| Titel: | Ueber eine auffällige Zerstörung von aus Zinkblech gefertigten Fallröhren und den Ammoniakgehalt des Meteorwassers in der kälteren Jahreszeit. | 
| Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 280 | 
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                        Ueber eine auffällige Zerstörung von aus
                           								Zinkblech gefertigten Fallröhren und den Ammoniakgehalt des Meteorwassers in der
                           								kälteren Jahreszeit.
                        Ueber eine auffällige Zerstörung von Fallröhren.
                        
                     
                        
                           In der Zeitschrift für angewandte Chemie, 1888 Bd. 1 S.
                                 									240, macht Max MüllerNach vom Herrn Verfasser gefälligst eingesendetem
                                       											Sonderabdrucke. über diesen Gegenstand folgende
                              									Mittheilung:
                           Es ist eine bekannte Thatsache, daſs Metalle häufig arg corrodirt oder gänzlich
                              									zerstört werden können, wenn sie mit anderen Metallen bei Gegenwart von Feuchtigkeit
                              									zufällig oder absichtlich zusammengebracht werden. Dasjenige Metall, welches im
                              									gegebenen Falle zur positiven Elektrode wird, erfährt mit der Zeit durch den
                              									Sauerstoff des Wassers vollständige Oxydation, während das die negative Elektrode
                              									bildende Metall im Gegentheile vor Oxydation geschützt wird und sich unter Umständen
                              									besser hält, als wenn es in gar keinem metallischen Contacte stände.
                           Schon Davy hat zu Anfang dieses Jahrhunderts den
                              									Vorschlag gemacht, das Kupfer, womit der Schiffsrumpf bekleidet ist, dadurch vor den
                              									Angriffen des Seewassers zu schützen, daſs man es mit entsprechend kleineren, aber
                              									gleichfalls ins Meer tauchenden Zink- oder Eisenplatten verbindet. In diesem Falle
                              									wird in der That nur das Zink oder Eisen angegriffen, und man hat von der
                              									allgemeinen Durchführung dieses Vorschlages nur deshalb Abstand genommen, weil sich
                              									an der Kupferoberfläche Seethiere und Seepflanzen in solcher Menge ansammelten, daſs
                              									die Geschwindigkeit des Schiffes darunter merkbar litt.
                           Es ist ferner bekannt, daſs man Eisen, um es vor dem Rosten zu schützen, mit Zink überziehen muſs. Solche Fabrikate gehen im Handel
                              									unter dem Namen „galvanisirtes Eisen“. Die an sich gar nicht zutreffende
                              									Bezeichnung ist gewählt worden, um damit anzudeuten, daſs das Eisen durch das Zink
                              									elektrochemischen Schutz erfährt. In der That rosten auch von Zink befreite Stellen
                              									ungleich weniger, als dieses bei nicht galvanisirtem Eisen unter gleichen Umständen
                              									der Fall ist. Umgekehrt schützt eine Verzinnung das
                              									Eisen nur so lange wie der Ueberzug fehlerfrei bleibt- an schadhaften Stellen tritt
                              									dann ein weit stärkeres Rosten des Eisens ein, als wenn es mit dem Zinne nicht in
                              									Berührung stände. Das Eisen ist in diesem Falle durch den Contact mit dem Zinne zur
                              									Lösungselektrode geworden.
                           Müller ist nun ein Fall von totaler Zerstörung eines
                              									Metalles durch die
                              									Berührung mit einem anderen und zwar von der Zerstörung des Zinkes durch den Contact
                              									mit Kupfer bekannt geworden.
                           Von den zahlreichen, aus starkem Zinkbleche gefertigten Fallröhren, welche das
                              									Meteorwasser von dem Dache des Braunschweiger Residenzschlosses zur Erde führen,
                              									leiden ganz auffälliger Weise besonders stark die beiden, welche das Wasser der
                              									groſsen, mit Kupferblech gedeckten Kuppel aufnehmen. Diese haben seit dem Neubaue
                              									des Schlosses schon verschiedene Male erneuert werden müssen, während die anderen
                              									noch völlig unversehrt und keineswegs reparaturbedürftig sind. Die Untersuchung
                              									dieser Röhren ergab, daſs dieselben besonders stark an der nach dem Gebäude zu
                              									gelegenen Seite, wo sie zumeist mit dem hinabflieſsenden Wasser in Berührung kamen,
                              									zerfressen waren. Das ursprünglich starke Zinkblech war bis zu Papierdicke
                              									verschwunden und in eine locker zusammenhängende mürbe Masse verwandelt worden.
                              									Diese, oberflächlich dunkel gefärbt, war nach dem Zinke zu heller und bestand hier
                              									wesentlich aus Zinkoxyd, während die obere dunkle Kruste hauptsächlich Kupferoxyd
                              									enthielt. Die Analyse beider Schichten, sorgfältig von Zink losgelöst und zusammen
                              									gepulvert, ergab die nachfolgende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 In Salzsäure unlöslich
                                 1,55
                                 Proc.
                                 
                              
                                 CuO
                                 20,81
                                 „
                                 
                              
                                 Fe2O3 + Al2O3
                                 12,91
                                 „
                                 
                              
                                 CO2
                                 5,75
                                 „
                                 
                              
                                 SO3
                                 2,52
                                 „
                                 
                              
                                 ZnO
                                 50,97
                                 „
                                 
                              
                                 CaO
                                 3,44
                                 „
                                 
                              
                                 Wasser und Organisches (Rest)
                                 2,05
                                 „
                                 
                              
                           Das Zerstörungsproduct besteht also wesentlich aus den Oxyden des Zinkes und Kupfers,
                              									und es ist bemerkenswerth, daſs das Kupfer nicht gleichmäſsig in der Masse
                              									vertheilt, sondern sich wesentlich nur auf der Oberfläche abgelagert befindet.
                           Es muſs also durch die atmosphärischen Niederschläge Kupfer von der Kuppelbedachung
                              									gelöst und dieses wieder durch das Zink aus der Lösung niedergeschlagen worden
                              									sein.
                           Indessen auf Grund dieser chemischen Reaction allein wird die Corrosion der
                              									betreffenden Fallröhren keineswegs erklärt; denn abgesehen davon, daſs in diesem
                              									Falle der Kupfergehalt der Kruste im Verhältnisse zum Zinke ein weit höherer sein
                              									müſste, da ja doch 65 Th. Zink annähernd die gleiche Menge (63,4) Kupfer
                              									niederschlagen, wäre auch zu erwarten, daſs Kupfer und Zink, bezieh. die Oxyde, sich
                              									durch die ganze Masse hindurch gleichmäſsig vertheilt fänden. Da sich nun aber der
                              									Kupfergehalt (als Oxyd wohl nur durch nachträgliche Oxydation) hauptsächlich an der
                              									Oberfläche der das Zink bekleidenden Schichte concentrirt, weiter nach innen und
                              									direkt auf dem Zinke sich aber wesentlich nur Zinkoxyd befindet, so ist mit
                              									Sicherheit anzunehmen, daſs anglich das Zink aus der dünnen Kupferlösung dieses
                              									fällte und sich mit
                              									einem dünnen, allmählig verstärkenden Ueberzuge von metallischem Kupfer bekleidete
                              									und daſs dann die weitere Oxydation des Zinkes auf physikalischem Wege erfolgte; in
                              									gleichem Sinne wie ja auch ein mit Kupferfolie belegtes Zinkblech allmählig
                              									Oxydation erfahren müſste, wenn man das so gebildete Element beständig feucht
                              									erhielte. Selbstverständlich wird die Fällung des Kupfers und die hierdurch bedingte
                              									Oxydation des Zinkes nie ganz aufhören, da ja die Porosität der Incrustation die
                              									Berührung der Kupferlösung mit dem Zinke nicht ausschlieſst. Der geringe
                              									Kupfergehalt der mittleren und direkt auf dem Zinke liegenden Schichten beweist aber
                              									zur Genüge, daſs durch den galvanischen Strom die Zerstörung, d.h. die Oxydation des
                              									Zinkes, ganz wesentlich herbeigeführt worden ist. Wäre dieses nicht der Fall, so
                              									müſste das Zerstörungsproduct Kupfer und Zink mindestens im Verhältnissse 1 : 1
                              									enthalten, während die Analyse (Durchschnitt aller Schichten) ja ein solches von 1:
                              									etwa 2½ ergab. Womit gesagt sein soll, daſs bei dem Prozesse der Fällung des Kupfers
                              									durch das Zink sich unter Umständen auch lösliche Zinkverbindungen bilden können,
                              									die dann durch das Meteorwasser fortgeführt werden. In diesem Falle müſste natürlich
                              									reines schwammiges Kupfer als Rückstand entstehen.
                           Immerhin blieb noch der Grund aufzuklären, wodurch und wie das Kupfer der
                              									Kuppelbedachung von dem Meteorwasser gelöst wurde.
                           Es lag nun nahe, an die Mitwirkung der im Meteorwasser gelösten Gase, hauptsächlich
                              									die Kohlensäure und den Sauerstoff zu denken. Indessen, wenn es auch Thatsache ist,
                              									daſs stark Kohlensäure haltiges Wasser in ganz geringer Menge Kupferoxyd löst, so
                              									ist doch der geringe Kohlensäuregehalt des Regenwassers, der nach verschiedenen von
                              										Müller ausgeführten Analysen nur wenige Zehntel
                              									Volumenprocente beträgt, ganz ohne Einfluſs. Es ist ja von vornherein anzunehmen,
                              									daſs nicht das metallische Kupfer durch das Meteorwasser oder Bestandtheile
                              									desselben gelöst wird, sondern vielmehr die Oxyde bezieh. hydratischen basischen
                              									Carbonate, mit denen sich das metallische Kupfer, den Einflüssen der Witterung
                              									ausgesetzt, schnell bedeckt. Es ist früher einmal behauptet worden, daſs im
                              									Regenwasser freie Schwefelsäure, und zwar hineingelangt durch die Rauchgase Schwefel
                              									haltiger Kohlen, enthalten sein könne. Man hat seiner Zeit hieraus eine auffällige
                              									Zerstörung eines dem Regen sehr ausgesetzten Mauerwerkes abgeleitet.
                           Indessen haben Müller's Untersuchungen für die
                              									Braunschweiger Verhältnisse durchaus ein negatives Resultat ergeben. Durch
                              									vorsichtiges Abdampfen selbst groſser Mengen Regenwasser konnte nie die Gegenwart
                              										freier Schwefelsäure nachgewiesen werden. Immerhin
                              									mag in industriereichen Städten der Fall vorkommen können, denn beim Verbrennen
                              									Schwefelkies haltiger Kohlen bildet sich neben Schwefeldioxyd, das sich durch den
                              									Sauerstoff der Luft bald zu Schwefelsäure oxydirt, auch zugleich
                              									Schwefeltrioxyd.
                           
                           Der Grund, weshalb das Meteorwasser im concreten Falle Kupfer gelöst hatte, muſste
                              									demnach in anderen Ursachen gesucht werden. Schon vor Jahren ist es Müller aufgefallen, daſs das destillirte Wasser des
                              									Braunschweiger Laboratoriums, welches aus einem Kessel, der etwa 500l faſst, aus Fluſswasser destillirt wird,
                              									besonders im Winter stark Ammoniak haltig ist. In Frage stehendes Fluſswasser
                              									(Wasser aus dem Umflutgraben von Braunschweig) zeigte, im December, Januar und
                              									Februar 1885 wöchentlich mehrere Male untersucht, einen äuſserst wechselnden
                              									Ammoniakgehalt. Die geringste Menge betrug 0,15, die gröſste 0mg,5 in 100cc
                              										Wasser.In den folgenden Zeilen drücken alle Angaben über Ammoniakgehalt die Menge
                                    											der Milligramme in 100cc – d. i. Theile in
                                    											100000 Th. – aus. Alle Versuche, hieraus ein Ammoniak freies
                              									Wasser zu destilliren, scheiterten gänzlich. Selbst als das Wasser vor der
                              									Destillation längere Zeit mit Bromnatronlauge (Brom unter Kühlung in Natronlauge
                              									gelöst) stehen blieb, um alle Ammoniakverbindungen zu zerstören, gelang es doch
                              									nicht, ein Ammoniak freies Destillat zu erzielen. Die zuerst übergehenden Antheile
                              									reagirten stets stark auf Neſsler'sches Reagens, aber
                              									auch die letzten Fractionen zeigten noch sehr deutliche Reaction. Auch als 500l Wasser von 0mg,23 Ammon in 100cc unter Zusatz von
                              									Natronlauge destillirt wurden, ergaben die zuerst übergehenden 5l 2mg,40, das
                              									letzte Destillat aber noch 0mg,05 in 100cc. Das durch die Natronlauge frei gemachte
                              									Ammoniak ist also überwiegend in den ersten Fractionen enthalten, wird aber in
                              									geringer Menge hartnäckig bis zu Ende der Destillation von dem stark alkalischen
                              									Wasser zurückgehalten.
                           Bei dieser Gelegenheit suchte Müller nun nach einem
                              									Ammoniak freien WasserMan destillirt am besten Ammoniak freies Wasser aus reinem
                                    										Brunnenwasser. und fand, daſs das Regen-, besonders aber das
                              									Schneewasser im Winter auffallend reich an Ammoniak ist.
                           Die sehr zahlreichen Untersuchungen, welche er angestellt hat, lassen keinen Zweifel
                              									darüber, daſs der lockere Schnee (ganz wie viele andere poröse Körper) kräftig
                              									Ammoniak der Atmosphäre zu entziehen und auf sich zu verdichten vermag. Diese
                              									Absorption erfolgt zum Theile auf dem Wege der Schneeflocken von den Wolken zur
                              									Erde, dann aber auch nachträglich auf der Erde selbst. So kommt es, daſs längere
                              									Zeit gelegener Schnee oft sehr reich an Ammoniak ist, und es erklärt sich, daſs die
                              									obere Decke mehr davon enthält als die tiefer liegenden Schichten. Es seien hier
                              									einige diesbezügliche Beobachtungen mitgetheilt.
                           Im J. 1885 enthielt der frisch gefallene Schnee in der Nähe der Braunschweiger
                              									technischen Hochschule durchschnittlich 0mg,15 in
                              										100cc Schneewasser. Blieb der Schnee liegen,
                              									so war innerhalb weniger Tage der Gehalt der oberen
                              									Schneedecke an Ammoniak erheblich gröſser – bis 0mg,5, während die
                              									unteren Schichten einen fast unveränderten Gehalt zeigten.
                           Zu quantitativ ganz ähnlichen Ergebnissen gelangte Müller bei Untersuchung des Schnees, entnommen auſserhalb der Stadt
                              									Braunschweig (Spargelstraſse), während die Analyse von frischen und älteren
                              									Schneeproben, die an verschiedenen Stellen der inneren Stadt Braunschweig gesammelt
                              									wurden, zu den verschiedensten Zahlen führte.
                           Die verhältniſsmäſsig erheblichen Mengen Ammoniak im Regen-, besonders aber im
                              									Schneewasser der kälteren Jahreszeit, haben etwas Ueberraschendes, da ja doch
                              									Fäulniſsprozesse u. dgl., durch welche Ammoniak in die Atmosphäre hineingelangen
                              									kann, sich im Winter nur in beschränktem Maſse vollziehen. Indessen kann man über
                              									den Ursprung des Ammoniakes nicht in Zweifel sein.
                           Es ist ja eine bekannte Thatsache, daſs beim Verbrennen von Kohlen, Torf u. dgl.,
                              									wenn der Luftzutritt gehindert wird, ein Theil des Stickstoffgehaltes der
                              									Brennmaterialien als Ammoniak abgespalten wird. Durch die Esse werden dann neben den
                              									Verbrennungsproducten auch solche der trockenen Destillation der Atmosphäre
                              									zugeführt. In eng bewohnten Stadttheilen, wo weniger Bemittelte und arme Familien
                              									eine groſse Zahl von Feuerstätten unterhalten, wird durch schlechte
                              									Brennmaterialien, widersinnig angelegte Feuerungen und das Bestreben, durch
                              									Schlieſsen der Ofenthüren u.s.w. das Feuer zu mäſsigen und an Brennmaterial zu
                              									sparen, sicherlich mehr Ammoniak in die Atmosphäre hineingelangen, als dieses in
                              									besseren Gegenden einer Stadt der Fall ist. An kalten Tagen, wo die gröſstmögliche
                              									Anzahl der Feuerungen im Gange, wird deshalb der frisch gefallene Schnee an beiden
                              									Stellen einen verschiedenen Ammoniakgehalt zeigen können bezieh. müssen.
                           In Braunschweig gehört u.a. die Umgebung der Andreaskirche zu denjenigen Theilen der
                              									Stadt, die eng und dicht bevölkert sind, während in der Umgebung der Domkirche eher
                              									das Gegentheil der Fall ist.
                           Am 27. Februar 1885 schneite es stark und anhaltend. Von dem frisch gefallenen Schnee
                              									wurden von den vorgenannten beiden Stellen und in der Nähe der technischen
                              									Hochschule, also auſserhalb der Stadt, Schneeproben entnommen und untersucht.
                           Es wurde gefunden:
                           
                              
                                 Andreaskirche
                                 = 0,3mg
                                 
                              
                                 Domkirche
                                 = 0,15
                                 
                              
                                 Technische Hochschule
                                 = 0,10
                                 
                              
                           Wiederholte Untersuchungen auch an anderen Tagen führten zu fast gleichen
                              									Resultaten.
                           
                              Anmerkungszeichen zu dieser Fußnote fehlt im Text.
                              
                              Bei Untersuchung des Schnees wurde dieser aufgethaut und in dem Schneewasser die
                                 										Bestimmung ausgeführt.
                              
                           
                           Es ist somit wohl ziemlich unzweifelhaft, daſs der Ammoniakgehalt des frisch
                              									gefallenen Schnees, und das Gleiche würde ja auch für tropfbar flüssige
                              									Niederschläge gelten, abhängig ist von Ort und Zahl der in der Nähe des Ortes der
                              									Probenahme befindlichen Feuerungen, also durch die Rauchgase hineingelangt. Wenn dem
                              									so ist, so müssen die in der Nacht erfolgenden Niederschläge einen weit geringeren
                              									Ammoniakgehalt zeigen, da ja dann weitaus die Mehrzahl der Feuerungen eingestellt
                              									sind.
                           Da es in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar stark schneite und der Ammoniakgehalt
                              									des am Tage gefallenen Schnees mehrfach an der Andreaskirche untersucht war (zuletzt
                              									Abends 9 Uhr, wo 0mg,32 gefunden wurden), so wurde
                              									auch nach Mitternacht, 12½ Uhr, an derselben Stelle eine Probe Schnee aufgefangen.
                              									Die Untersuchung bestätigte die ausgesprochene Vermuthung, denn jetzt war der Gehalt
                              									auf 0mg,08, also auf ¼ des Tagesbefundes
                              									herabgegangen.
                           In Braunschweig ist die Luft der Gegend vor dem Wilhelmsthore oft arg mit Rauchgasen
                              									geschwängert. Es liegen hier eine Reihe gröſserer Fabriken in unmittelbarer Nähe des
                              									Bahnhofes eng zusammen. Es war zu erwarten, daſs die hier erfolgenden Niederschläge
                              									sich durch relativ hohen Ammoniakgehalt auszeichnen würden. Eine Probe Schnee –
                              									allerdings nicht ganz frisch gefallen – welche am 23. Februar 1885 der
                              									Bahnhofstraſse entnommen wurde, zeigte einen Ammoniakgehalt von 0,9 bis 1mg,0 in 100cc
                              									Schneewasser.
                           Sämmtliche Analysen Müller's haben durchweg ergeben,
                              									daſs das Meteorwasser und der Schnee im Winter verhältniſsmäſsig reich an Ammoniak
                              									sind und daſs der lockere Schnee ein starkes Absorptionsvermögen für in der Luft
                              									enthaltenes Ammoniak besitzt. So kann es kommen, daſs Schnee, welcher längere Zeit
                              									gelegen hat, oft einen hohen Ammoniakgehalt zeigt; z.B. enthielt ein Schneewasser
                              									aus Halberstadt mehr als 4mg Ammoniak in 100cc.
                           In dem Ammoniakgehalte des Meteorwassers, besonders der kälteren Jahreszeit, sucht
                              										Müller nun auch den Grund der eingangs erwähnten
                              									Zerstörung der aus Zinkblech gefertigten Fallröhren am Herzogl. Residenzschlosse.
                              									Die das Ammoniak ja sicher zumeist als Ammoniumcarbonat enthaltenden Regen- und
                              									Schneewasser lösen die auf dem Kupferbleche befindlichen Oxyde bezieh. basischen
                              									Carbonate. Das schwach Kupfer haltige Wasser, mit dem Zinke in Berührung kommend,
                              									scheidet Kupfer ab, während sich zu gleicher Zeit Zinkoxyd bezieh. basisches
                              									Carbonat bildet. Als ein oxydirtes Kupferblech längere Zeit in Schneewasser von 0mg,8 Ammoniak in 100cc hineingestellt, das Wasser dann filtrirt und abgedampft wurde, lieſs
                              									sich die Gegenwart des Kupfers deutlich nachweisen. Durch Ammoniak freies Wasser war
                              									unter gleichen Umständen kein Kupfer in Lösung überzuführen.
                           Nach dem Vorstehenden ist vorherzusagen, daſs die Niederschläge, welche fern von den Städten auf
                              									dem flachen Lande oder im Gebirge erfolgen, sehr arm oder frei von Ammoniak sein
                              									müssen. Die Eigenschaft des Schnees jedoch, bei längerem Liegen aus der Luft
                              									Ammoniak zu absorbiren, wird zur Folge haben, daſs die oberen Schichten des
                              									ursprünglich Ammoniak freien Schnees nach einiger Zeit darauf reagiren, denn das aus
                              									den Rauchgasen stammende Ammoniak der Luft wird ja bald in entsprechender Verdünnung
                              									überall hingetragen.
                           Zur Bestätigung dieser Annahme hat Müller im Harz
                              									Versuche ausgeführt. Durch mehrere Tage vorher erfolgten starken Schneefall war
                              									überall eine starke Schneedecke vorhanden, und durch Analyse der unteren und oberen
                              									Schichten war leicht festzustellen, von welchem Ammoniakgehalte der Schnee gefallen
                              									und wie viel er nachträglich aus der Luft angezogen hatte. Um sofort an Ort und
                              									Stelle die Prüfung ausführen zu können, hat Müller
                              									einen kleinen ApparatUeber diesen Apparat wird später berichtet. construirt, der sehr
                              									praktisch im Gebrauche es ermöglichte, innerhalb etwa fünf Minuten den
                              									Ammoniakgehalt des Schnees colorimetrisch quantitativ festzustellen. Die Ergebnisse
                              									der Untersuchungen sind folgende:
                           
                              
                                 Unter den Eichen
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 nahe bei Harzburg
                                 = 0,16mg
                                 in 100cc
                                 Schneewasser
                                 
                              
                                 Am Ettersberge, etwa 500m
                                    											hoch
                                 = 0,19
                                 in 100cc
                                 „
                                 
                              
                                 Schnee 20cm unter der
                                    											Oberfläche
                                 = 0,00
                                 in 100cc
                                 „
                                 
                              
                                 Dieselbe Stelle.
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Schnee von der Oberfläche
                                 = 0,08
                                 in 100cc
                                 „
                                 
                              
                                 Dieselbe Stelle.
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Schnee von den Zweigen einer    Fichte, etwa 550m hoch
                                 = 0,08
                                 in 100cc
                                 „
                                 
                              
                                 Schnee 20cm unter der
                                    											Oberfläche
                                 = 0,00
                                 in 100cc
                                 „
                                 
                              
                                 Dieselbe Stelle.
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Schnee von der Oberfläche
                                 = 0,08
                                 in 100cc
                                 „
                                 
                              
                           Man sieht also deutlich, daſs in der Nähe von Harzburg der Schnee nach mehrtägigem
                              									Liegen nicht unerheblichen Gehalt an Ammoniak zeigt; in gröſserer Entfernung und
                              									Höhe aber ist der Schnee frei von Ammoniak gefallen, da die unteren Schichten gar
                              									nicht auf Neſsler's Flüssigkeit reagiren. Nachträglich
                              									ist jedoch Ammoniak, wenn auch nur in geringer Menge (0mg,08), angezogen worden, denn die oberen Schneeschichten und auf
                              									Fichtenzweigen der Luft sehr ausgesetzt gelegene Parthien enthielten so viel
                              									Ammoniak, daſs sich die quantitative Bestimmung gut ermöglichen lieſs.
                           Eigenthümliche, aber wohl erklärbare Resultate wurden in der Nähe des einsam im
                              									Gebirge gelegenen „Molkenhauses“ erhalten. Hier hatten offenbar die Dünste
                              									des Kuhstalles (es wird auf dem Molkenhause eine Stammherde Harzvieh gehalten) einen
                              									merkbaren Einfluſs ausgeübt. – Es wurde 140 Schritte vom Hause (westlich) eine Probe
                              									Schnee von der Oberfläche untersucht und hierin 0mg,25 Ammoniak in 100cc Schneewasser
                              									gefunden. Die 20cm darunter liegenden Schichten
                              										reagirten jedoch
                              									nicht auf Neſsler's Reagens. Es war also wieder der
                              									Schnee frei von Ammoniak gefallen, die oberen Parthien hatten aber nachträglich
                              									Ammoniak aus der Luft absorbirt. Ganz in der Nähe des Molkenhauses enthielt eine
                              									Probe Schnee, welche von dem Kopfe eines etwa 2m
                              									hohen Pfeilers genommen wurde, sogar 0mg,4,
                              									während in dem Schnee am Fuſse desselben Pfeilers nur 0mg,1 Ammoniak in 100cc Schneenasser
                              									gefunden wurden.