| Titel: | Zur Simand-Kohnstein'schen Methode der Säurebestimmung in Gerbbrühen; von Dr. R. Koch. | 
| Autor: | R. Koch | 
| Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 168 | 
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                        Zur Simand-Kohnstein'schen Methode der
                           								Säurebestimmung in Gerbbrühen; von Dr. R. Koch.
                        Zur Simand-Kohnstein'schen Methode der Säurebestimmung.
                        
                     
                        
                           In Nr. 323 und 324 des „Gerber“ unternimmt Herr F. Simand eine
                              									Verteidigung der von ihm und B. Kohnstein
                              									ausgearbeiteten gewichtsanalytischen Methode zur Bestimmung der freien Säuren in
                              									Gerbbrühen gegen einige Einwände, die ich gelegentlich der Veröffentlichung meiner
                              									für den gleichen Zweck bestimmten titrimetrischen Methode theils wirklich erhoben
                              									habe, theils erhoben haben soll. Bevor ich nun die Abhandlung des Herrn Simand einer näheren Betrachtung unterziehe, möchte ich
                              									zunächst eine unrichtige Behauptung genannten Herrn Verfassers richtig stellen, weil
                              									der mit dem Gegenstande weniger vertraute Leser dadurch veranlaſst werden könnte,
                              									sich von vornherein ein falsches Bild von der Sachlage zu machen. Die Behauptung des
                              									Herrn Simand,
                              									wonach ich, „wenn
                                 										auch indirekt“, die von ihm und Kohnstein
                              									ausgearbeitete Methode ganz allgemein als unbrauchbar hingestellt haben soll,
                              										„weil die gefundene Säuremenge um so kleiner sei, je mehr man Magnesia zum
                                 										Ausfällen des Gerbstoffes u.s.w. verwende“, ist der Wahrheit nicht
                              									entsprechend. Nicht deshalb, „weil eine Fehlerquelle durch die unter Umständen
                                 										wahrscheinlich stattfindende Bildung basischer schwer löslicher Salze vorhanden
                                 										sei“, hatte ich die Methode für praktische Zwecke als wenig brauchbar oder
                              									unbrauchbar hingestellt, sondern wegen ihrer „ganz bedeutenden
                                 										Umständlichkeit“. Auſserdem hatte ich allerdings auch für den speciellen
                              									mehr wissenschaftlichen Zweck, die Absorptionsfähigkeit der Haut für Säure aus
                              									Gerbbrühen zu bestimmen, die Simand-Kohnstein'sche
                              									Methode in der damaligen Art ihrer Ausführung wegen der geringeren Genauigkeit ihrer
                              									Resultate „weniger“ geeignet gefunden, als die titrimetrische von mir
                              									ausgearbeitete Methode, eine Behauptung, die ich heute ebenfalls noch ausführlicher
                              									begründen werde. Ich betone hier ausdrücklich den Unterschied in der Verwendung
                              									einer Methode für wissenschaftliche und für Zwecke der Technik, weil man je nach den
                              									verschiedenen Zwecken oft ganz verschiedene Anforderungen an eine Methode stellen
                              									muſs.
                           Ich hatte also zunächst hervorgehoben, daſs, wenn eine Methode praktischen Zwecken
                              									dienen soll, mit eine der ersten an dieselbe zu stellenden Anforderungen
                              										„möglichste Schnelligkeit und Einfachheit der Ausführung“ bei genügender
                              									Genauigkeit sein muſs. Daſs dem so ist, wird mir jeder mit den Anforderungen der
                              									Praxis vertraute Chemiker zugestehen, und wird auch Herr Simand nicht läugnen wollen. Da nun im Allgemeinen titrimetrische
                              									Methoden, was Schnelligkeit und Einfachheit der Ausführung anlangt, den
                              									gewichtsanalytischen Methoden weit überlegen und so recht eigentlich das Ideal aller
                              									für praktische Zwecke bestimmten Methoden sind, so muſste nach meiner Meinung von
                              									vornherein die Erreichung des Zieles, die freien Säuren in Gerbbrühen ihrer Menge
                              									nach zu bestimmen, auf titrimetrischem Wege angestrebt werden. Nur dann konnte auch
                              									der Praktiker, dem nicht so viel Zeit und sehr häufig wohl auch nicht so viel
                              									Hilfsmittel und chemische Kenntnisse und Fertigkeiten zu Gebote stehen dürften, wie
                              									sie eine gewichtsanalytische Methode beansprucht, wirklich einen Nutzen von der
                              									Methode haben, wenn es ihm erreichbar gemacht wurde, sich mit möglichst einfachen
                              									Hilfsmitteln binnen wenigen Minuten über den Säuregrad einer Brühe Aufschluſs zu
                              									verschaffen. Jede Methode, die diesen Anforderungen nicht genügte, besaſs von
                              									vornherein nur ein rein theoretisches Interesse. Daſs nun Herr Simand diesen Weg nicht eingeschlagen hat, sondern eine
                              									derartig umständliche Methode ausarbeitete, wie die von ihm und B. Kohnstein veröffentlichte Methode in der That ist,
                              									war, wenn er der Praxis mit dieser Methode wirklich nutzen wollte, seinerseits
                              									entschieden ein Fehler. Eine Methode läſst sich ja in vielen Fällen sehr leicht ausarbeiten,
                              									aber darin, eine praktische Methode zu finden, liegt eben oft die Schwierigkeit, die
                              									nicht jeder zu überwinden im Stande ist. Um zur Erläuterung ein Beispiel aus der
                              									Technik anzuführen, will ich hier nur an die Kupferbestimmungsmethode für die
                              									Mansfelder Kupferschiefer erinnern. Methoden, den Kupfergehalt eines Erzes
                              									festzustellen, lassen sich ja schlieſslich eine ganze Anzahl aufstellen, aber es
                              									bedurfte vielen Scharfsinnes, ehe man dahin gelangte, eine Methode zu finden, die
                              									eine genügende Controle des Betriebes bei der Verhüttung dieser Erze gestattete.
                              									Wenn nun Herr Simand schreibt: „Jedem erfahrenen
                                 										Chemiker ist es ganz wohl bekannt, daſs eine gewichtsanalytische Methode in der
                                 										Regel umständlicher auszuführen ist, als eine Titrirmethode: Trotzdem wird in
                                 										den meisten Fällen von denselben eine correcte, wenn auch umständlichere
                                 										gewichtsanalytische Methode einer ‚mangelhaften‛
                                 										Titrirmethode vorgezogen, wenn auf richtige Resultate reflectirt wird“, so
                              									dürfte das allerdings für wissenschaftliche Fragen, wo es weniger auf die Zeit, als
                              									auf die gröſstmögliche Genauigkeit der Resultate ankommt und in sonstigen Fällen, wo
                              									ein besonderer Nachdruck auf die „Richtigkeit“ derselben gelegt wird, völlig
                              									zutreffend sein. Ein Praktiker dagegen, der dem Grundsatze huldigt, „Zeit ist
                                 										Geld“ und dem es oft weniger auf „absolut richtige“, als auf
                              										„möglichst rasch erreichbare“ und nur „relativ vergleichbare“
                              									Resultate ankommt, dürfte sich wohl folgendermaſsen aussprechen:
                           „Jedem erfahrenen Chemiker ist es ganz wohl bekannt, daſs eine correcte
                                 										gewichtsanalytische Methode zwar weit genauere Resultate gibt, als eine
                                 										mangelhafte Titrirmethode, es ist ihm aber ebenso wohl bekannt, daſs die
                                 										gewichtsanalytischen Methoden in der Regel weit umständlicher auszuführen sind
                                 										und wissenschaftlich weit gründlicher vor- und durchgebildete Kräfte verlangen,
                                 										als eine Titrirmethode. Er wird daher, trotzdem er durch eine correcte
                                 										gewichtsanalytische Methode zwar weit genauere Resultate erhält, als durch eine
                                 										mangelhafte Titrirmethode, doch dieser eventuell ziemlich mangelhaften, wenn nur
                                 										relativ vergleichbare Resultate liefernden Titrirmethode den Vorzug geben,
                                 										sofern sie ihn mit der gewünschten Schnelligkeit und einer für seine gerade
                                 										verfolgten Zwecke noch genügenden Genauigkeit zum Ziele führt.“ Es kommt in
                              									vielen Dingen eben sehr auf die jeweiligen Umstände an, und man muſs sie zu
                              									beurtheilen wissen, um sich sagen zu können, was im gerade vorliegenden Falle Noth
                              									thut.
                           Wer selbst einmal Gelegenheit hatte, in der Praxis aus eigener Erfahrung die Wahrheit
                              									des Wortes „Zeit ist Geld“ kennen zu lernen, wird mir hierin Recht geben.
                           Wenn Herr Simand weiter sagt: „Daſs an den bisher
                                 										bestandenen Uebelständen bei der Säurebestimmung durch Titration in den
                                 										Gerbbrühen durch die von Koch angegebene Methode
                                 										nichts geändert wurde, hat bereits J. Meerkatz in
                                 										Nr. 316 des ‚Gerber‛ nachgewiesen,“ so habe ich ja bereits in D. p. J., 1887 267 459 ff.
                              									gezeigt, was von den Ausführungen des genannten Herrn zu halten ist, und brauche ich
                              									hier nur auf diese Antwort zu verweisen. Wenn er ferner zugibt, daſs ich die volle
                              									Berechtigung hätte, die von ihm und B. Kohnstein
                              									angegebene Methode eine umständliche zu nennen, sofern ich dafür eine gleichfalls
                              									genaue Resultate gebende Methode bei einfacher Ausführung würde vorgeschlagen haben,
                              									so dürfte er wohl auch unter diesen Bedingungen jenen Vorwurf ruhig auf sich nehmen
                              									können. Abgesehen davon, daſs ich die Haltlosigkeit der Einwürfe des Herrn Meerkatz an oben angezogener Stelle bereits zur Genüge
                              									dargethan habe, dürften ihn schon bei unbefangenem Urtheil die Resultate der vier
                              									Vergleichsanalysen, wo es mir wirklich darauf ankam, die Uebereinstimmung der
                              									Ergebnisse beider Methoden zu prüfen, darüber belehren, daſs in der That die
                              									Uebereinstimmung derselben eine so gute ist, wie man sie nur irgend verlangen kann,
                              									wenn man die Fehlergrenzen der gewichtsanalytischen Methode in Betracht zieht. Er
                              									müſste denn hier mit einem Male einen ganz anderen Maſsstab, als bei den
                              									Beleganalysen seiner eigenen Methode anlegen und verlangen wollen, daſs die
                              									Ergebnisse meiner Methode mit denen der seinigen auf die Milligramme übereinstimmen
                              									müſsten. Das dürfte aber doch eine etwas ungerechtfertigte Forderung sein, denn ein
                              									Blick auf die von ihm und Kohnstein gegebenen
                              									Beleganalysen zeigt ja, daſs die Fehlergrenzen seiner Methode in sehr zahlreichen
                              									Fällen um ein ganz Beträchtliches gröſser sind, als die Abweichungen, die zwischen
                              									den Resultaten der titrimetrischen und gewichtsanalytischen Methode stattfinden.
                           Zur besseren Orientirung führe ich die betreffenden Zahlen hier nochmals an: In
                              										100cc Brühe betrug die gefundene Säuremenge in
                              									Grammen auf Essigsäure gerechnet:
                           
                              
                                 Nr.
                                 Titrimetrisch
                                 Gewichtsanalytisch
                                 Differenz
                                 
                              
                                 1
                                 0,448
                                 0,470
                                 + 0,022
                                 
                              
                                 2
                                 0,446
                                 0,440
                                 – 0,006
                                 
                              
                                 3
                                 0,455
                                 0,419
                                 – 0,036
                                 
                              
                                 4
                                 0,209
                                 0,205
                                 – 0,004
                                 
                              
                           Die fünfte Vergleichsanalyse ist hier nicht in Betracht zu ziehen, da ja absichtlich
                              									die mögliche Abweichung beider Methoden an einem Beispiele vorgeführt werden sollte.
                              									Es wurden in diesem Falle gewichtsanalytisch 0g,700 und titrimetrisch 0g,801 Essigsäure in
                              										100cc Brühe gefunden. Wenn man nun bedenkt,
                              									wie die nach der titrimetrischen Methode gewonnenen Zahlen unter einander
                              									übereinstimmen, und wie die nach der Methode der Herren Simand und Kohnstein erhaltenen Resultate unter einander abweichen, so
                              									dürfte es sich wohl Jedermann selbst sagen können, welcher Methode Schuld es ist,
                              									wenn bisweilen gröſsere Unterschiede in den Ergebnissen beider Verfahren sich
                              									finden. Welche Abweichungen bei der nach der Simand-Kohnstein'schen Methode gefundenen Zahlen von den durch Titration mit Natronlauge
                              									erhaltenen richtigen Zahlen vorkommen konnten, zeigt folgende den Beleganalysen
                              									obiger Methode entnommene kurze Zusammenstellung:
                           
                              
                                 Nr. des betreffendenVersuches
                                 Art der verwendetenSäure
                                 Differenz zwischen derberechneten und
                                    											gefundenenSäure in g für 100cc
                                 
                              
                                   6
                                       Essigsäure
                                 + 0,049
                                 
                              
                                   8
                                       Propionsäure
                                 + 0,040
                                 
                              
                                 13
                                       Ameisensäure
                                 + 0,077
                                 
                              
                                 17
                                       Buttersäure
                                 – 0,023
                                 
                              
                                 22
                                       Essigsäure
                                 + 0,031
                                 
                              
                                 26
                                       Buttersäure
                                 + 0,043
                                 
                              
                                 32
                                       Milchsäure
                                 + 0,043
                                 
                              
                                 36
                                       Milchsäure
                                 + 0,038
                                 
                              
                                 37
                                       Milchsäure
                                 + 0,045
                                 
                              
                                 38
                                       Schwefelsäure
                                 + 0,040
                                 
                              
                           Von jedem Vergleiche mit der titrimetrischen Methode abgesehen, ergab sich schon aus
                              									einfacher Betrachtung der Zahlen der Beleganalysen, daſs die Correctheit der Methode
                              									keine so überaus groſse sein konnte. Wenn zur gewichtsanalytischen Ermittelung eines
                              									mit solcher Schärfe bestimmbaren Körpers, wie es die Magnesia ist, derartige Mengen
                              									Substanz verwendet werden, wie es bei der Methode der Herren Simand und Kohnstein geschieht, sollte man doch eigentlich eine weit
                              									bessere Uebereinstimmung der Resultate der Beleganalysen erwarten. Wenn nun aber
                              									ungefähr 16 Proc. derselben eine Abweichung von 0,04 bis 0g,05 Essigsäure für 100cc Brühe aufweisen, so wird vielleicht ein mit der
                              									analytischen Chemie noch wenig Vertrauter die Methode noch für eine sehr correcte
                              									halten können, aber ein Sachverständiger, der eine Methode mit etwas kritischerem
                              									Auge betrachtet, dürfte unter diesen Umständen, wenigstens vom wissenschaftlichen
                              									Standpunkte aus, oder „wenn er auf richtige Resultate reflectirt“, doch wohl
                              									etwas anderer Ansicht sein, und ihr jedenfalls keine besonders groſse Genauigkeit
                              									Schuld geben wollen. Den schon ziemlich hohen Gehalt von 0g,8 Essigsäure in 100cc Brühe angenommen, würde eine Unsicherheit von 0,04 bis 0g,05 Essigsäure in 100cc schon einen Fehler von 5 bis 6 Proc. des Gesammtgehaltes, und ein
                              									Gehalt von 0,2 bis 0g,3 Essigsäure in 100cc Brühe vorausgesetzt, gar einen solchen von 13
                              									bis 20 Proc. zur Folge haben.
                           Das sind ja selbstverständlich die ungünstigsten Fälle unter den angeführten
                              									Beleganalysen, indessen muſsten diese doch bei der ziemlich groſsen Häufigkeit
                              									derselben (der sechste Theil der Beleganalysen weist diese hohe Fehlergrenze auf)
                              									auch in Rechnung gezogen werden. Derartig hohe Fehler sind ja bei dem verbesserten
                              									titrimetrischen Verfahren mit Leim als Fällungsmittel des Gerbstoffes so gut wie
                              									gänzlich ausgeschlossen. Wenn ich selbst eine Unsicherheit von 0cc,3 Ba(OH)2 in
                              										20cc Brühe annehmen wollte, die wohl auch in
                              									den schwierigsten Fällen
                              									kaum vorkommen dürfte, so würde das bei dem Titer von 0g,0086 Essigsäure in 1cc Ba(OH)2 erst eine Unsicherheit von 0g,013 Essigsäure in 100cc Brühe bedeuten. Während diese Unsicherheit bei
                              									dem titrimetrischen Verfahren schon eine sehr bedeutende ist, ist sie bei der
                              									Methode der Herren Simand und Kohnstein schon eine
                              									niedrige.
                           In den gewöhnlichen Brühen der Farben trifft man nun aber den Neutralisationspunkt
                              									sehr leicht bis zu 0cc,1 Ba(OH)2 in 20cc Brühe
                              									genau, die Unsicherheit beträgt also hier nur etwa 0g,004 Essigsäure in 100cc Brühe. Das
                              									würde bei einem Gesammtgehalte von 0g,8 Essigsäure
                              									in 100cc nur 0,5 Proc. Fehler und bei einem
                              									Gesammtgehalte von 0g,2 Essigsäure erst 2 Proc.
                              									bezüglich des gefundenen Gesammtgehaltes einer Brühe an freier Säure bedingen. Bei
                              									Feststellung der Absorptionsfähigkeit der Haut für Säure aus Gerbbrühen handelt es
                              									sich nun um Bestimmung ziemlich geringer Unterschiede in der Säuremenge. Ich führe,
                              									um das an praktischen Beispielen zu zeigen, einige der von mir bereits in D. p. J., 1887 264 395 ff.
                              									veröffentlichten Zahlen hier nochmals an: So verminderten in 100cc Brühe, die eine Acidität von 0g,357 Essigsäure zeigte, 4g Hautpulver diese um 0g,065 Essigsäure, 3g Hautpulver um 0g,052 Essigsäure, 1g,5 Hautpulver um 0g,030 Essigsäure und 0g,5 Hautpulver um
                              										0g,013 Essigsäure. Ob nun die Ergebnisse einer
                              									Methode, wo die möglichen Fehler nach den Beleganalysen der Autoren selbst die Höhe
                              									der eventuell zu bestimmenden Unterschiede im Säuregehalte vor und nach der
                              									Behandlung der Brühen mit Haut überschreiten würden, ein gröſseres Vertrauen in ihre
                              									Richtigkeit verdient hätten, oder die der titrimetrischen Methode, diese Frage zu
                              									beantworten überlasse ich dem Leser selbst. Ebenso dürfte sich nach vorangehender
                              									Darlegung ein Jeder selbst sagen können, ob ich auf eine bloſse Vermuthung hin, wie
                              									Herr Simand schreibt, seiner Methode in der derzeitigen
                              									Art ihrer Ausführung Schuld gegeben habe, daſs sie keiner so hohen Genauigkeit fähig
                              									sei, wie die titrimetrische Methode. Damit ist ja keineswegs gesagt, daſs sie
                              									beispielsweise für den praktischen Zweck einmal den Säuregehalt einer Brühe zu
                              									ermitteln, zu ungenau oder unzuverlässig gewesen wäre. Ich bin im Gegentheil der
                              									Ansicht, daſs hierzu ihre Resultate vollauf genügend genau waren, und, wie schon
                              									oben gesagt, für ihre Verwendung zu praktischen Zwecken lediglich ihre groſse
                              									Umständlichkeit ein Hinderniſs ist. In meiner Antwort auf die Kritik des Herrn Meerkatz habe ich ja auch ausdrücklich anerkannt, daſs
                              									sie unter Beachtung der von mir angedeuteten Fehlerquelle der Wahrheit ganz
                              									entsprechende Resultate geben möge, und gelegentlich der ersten Veröffentlichung
                              									meiner Methode habe ich nur gesagt, daſs wahrscheinlich die Bildung basischer Salze
                              									eine wesentliche Fehlerquelle werden „könne“, und nicht unter allen Umständen
                              										„sei“, sofern man nämlich die Ursachen derselben nicht vermeidet.
                           Die Erklärung ferner, die ich für die thatsächlich vorhandenen weiten Fehlergrenzen dieser
                              									Methode aufgestellt hatte, damals allerdings nur auf Grund der durch die Herren Simand und Kohnstein veröffentlichten Beleganalysen
                              									selbst, sowie der Ergebnisse von fünf vergleichenden Untersuchungen nach dieser und
                              									meiner eigenen Methode, erscheint mir auch heute, trotz der
                                 										seitens des Herrn Simand aufgewendeten Mühe, ihre Unrichtigkeit darzuthun,
                                 										keineswegs als falsch erwiesen. Ich glaube sogar – weshalb, wird sich
                              									später zeigen – mit ziemlicher Sicherheit das Gegentheil
                                 										annehmen zu dürfen. Zunächst möchte ich bezüglich dieses Punktes Herrn Simand einmal die Frage vorlegen, mit welchem Rechte er
                              									aus den nach seinem jetzigen sehr wesentlich abgeänderten Verfahren erhaltenen
                              									Resultaten schlieſsen will, daſs bei seinem früheren Verfahren die von mir als
                              									wahrscheinlich vorhanden angedeutete Fehlerquelle der Bildung basischer Salze nicht
                              									vorhanden gewesen wäre? Wollte er das wirklich nachweisen,
                                 										müſste er doch selbstverständlich auch nach diesem Verfahren die entsprechenden
                                 										Versuche machen. Nach der früheren Vorschrift sollte das Gemisch von Brühe
                              									und Magnesia unter öfterem Umschütteln so lange sich selbst überlassen bleiben, bis
                              									aller Gerb- und Farbstoff ausgefällt sein würde, eine Operation, die oft viele
                              									Stunden in Anspruch nahm, bis die Ursache dieser Erscheinung später von mir erkannt
                              									wurde. In Folge dessen hätte man überhaupt nie mit Sicherheit den Augenblick angeben
                              									oder abpassen können, wo die Ausfällung des Gerb- und Farbstoffes nun gerade beendet
                              									gewesen wäre. Jetzt dagegen bringt er eine völlig andere Art der Ausführung seiner
                              									Methode zur Anwendung, die ja dem von mir geltend gemachten Einwurfe sehr gut
                              									Rechnung trägt, und gerade die wesentlichste Ursache für das mögliche Eintreten
                              									jenes von mir angedeuteten Fehlers beseitigt. Anstatt also noch wie früher zu
                              									arbeiten, kocht er jetzt – wie ich glaube ganz zweckmäſsig – die Brühe mit der
                              									zugesetzten Magnesia am Rückfluſskühler bloſs auf, kühlt mit kaltem Wasser möglichst
                              									rasch ab, und filtrirt dann sofort die überschüssige Magnesia von der
                              									Magnesiasalzlösung ab, scheinbar, und das nach meiner Ansicht mit Recht, keinen
                              									besonderen Werth mehr auf die Entfärbung der Flüssigkeit legend. Selbstverständlich
                              									erhält er so im Groſsen und Ganzen mit den durch Titrirung mit Natronlauge
                              									erhaltenen Zahlen weit besser übereinstimmende Resultate, auch bei Verwendung der
                              									verschiedensten Mengen von 0,5, 2 und 4g Magnesia.
                              									Damit meint nun Herr Simand merkwürdigerweise den
                              									Beweis der „totalen Unrichtigkeit“ meines Einwurfes gegen sein früheres
                              									Verfahren erbracht zu haben, läſst bei dieser Schluſsfolgerung aber gänzlich auſser
                              									Acht, daſs unter diesen Umständen die Anwendung
                                 										verschiedener Mengen Magnesia für die Bildung basischer Salze von sehr
                                 										untergeordneter Bedeutung ist.
                           Herr Simand scheint mir doch, hiernach zu urtheilen,
                              									eine etwas unklare Vorstellung von den Bedingungen zu haben, deren Vorhandensein
                              									vorausgesetzt werden muſs und bei seiner früheren Vorschrift mit Recht vorausgesetzt werden
                              									konnte, wenn unter den bei seiner Methode gegebenen Umständen die Bildung basischer
                              									Salze eintreten soll. Er würde sonst wohl nicht zu einer derartig falschen
                              									Beweisführung gekommen sein.
                           Zur Abscheidung selbst so gut wie unlöslicher Niederschläge gehört bekanntlich Zeit.
                              									Wie viel mehr wird also eine gewisse Zeit dazu gehören, aus an sich leicht
                              									löslichen, vielleicht gar nicht mit besonders groſser Neigung zur Bildung basischer
                              									Verbindungen ausgestatteter Salze schwer oder unlösliche basische Salze
                              									abzuscheiden, besonders wenn das Fällungsmittel erst allmählig gebildet wird und
                              									dieses Fällungsmittel vielleicht gar erst in gröſserem Ueberschusse eine Wirkung
                              									ausübt. Wenn er also jetzt einen von mir aufgedeckten möglichen Fehler in der
                              									bisherigen Ausführung seiner Methode verbessernd, ob in klarer Erkenntniſs dieser
                              									Thatsache, oder der Bedeutung dieser Aenderung sich nicht bewuſst, will ich
                              									dahingestellt sein lassen, da das nicht aus seiner Abhandlung zu ersehen ist, ein
                              									sehr wesentlich verändertes Verfahren einschlägt, und mir damit den Beweis liefern
                              									will, daſs meine bezüglich der verhältniſsmäſsig weiten Fehlergrenzen seines
                              									früheren Verfahrens als wahrscheinlich hingestellte Erklärung eine „total
                                 										unrichtige Behauptung“ enthalte, so kann wohl ein Jeder den Werth dieser
                              									Beweisführung ermessen. Es könnte nun bei flüchtigem Lesen des diesbezüglichen
                              									Theiles meiner Abhandlung scheinen, als ob auch ich das wesentliche Moment für
                              									Bildung basischer Salze nur in dem stärkeren Ueberschusse an Magnesia gesucht hätte,
                              									aber wohl nur einem oberflächlichen Leser dürfte dieser Gedanke kommen. Ich habe
                              									seiner Zeit bei Anführung des einzigen Versuches, den ich anstellte, um zu sehen, ob
                              									meine Erklärung der hohen Fehlergrenzen der Simand-Kohnstein'schen Methode zutreffen könne oder nicht, einfach
                              									angegeben, daſs ich die gewöhnliche Menge von 4g
                              									frisch geglühter Magnesia zu nur 50cc Brühe statt
                              									der vorschriftsgemäſsen Menge von 70cc zugesetzt
                              									habe. Dabei setzte ich als selbstverständlich voraus, daſs neben diesem Ueberschusse
                              									von Magnesia auch das andere für Bildung basischer Salze in Betracht kommende Moment
                              									der Einwirkungsdauer der Magnesia, das ja durch die früher Simand-Kohnstein'sche Vorschrift keineswegs in der richtigen Weise
                              									gewürdigt war, zur Geltung kommen könne. Daſs ich diese Voraussetzung wirklich
                              									gemacht und nicht einseitig die möglicherweise stattfindende Bildung basischer Salze
                              									bloſs dem gröſseren Ueberschusse an Magnesia Schuld gegeben habe, geht schon aus
                              									meinem Verbesserungsvorschlage hervor. Ich habe darin ausdrücklich betont, daſs nach
                              									dem Hellwerden der Flüssigkeit diese möglichst sofort von der überschüssigen
                              									Magnesia zu trennen sei, damit den durch die freien Säuren der Gerbbrühen gebildeten
                              									Magnesiasalzen flicht Gelegenheit geboten werde, sich in basische Salze zu
                              									verwandeln und als solche wieder abzuscheiden. Daſs nicht nur die gröſsere Menge Magnesia, sondern auch
                              									eine gewisse Zeit der Einwirkung dieser Magnesia bei der Bildung basischer Salze
                              									wesentlich ist, war nach meinem Dafürhalten so selbstverständlich, daſs man das
                              									nicht erst besonders hervorzuheben brauchte. Eine einfache Ueberlegung, welche
                              									Vorgänge sich nach Zusatz der Magnesia in der Brühe abspielen, muſs schon dazu
                              									führen, sich das zu sagen. Zunächst werden die vorhandenen freien Säuren mit dem
                              									zugesetzten Magnesiumoxyd ihre Magnesiasalze bilden und so eine der Säuremenge
                              									entsprechende Menge Magnesia in Lösung bringen. Das ist ja der sehr richtige
                              									Grundgedanke, auf welchem die Simand-Kohnstein'sche
                              									Methode beruht. Gleichzeitig wird das Wasser auf das Magnesiumoxyd einwirken und je
                              									nach der vorhandenen Menge reactionsfähiger, d.h. nicht zu stark geglühter Magnesia
                              									mehr oder weniger rasch Magnesiumhydroxyd bilden, das nun seinerseits mit den
                              									vorhandenen Gerb- und Farbstoffen unlösliche Verbindungen eingeht, und so allmählig,
                              									wie es sich bildet, die Flüssigkeit entfärbt. Daſs nach der früheren Vorschrift mit
                              									dem Abfiltriren der überschüssigen Magnesia so lange gewartet werden sollte, bis
                              									durch Ausfällung der Gerb- und Farbstoffe die Flüssigkeit hell geworden war, geschah
                              									wohl lediglich deshalb, weil man unter diesen Umständen annehmen konnte, daſs dann
                              									sämmtliche vorhanden gewesene freie Säure an Magnesia gebunden war. So habe ich mir
                              									wenigstens den Zweck dieser Vorschrift erklärt. Selbstverständlich wird man, auch
                              									nach meiner Meinung, mit einem kurzen Aufkochen des Gemisches von Brühe und Magnesia
                              									weit rascher und besser zum Ziele gelangen. Dieser Prozeſs der Aufhellung der Brühe
                              									nun ging, bevor ich die Ursache erkannte, erfahrungsgemäſs bald sehr rasch, bald
                              									sehr langsam von statten. Ich habe Brühen untersucht, die schon nach vielleicht
                              									einer halben Stunde, aber auch wieder solche, die nach zwei Tagen noch nicht
                              									entfärbt waren, und dieser Umstand erklärt sich nach meiner Meinung am einfachsten
                              									durch die Annahme, daſs sich erst Magnesiumhydroxyd bilden muſs, bevor die gelösten
                              									Gerb- und Farbstoffe sich in unlösliche Magnesiaverbindungen verwandeln können, und
                              									daſs die Bildung dieses Magnesiumhydroxydes sehr bedeutend durch die Stärke des
                              									stattgehabten Glühens der kohlensauren Magnesia beeinfluſst wird. Daſs diese
                              									Erklärung viel Wahrscheinlichkeit besitzt, zeigt der Umstand, daſs mir nach
                              									Anwendung einer möglichst niederen Temperatur bei Darstellung der Magnesia aus
                              									kohlensaurer Magnesia kein Fall wieder vorgekommen ist, wo die Brühe nicht sehr bald
                              									nach Zusatz der entsprechenden Magnesia entfärbt worden wäre. Sobald nun die Gerb-
                              									und Farbstoffverbindungen der Magnesia als unlösliche Verbindungen abgeschieden
                              									sind, wird das noch ferner entstehende Magnesiumhydroxyd ausschlieſslich auf die in
                              									Lösung befindlichen Magnesiasalze einwirken, und dann gröſsere oder geringere Mengen
                              									Säure in Verlust gerathen. Die Menge der sich so der Bestimmung entziehenden Säure
                              									wird höchst wahrscheinlich von der Zeit der Einwirkung, ferner von der Menge des
                              									überschüssig gebildeten Magnesiahydroxydes und endlich auch von der durch die mehr
                              									oder weniger vorgeschrittene Gährung bedingten Art der in den Brühen vorkommenden
                              									Säuren abhängen, indem die Salze der verschiedenen organischen Säuren wahrscheinlich
                              									nicht die gleiche Neigung, basischere Verbindungen zu bilden, haben werden.
                              									Möglicher- oder wahrscheinlicherweise dürfte es sich daher sogar empfehlen, die zu derartigen Analysen zu verwendende Magnesia stark zu
                                 										glühen, einen möglichst geringen Ueberschuſs, vielleicht 1 bis 2g, davon zu verwenden, und von der mir
                              									von vornherein sehr unwesentlich erschienenen Vorschrift, wonach die Brühen zugleich
                              									durch Ausfällung der Gerb- und Farbstoffe aufgehellt werden sollen, ganz abzusehen,
                              									da ja Gerb- und Farbstoffe ohnedies durch das Glühen der Verdampfungsrückstände
                              									zerstört werden. So würde dann das die Bildung basischer Salze wahrscheinlich
                              									verursachende Magnesiumhydroxyd sich nur in geringem Maſse und sehr langsam bilden.
                              									Was ich hier ausspreche, sind ja zum Theil nur mehr oder weniger wahrscheinliche
                              									Vermuthungen, die sich keineswegs sämmtlich auf besondere Versuche stützen, sondern
                              									nur aus beiläufig gemachten Beobachtungen ergaben. Es hätte ja eigentlich für mich
                              									und wohl auch im Allgemeinen bei der geringeren Bedeutung der Methode kein gröſseres
                              									Interesse, viel Zeit auf den Nachweis der thatsächlichen Richtigkeit dieser
                              									Erklärung der hohen Fehlergrenzen des früheren Simand-Kohnstein'schen Verfahrens zu verwenden. Einen Versuch indessen,
                              									den ich kürzlich Gelegenheit nahm, im Laboratorium des Herrn Prof. v. Schroeder anzustellen, will ich hier noch anführen,
                              									da er zeigt, daſs meine von Herrn Simand so lebhaft
                              									bekämpfte Erklärung doch ziemlich viel Wahrscheinlichkeit für sich haben dürfte: Von
                              									einer Sauerbrühe einer kleineren mit Fichte, Eiche und Valonen arbeitenden
                              									Sohlledergerberei wurden je 50cc in drei trockene
                              									Kölbchen von etwa 100cc Inhalt und desgleichen je
                              										100cc in drei trockene Kolben von etwa 250cc Inhalt abgemessen. Sodann wurden dreimal genau
                              										3g und dreimal genau 4g frisch geglühter Magnesia abgewogen und die
                              									ersteren in die je 50cc Brühe enthaltenden
                              									Kölbchen, die letzteren in die je 100cc Brühe
                              									enthaltenden Kolben eingefüllt. In Betreff der Magnesia will ich nun zunächst
                              									bemerken, daſs mir keine nach der Vorschrift der Herren Simand und Kohnstein gereinigte Magnesia zur Verfügung stand, wie ich sie
                              											„selbstverständlich“ zu meinen ersten in
                              										D. p J., 1887 264 395
                              									ff., veröffentlichten Vergleichsanalysen verwendete. Die kurze Spanne Zeit, die ich
                              									auf diesen Versuch verwenden konnte, erlaubte mir auch nicht, die umständliche
                              									Operation der Reindarstellung von Magnesia vorzunehmen. Ich wendete daher nur eine
                              									durch sorgfältiges Auswaschen mit Wasser von ihren darin löslichen Verunreinigungen
                              									befreite „sogen. reine kohlensaure Magnesia des Handels“ an, um mir die zu
                              									meiner Untersuchung nöthige gebrannte Magnesia daraus darzustellen. Diese gestattete
                              									mir indessen meinen
                              									Zweck ebenso gut zu erreichen, wie eine wirklich reine Magnesia. Das wenigstens
                              									beweisen die sonst eigentlich etwas unnöthigen Versuche des Herrn Simand mit der unreinen Magnesia (leviss. pur. Ia.).
                              									Diese zu obiger Untersuchung nun verwendete kohlensaure Magnesia, die ich mir in
                              									früherer Zeit für andere Zwecke dargestellt hatte, wurde zur gröſseren Sicherheit
                              									ihrer gleichmäſsigen Beschaffenheit durch längere Zeit fortgesetztes Verreiben im
                              									Mörser nochmals gut gemischt. Sodann wurde sie im Platintiegel bei möglichst
                              									niedriger Temperatur unter beständigem Umrühren in gebrannte Magnesia verwandelt und
                              									nach nochmaligem Mischen des so dargestellten Magnesiumoxydes wurden schlieſslich
                              									die einzelnen Theilmengen genau abgewogen. So konnte bezüglich einer
                              									ungleichmäſsigen Vertheilung des Kalkgehaltes wohl kaum eine Befürchtung gehegt
                              									werden. Nach Zusatz dieser sorgfältig abgewogenen Mengen Magnesia zu der
                              									betreffenden genau gemessenen Menge Brühe wurden nun 2 Kolben mit je 100cc Brühe und 4g
                              									Magnesia am Rückfluſskühler sofort aufgekocht und nach dem Erkalten unmittelbar
                              									abfiltrirt. Ein Kölbchen mit 50cc Brühe und 3g Magnesia blieb nach dem Umschütteln über Mittag
                              									etwa 2 Stunden ruhig stehen und wurde hierauf die überschüssige Magnesia abfiltrirt.
                              									Ein Kölbchen mit 50cc Brühe und 3g Magnesia blieb 5 Stunden, und ein weiteres
                              									Kölbchen mit 3g Magnesia und 50cc Brühe wurde 24 Stunden stehen gelassen, bevor
                              									zur Filtration geschritten wurde. Ebenso blieb ein Kolben mit 100cc Brühe und 4g
                              									Magnesia 24 Stunden stehen, ehe sein Inhalt der Filtration unterworfen wurde. Die
                              									Farbe der erhaltenen Filtrate war nun entsprechend der sehr verschiedenen
                              									Einwirkungsdauer der Magnesia eine ziemlich verschiedene. Von den durch Aufkochen am
                              									Rückfluſskühler erhaltenen Filtraten zeigte das eine noch eine röthlich-bräunliche
                              									Farbe, während das andere zwar schon hell war, aber doch eine mehr
                              									bräunlich-gelblich zu nennende Farbe besaſs. Hier war augenscheinlich, nach der
                              									Farbe der Filtrate zu urtheilen, das Verhältniſs der „reactionsfähigen“ zur
                              										„todtgebrannten“ Magnesia in beiden Kölbchen nicht genau das gleiche
                              									gewesen, wenn auch keine gröſsere Differenz der Resultate dadurch bedingt wurde.
                              									Würde mir mehr Zeit zur Verfügung gestanden haben, hätte ich diese Versuche mit
                              									einer besser gemischten Magnesia wiederholt, indessen genügen, wie sich zeigen wird,
                              									die erhaltenen Versuchsergebnisse vollständig, um das
                                 										Vorhandensein einer bei Nichtbeachtung ihrer Ursachen nicht unbeträchtlichen
                                 										Fehlerquelle der Simand-Kohnstein'schen Methode im Gegensatze zur Behauptung des
                                 										Herrn Simand zu beweisen, und meine Erklärung derselben als zum Mindesten
                              									sehr wahrscheinlich erkennen zu lassen.
                           Die übrigen Filtrate waren sämmtlich hell und zeigten nur in dem Grade der Helligkeit
                              									bei direkter Vergleichung geringe Unterschiede. Sämmtliche Filtrate aber reagirten
                              									weder mit Leim noch mit Eisenchlorid und essigsaurem Natron auf Gerbstoff, aber
                              									alle, mit Lakmuspapier geprüft, ziemlich stark alkalisch. Diese Filtrate wurden nun genau nach Vorschrift
                              									der Herren Simand und Kohnstein auf ihren Gehalt an
                              									Magnesia untersucht, und dabei sorgfältig darauf geachtet, daſs bezüglich des
                              									Auswaschens der Niederschläge, der Volumina der Flüssigkeiten u.s.w. dieselben
                              									Verhältnisse für sämmtliche Analysen eingehalten wurden. Die Resultate sind in
                              									folgender Tabelle zusammengestellt:
                           
                              
                                 Nr.
                                 Angewendete Menge desMgO und der
                                    											Brühe
                                 Dauer der Ein-wirkung
                                 Farbe desFiltrates
                                 In 25ccFiltrat gef.Mg2P2O7 inGramm
                                 In 100ccBrühe sichergebendeSäure
                                    											inGrammEssigsäure
                                 
                              
                                 1
                                 3g MgO +  50cc Brühe
                                 2 Stunden
                                 gelblich-bräunlich
                                 0,199
                                 0,856
                                 
                              
                                 2
                                 3g MgO +  50cc     „
                                 5 Stunden
                                 schwachgelblich
                                 0,174
                                 0,752
                                 
                              
                                 3
                                 3g MgO +  50cc     „
                                 24 Stunden
                                 schwachgelblich
                                 0,171
                                 0,740
                                 
                              
                                 4
                                 4g MgO + 100cc     „
                                 am Rückfluſs-kühler auf-gekocht
                                 gelblich-bräunlich
                                 0,191
                                 0,824
                                 
                              
                                 5
                                 4g MgO + 100cc     „
                                 am Rückfluſs-kühler auf-gekocht
                                 dunkel röthlich-bräunlich
                                 0,194
                                 0,840
                                 
                              
                                 6
                                 4g Mg   + 100cc     „
                                 24 Stunden
                                 gelblich-bräunlich
                                 0,195
                                 0,844
                                 
                              
                           Eine weitere 7. Analyse mit einer besonders schwach geglühten Magnesia (3g MgO + 50cc
                              									Brühe) ergab schon nach einer Einwirkungsdauer von 2 Stunden ein schwach gelblich
                              									gefärbtes Filtrat und lieferten 25cc Filtrat auf
                              									Magnesia untersucht 0g,170 Mg2P2O7. Das würde einem Gehalte von 0g,736 Essigsäure in 100cc Brühe entsprechen. Gern hätte ich auch noch
                              									einen Versuch mit einer möglichst stark geglühten Magnesia ausgeführt, die mir zu
                              									Gebote stehende Zeit war indessen zu kurz.
                           Vergleicht man nun die bei Untersuchung einer und derselben Brühe erhaltenen so
                              									verschiedenen Zahlen, so sieht man sofort, daſs die Abweichungen, die die nach der
                              										Simand-Kohnstein'schen Methode in ihrer früheren
                              									Ausführung gefundenen Ergebnisse möglicherweise aufweisen, sehr erhebliche sein
                              									können. Ich sagte also nicht zu viel, wenn ich behauptet habe, daſs die Bildung
                              									basischer Salze, denn auf andere Ursachen lassen sich diese Abweichungen unter den
                              									geschilderten Umständen wohl kaum zurückführen, bei Nichtbeachtung ihrer von mir
                              									hervorgehobenen Ursachen zu einer wesentlichen Fehlerquelle der Simand-Kohnstein'schen Methode werden könne. Wenn Herr
                              										Simand versuchte, die von mir früher bei den
                              									vergleichenden Untersuchungen nach seiner und meiner Methode erhaltenen Unterschiede
                              									dadurch scheinbar zu erklären, daſs er mir Schuld geben will, ich hätte die unreine
                              									Magnesia des Handels (puriss. leviss. Ia.), noch dazu entgegen seiner ausdrücklichen
                              										Angabe, als rein
                              									betrachtet und dazu benutzt, die Vergleichsanalysen nach seiner und meiner Methode
                              									damit auszuführen, so ist das doch eine gänzlich unbegründete Annahme, wohl nur
                              									darauf berechnet, die Aufmerksamkeit des mit dem Gegenstande nicht so vertrauten
                              									Lesers von der schwachen Seite seiner Beweisführung abzulenken. Ohnedies sind ja die
                              									Abweichungen, wie ich bereits früher ausführte, in Anbetracht der hohen
                              									Fehlergrenzen der Simand-Kohnstein'schen Methode als
                              									ganz unwesentlich zu bezeichnen, und die sich aus den Beleganalysen nach früherem
                              									Verfahren ergebenden Fehlergrenzen werden durch meine jetzigen Versuche, besonders
                              									Versuch Nr. 1 und Nr. 7, in vollstem Umfange bestätigt. Hätte Herr Simand allerdings die unter Berücksichtigung der
                              									betreffenden Verhältnisse als sehr gut zu bezeichnende Uebereinstimmung der
                              									Resultate beider Methoden zugegeben, oder gar hervorheben wollen, so würde er ja
                              									selbst die Ausführungen des Herrn Meerkatz betreffs
                              										„der totalen Unbrauchbarkeit“ meiner Methode in ein etwas eigenthümliches
                              									Licht gebracht haben. Er hat es daher vorgezogen, über diese Thatsache mit
                              									Stillschweigen hinweg zu gehen, und hat statt dessen mit einer, wie ich gern zugebe,
                              									immerhin anerkennenswerthen Geschicklichkeit die Aufmerksamkeit des Lesers von dem
                              									Kernpunkte der Sache abzulenken verstanden. Das Mittel dazu bot ihm die Besprechung
                              									einer mir zwar fälschlich Schuld gegebenen, einem nur oberflächlich orientirten
                              									Leser aber doch glaubhaft erscheinen könnenden Behauptung und Vorführung sonst ganz
                              									schöner, wenn auch bisweilen etwas unnöthiger und in ihren Resultaten
                              									selbstverständlicher Versuche. Ich glaube indessen doch, daſs nach meiner heutigen
                              									etwas ausführlicheren Darlegung und namentlich auch auf Grund der von mir soeben
                              									beschriebenen Versuche wohl Niemand mehr im Zweifel sein wird, auf wessen Seite das
                              									Recht ist, so daſs ich die Erörterung dieses Themas nunmehr als abgeschlossen
                              									betrachte.
                           Um schlieſslich noch ein, allerdings nicht so beweiskräftiges Beispiel, wie es die
                              									früher gegebenen waren, für die Uebereinstimmung beider Methoden anzuführen, theile
                              									ich noch folgendes mit: Ich bat Herrn Assistent Manstetten in Tharand die von mir gewichtsanalytisch untersuchte Brühe
                              									gleichzeitig auch titrimetrisch nach meinem Verfahren zu untersuchen. Derselbe
                              									wendete eine Barytlösung mit dem Titer 1cc
                              										Ba(OH)2 = 0g,0093 Essigsäure an, sowie eine Leimlösung, von der 20cc durch Zusatz einiger Tropfen
                              									Phenolphtaleïnlösung und eines Tropfens Ba(OH)2
                              									intensiv roth gefärbt wurden. Er erhielt folgendes Resultat:
                           
                              
                                 20cc Brühe
                                 + 20cc Leiml. =
                                   8,6/12,6 = 18,3cc Ba(OH)2
                                 
                              
                                 
                                    20cc Brühe =
                                 18,3cc Ba(OH)2
                                 
                              
                                 
                                  100cc Brühe =
                                   0,850g Essigsäure.
                                 
                              
                           Von den von mir gewichtsanalytisch erhaltenen Resultaten können selbstverständlich
                              									nur die der Analysen 1, 4, 5 und 6 in Betracht kommen. Da ich nun aber keine reine
                              									von Kalk befreite Magnesia zu verwenden in der Lage gewesen war, so muſste der dadurch
                              									bedingte Fehler in der Weise zu corrigiren versucht werden, daſs die Kalkmenge in
                              									dem betreffenden Magnesiafiltrate, sowie die in der Brühe an sich enthaltene Menge
                              									Kalk bestimmt wurde. Die in dem Magnesiafiltrate sich mehr ergebende Kalkmenge
                              									muſste dann als durch die Säure der Brühe aus der unreinen Magnesia mit in Lösung
                              									gebracht angesehen, und hieraus der Theil der Säure berechnet werden, der durch den
                              									Kalk an Stelle der Magnesia neutralisirt wurde. Von der sich so ergebenden
                              									Gesammtsumme an Säure muſste weiter die der in der Brühe an sich enthaltenen
                              									Magnesia äquivalente Menge Essigsäure abgezogen werden. Diese Bestimmungen für die
                              									in der Tabelle unter Nr. 1 aufgeführte Analyse durchgeführt, ergab folgendes:
                           
                              
                                 1)
                                 Kalk in   25cc Magnesiafiltrat
                                 =
                                 0,016g
                                 CaO
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Kalk in 100cc Magnesiafiltrat
                                 =
                                 0,064g
                                 „
                                 =
                                 0,137g
                                 A
                                 
                              
                                 2)
                                 Kalk in 100cc Brühe an sich
                                 =
                                 0,037g
                                 „
                                 =
                                 0,081g
                                 A
                                 
                              
                                 3)
                                 Mg2P2O7 auf 100cc Brühe
                                 =
                                 0,059g
                                 „
                                 =
                                 0,064g
                                 A.
                                 
                              
                           Auf den aus der unreinen Magnesia stammenden Kalk würde also zu berechnen sein 0g,056 Essigsäure für 100cc Brühe, die zu dem nach Simand-Kohnstein gefundenen Resultate: 0g,856 Essigsäure hinzuzurechnen wären, während die aus dem natürlichen
                              									Magnesiagehalt der Brühe sich ergebende Menge von 0g,064 Essigsäure abzuziehen sein würde. Das schlieſsliche Ergebniſs für
                              									den Gehalt der Brühe an freier Säure würde auf gewichtsanalytischem Wege gefunden
                              									also sein: 0g,848 Essigsäure gegenüber dem auf
                              									titrimetrischem Wege durch Herrn Manstetten gefundenen
                              									Gehalte von 0g,850 Essigsäure. Eine zweite
                              									derartige Untersuchung, für die unter Nr. 6 aufgeführte Analyse durchgeführt,
                              									lieferte folgendes Ergebniſs:
                           
                              
                                 1)
                                 Kalk in   25cc Magnesiafiltrat
                                 =
                                 0,013g
                                 CaO
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Kalk in 100cc Magnesiafiltrat
                                 =
                                 0,052g
                                 „
                                 =
                                 0,111g
                                 Essigsäure
                                 
                              
                                 2)
                                 Kalk in 100cc Brühe an sich
                                 =
                                 0,037g
                                 „
                                 =
                                 0,081g
                                 „
                                 
                              
                                 3)
                                 Mg2P2O7 auf 100cc Brühe
                                 =
                                 0,059g
                                 „
                                 =
                                 0,064g
                                 „
                                 
                              
                           Hiernach ergibt sich als Schluſsresultat auf gewichtsanalytischem Wege 0g,810 Essigsäure gegenüber dem auf titrimetrischem
                              									Wege gefundenen Gehalte von 0g,850 Essigsäure.
                              									Hervorheben will ich hier nochmals, daſs bei dieser Analyse zwar eine um ein Drittel
                              									geringere Menge Magnesia, diese dafür aber 24 Stunden lang eingewirkt hatte, daſs
                              									also hier immerhin eine gröſsere, indessen noch innerhalb der durch die
                              									Beleganalysen gegebenen Fehlergrenzen liegende Abweichung nicht überraschen darf.
                              									Auch bei den nach der neuesten Simand'schen Vorschrift
                              									(Aufkochen am Rückfluſskühler) ausgeführten Versuchen habe ich die Vorschrift nicht
                              									genau eingehalten, indem ich nach dem Aufkochen nicht durch Einstellen in kaltes
                              									Wasser rasch abkühlte, sondern durch etwa halbstündiges Stehenlassen die Flüssigkeit
                              									Normaltemperatur annehmen lieſs. Auſserdem hatte ich zu allen diesen Analysen, wie
                              									ich schon oben bemerkte, sehr schwach geglühte Magnesia angewendet. Es ist ja auch nicht anzunehmen,
                              									daſs bei so zahlreichen neben und nach einander sich abspielenden Prozessen, wie sie
                              									bei Einwirkung von Magnesia auf Gerbbrühen vor sich gehen, immer ein so
                              									regelmäſsiger Verlauf derselben statthaben wird, daſs, bei noch so sorgfältiger
                              									Arbeit, die gefundene Menge Mg2P2O7 nicht um einige
                              									Milligramme abweichen könnte.
                           Um nun die Behauptung des Herrn Meerkatz:
                              									„Die Prüfung nach der Procter'schen Methode gelinge
                                 										ebenso gut, wie nach der von mir angegebenen Methode“, mit einem recht
                              									augenfälligen Beispiel zu beleuchten, will ich auch das nach dieser Methode
                              									erhaltene Analysenergebniſs der gleichen Brühe anführen: 25cc Brühe geben bereits nach Zusatz von 7cc,8 Barythydrat einen dicken braunen
                              									Niederschlag. Die nach dieser Methode gefundene Säuremenge würde also für 100cc Brühe 0g,290
                              									Essigsäure betragen. Mit Lakmuspapier geprüft, war die Reaction noch ganz intensiv
                              									sauer. Es wird also hierdurch das in der Abhandlung der Herren Simand und Kohnstein ausgesprochene Urtheil über die
                              										Procter'sche Methode vollständig bestätigt, das
                              									Urtheil des Herrn Meerkatz aber wohl auf das
                              									Gründlichste widerlegt.
                           Endlich möchte ich nur noch auf die im Schlusse der Abhandlung des Herrn Simand enthaltenen Bemerkungen kurz antworten. Wenn er
                              									zwar einmal die Absicht ausgesprochen hat, die Menge der von Haut aus Gerbbrühen
                              									absorbirbaren Säure zu bestimmen, ihm aber, wahrscheinlich so gut wie mir, um seine
                              									Worte zu gebrauchen, „im vornhinein jeder Gerber gesagt hätte, daſs Haut Säure
                                 										aufnimmt, und daſs diese Aufnahme von der Dauer der Einwirkung abhinge,“ so
                              									möchte ich ihm dagegen die Frage vorlegen, wer ihm unter diesen Umständen das
                              									ausschlieſsliche Recht zuspricht, die Ausführung dieser im engsten Zusammenhange mit
                              									der Methode der Säurebestimmung stehenden Untersuchung auf Jahre hinaus für sich
                              									allein in Anspruch zu nehmen? Vielleicht betrachtet er die Thatsache schon als einen
                              									Eingriff in seine Rechte, daſs ich mir überhaupt erlaubt habe, eine auch praktisch
                              									wirklich brauchbare einfache und genaue Methode der Säurebestimmung zu
                              									veröffentlichen? Mir scheint überhaupt als ob die Herren Fachgenossen in Wien mit
                              									einer so beiläufig gemachten Bemerkung oder Anmerkung schlieſslich das ganze Gebiet
                              									der Gerbereichemie für sich mit Beschlag belegen zu können meinen. Mögen sie nur
                              									ihrem Thatendrange keinen Zwang anthun, und zum Heile und Nutzen der Gerberei
                              									möglichst viele und möglichst praktische und dieselbe fördernde Arbeiten
                              									ausführen.
                           Ueber Werth oder Unwerth der wenigen von mir bereits als Anfang zu meiner Methode der
                              									Säurebestimmung veröffentlichten Versuche über die Säureabsorption durch Haut aus
                              									Gerbbrühen mit Herrn Simand zu streiten, halte ich für
                              									vollkommen überflüssig.