| Titel: | Versammlung des deutschen Vereines der Gas- und Wasserfachmänner zu Stuttgart vom 12. bis 14. Juni 1888. | 
| Autor: | P. Behrend | 
| Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 230 | 
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                        Versammlung des deutschen Vereines der Gas- und
                           								Wasserfachmänner zu Stuttgart vom 12. bis 14. Juni 1888.
                        Versammlung des deutschen Vereines der Gas- und
                           								Wasserfachmänner.
                        
                     
                        
                           Von auch weitere Kreise interessirenden Fragen und Referaten dürfte zunächst Nr. 2
                              									der Tagesordnung vom 12. Juni: „Anschluſs der Blitzableiter an die Rohrleitungen
                                 										für Gas und Wasser“ anzuführen sein.Wir bringen in vorliegendem und einem der nächsten Hefte eine ausführliche
                                    											Besprechung dieser Frage (vgl. 1887 265
                                    										145). Direktor Fischer aus Berlin
                              									referirte über diese Angelegenheit, in der die Meinung der verschiedenen
                              									sachverständigen Kreise sehr getheilt sind, unter Zugrundelegung einer von Dr. N. H. Schilling aus München verfaſsten Broschüre.
                           Schilling kommt zu dem Resultate: „Der Anschluſs der
                                 										Blitzableiter an die Gas- und Wasserleitungsrohre ist weder als Bedürfniſs
                                 										anerkannt, noch aus praktischen Gründen im Interesse des Betriebes der Gas- und
                                 										Wasserwerke zuzulassen.“ Denn die Frage, ob mit Rohrleitungen versehene
                              									Gebäude einer erhöhten Blitzgefahr ausgesetzt sind, läſst sich dahin beantworten,
                              									daſs eine erhöhte Blitzgefahr (auf Grund statistischen Materiales) keineswegs
                              									erwiesen ist, daſs man im Gegentheile annehmen kann, daſs die Rohrleitungen sogar
                              									einen Schutz für die Gebäude bilden. Gas- und Wasserleitungsrohre im Inneren von
                              									Gebäuden sind in sehr geringer Zahl vom Blitzstrahle getroffen worden, der dadurch
                              									angerichtete Schaden ist kein nennenswerther gewesen, und die Möglichkeit, daſs die
                              									Häuser in allen ihren Räumen vom Blitze beschädigt werden, ist durch die
                              									Rohrleitungen bedeutend herabgesetzt, da die Blitzgefahr sich auf diejenigen Räume
                              									concentrirt, die auf den kürzesten Verbindungslinien zwischen Rohren und Auſsenwand
                              									liegen.
                           Daſs für die Gas- und Wasserleitungsröhre selbst eine Blitzgefahr bestehe, ist nur
                              									dann der Fall 1) wenn der Blitz, der am Gebäudeblitzableiter herunterkommt, nicht an
                              									der Erdleitung des Blitzableiters fortgeht, sondern auf die in der Nähe befindlichen
                              									Rohre überspringt, eine Gefahr, die meist auf schlechte Ableitungen der
                              									Blitzableiter zurückzuführen ist, und 2) wenn die Dichtung der Rohre aus schlecht
                              									leitendem Materiale (Holz oder Gummi) hergestellt wurde, dieses ist daher
                              									auszuschlieſsen. Ein Anschluſs an die Rohrleitungen ist nicht empfehlenswerth, weil
                              									dieselben zeitweilig unterbrochen werden, sei es durch die häufig vorkommenden
                              									Reparaturen oder durch Neuanlagen, und wo Gas- und Wasserleitungsrohre neben
                              									einander in den Straſsen liegen, würde eine Unterbrechung einer Leitung die andere
                              									in Mitleidenschaft ziehen. Auch die Gefahr für das Leben der Arbeiter, welche
                              									während eines Gewitters mit der Ausbesserung von Leitungen beschäftigt sind, ist
                              									nicht zu unterschätzen; die Verbindung getrennter Rohrleitungen während eines
                              									Gewitters durch ein Drahtseil ist praktisch nicht ausführbar. Aus dem statistischen
                              									Materiale, welches der Referent gibt, geht dann hervor, wie verschieden die
                              									Meinungen der Sachverständigen sind, denn während in einzelnen Städten der Anschluſs
                              									der Blitzableiter an die Gas- und Wasserleitungsrohre verlangt ist, in anderen nur
                              									an die Wasserleitungsrohre, verweigert eine groſse Anzahl überhaupt jeden Anschluſs.
                              									Referent hält die Sache in Folge dessen noch nicht für spruchreif und empfiehlt, die
                              									Frage noch einer weiteren gründlichen Erwägung zu unterziehen. Die lebhafte Discussion, die sich an dieses
                              									Referat knüpfte und in der Direktor Kümmel aus Altona
                              									die dringende Nothwendigkeit einer wiederkehrenden Controle der Blitzableiter auf
                              									ihren intacten Zustand betont, zeigte, daſs sich die Versammlung keineswegs
                              									ablehnend dieser Frage gegenüberstellte, und führte zur Ueberweisung an eine
                              									Commission zu gemeinsamer Berathung mit dem elektrotechnischen Vereine und dem
                              									Verbände deutscher Architekten- und Ingenieurvereine.
                           Nr. 3 „Bericht der Heizgascommission“ (Referent Direktor Reichard aus Karlsruhe) zeigt, daſs die Verwendung des
                              									Gases zu Koch- und Heizzwecken in den letzten Jahren bedeutend zugenommen habe.
                           Ueber Nr. 5 der Tagesordnung „Bericht der Kerzencommission“ ist zu erwähnen,
                              									daſs die Vorzüge der Amylacetatlampe als bequemste Lichteinheit von Neuem anerkannt
                              									worden sind, ihre Helligkeit gegenüber anderen Einheiten jedoch noch nicht mit
                              									Sicherheit anzugeben sei, daher noch eingehende Versuche darüber erforderlich sind,
                              									zu welchem Zwecke sich der Verein mit der physikalisch-technischen Reichsanstalt in
                              									Verbindung setzen will.
                           Nr. 6. Ueber das Photometer von Groſse. Dr. Krüſs aus Hamburg, der das Photometer construirt, legt
                              									das Prinzip und die Anwendung desselben klar. Ueber diesen Apparat soll später
                              									genauer berichtet werden.
                           Nr. 7. Chemische Untersuchungen in Gasanstalten (Referent Prof. Dr. Bunte).
                           Referent hebt die Wichtigkeit der chemischen Untersuchungen hervor; dieselben sind
                              									dreierlei Art: 1) der Rohstoffe, 2) der Producte und Nebenproducte und 3) zur
                              									Betriebscontrole dienende. Fortschritte im Betriebe können wesentlich nur an der
                              									Hand chemischer Untersuchungen im Betriebe angebahnt werden. Die Zeitverhältnisse,
                              									Ermäſsigung der Gaspreise, die gedrückten Preise der Nebenproducte drängen dahin,
                              									daſs alle nur mögliche Oekonomie im Gasanstaltsbetriebe herrschen muſs.
                           Zu solchen wichtigen Untersuchungen gehört die der Kohle, die eventuell zur
                              									Heranziehung weiterer Zechen für die Lieferung von Gaskohle führen könnte, bei dem
                              									hohen Preise der Gaskohle ein sehr wünschenswerther Gewinn; ferner die
                              									Reinigungsmasse und die analytische Feststellung des garantirten Ammoniakgehaltes im
                              									Sulfate.
                           Zur Anstellung der Betriebscontrole ist die Kenntniſs von leicht und schnell
                              									ausführbaren Methoden für quantitative Bestimmungen erforderlich. Referent
                              									demonstrirt eine von ihm herrührende Methode zur Untersuchung des Gases auf
                              									Schwefelwasserstoff. (Näheres darüber in einem der nächsten Hefte dieses
                              									Journales.)
                           Der zweite Sitzungstag war Vereinsangelegenheiten gewidmet. Auſserdem berichtet
                              									Direktor Kunath aus Danzig über Verbesserungen an der Lux'schen Gaswage (1887 263
                              									* 479), welche sich auf die Construction des Gasballons (derselbe ist jetzt in
                              									Metall ausgeführt), auf die Anbringung eines Thermometers, ferner auf eine
                              									Einrichtung beziehen, welche es ermöglicht, das specifische Gewicht des Gases
                              									während des Betriebes graphisch darzustellen.
                           Vom dritten Tage wäre zu erwähnen: Nr. 3 der Tagesordnung: Die Wasserversorgung durch
                              									Brunnen vom hygienischen und nationalökonomischen Standpunkte (Referent Dr. Hueppe aus Wiesbaden).
                           Zur Beurtheilung eines Wassers ist nicht nur die chemische, sondern in erster Linie
                              									die bakteriologische Untersuchung von Werth, und zwar letztere nicht nur in Bezug
                              									auf die Zahl, sondern auf die Art der Bakterien und Keime. Nicht nur die Frage, ob
                              									eine Infection des Wassers vorhanden, sondern die Infectionsmöglichkeit und der
                              									Ausschluſs der letzteren verdient die meiste Beachtung, daher ist die technische
                              									Seite, die Brunnenanlage, sehr in Betracht zu ziehen. Zunächst muſs der
                              									Brunnenmantel wasserdicht sein, um ein Eintreten von Verunreinigungen durch
                              									seitliche Durchsickerungen zu vermeiden, und sich genügend tief erstrecken (die
                              									unterste Grenze der Cultureinflüsse ist 4 bis 6m).
                              									Der Brunnen soll oben geschlossen und mit genügender Ventilation versehen sein und
                              									darf nicht längere Zeit unbenutzt stehen. Werden Brunnen in der Nähe von
                              									Jauchegruben angelegt, so muſs die Entfernung mindestens 5m betragen, auch die Jauchegrube selbst durchweg
                              									wasserdicht sein. Ziehbrunnen sind zu verbieten und nur Röhrenbrunnen (Tiefbrunnen
                              									und artesische) anzuwenden. Der natürliche Reinigungsprozeſs des Bodens ist zur
                              									Wasserversorgung zuzuziehen und dabei zu berücksichtigen, daſs der Boden als Filter
                              									durch Abhub der Schlammschicht ebenso der Reinigung bedarf, wie künstliche
                              									Filter.
                           Bei der chemischen Untersuchung ist die Frage nach der Herkunft der Stoffe wichtiger
                              									als nach der Quantität; die Herkunft darf keine biologische, sondern muſs eine
                              									geologische sein. Die prophylaktische Hygiene für Wasser bedarf, analog der der
                              									anderen Lebensmittel, besonderer Berücksichtigung.
                           Bei der kurzen sich an diesen Vortrag knüpfenden Discussion erwähnt Ingenieur Grahn aus Coblenz, daſs in der Praxis schon zum
                              									gröſsten Theile ausgeführt werde, was die wissenschaftlichen Untersuchungen als
                              									nothwendig ergeben hätten.
                           Nr. 4 der Tagesordnung: Verwendung von Bleiröhren zur Wasserleitung (Referent Prof.
                              										Bunte aus Karlsruhe).
                           Nach der bis jetzt vorliegenden Statistik sind bei den Wasserleitungen fast aller
                              									Städte Norddeutschlands Bleiröhren in Anwendung; in Süddeutschland namentlich
                              									verzinkte Eisenrohre. Der Verwendung von Bleirohren steht jedoch nichts entgegen.
                              									Fälle von Bleivergiftungen, wie sie in England vorkommen, sind in Deutschland nur in
                              									Dessau constatirt worden und hier auf die nicht hinreichende Wasserversorgung und das damit verbundene
                              									zeitweilige Leerstehen der Röhren zurückzuführen. Die von Dr. Wolfhügel erstatteten Berichte des kaiserl.
                              									Gesundheitsamtes werden herangezogen.
                           Wie Müller gefunden und neuerdings durch Arbeiten des
                              									Referenten erwiesen, wirkt Wasser hauptsächlich dann auf Bleirohre ein, wenn Luft in
                              									denselben vorhanden; ein Gehalt an Salzen, besonders Carbonaten und Bicarbonaten,
                              									setzt die Einwirkung herab bezieh. verhindert sie vollständig. Eine Zusammenstellung
                              									der Wasseruntersuchungen einer groſsen Zahl deutscher Städte zeigt, daſs fast alle
                              									Wasser, mit Ausnahme von zweien, den mindest geforderten Härtegrad bezieh. Gehalt an
                              									Carbonaten haben. Da nun in Deutschland die Wasserversorgungen continuirlich sind,
                              									bringt die Anwendung von Bleirohren keine Gefahr; anders ist es bei der in England
                              									gebräuchlichen intermittirenden Wasserversorgung, da sich dann die Röhren, sobald
                              									der Wasserzufluſs abgestellt ist, mit Luft füllen, wodurch eine Oxydation der
                              									Bleiröhren bewirkt wird.
                           P. Behrend.