Ueber die Reibung der Dampfschieber.
                        Ueber die Reibung der Dampfschieber.
                        
                     
                        
                           Ueber die Gröſse der Schieberreibung, welche bisher als eine der wesentlichsten
                              									Verlustquellen an Leistung bei den Dampfmaschinen betrachtet wurden, bringt die Revue industrielle vom 23. Juni 1887 einige Notizen von
                              									allgemeinem Interesse, welche einem Berichte von Mallet
                              									über von ihm angestellte bezügliche Versuche in den Mémoires
                                 										de la Société des ingénieurs civils entnommen sind.
                           Bereits im J. 1873 hat Mallet in den Werkstätten von Clair begonnen, mit Hilfe einer dynamometrischen Kurbel
                              									den Widerstand eines sich unter Dampfdruck bewegenden Schiebers zu messen.
                           Zunächst wurde festgestellt, daſs eine ebene Platte, die sich auf einer ebenen
                              									Unterlage ohne Oeffnung bewegte, zu irgend welchem besonderen Widerstände keinen
                              									Anlaſs gab, da der Dampfdruck sich sofort zwischen Platte und Unterlage
                              									fortpflanzte. Es war hierzu durchaus erforderlich, daſs die Unterlage eine Oeffnung
                              									enthielt, welche mit einem Raume in Verbindung stand, in welchem ein geringerer
                              									Druck als im Dampfkasten herrschte. Wurde aber ein hohler Schieber, ähnlich den
                              									gewöhnlichen Muschelschiebern, verwendet, dessen Höhlung durch ein Loch im
                              									Schieberspiegel mit der äuſseren Luft in Verbindung stand, so ergab sich sofort,
                              									daſs die Kraft zur Bewegung des Schiebers bedeutend kleiner war, als sie sich mit
                              									Benutzung der kleinstmöglichen Reibungscoefficienten und unter der Voraussetzung
                              									berechnen lieſs, daſs für die Reibung einfach der Unterschied zwischen den beiden
                              									Drücken, nämlich dem Producte aus der Gröſse des Schiebers × Dampfdruck, weniger
                              									Product aus der Gröſse der Höhlung × Gegendruck, maſsgebend sei. Somit muſste
                              									nothwendiger Weise der Schluſs gezogen werden, daſs der Dampfdruck auch noch
                              									zwischen den Berührungsflächen wirksam sei. Dieselben Resultate ergaben auch
                              									Versuche mit Wasserdruck.
                           In einer sehr bemerkenswerthen Arbeit über den gleichen Gegenstand stimmte Prof. Robinson der Hypothese zu, daſs zwischen den
                              									Berührungsflächen der Schieber sich eine dünne Dampfschicht befinde, deren Spannung
                              									allmählich von dem starken Auſsen- zu dem geringeren Gegendrucke übergehe, so daſs
                              									also das arithmetische Mittel aus diesen beiden äuſsersten Drücken als mittlerer
                              									Druck zwischen den Berührungsflächen anzusehen sei. Dies ist theoretisch allerdings
                              									nur für eine unelastische Flüssigkeit, wie z.B. Wasser, richtig; für elastische
                              									Mittel, wie Luft oder Dampf, vollzieht sich die Druckabnahme nach einem anderen
                              									Gesetze, und der mittlere Druck ist noch etwas kleiner.
                           Robinson's Theorie wurde durch Versuche bestätigt,
                              									welche im J. 1881 im Laboratorium für Mechanik an der Universität des Staates Ohio
                              									durch J. H. MacEwan angestellt wurden. Der
                              									Versuchsapparat bestand aus einem dicht verschlossenen Gefäſse, in welches
                              									gespannter Dampf eingelassen werden konnte. Auf dem ebenen, mit einem Loche versehenen Boden des
                              									Gefäſses befand sich eine Art Schieber, der durch eine Stange vermittels eines mit
                              									Gewichten zu belastenden Hebels gegen den ihn belastenden Druck von der
                              									Schluſsfläche abgehoben werden konnte. Die Versuche ergaben eine vollständige
                              									Uebereinstimmung der gefundenen Coefficienten mit den nach Robinson's Theorie berechneten: freilich blieb dabei fraglich, inwieweit
                              									die so erhaltenen, auf den ruhenden Schieber sich beziehenden Resultate auch auf
                              									einen rasch hin und her bewegten anwendbar sein würden.
                           Zu gleicher Zeit gab C. M. Giddings einen
                              									dynamometrischen Apparat an, um durch ein Diagramm die Kraft zur Bewegung eines
                              									Schiebers während des Ganges der Maschine zu ermitteln. Bei diesem Apparate war an
                              									der Schieberstange ein kleiner Cylinder befestigt, dessen dicht schlieſsend er
                              									Kolben die Verlängerung der Schieberstange bildete. Der Cylinder wurde mit Oel
                              									gefüllt und mit einem Indicator in der Weise in Verbindung gebracht, daſs man durch
                              									dessen Diagramme die wechselnden Drücke während der Bewegung des Schiebers ablesen
                              									konnte. Der Indicator war von sehr kleinen Abmessungen, so daſs die Verschiebungen
                              									des Kolbens nicht so groſs ausfallen konnten, um den richtigen Gang des
                              									Dampfschiebers erheblich zu stören.
                           Da diese Anordnung viele Uebelstände besaſs, namentlich auch in Bezug auf die zu
                              									bewegenden Massen, deren Einfluſs sich bei einer bestimmten Geschwindigkeit deutlich
                              									fühlbar machte, wurde dieselbe von dem Erfinder bald durch eine andere ersetzt, in
                              									welcher die Biegung starker Federn zur Messung der Kräfte diente; die sehr geringe
                              									Formveränderung dieser Federn wurde durch Hebelvorkehrungen entsprechend
                              									vergroſsert. Nachstehend geben wir einige Resultate, die damit erzielt worden
                              									sind.
                           I. Maschine von 170mm Bohrung
                              									und 250mm Kolbenhub.
                           
                              
                                 Umdrehungszahl
                                 Arbeitsleistung
                                 Arbeit zur Schieberbewegung
                                 
                              
                                 125
                                       3 
                                     2 Proc.
                                 
                              
                                 175
                                 9
                                 1,2 „
                                 
                              
                                 200
                                 13,5
                                 1,4 „
                                 
                              
                           II. Maschine mit 220mm
                              									Cylinderweite, 305mm Hub, gewöhnlichem
                              									Muschelschieber.
                           
                              
                                 Umdrehungszahl
                                 Arbeitsleistung
                                 Arbeit zur Schieberbewegung
                                 
                              
                                 100
                                          5,5 
                                     4,5 Proc.
                                 
                              
                                 „
                                 7
                                 3,5    „
                                 
                              
                                 „
                                     8,25
                                 4       „
                                 
                              
                                 „
                                   8,9
                                 6       „
                                 
                              
                                 „
                                 11,1
                                 7,3    „
                                 
                              
                           III. Maschine von 220mm
                              									Bohrung, 360mm Hub, mit entlastetem Schieber.
                           
                              
                                 Umdrehungszahl
                                 Arbeitsleistung
                                 Arbeit zur Schieberbewegung
                                 
                              
                                 100
                                           11,4 
                                      1,2 Proc.
                                 
                              
                                 „
                                    13,5
                                 1,1   „
                                 
                              
                                 „
                                 14
                                 1      „
                                 
                              
                                 „
                                    15,6
                                 1      „
                                 
                              
                           Diese Ziffern zeigen allerdings noch einige Unregelmäſsigkeiten, welche wohl im
                              									Wesentlichen von der Schwierigkeit herrühren dürften, die Oberfläche der
                              									auſserordentlich bewegten Diagramme genau abzuschätzen.
                           Schlieſslich verweist Mallet noch auf neuere Versuche,
                              									welche auf der Chicago-, Burlington- und Quincy-Eisenbahn angestellt worden sein
                              									sollen. Der hierzu verwendete Apparat ähnelte dem oben zuerst beschriebenen, und
                              									bestand aus einem an der Schieberstange befestigten, mit Wasser gefüllten Cylinder,
                              									der mit einem registrirenden Indicator zur Messung des Druckes in Verbindung stand.
                              									Mittels dieses Apparates wurde festgestellt, daſs die mittlere Kraft zur
                              									Verschiebung eines gewöhnlichen Locomotivschiebers 450k betrug, dagegen nur 135k für die
                              									gegenwärtig auf genannter Bahn eingeführten entlasteten Schieber. Die „Railroad Gazette,“ welche über diese Versuche
                              									berichtet, fügt noch bei: „Man hat gefunden, daſs bei einer gewöhnlichen
                                 										Personenzugslocomotive, wenn die Steuerung auf den Grad eingestellt war, bei
                                 										welchem der Schieber einen Weg von 150mm
                                 										machte, die Zugwirkung auf die Stange nicht über 37k,15 (?) hinausging, also weniger als 0k,5 für 1 Tonne des Gewichtes von Maschine und Tender betrug. Mit
                                 										entlasteten Schiebern ging dieselbe bis zu 11k,3 herab, d.h. auf etwa 0k,15 für 1
                                 										Tonne des Gewichtes von Maschine mit Tender.
                           
                              „Diese Ziffern stehen weit unter dem, was gemeiniglich angenommen wird, und
                                 										zeigen, daſs die Schieberreibung bei weitem nicht jene Bedeutung besitzt, die
                                 										man ihr in dem Gesammtwiderstande einer Locomotive zuzuschreiben pflegt.
                              
                           
                              „D. K. Clark rechnete als Gesammtwiderstand von
                                 										Maschine und Tender 5k,44 für die Tonne ihres
                                 										Gewichtes; man muſs jetzt zugeben, daſs diese Zahl zu hoch ist für die Maschinen
                                 										neuerer Construction bei gutem Stande der Unterhaltung. Die Formeln von Clark sind auf Versuche basirt, welche 30 bis 40
                                 										Jahre zurückdatiren und mit einem festen und rollenden Material angestellt
                                 										wurden, welches sehr wesentlich von dem heute üblichen abwich.“