| Titel: | Ueber die vermehrte Anwendung des Eisens und Stahles beim Festungsbau. | 
| Autor: | Mx. | 
| Fundstelle: | Band 267, Jahrgang 1888, S. 545 | 
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                        Ueber die vermehrte Anwendung des Eisens und
                           								Stahles beim Festungsbau.
                        (Schluſs des Berichtes S. 349 d. Bd.)
                        Anwendung von Eisen und Stahl beim Festungsbau.
                        
                     
                        
                           2) Der Martin-Siemens-Stahl wird als Winkeleisen, T- und Doppel-T-Eisen, Bleche
                              									und Platten beim Festungsbau benutzt. Die Ansicht der Eisenwerke, daſs daraus
                              									gefertigte Panzerplatten so viel Widerstand leisten, als doppelt so starker
                              									Hartguſs, hat sich bis jetzt nicht bewährt. Zur Panzerung der Schiffswände ist er
                              									besser geeignet als Hartguſs.
                           Der Hörder Bergwerks- und Hütten-Verein liefert
                              									derartige 30 bis 250mm starke Panzerplatten, und
                              									zwar diejenigen bis 75mm Stärke, 3m,5 breit und 9m
                              									lang.
                           3) Schmiede- und Walzeisen findet gegenwärtig beim
                              									Festungsbau weniger Anwendung als Fluſseisen, Fluſsstahl und Hartguſs, ist jedoch
                              									wegen seiner groſsen Zähigkeit und Dehnbarkeit für leichtere fortificatorische
                              									Constructionen zu empfehlen.
                           Eine beschossene 15cm-Panzerkanone, deren Gehäuse
                              									in der Front eine 500mm, als Decke 200mm starke Walzeisenplatten und 100mm starke Wände hatte, wurde durch 15cm-Granaten an Rohr und Frontplatte erheblich
                              									beschädigt. Der aus 480mm starken französischen
                              									Walzeisen-Platten gebildete, senkrecht stehende Panzercylinder des Majors Mougin (Eisenwerk Chamond) hat sich bei
                              									Schieſsversuchen nicht bewährt, und war durch 66 Treffer der Thurm fast breschirt.
                              									Hingegen erwiesen sich die 130mm starken deutschen
                              									Walzeisenplatten der Dillinger Hütte bei denselben
                              									Versuchen als Unterlage der 70mm starken
                              									Stahlschicht der
                              									Compoundplatten, nach theilweiser Abschälung dieser Stahlschicht, dank der
                              									vortheilhaften Gewölbeconstruction als sehr widerstandsfähig und leiteten noch 14
                              									Stück 15cm-Stahlgeschosse ab, ohne daſs das
                              									Walzeisen Risse erhielt – ein Beweis, daſs die Construction entscheidender ist, als
                              									das Panzermaterial, also auch Walzeisen gegebenenfalls die Compoundplatten
                              									überdauern kann.
                           Auch die von der Dillinger Hütte gelieferten 200mm dicken schmiedeeisernen Scharten- und
                              									Seitenplatten der flachen Panzerwölbung des Major Schumann leisteten ebendaselbst sehr guten Widerstand, sogar gegen
                              									flachköpfige Stahlgeschosse.
                           4) Die Compound- (zusammengesetzten) Platten. Zur Herstellung derselben wird auf eine zähe
                              									Walzeisenplatte Stahl gegossen und das Ganze durch mehrmaliges Walzen
                              									zusammengeschweiſst.
                           Bei Spezia wurden Schieſsversuche gegen 2 derartige Platten von Cammell und Brown, 480mm stark (152mm Stahlschicht) und
                              										1200mm Eichenholzunterlage, mit dem 43cm-Armstrong-Hinterlader und bei Bukarest auf 2 Compoundplatten der Dillinger Hütte, 200mm stark (70mm Stahlschicht), mit 15cm-Stahl-Granaten und flachköpfigen
                              									Stahl-Vollgeschossen gemacht, wobei die Stahlschicht erst durch fortgesetztes
                              									Schieſsen zerrissen und bei 135 Treffern theilweise abgeschält wurde.
                           5) Bessemer- und Thomasfluſseisen- und Fluſsstahl. Dies
                              									Material ist für die verschiedenartigsten Anwendungen beim Festungsbau sehr gut
                              									geeignet. Der unbearbeitete Façonguſs kann wegen seiner Porosität zu
                              									fortificatorischen Zwecken vorerst nicht angewendet werden. Das durchgearbeitete Thomas-Fluſseisen ist so zähe wie Schmiedeeisen, hat 25
                              									Proc. mehr Tragfähigkeit, ist billiger als dasselbe und eignet sich sehr gut zu
                              									allen Façoneisen- und Panzerplatten.
                           Der Bessemer-Fluſsstahl ist härter und besitzt eine hohe
                              									Zugfestigkeit. Für Bleche zu Festungsthoren, Thüren und Läden, welche auf einen Raum
                              									von 30cm Durchmesser 10 Schuſs aus dem deutschen
                              									Infanteriegewehr M 70 auf 50m aushalten müssen,
                              									genügt eine Festigkeit von 50k auf 1qmm.
                           Es wurde schon vielfach versucht, aus Fluſseisenblechen von 5 bis 5mm,5 Stärke Schilde herzustellen, welche den
                              									Sappeuren Deckung gegeen leichtere Geschosse bis zur Anbringung genügender
                              									Schutzvorrichtungen gewähren sollen, doch ist dies bis jetzt nicht gelungen.
                           
                        
                           III. Zukünftige Verwendung des Eisens
                                 										und Stahles beim Festungsbau.
                              								
                           Für leichtere fortificatorische Eisenconstructionen
                              									schlägt v. Giese verschiedene Constructionen, als
                              									voraussichtlich für die Zukunft wichtig, vor, z.B.:
                           a) Gitterwände bei provisorischen Befestigungen wichtiger bedrohter Punkte.
                           
                           Die Gitterwände sollen etwa 2m,5 Hohe und 6 bis
                              										8m Länge haben und mittels breiter Fuſsplatten
                              									auf Cementbeton gestellt werden.
                           b) Eiserne Minenrahmen.
                           Unter Beibehaltung des viereckigen Querschnittes der Minengänge wären die eisernen
                              									Rahmen durch 3 Scharniere und einen Bolzen oder Keil zu verbinden, die Langseiten
                              									der Rahmenstücke nach auſsen umzubiegen und gegen den Seitenschub in den oberen
                              									Ecken Verstrebungen anzubringen. Die Rahmen der kleinen Galerien würden eine Breite
                              									von 0m,3, jene der Haupt- und Zweiggalerien, aus
                              									Wellblech hergestellt, eine solche von 0m,6
                              									erhalten.
                           c) Eiserne Sturmleitern zum Ersteigen der bis 10m
                              									hohen Grabenmauern; oder statt derselben eiserne Rampen zum Aufmarsch auf den oberen
                              									Grabenrand.
                           d) Eiserne Wurfbrücken zum Werfen, Rollen oder Einschwenken über Grabenöffnungen.
                           e) Eiserne Baracken und Küchen nach Art der zerlegbaren eisernen Wohnhäuser.
                           An gröſsere fortificatorische Eisenconstructionen
                              									dürften in Berücksichtigung der neueren Vollgeschosse aus Stahl sowie des
                              									Auftreffwinkels an die Panzerungen folgende Anforderungen zu stellen sein:
                           a) Runder Grundriſs und
                           b) Gewölbtes Profil, zur Verringerung des Auftreffwinkels.
                           c) Möglichst versenkte Aufstellung.
                           Um die Schartenplatten und die Geschützmündungen der feindlichen Geschützwirkung zu
                              									entziehen, werden die Panzerthürme auf einem Rollkranz drehbar gemacht.
                           Zum Ausblicken sowie für den Luft- und Lichteintritt, ist bei Küstenbefestigungen ein
                              									Mannloch in der Decke nothwendig, bei Binnenlandbefestigungen nützlich.
                           d) Die gröſste Einfachheit; deshalb sind die Panzerthürme für 1 Geschütz die
                              									besten.
                           e) Die Sicherung gegen Granatsplitter und Sprengstücke durch 2 bis 3m starke Erdumschüttungen und, wo diese nicht
                              									zulässig sind, durch Erdtraversen, wodurch aber das Gesichtsfeld beschränkt
                              									wird.
                           Was die beweglichen Panzerconstructionen und
                                 										Geschützstände anbetrifft, so erscheinen die Versuche, ungepanzerte
                              									Geschütze zu versenken oder seitlich hinter Deckung zu schieben bezieh. gepanzerte
                              									Geschütze zu fahren, wie sie mehrfach vorgeschlagen und theilweise ausgeführt
                              									wurden, sämmtlich zu künstlich und zu theuer.
                           Als einfacher, billiger und wirksamer erachtet der Verfasser, ungepanzerte fahrende
                              									Batterien hinter 2 bis 3m hohen Erdwällen auf
                              									Kreisbahnen zu bringen und überraschend so lange wirken zu lassen, bis der Feind
                              									sich gegen sie eingeschossen hat, dann weiter zu fahren und dies auf einem anderen
                              									Punkte zu wiederholen. Das nahe am Fuſs der Wallböschung liegende Geleise wird, durch den Wall
                              									gegen das Frontalfeuer gedeckt, nur den Zufalltreffern ausgesetzt sein.
                           Ein Vorschlag Bessemer's geht dahin, ganze Forts an Ort
                              									und Stelle aus Fluſsstahl zu gieſsen; insbesondere handelt es sich hierbei um allein
                              									stehende kleine Werke.
                           Abgesehen davon, daſs dieser Vorschlag technisch kaum durchführbar ist, erscheint
                              									auch die Haltbarkeit so groſser Erzeugnisse provisorischer Gieſsereien
                              									zweifelhaft.
                           Speciell wird sich der Vorschlag Bessemer's nur da
                              									verwerthen lassen, wo gute Verkehrsmittel die Anfuhr ermöglichen und die örtlichen
                              									Verhältnisse die Anlage einer provisorischen Gieſserei gestatten, der Transport der
                              									Panzerblöcke aber erschwert ist.
                           Hinsichtlich der deutschen Küstenbatterien würde, da an den flachen Küsten die
                              									niedrigen Strandbatterien ausreichen und an den Fluſsmündungen nur wenige kleine
                              									Panzerconstructionen vorhanden sind, höchstens der Guſs bei Befestigung von
                              									Kriegshäfen vortheilhaft erscheinen.
                           Beim Bau neuer Festungen – nach dem Polygonal-System – würden die Hauptstützpunkte
                              									aus Guſsstahl, etwa in Hufeisenform durch vorliegenden Graben nebst Glacis
                              									geschützt, mit 2000m langen Erdwällen wechseln.
                              									Bei der groſsen Anzahl anzulegender Hauptstützpunkte dürfte demnach eine solche
                              									Menge Fluſsstahl und ein so bedeutender Kostenaufwand erforderlich werden, daſs die
                              									Möglichkeit der Leistung durch eine provisorische Gieſserei sehr in Frage steht.
                           Zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit bestehender Festungen wird es wünschenswerth
                              									erachtet, wenigstens auf den durch den wahrscheinlichen Angriff besonders bedrohten
                              									Fronten älterer Bastionärbefestigungen die 2 Flankenbatterien und die 2
                              									voraussichtlichen Breschestellen in den Bastionsfacen sowie in den
                              									Polygonalbefestigungen die 2 Seiten der Grabencaponieren und der Flankenbatterien
                              									durch Fluſsstahlpanzer zu schützen, welche dann unter Aussparung der Scharten und
                              									Dampfabzüge vor das betreffende Mauerwerk zu gieſsen sind.
                           Bei Anlage provisorischer Befestigungen erst im Bedarfsfalle, welche bisher in 1 bis
                              									2 Wochen hergestellt wurden, zukünftig aber in Folge des beschleunigten
                              									Kriegsanfanges vielleicht schon in 24 Stunden vertheidigungsfähig sein müssen, würde
                              									es nicht möglich sein, die Hauptstützpunkte an Ort und Stelle zu gieſsen.
                           In Anbetracht der voraussichtlichen Ausrüstung der Feldarmeen jedoch mit einem
                              									leichten Belagerungstrain, der Sperrforts wegen, beansprucht die Wichtigkeit dieser
                              									provisorischen Befestigungen ein widerstandsfähigeres Material für dieselben als
                              									Holz und kann dies nur Stahl oder Eisen bieten. Hierzu könnten die von Gruson construirten fahrbaren Panzerthürme sowohl in
                              									den Gräben, als den ausspringenden Winkeln vortheilhafte Anwendung finden, wobei
                              									rund für je 1000m Befestigungsumfang einer zu
                              									rechnen ist.
                           
                           Major Schumann hat in seinem Werke
                              										„Panzerlaffeten“ auch für provisorische Befestigungen zum Ersatz der
                              									Grabenbekleidungsmauern u.s.w. leichtere fortificatorische Eisenconstructionen
                              									vorgeschlagen, welche gröſstentheilt aus I-Eisen als
                              									Rippen und zwischen gewölbten Ziegelkappen oder gebogenen Blechen zusammengesetzt
                              									sind, und dieselben wegen des vorherrschenden Spitzbogens
                              										„Bügel-Constructionen“ genannt. Die T-Eisen
                              									haben 8, 10 oder 15cm Höhe und sind 1m von einander entfernt, auf Holz- oder
                              									Eisenschwellen, Mauerwerk oder groſse Steine gestellt; die Ziegelkappen 1 bis 1½
                              									Steine stark, die Füllbleche gebuckelt oder nur gebogen für 1 Quadratfuſs 2,5 bis
                              										4k schwer, der Schluſs mit mindestens 2m,3 Erde überdeckt. Das Aufstellen, Ausmauern und
                              									Hinterfüllen der Bügel geht sehr schnell; sie widerstehen dem Erddruck. Die
                              									Hohlbauten trocknen bald und lassen sich gut ventiliren, heizen, röhren und putzen.
                              									Ihre Widerstandsfähigkeit gegen Bomben und Granaten, wenn nicht direkt beschossen,
                              									sowie gegen Sprengstücke haben sie durch Versuche bewiesen. Die bisher üblichen
                              									massiven Mauerbauten sind durchschnittlich 2 bis 3 mal so theuer, als vorstehende
                              									gemischte Constructionen.
                           Die eisernen Hinderniſsmittel haben den Zweck, das
                              									Vordringen der feindlichen Sturmcolonnen möglichst aufzuhalten; sie dürfen deshalb
                              									vorher weder durch Geschützfeuer noch durch Pioniere zu zerstören oder zu beseitigen
                              									sein.
                           Als Hinderniſsmittel schlägt Major Schumann in seinem
                              									Buche auſser den schon bekannten ferner vor:
                           a) Einfache oder doppelte Gitter, welche gegen das Uebersteigen 2m,5 hoch, aus Winkel- und Flacheisen stachelartig
                              									zusammengenietet auf der Grabensohle stehen, oder niedrige Gitter, welche senkrecht
                              									auf die Contrescarpe gestellt oder abwärts gegen den Graben hin am Cordon befestigt
                              									werden.
                           b) Drahtnetze oder Drahthecken, aus einem 5mm
                              									starken Hauptdrahtnetze bestehend, welches an etwa 1m,5 langen, zur Hälfte in die Erde geschlagenen Rundpfählen durch kleine
                              									Eisenklammern befestigt und mit 2mm-Eisendraht
                              									ausgeflochten wird.
                           c) Das Spiraldrahthinderniſs, welches auf dem Glacis, der Grabensohle und den
                              									Wallböschungen angebracht werden soll. 3m lange
                              									und 5mm starke Eisendrähte sind durch Maschinen in
                              									Spiralen von 30 bis 40cm Durchmesser und 45°
                              									Schraubengang gewunden und möglichst unregelmäſsig in einander gedreht, so daſs es
                              									unmöglich ist, darüber oder hindurch zu gehen.
                           Die Festungs-Eisenbahnen wurden zuerst von General Brialmont bei der Neubefestigung von Antwerpen zur
                              									Verbindung der vorgeschobenen Forts und längs des Stadtwalles angewandt und mit den
                              									Bahnhöfen verbunden.
                           Bei der groſsen Ausdehnung der gegenwärtigen Befestigungen muſs zum rechtzeitigen
                              									Vormarsch gegen die Angriffscolonnen die Bewegung der Vertheidigungstruppen durch
                              									die Eisenbahnen erleichtert werden. Dies ist nur möglich, wenn beständig Militärzüge
                              									mit geheizter Locomotive in der Nähe der Bivouaks oder Barackenlager zur Abfahrt
                              									bereit stehen, und zwar in provisorischen Bahnhöfen „Glorinen,“ welche die
                              									Lagerplätze umgeben oder durchschneiden.
                           Besondere technische Einrichtungen wären für Festungs-Eisenbahnen nicht erforderlich
                              									und könnte jede Eisenbahndirektion ohne Weiteres Anlage und Betrieb übernehmen.
                           
                        
                           
                              Schluſsergebniſs.
                              
                           Nach vorstehenden Erörterungen kommt der Verfasser zu dem Schlusse, daſs Erde und
                              									Stahl oder Eisen bei Befestigungen in Zukunft schwerlich von anderen Schutzmitteln
                              									verdrängt werden, ihre Anwendung also für lange Zeit gesichert ist. Viele der schon
                              									vorhandenen fortificatorischen Eisenconstructionen entsprechen den jetzigen
                              									Anforderungen und werden sich leicht verstärken lassen.
                           Alle Wall- und Grabengeschütze, vielleicht auch einzelne Theile der Bekleidungsmauern
                              									älterer Festungen müssen durch Panzerungen gedeckt werden. Eine Kostenverminderung
                              									wird hierbei durch möglichste Einfachheit, Verkleinerung des Grundrisses und
                              									Profiles zu erzielen sein.
                           Auſser den Panzerungsanlagen sind die leichteren fortificatorischen
                              									Eisenconstructionen zu verbessern und zu vermehren, namentlich eiserne oder
                              									stählerne Sappenschilde, Minenrahmen, Hinderniſsmittel, Sturmleitern und Brücken,
                              									Baracken, Küchen, Escarpen- und Contrescarpen-Revetements, Revers-Galerien,
                              									Poternen, Hohltraversen, Wohn- und Aufbewahrungsräume, Pulver- und
                              									Munitionsmagazine, Festungs-Eisenbahnen und Glorinen, fahrbare offene und gepanzerte
                              									Batterien herzustellen.
                           
                              
                                 Mx.