| Titel: | Zur Kritik der Koch'schen Säurebestimmungs-Methode in Gerbbrühen durch Johann Meerkatz; von Dr. R. Koch in Mitterteich. | 
| Autor: | R. Koch | 
| Fundstelle: | Band 267, Jahrgang 1888, S. 459 | 
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                        Zur Kritik der Koch'schen
                           								Säurebestimmungs-Methode in Gerbbrühen durch Johann Meerkatz; von Dr. R. Koch in
                           								Mitterteich.
                        Koch, über Säurebestimmungs-Methoden in Gerbbrühen.
                        
                     
                        
                           In Nr. 316 des Gerber ist Anfang November 1887 von Herrn
                              										Johann Meerkatz eine Kritik meiner „Methode der
                                 										Säurebestimmung in Gerbbrühen auf titrimetrischem Wege“ (D. p. J. 1887 264 395. 265 33. 96) erschienen, die zu dem Schluſsresultat
                              									gelangt, daſs diese Methode bei Brühen aus allen bisher bekannten Gerbmaterialien
                              									total unbrauchbar sei. Als Grund für dieses Urtheil wird angeführt, daſs kein nur
                              									halbwegs sicherer Anhaltspunkt für das Ende der Titrirung vorhanden wäre. Wenn ich
                              									erst jetzt auf diese Kritik zurückkomme, so geschieht dies, wie ich hier bemerken
                              									will, lediglich aus dem Grunde, weil ich nicht mehr in Tharand, sondern geschäftlich
                              									thätig bin, und meine Zeit mir nicht früher erlaubte, auf jenen Angriff entsprechend
                              									zu antworten.
                           Fast will es mir scheinen, als ob die Objektivität der Kritik unter dem Umstände
                              									gelitten hätte, daſs ich eine Methode zu gleichem Zweck, wie die von Herrn Meerkatz so abfällig beurtheilte, nicht für so
                              									vortrefflich gelten zu lassen vermochte, als es vielleicht gewünscht worden wäre,
                              									sondern auf ihre Fehler und Mängel aufmerksam machte. Mit welchem Recht ich dies
                              									gethan habe, darf ich wohl dem Urtheil unparteiischer sachverständiger Leser getrost
                              									anheim stellen.
                           Bevor ich jedoch auf die Kritik, die genannter Herr meiner Methode zu Theil werden
                              									läſst, etwas näher eingehe, will ich zuvor noch einige allgemeine Bemerkungen
                              									machen.
                           Bei der Säurebestimmung in Gerbbrühen handelt es sich bekanntlich nicht um Bestimmung
                              									einer einzelnen Säure in klarer wässeriger Losung, sondern eines Gemisches einer
                              									ganzen Anzahl organischer Säuren, die mit einer Menge, zum Theil noch gänzlich
                              									unbekannter oder doch sehr wenig gekannter organischer Stoffe, besonders mit Gerb-
                              									und Farbstoffen die wesentlichen Bestandtheile dieser Brühen bilden. Wollte man nun
                              									an einer Methode, die es sich zur Aufgabe macht, die Menge dieser Säuren in
                              									derartigen Gemischen zu bestimmen, Anforderungen stellen bezüglich der Genauigkeit,
                              									etwa wie an eine Methode zur Bestimmung des Chlores in einer Kochsalzlösung, so
                              									dürfte das zweifellos zu weit gegangen sein. Einige Milligramme Säure ab und zu für
                              										100cc Brühe müssen hier schon als Fehlergrenze
                              									gestattet sein; der Praxis, der ja eine derartige Methode hauptsächlich dienen soll,
                              									kommt es auf solche Gröſsen auch gar nicht an. Daſs ferner eine Methode zu solchem
                              									Zweck auch weit höhere Anforderungen an die Ueberlegung und den guten Willen des
                              									betreffenden Analytikers stellt, sofern genaue Resultate erzielt werden sollen, als
                              									z.B. eine Methode zur Bestimmung des Procentgehaltes an freier Salz- oder
                              									Schwefelsäure in wässeriger Lösung mit Phenolphtaleïn als Indicator und einer
                              									titrirten Alkalilösung, dürfte mir wohl auch Jedermann zugestehen. Sie befindet sich in dieser Beziehung
                              									in einer ähnlichen, wenn auch weitaus nicht so schwierigen Lage, wie die Löwenthal'sche Methode zur Bestimmung des
                              									Gerbstoffgehaltes.
                           Dies vorausgeschickt will ich zu den Einwürfen, die genannter Herr Kritiker macht,
                              									selbst übergehen. Er wendet sich zunächst gegen die Anwendung des Eiweiſses als
                              									Klärungsmittel der Brühen. Dies ist eigentlich ein Punkt, der für die Beurtheilung
                              									der Methode, wie sie jetzt ausgeführt wird, gänzlich belanglos ist. Dieses
                              									Aufhellungsmittel ist ja bereits von mir wieder verlassen, und wird statt dessen die
                              									weit geeignetere Leimlösung verwendet. Zu diesem Punkt, der Anwendung des Eiweiſses,
                              									will ich ihm indessen gern zugestehen, daſs hier bei nicht sachgemäſser Ausführung
                              									eine Fehlerquelle vorhanden war, die ich nicht hervorgehoben habe. Wenn ich gesagt
                              									habe, daſs Eiweiſs keine merklichen Mengen Säure absorbirt, so ist das, in dieser
                              									Allgemeinheit ausgedrückt, ohne gewisse Voraussetzungen und Bedingungen zu machen,
                              									allerdings eine unrichtige Behauptung gewesen.
                           Unter Verhältnissen aber, wie sie gemäſs der Ausführung der Methode vorausgesetzt
                              									wurden, läſst sich das sehr wohl aufrecht erhalten.
                           Erhitzt man nämlich Gemische von verdünnten Säuren bezieh. Gerbbrühen mit
                              									Eiweiſslösung im Wasserbade unter öfterem Umschwenken nur so lange und so hoch, daſs
                              									eben eine flockige Abscheidung des Eiweiſses bemerkbar wird, so bleibt das gebildete
                              									Acidalbumin in Lösung und es kommen höchstens Verluste von 0,1 bis 0cc,2 Ba(OH)2 vor.
                              									Die Gerb- und Farbstoffverbindungen des Eiweiſses werden dagegen abgeschieden, und
                              									der Zweck, die Brühe aufzuhellen, wird vollständig erreicht. Besonders wenn man die
                              									sehr leicht einzuhaltende Vorschrift der möglichst annähernden Neutralisation der
                              									Brühen vor Abscheidung des Eiweiſses befolgt, sind die Resultate auch mit diesem
                              									Klärmittel völlig zufriedenstellend.
                           Nachstehend führe ich die Ergebnisse einiger Versuche in dieser Richtung an:
                           Es waren zur Neutralisation von 25cc Essigsäure
                              									erforderlich 31cc,8 Ba(OH)2 und zur Neutralisation von 20cc Eiweiſslösung 0cc,8 Ba(OH)2. Es ergab sich nun:
                           
                              
                                 
                                 
                                 I
                                 II
                                 
                              
                                 25cc Essigs. +
                                 20cc Eiweiſs20cc Eiweiſs25cc Essigsäure
                                 = 28,8|30,1
                                 = 32cc,6 Ba(OH)2=   0cc,8     „= 31cc,8    
                                    											„
                                 = 27,05|28,9
                                 = 32cc,4 Ba(OH)2=   0cc,8    „= 31cc,6    „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 III
                                 IV
                                 
                              
                                 25cc Essigs. +
                                 20cc (10) Eiweiſs20cc (10) Eiweiſs25cc Essigsäure
                                 = 27,5|29,0
                                 = 31cc,9 Ba(OH)2=   0cc,8     „= 31cc,1    
                                    											„
                                 = 27,0|29,1
                                 = 32cc,2 Ba(OH)2=   0cc,4    „= 31cc,8    „
                                 
                              
                           
                           Bei dem ersten, zweiten und vierten Versuche wurde so verfahren, daſs das Kölbchen,
                              									welches die Mischung von Eiweiſs, Barythydrat und Säure enthielt, unter beständigem
                              									Umschwenken nur so lange und so hoch erhitzt wurde, daſs das Eiweiſs eben anfing
                              									sich flockig abzuscheiden, worauf die Flüssigkeit wieder auf Normaltemperatur
                              									abgekühlt wurde. In gleicher Weise habe ich früher stets gearbeitet, schon aus dem
                              									Grunde, weil unnöthig langes und hohes Erhitzen ein Verdunsten von Flüssigkeit und
                              									somit eine Volumenänderung zur Folge haben muſste. Bei dem dritten Versuch dagegen
                              									wurde so lange erwärmt, bis sich das Eiweiſs völlig abgeschieden hatte. Der erste
                              									und letzte Versuch lieſsen nun genau die angewendete Menge Säure wiederfinden, der
                              									zweite etwas weniger und der dritte allerdings einen Verlust von 0cc,7 Ba(OH)2 (1cc Ba(OH)2 = 0g,008 Essigsäure), was also für 100cc 0g,022
                              									Essigsäure ausmacht. Selbst in diesem ungünstigsten Falle indessen, wo also erstens
                              									einmal unnöthig lange und hoch erhitzt worden war, und zweitens sogar das Maximum
                              									von 3 bis 4cc Fehlbetrag an vor Abscheidung des
                              									Eiweiſses zuzusetzendem Barythydrat überschritten war, würde dennoch der Verlust an
                              									Säure für 100cc Brühe nur 0g,022 betragen. Wollte man nun den Maſsstab, den
                              									die Herren Chemiker in Wien an ihre eigenen Methoden anlegen, hier auch anwenden, so
                              									würde das ja selbstverständlich noch ein ganz gutes Resultat sein, namentlich wenn
                              									man berücksichtigt, in welch kurzer Zeit gegenüber der Umständlichkeit der Wiener
                              									Methode dieses Resultat erreicht wird. Man vergleiche nur die Beleganalysen zur
                              									Methode der Herren F. Simand und B. Kohnstein (vgl. 1885 256
                              									84). Bei entsprechender Arbeit beträgt indessen das Maximum des hier möglichen
                              									Fehlers vielleicht 8 bis 10mg auf 100cc Brühe.
                           So viel dürfte sich also aus Vorstehendem ergeben, daſs bei geeigneter
                              									zweckentsprechender Arbeit auch mit Eiweiſs als Klärmittel sehr schöne Resultate zu
                              									erzielen waren und auch erzielt worden sind. Verhältnisse, wie diejenigen wo vor
                              									Coagulation des Eiweiſses 10cc Ba(OH)2 zugesetzt worden sind, und nachher zur völligen
                              									Neutralisation des Eiweiſsfiltrates noch 12cc
                              										Ba(OH)2 benöthigt wurden, oder ähnliche
                              									Combinationen waren durch die Vorschrift ganz ausgeschlossen. Sollte bei
                              									Untersuchung einer Brühe einmal zufällig ein derartiges Miſsverhältniſs vorgekommen
                              									sein, so war ja selbstverständlich der Versuch zu wiederholen und jetzt konnte man
                              									sofort aus dem Ergebniſs dieses Vorversuches ersehen: wie viel Ba(OH)2 zuzusetzen war, um im Maximum 2cc Ba(OH)2 hinter
                              									dem wirklichen Bedarf zurückzubleiben. Bei meinen sämmtlichen Analysen ist dies
                              									Verhältniſs auch annähernd eingehalten worden, und wenn man Werth auf ganz besondere
                              									Genauigkeit legen wollte, so war es ja ein Leichtes, sich durch einen oder zwei
                              									Vorversuche über das richtige Maſs des zuzusetzenden Barythydrates zu orientiren,
                              									und so möglichst nahe an den Neutralisationspunkt heran zu kommen.
                           
                           Damit glaube ich die Einwürfe des Herrn J. Meerkatz
                              									betreffs des, wie ich hier nochmals hervorheben will, als Klärmittel verlassenen Eiweiſses genügend gewürdigt zu haben.
                              									Gegen die Leimlösung, die ich ja in letzter Zeit ausschlieſslich verwendet habe,
                              									läſst sich selbstverständlich ein derartiger Vorwurf nicht erheben, und begnügt sich
                              									der Herr Kritiker damit, sich in einigen allgemeinen Redewendungen zu ergehen, auf
                              									die näher einzugehen ich mir füglich ersparen kann. Im Verlauf seiner weiteren
                              									Ausführungen wendet er sich gegen die Art des von mir benutzten Indicators für
                              									Eintritt der alkalischen Reaction. Bekanntlich habe ich, da keiner der sonst
                              									üblichen Indicatoren verwendbar war, die Eigenschaft der Lösungen von Gerbstoffen,
                              									oder durch Gährungserscheinungen aus ihnen gebildeten Substanzen, sich in
                              									alkalischer Lösung intensiv dunkel zu färben, dazu benutzt, um den Eintritt der
                              									alkalischen Reaction in der durch Leimzusatz aufgehellten Gerbbrühe zu erkennen.
                              									Daſs diese Reaction eine verhältniſsmäſsig sehr empfindliche und scharfe ist, habe
                              									ich ja durch besondere Versuche dargethan, indessen umgeht der Herr Kritiker diesen
                              									wichtigsten Punkt vollständig und erhebt eine Reihe von Vorwürfen anderer, oft sehr
                              									eigenthümlicher Art. So tadelt er zunächst, daſs die Farbe, die bei Eintritt der
                              									alkalischen Reaction beobachtet wird, keine bestimmt definirbare sei, daſs sie von
                              									der Concentration, ferner von der Art des verwendeten Gerbmateriales abhängig und
                              									bei jedem Gerbmaterial eine besondere sei. Diese Einwürfe erweisen sich bei näherer
                              									Betrachtung denn doch sehr wenig stichhaltig. Man kann zur Bestimmung des
                              									Neutralisationspunktes einer sauren Flüssigkeit die verschiedenartigsten
                              									Pflanzenfarben und sonstige Indicatoren anwenden, warum nicht auch einmal, wenn die
                              									Umstände dies erfordern, die verschiedenen Gerbstoffe oder durch Gährungsvorgänge
                              									aus ihnen gebildeten Substanzen? Daſs hier nun nicht so schöne Farben zum Vorschein
                              									kommen, wie etwa bei dem Phenolphtaleïn oder ähnlichen Farbstoffen und unter allen
                              									Umständen ein so plötzlicher Farbenumschlag eintritt, wie bei diesem Indicator, will
                              									ich gar nicht leugnen. Wer aber mit einem nur einigermaſsen geübten Auge und mit dem
                              									guten Willen zu sehen, diese Reaction einmal beobachtet hat, wird mir zweifellos
                              									Recht geben, wenn ich behaupte, daſs der Neutralisationspunkt auch mit Hilfe dieser
                              									Indicatoren sehr scharf erkennbar ist, trotzdem eine bestimmt definirbare Farbe
                              									meist nicht auftritt, sondern nur, wie ich mich ausgedrückt habe, ein plötzliches
                              										„intensives Dunkelwerden“ der vorher hellen, oder doch bedeutend
                              									schwächer gefärbten Flüssigkeit. Hat Jemand nur einmal den Eintritt dieser Reaction
                              									gesehen, so kann er gar nicht im Zweifel sein, daſs in diesem Augenblick eine
                              									entschiedene Veränderung in der Flüssigkeit vor sich gegangen ist, die nach den
                              									gleichlaufenden Versuchen mit Phenolphtaleïn nur auf Rechnung des Eintrittes
                              									alkalischer Reaction gesetzt werden kann. Auch mit Hilfe eines empfindlichen Lakmuspapieres kann man
                              									sich überzeugen, daſs der betreffende Punkt wirklich der Neutralisationspunkt ist.
                              									Setzt man 0,1 bis 0cc,2 Ba(OH)2 weniger zu der betreffenden Brühe, als zur
                              									Erreichung dieses Punktes des intensiven Dunkelwerdens nöthig ist, so zeigt ein
                              									empfindliches Lakmuspapier deutlich eine Veränderung der Farbe nach Roth und
                              									umgekehrt, 0,1 bis 0cc,2 Ba(OH)2 mehr zugesetzt, eine solche nach Blau. Man sieht
                              									übrigens bei dieser Gelegenheit, daſs die Gerbstoffe bezieh. ihre
                              									Umwandlungsproducte sogar empfindlicher auf freies Alkali reagiren, als Lakmus. Daſs
                              									nun weiter die Intensität dieses Dunkelwerdens von der Concentration der Lösung der
                              									diese Aenderung bewirkenden Substanzen abhängig ist, ist doch so selbstverständlich,
                              									daſs man eigentlich kein Wort darüber zu verlieren brauchte und mindestens ebenso
                              									natürlich und begreiflich, als daſs eine verschieden starke Färbung bei anderen
                              									Indicatoren auch von der verwendeten Menge dieser Farbstoffe bedingt wird.
                           In wie fern die Farbenänderung von der Menge der Säure abhängen soll, ist mir unklar.
                              									Vielleicht wollte der Herr Kritiker aber etwas Anderes damit sagen, nämlich, daſs
                              									die Farbenänderung auch von der mehr oder weniger vorgeschrittenen Gährung und
                              									dadurch bedingten Umbildung der vorhandenen Gerbstoffe oder ihnen nahe stehenden
                              									Substanzen beeinfluſst wird. Da nun allerdings die Menge der in einer Brühe
                              									vorhandenen Säure einen Maſsstab für die mehr oder minder vorgeschrittene Gährung
                              									abgeben könnte, so würde, in diesem Sinn aufgefaſst, obiger Ausspruch ja eine
                              									gewisse Berechtigung haben. Was nun weiter den Vorwurf betrifft, daſs die Zunahme
                              									des Dunkelwerdens der durch Eiweiſs- oder Leimlösung aufgehellten Flüssigkeit eine
                              									ganz allmähliche sei, so daſs ein sicherer Schluſs auf Eintritt alkalischer Reaction
                              									aus dem Dunkelwerden gar nicht gezogen werden könne, so ist diese Behauptung das
                              									beste Kennzeichen für die Tendenz der ganzen Kritik. Bei den meisten Brühen kann man
                              									fast auf 0cc,05 Ba(OH)2 genau diesen Punkt des intensiven Dunkelwerdens treffen und gröſsere
                              									Unsicherheit als 0cc,2 Ba(OH)2 ist mir selbst unter den schwierigsten Umständen
                              									nicht vorgekommen, in einem Falle, wo ich eine sehr concentrirte, sehr viel
                              									Quebracho neben Eichen- und etwas Fichtengerbstoff enthaltende Grubenbrühe
                              									untersuchte, die vor Behandlung mit Leimlösung fast so dunkel und undurchsichtig wie
                              									Tinte war. Man kann sich bei einer solchen Gelegenheit die Erkennung des richtigen
                              									Punktes sehr erleichtern, wenn man eine zweite Portion vom Leimfiltrat neben die zu
                              									titrirende Flüssigkeit stellt und die Farben beider Flüssigkeiten fortgesetzt
                              									vergleicht. Bei einiger Uebung wird man auch unter derartigen Umständen leicht
                              									beurtheilen können, wenn die Brühe anfängt deutlich alkalisch zu reagiren. Ich will
                              									übrigens gleich hier bemerken, daſs in einem solchen Falle die für nur
                              									Fichtengerbstoff enthaltenden Brühen specifische Farbe vollständig verdeckt wird.
                              									Dies ist auch schon der
                              									Fall, wenn verhältniſsmäſsig geringe Mengen anderer Gerbmaterialien neben
                              									Fichtenrinde zur Verwendung gelangt sind. Daſs schon im Anfang bei Zusatz von
                              										Ba(OH)2 eine geringe Dunkelung eintritt, ist
                              									vollständig richtig. Dieses Dunkelwerden ist aber nicht im Entferntesten mit dem
                              									Punkt des „intensiven Dunkelwerdens“ zu verwechseln. Ebenso ist richtig, daſs
                              									sich öfter ein geringer Niederschlag abscheidet, bevor man den richtigen Punkt der
                              									Neutralisation erreicht. Dieser Niederschlag schwimmt dann aber in einer vollkommen
                              									hellen Flüssigkeit und scheidet sich sehr rasch und scharf von derselben ab. Sowie
                              									aber die in der Flüssigkeit vorhandene freie Säure neutralisirt ist, wird die ganze
                              									Flüssigkeit gleichmäſsig dunkel. Ich will hier nur noch die Thatsache anführen, daſs
                              									selbst Leute ohne jegliche chemische Vorbildung, lediglich praktische Gerber, denen
                              									ich Brühen nach dieser Methode im Laboratorium zu Tharand zur Untersuchung gab,
                              									diesen Punkt leicht und sicher herausfanden. Nur für Fichtenbrühen kann der Herr
                              									Kritiker nicht umhin, der Methode doch einige Verwendbarkeit zuzugestehen, weil sich
                              									hier nicht bloſs ein Dunkelwerden, sondern auch eine wirklich definirbare Farbe mit
                              									Eintritt der alkalischen Reaction beobachten läſst. Jedoch soll dies auch um 0,1 bis
                              										0cc,2 Ba(OH)2
                              									früher erfolgen, als Phenolphtaleïn den Neutralisationspunkt anzeigen würde. Da Herr
                              										Meerkatz seine diesbezüglichen Versuche nicht
                              									beschrieben hat, so kann ich mit Sicherheit nicht sagen, wo der Fehler derselben
                              									liegt. Höchst wahrscheinlich hat er eine Brühe bis zu intensiv grüner Farbe mit
                              										Ba(OH)2 versetzt und nun diese schon alkalisch
                              									reagirende Brühe zu einer gemessenen titrirten Säuremenge als Indicator zugesetzt.
                              									Daſs er dann natürlich bei dem Zurücktitriren mit Ba(OH)2 und diesem Indicator wieder früher an einen Punkt gelangen kann, wo die
                              									grüne Farbe den Neutralisationspunkt anzeigt, als Phenolphtaleïn dies thun würde,
                              									liegt auf der Hand. Jedenfalls erklärt sich obige Behauptung am wahrscheinlichsten
                              									mit dieser Annahme und ich wüſste augenblicklich nicht, wie derartige Versuche auf
                              									andere Weise angestellt werden könnten. Nach meinen Versuchen über die Benutzung von
                              									Gerbstoffen oder ihnen nahestehenden Substanzen als Indicatoren alkalischer Reaction
                              									unterliegt es indessen wohl kaum einem Zweifel, daſs dieser Einwurf ebenso
                              									unbegründet ist, wie die früher besprochenen.
                           Der Herr Verfasser sagt dann weiter: Diese Differenz ist übrigens eine so geringe,
                              									daſs sie füglich in der Praxis unbeachtet bei der Prüfung von Brühen bleiben kann.
                              									Indessen, fügt er dann hinzu, gelingt die Prüfung nach der Procter'schen Methode ebenso gut, und vergiſst dabei ganz, daſs die Herren
                              										F. Simand und B. Kohnstein selbst dieser Methode
                              									Ungenauigkeiten von 0,1 bis 0,4 Proc. nachgewiesen zu haben behaupten.
                           F. Simand und B. Kohnstein sagen wörtlich: „Diese
                                 										Methode, von Procter selbst als „einfach und
                                    											genügend genau“ bezeichnet, wurde seit dem Bekanntwerden derselben in
                                 										der K. K. Versuchsstation für Lederindustrie angewendet, bis ich meine
                                 										Arbeiten über die Aufnahmefähigkeit der Haut gegenüber verschiedenen Säuren bei
                                 										Gegenwart von Gerbstoff in Angriff nahm. Hier zeigte es sich dann, daſs die
                                 										Methode für diesen Zweck viel zu ungenau sei, um damit arbeiten zu können; ich
                                 										erhielt Unterschiede von 0,1 bis 0,4 Proc. und waren die Resultate um so
                                 										ungenauer, je gröſser der Gerbstoffgehalt und je kleiner die Säuremenge der zu
                                 										untersuchenden Brühe war.“
                           Sonach kann ich mir hier wohl die Mühe ersparen, weiter auf die Procter'sche Methode einzugehen. Nur das will ich noch
                              									in Betreff derselben hinzufügen, daſs in manchen Fällen die damit gewonnenen
                              									Resultate der Wahrheit ziemlich nahe kommen mögen, sowie ferner, daſs sie nach
                              									meinem Dafürhalten für den Praktiker trotz ihrer Ungenauigkeit doch mehr Werth
                              									besitzt, als die Simand-Kohnstein'sche Methode. Unter
                              									Beachtung der von mir dargelegten Fehlerquellen mag ja auch die letztere der
                              									Wahrheit ganz entsprechende Resultate liefern, weit richtigere als die Procter'sche Methode. Dafür sprechen auch die von mir
                              									angeführten Vergleichsanalysen. Die Ergebnisse beider Methoden stimmen in einem Fall
                              									bis auf 0g,004 überein. Das wird jedoch wohl
                              									Niemand bestreiten können, daſs die nach der Simand-Kohnstein'schen Methode erhaltenen Zahlen mit einem Aufwand von
                              									Zeit und Arbeit erreicht werden müssen, der die Methode für praktische Zwecke so gut
                              									wie unbrauchbar macht.
                           Damit dürfte die Kritik des Herrn J. Meerkatz genügend
                              									beleuchtet sein, und glaube ich es nun einem Jeden, der sich für die Methode
                              									interessirt, selbst überlassen zu können, sich ein Urtheil über dieselbe zu
                              									bilden.