| Titel: | Ueber Paraffin im Erdöle. | 
| Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 563 | 
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                        Ueber Paraffin im Erdöle.
                        (Schluſs des Berichtes S. 518 d. Bd.)
                        Ueber Paraffin im Erdöle.
                        
                     
                        
                           Ein anderer Versuch wurde in der Weise vorbereitet, daſs aus der zur Reinigung der
                              									Rückstände gebrauchten Schwefelsäure bezieh. aus dem gebildeten sauren Theere durch
                              									wiederholtes Auskochen mit Wasser und Neutralisation mit kohlensaurem Natron die
                              									Schwefelsäure theils entfernt, theils abgestumpft wurde. Diese schmierige Masse,
                              									welche die aus dem Rohöle entfernten färbenden, harzigen und asphaltartigen Stoffe
                              									enthält, der Destillation unterworfen, erwies sich gleichfalls Paraffin bildend.
                              									Dieselbe Beobachtung machte früher Perutz (Industrie der Mineralöle, S. 295) und wollte daraus
                              									Folgerungen über die Entstehungsursachen des Erdwachses aus dem Erdöle
                              										ableiten.In einer Anmerkung sagt er darüber folgendes: „Nach meinen bei der
                                       												Paraffinreinigung gemachten Erfahrungen lassen sich für das Erdwachs
                                       												zwei Entstehungsursachen annehmen, nämlich Verdunstung und Oxydation.
                                       												Reinigt man Paraffin mit concentrirter Schwefelsäure und untersucht den
                                       												hierbei gewonnenen kohlig-harzigen Rückstand, indem derselbe mit einer
                                       												verdünnten Sodalösung geschüttelt wird, bis kein Aufbrausen mehr
                                       												entsteht, so wird nach dem Auswaschen mit kochendem Wasser eine
                                       												den dunklen Erdwachssorten ähnliche Masse erhalten. Destillirt man
                                       												dieselbe, so bilden sich leichte Oele von 0,740 bis 0,830 und Paraffin.
                                       												Die Schwefelsäure, welche bei allen Oel- und Paraffinreinigungen
                                       												oxydirend mitwirkt, bewirkt hier das Entstehen von Sauerstoff harzen aus
                                       												dem Paraffinöle und oxydirt auch die schon im Paraffine vorhandenen
                                       												Harze noch höher. Der auf diese Weise entstandene Rückstand, welcher
                                       												durchaus keine reine Kohle enthält, sondern nur Sauerstoff harze und
                                       												mechanisch niedergerissenes Paraffin (letzteres kann durch Decantiren in
                                       												der Wärme davon getrennt werden), welche Körper in der bei jeder
                                       												Paraffinreinigung am Ende zugesetzten Schwefelsäure theilweise gelöst zu
                                       												Boden sinken, gibt demnach auch einen Anhaltspunkt bei der Beurtheilung
                                       												der Entstehung des Erdwachses sowohl wie der Entstehung des Paraffines
                                       												selbst. Denn da wir bei der Destillation dieses mit Soda gereinigten
                                       												Rückstandes wieder leichte Oele und Paraffin erhalten, so läſst sich
                                       												analog annehmen, daſs das im Erdöle vorkommende Paraffin auf ähnliche
                                       												Weise entsteht. Auch das Erdöl und Erdwachs kommen mit oxydirenden
                                       												Substanzen in Berührung; abgesehen von dem mit Luft getränkten
                                       												Regenwasser kommen ja Metalloxyde überall vor, obwohl auch der
                                       												Sauerstoff der Luft und das damit und mit Salpetersäure getränkte
                                       												Regenwasser genügen würden. Das Vorkommen von Schwefel in den Erdölen
                                       												läſst sich ebenfalls auf Reducirung von schwefelsauren Salzen
                                       												zurückführen. Daſs Paraffin haltige Erdöle mehr in höheren
                                       												Gebirgsschichten vorkommen (das russische Oel?), wo die Luft leichter
                                       												zutreten kann als in tiefer gelegenen Erdölen, ist eine Thatsache (?).
                                       												So sehen wir z.B. in den tieferen Erdschichten Amerikas nur wenig
                                       												Paraffin vorkommen, während umgekehrt in Galizien, Ungarn, Moldau und
                                       												Krim Erdwachs in groſser Menge vorkommt. Uebrigens ist ja die Verharzung
                                       												bezieh. Oxydation von ätherischen Oelen eine Thatsache, welche wir an
                                       												der Oberfläche der Erde beobachten, und selbst die fetten Oele werden
                                       												durch Oxydation dicker gemacht, wenn wir unsere Firnisse darstellen.
                                       												Lassen wir wasserhelles Erdöl an der Luft stehen, so färbt es sich mit
                                       												der Zeit gelb, was durch Umschütteln noch befördert werden kann; es
                                       												bilden sich mit der Zeit Oxydationsproducte. Wollen wir ein solches gelb
                                       												gewordenes Erdöl reinigen, so setzen wir Schwefelsäure und in vielen
                                       												Fällen ein leicht Sauerstoff abgebendes Oxyd zu, um die Oxydation und
                                       												Verharzung schneller und vollständiger zu machen. Es findet demnach hier
                                       												ein Prozeſs statt, den die Natur selbständig, aber langsamer ausgeführt.
                                       												Bei der Destillation dieser Sauerstoffharze bildet sich das Paraffin
                                       												unter Entstehung von Wasser, leichten Oelen und Abscheidung von Kohle.
                                       												Daſs nicht allein Paraffin entsteht, rührt daher, weil das der
                                       												Destillation unterzogene Erdwachs (oder Rückstand von der
                                       												Paraffinreinigung) erstens aus verschiedenen Kohlenwasserstoffen und
                                       												Harzen zusammengesetzt ist, zweitens davon, daſs durch die hohe
                                       												Temperatur, welche zur Destillation nothwendig ist, Zersetzungen
                                       												entstehen... Die Verdunstung wirkt bei der Entstehung des Paraffines und
                                       												des Erdwachses insofern mit, daſs die in den tieferen Erdschichten
                                       												vorkommenden Oele bei ihrer Verdunstung an der Erdoberfläche durch ihre
                                       												dampfförmige Beschaffenheit für die Oxydation einen leichten
                                       												Angriffspunkt bieten. Bei demjenigen Paraffine, welches fertig gebildet
                                       												vorkommt, müſste man annehmen, daſs eine Reduction des Sauerstoffes
                                       												schon wieder stattgefunden hat.“
                           
                           Indessen spricht gegen die Perutz'schen
                              									Auseinandersetzungen unter Anderem, daſs die Destillation des neutralisirten
                              									Paraffintheeres für eine etwaige Bildung des Paraffines nicht ausschlaggebend sein
                              									kann, weil man eine mechanische Beimischung desselben kaum wird verhüten können. Das
                              									im Destillate dieses Theeres aufgefundene Paraffin könnte demnach einfach
                              									überdestillirt sein. Zweitens wird davon gesprochen, daſs die Schwefelsäure
                              									oxydirend wirkt und die Bildung von Sauerstoffharzen veranlaſst; wohingegen
                              									behauptet werden muſs, wie das auch später berücksichtigt wird, daſs diese
                              									Sauerstoff haltigen Körper bereits fertig enthalten und unter dem Einflüsse
                              									natürlicher Agentien entstanden sind. Wohl wird ein Theil Schwefelsäure dabei
                              									zerlegt, aber es findet in diesem Falle eine tiefer gehende Oxydationswirkung auf
                              									die organische Substanz unter Bildung von Wasser und Abscheidung von Kohle (bezieh.
                              									auch Kohlensäure) statt; vorzüglich jedoch bilden sich auch mit Sauerstoff haltigen
                              									Körpern Sulfoproducte, welche sich ausscheiden und aus dem Erdöle entfernt werden. –
                              									Und schlieſslich kann man denn doch nicht ohne Weiteres annehmen, daſs Erdwachs aus
                              									dem Erdöle zuerst durch einen Oxydationsprozeſs und darauf durch Reduction sich
                              									bilde.
                           Dagegen muſs aus den Versuchen Zaloziecki's mit
                              									Sicherheit geschlossen werden, daſs bei der Destillation der Rohöle in höheren
                              									Temperaturen aus den gefärbten asphaltartigen und harzigen Beimengungen Paraffin gebildet wird.Fr. Boleg theilt in einem Artikel „Ueber den Paraffingehalt der Mineralschmieröle“,
                                          													Chemikerzeitung, 1883 S. 1509 und 1589, folgendes mit:
                                       													„Werden Schmieröle, welche bei der Abkühlung kein Paraffin mehr
                                          													abscheiden, in der Wärme der Wirkung eines fein vertheilten
                                          													Luftstromes von bestimmtem Drucke ausgesetzt oder mit Sauerstoff
                                          													abgebenden Oxyden behandelt, so scheiden dieselben beim raschen
                                          													Abkühlen noch Paraffin ab. Auf diese Weise oder auch durch
                                          													Destillation bezieh. Rectification unter Zusatz eines derartigen
                                          													Oxydes wurde auch in notorisch Paraffin freien, ebenso in russischen
                                          													Oelen immer etwas Paraffin vorgefunden. Dieses Paraffin muſste
                                          													deshalb in einem bestimmten Zustande und Verhältnisse bereits in den
                                          													Oelen vorhanden sein, denn eine vollständige Neubildung desselben
                                          													auf dem Oxydationswege in Folge des angewendeten Sauerstoffes ist
                                          													unwahrscheinlich, dieser scheint vielmehr nur dessen Fertigbildung
                                          													zu bewirken, da sich im Weiteren aus den so behandelten, nun
                                          													wirklich Paraffin freien, aber hinsichtlich ihres C- und H-Gehaltes
                                          													in variirenden Verhältnissen veränderten Oelen auf keine Weise mehr
                                          													Paraffin gewinnen läſst.“Boleg hat, wie man sieht, analoge
                                       												Beobachtungen gemacht, aber nicht die richtigen Consequenzen daraus
                                       												gezogen, denn ohne die Möglichkeit auszuschlieſsen, daſs in den
                                       												untersuchten Oelen fertiges Paraffin enthalten war, aber der Beobachtung
                                       												sich entzogen hat und erst durch Hindurchströmen gepreſster Luft in
                                       												warmem Zustande (welches naturgemäſs nicht ohne Einfluſs auf die
                                       												Gesammtheit der Oele geblieben sein konnte) zum Vorscheine gebracht
                                       												wurde, ist es sehr wahrscheinlich, daſs die ausgeschiedenen festen
                                       												Bestandtheile Oxydationsproducte (deren Bildungsmaterial überhaupt
                                       												beschränkt ist) waren, welche erst bei der Destillation unter Spaltung
                                       												in Paraffin übergeführt wurden. Diese Stoffe sind
                              									Sauerstoff haltig, wahrscheinlich Oxydationsproducte der Kohlenwasserstoffe, und
                              									obwohl ihr chemischer Charakter unentschieden ist (ja man kann nicht einmal
                              									behaupten, ob er überhaupt einheitlich ist und ob nicht neben Säure ähnlichen auch
                              									phenol-, keton- und ätherartige sich vorfinden), so wurde doch festgestellt, daſs
                              									sie bei der Destillation theilweise zersetzt werden unter Bildung von
                              									Kohlenwasserstoffen, unter denen auch feste (Paraffin) sich vorfinden. Es ist auch
                              									weiter nicht von Belang, speciell für diese Reaction eine specifische Unterscheidung
                              									des chemischen Charakters dieser Sauerstoff haltigen Stoffe zu machen, da denselben
                              									allen in hohen Temperaturen die Eigenschaft zukommt, unter Spaltung in
                              									Kohlenwasserstoffe zu zerfallen. Auf einer Zersetzung hochatomiger, Sauerstoff haltiger
                              									Kohlenwasserstoffverbindungen beruht die Darstellung des Photogenes und Paraffines
                              									aus den meisten fossilen Kohlen, aus Torf und Holz. In allen diesen Substanzen
                              									dürfte der gröſste Theil (öfters die ganze Menge) des daraus gewonnenen Paraffines,
                              									wie man sich ausdrückt, präformirt enthalten sein, obwohl nicht ausgeschlossen ist,
                              									daſs ein Theil derselben auch in bereits fertigem Zustande sich vorfindet, wo
                              									demnach örtlich die Reduction der Pflanzenfaser oder der thierischen Substanz bis
                              									zur Bildung der Kohlenwasserstoffe gediehen ist. MerzErlenmeyer's Zeitschrift für Chemie und
                                          													Pharmacie, 1860 S. 782. fand z.B. im Bolley'schen Laboratorium in dem ätherischen Auszuge
                              									der Bogheadkohle Paraffin. Die Hauptmasse jedoch und in meisten Fällen die ganze
                              									Menge des ausgebeuteten Paraffines entsteht erst durch Zersetzung in der Hitze und
                              									zwar theilweise bei der Darstellung des Theeres, theilweise erst bei der
                              									Destillation desselben, denn die Paraffin bildenden Sauerstoffverbindungen haben die
                              									Eigenschaft, auch theilweise unzersetzt zu destilliren, wenn die Operation
                              									dementsprechend geführt wird, und es ist eine bekannte Thatsache, daſs Dampftheere,
                              									gewonnen durch überhitzten Dampf, von den Retortentheeren sich stark unterscheiden,
                              									denn während erstere mit Alkalien sich beinahe vollständig verseifen lassen, ist bei
                              									letzteren dasselbe nur theilweise der Fall und Paraffin schon in ansehnlichen Mengen
                              									vertreten. Auch für die Entstehungsursachen natürlichen Paraffines ist eine ähnliche
                              									Voraussetzung gemacht worden. HofstädterWiener Akademie-Berichte, 1854 Bd. 13 S.
                                       												436. kommt beim Studium der Zersetzungsproducte des
                              									Paraffines mit Salpetersäure zu dem Schlusse, daſs dasselbe durch einen
                              									Reductionsprozeſs aus fetten Körpern entstanden ist.
                           Eine weitere Bestätigung der Zersetzung harziger und asphaltartiger
                              									Sauerstoffverbindungen des Rohöles nach obigem Sinne bieten die Resultate der
                              									Untersuchung der dabei entstehenden Gase.
                           Bei der Destillation der Erdölrückstände in den Temperaturen 300 bis 400° der
                              									übergehenden Dämpfe findet eine ansehnliche Gasbildung statt, welche auſser
                              									Kohlenwasserstoffen, deutlichen Spuren von Schwefelwasserstoff und Ammoniak 0,6
                              									Proc. Kohlendioxyd und 11,3 Proc. Kohlenoxyd enthielten; zugleich wird dieselbe
                              									begleitet von einer nicht unerheblichen Wasserbildung, indem sich sowohl im
                              									Kühlrohre Wassertropfen ansetzen, als auch in der Vorlage ansammeln und zweifelsohne
                              									ebenso wie die Kohlenstoffoxyde Zersetzungsproducte Sauerstoff haltiger Körper sind.
                              									Es muſs noch bemerkt werden, daſs ähnlich wie bei der Theerverarbeitung durch eine
                              									einmalige Destillation diese Sauerstoffverbindungen nicht sämmtlich zersetzt werden,
                              									die Destillate mitunter stark Sauerstoff haltigMarkownikoff und Ogloblin, Berichte der deutschen
                                       												chemischen Gesellschaft, Bd 16 S. 1874. sind und die
                              									Möglichkeit vorliegt, daſs bei wiederholter Destillation abermals ein Theil derselben
                              									unter Bildung von Paraffin zerfällt.
                           Es erübrigt noch das Verhalten des Paraffines selbst bei der Destillation zu
                              									besprechen und speciell des im Erdöle sich vorfindenden. Das Paraffin gehört in
                              									Folge seiner hohen Siedetemperatur und der geringen Dampfspannung zu den Körpern,
                              									welche in gewöhnlicher Weise ohne Zersetzung sich nicht destilliren lassen, welche
                              									aber gröſstentheils vermieden werden kann, entweder durch Erniedrigung der
                              									Siedetemperatur bei Zuhilfenahme des Vacuums oder durch Erhöhung der Flüchtigkeit
                              									bei Anwendung stark gespannter oder überhitzter Wasserdämpfe. Nicht alle Arten
                              									Paraffin verhalten sich dabei gleich, wesentliche Unterschiede zeigen Proto- und
                              									Pyroparaffin und es ist am Eingange bereits darauf hingewiesen und hervorgehoben,
                              									daſs beim Protoparaffine die Zersetzung durch Einfluſs der Hitze gröſser ist, als
                              									beim Pyroparaffine, denn während sie beim ersteren 30 bis 50 Proc. beträgt, macht
                              									sie beim zweiten 20 bis 30 Proc. aus unter sonst gleichen Bedingungen. Es wurde auch
                              									eine Deutung dieser Erscheinung versucht und angenommen, daſs unter Voraussetzung
                              									eines gleichen Charakters der Kohlenwasserstoffe in beiden Fällen die
                              									widerstandsfähigere Abart des Paraffines aus widerstandsfähigeren Isomeren
                              									zusammengesetzt ist, während in den labileren Abarten theilweise auch labilere
                              									Gruppirungen vertreten sein können. Es wurde noch eine zweite Annahme gemacht und
                              									zwar, daſs die ersteren krystallinisch sind (aus den erkannten Repräsentanten zu
                              									schlieſsen), die letzteren aber amorphcolloidal, und weil im Erdölparaffine
                              									(Protoparaffin, sowie auch im Ozokerite) auch krystallinisches Gefüge festgestellt
                              									wurde, so dürfte demnach nach dieser Voraussetzung dasselbe aus Normal- und
                              									Isoparaffinen bestehen, während gewöhnliches Paraffin (Pyroparaffin), erhalten durch
                              									Destillation von Ozokerit, Erdöl, Braunkohlen, Torf, Boghead, Cannelkohlen, Holz,
                              									Schiefer u. dgl. vorwiegend normal gebaut wäre.
                           Doch ist die Widerstandsfähigkeit des Paraffines in dieser Hinsicht überhaupt nicht
                              									unbeschränkt. Bei jeder Destillation wird ein Theil in flüssige Producte verwandelt
                              									und der Schmelzpunkt erniedrigt und durch vereinte Wirkung von Hitze und Druck haben
                              										F. E. Thorpe und John
                                 											JoungAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 165 S.
                                       												1. Berichte der deutschen chemischen
                                          													Gesellschaft, Bd. 5 S. 556. dasselbe
                              									vollständig in flüssige Kohlenwasserstoffe ohne bedeutende Vergasung übergeführt.
                              									Von denselben Forschern wurde auch die Art und Weise der Zersetzung verfolgt und
                              									festgestellt, daſs ein höheres Paraffin sich in ein niedrigeres unter Abspaltung von
                              									Olefin verwandelt. Gegenüber diesem Spaltungsbestreben, welches auch bei der
                              									gewöhnlichen Destillation wirksam ist, werden sich naturgemäſs verschiedene Isomere
                              									verschieden verhalten, indem bestimmte Bindungen leichter gelöst werden können
                              									als andere beständigere. Im Allgemeinen ist die leichtere Zersetzbarkeit den
                              									secundären und tertiären Bindungen eigen und wird dieselbe demnach auch vorzüglich
                              									auf solche Isomere sich erstrecken, deren Bau solche Bindungen in sich faſst.
                              									Gleichzeitig entspricht im Allgemeinen diesen Bindungen eine geringere
                              									Siedetemperatur, somit eine gröſsere Flüchtigkeit, bei höheren Gliedern ein niederer
                              									Schmelzpunkt als den normalen und wie früher bereits bemerkt, können flüssige
                              									Isomere eines Kohlenwasserstoffes existiren, welcher bei Normalstructur feste
                              									Aggregatform hat, oder aber es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen und sogar
                              									sehr wahrscheinlich, daſs ein festes Isoparaffin trotz Abspaltung einfacher Gruppen
                              									in ein zwar weniger atomiges aber dabei normal gebautes Paraffin übergeht, welches
                              									trotzdem nicht absolut flüssig zu sein braucht und sogar einen von dem anderen wenig
                              									unterschiedenen Schmelzpunkt besitzen kann.
                           Wird für die Zersetzung eines Normalparaffines angenommen die Gleichung
                           CH3(CH2)n . CH3
                              									= CH3(CH2)n–2 . CH3 + CH2 : CH2
                           so kann man für eine secundäre Bindung (mit Methylgruppen)
                           
                              \left {{\mbox{CH}_3}\atop{\mbox{CH}_3}}
                                 										\right>\mbox{CH}(\mbox{CH}_2)_n\,.\,\mbox{CH}\left <
                                 										{{\mbox{CH}_3}\atop{\mbox{CH}_3}}
                                 										\right=\mbox{CH}_3(\mbox{CH}_2)_n\,.\,\mbox{CH}_3+2\,\mbox{CH}_2\,:\,\mbox{CH}_2
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 269, S. 568
                              
                           gelten lassen.
                           Man sieht aus der vorletzten Gleichung, daſs das gebildete Normalparaffin um 4 Atome
                              									in der letzten, um 6 Atome Kohlenstoff von der Ausgangs-Isoverbindung ärmer gemacht
                              									wird, aber in beiden Fällen können, sobald die Ausgangssubstanz überhaupt die zur
                              									festen Aggregatirung nöthige Anzahl Kohlenstoffatome besitzt, die gebildeten
                              									Normalkohlenwasserstoffe in Folge ihrer geänderten Structur gleichfalls feste Körper
                              									sein. Ja es gehört vielleicht auch nicht in das Bereich der Unmöglichkeiten, daſs
                              									selbst flüssige Isoparaffine von hohem Kohlenstoffgehalte bei einer analogen
                              									Zersetzung in Normalparaffine mit geringerem Kohlenstoffgehalte, aber fester
                              									Aggregatform übergehen.
                           Durch diesen Uebergang der Iso- in die Normalstructur beim Destilliren des Erdöles
                              									ist die krystallinische Structur der Destillate im Vergleiche zur Stammsubstanz,
                              									welche ihr salbenartiges Aussehen in gereinigtem Zustande dem Vorhandensein
                              									gröſserer Menge Isoparaffine verdankt, zu erklären.
                           Eine Destillation roher Erdölrückstände wird nach allem bisher Gesagten sich, was
                              									speciell das Paraffin anbelangt, ziemlich complicirt gestalten und einige theils
                              									rein mechanische, theils chemische Vorgänge umfassen und zwar destilliren erstens
                              									feste und flüssige Normalparaffine theils unzersetzt, theils unter Zersetzung, zweitens
                              									werden höhere flüssige und feste Isoparaffine in niedere Normalparaffine, die theils
                              									fest, theils flüssig sein können und in Olefine gespalten; dabei bleibt nicht
                              									ausgeschlossen, daſs eine Destillation derselben ohne Zersetzung möglich ist, und
                              									drittens werden die Sauerstoffverbindungen (vielleicht auch Schwefelverbindungen)
                              									unter Wasser, Kohlensäure und Kohlenoxydspaltung und Kohlenwasserstoffbildung
                              									(Paraffin) zersetzt. Aehnlichen Umwandelungen wird auch Erdwachs bei der
                              									Destillation unterliegen.
                           Diese mannigfaltigen Vorgänge verursachen, daſs man über die Ausbeute des Paraffines
                              									bei der Destillation der Erdölrückstände, selbst wenn man dessen Gehalt vorher
                              									ermittelt, nicht ohne Weiteres urtheilen kann.
                           Doch scheint im Allgemeinen das zersetzende Prinzip in seiner Gesammtwirkung das
                              									bildende zu überwiegen, d.h. eine Destillation wird in der Regel von einer
                              									Minderausbeute gegenüber dem ursprünglich enthaltenen Producte begleitet. Vorzüglich
                              									gilt das jedoch rücksichtlich der reinen Rohöle, und nur bei Paraffin armen aber
                              									stark harzigen und Asphalt reichen könnte das Umgekehrte stattfinden. Zaloziecki hat den Paraffingehalt dreierlei Gattungen
                              									Erdöl vor und nach der Destillation bestimmt; zwei von den untersuchten Oelen waren
                              									dunkel gefärbt, eines rein und hellgelb.
                           Die Bestimmungen wurden ausgeführt nach dem beschriebenen Verfahren und sind die
                              									Ergebnisse folgende:
                           1) Erdöl von Klentschany; hellgelb.
                           
                              
                                 Protoparffin
                                 = 4,6
                                 Proc.
                                 mit
                                 51°
                                 Schmelzp.
                                 
                              
                                 Pyroparaffin
                                 = 2,18
                                 „
                                 „
                                 51,5
                                 „
                                 
                              
                                 Kohliger Rückstand
                                 = 0,7
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Gase aus der Differenz
                                 = 1,6
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           2) Erdöl von Lipinki; dunkelbraun.
                           
                              
                                 Protoparffin
                                 = 5,8 Proc., wovon jedoch 30 bis 40 Proc. Asphalt mit-        
                                    											gefällt wurde, in reinem Zustande 48° Schmelzp.
                                 
                              
                                 Pyroparaffin
                                 = 2,65 Proc. mit 47° Schmelzp.
                                 
                              
                                 Rückstand
                                 = 5,6     „
                                 
                              
                                 Gase aus der Differenz
                                 = 3,1     „
                                 
                              
                           3) Erdöl aus Kryg; schwarzbraun.
                           
                              
                                 Protoparffin
                                 = 6,5 Proc., wovon etwa die Hälfte asphaltartige Be-        
                                    											standtheile, im gereinigten Zustande 50° Schmelzp.
                                 
                              
                                 Pyroparaffin
                                 = 2,35 Proc. mit 48° Schmelzp.
                                 
                              
                                 Rückstand
                                 = 6,2      „
                                 
                              
                                 Gase aus der Differenz
                                 = 3,4      „
                                 
                              
                           Man bemerkt aus dieser Zusammenstellung, daſs die Menge Paraffin, direkt im Rohöle
                              									ermittelt, bedeutend gröſser ist, als in den entsprechenden Destillaten. Maſsgebend
                              									muſs vor Allem das erste Beispiel sein, denn das aus diesem Rohöle ausgeschiedene
                              									Product war reines gelbgefärbtes Paraffin, während in beiden letzten Fällen mit dem
                              									Paraffine ein groſser Theil dunkler asphaltartiger Producte mitgefällt wurde, so
                              									daſs hier die Unterschiede in den Procenten vor und nach der Destillation bedeutend
                              									gemildert werden und, wenn man die Zersetzungsverluste des fertigen Paraffines bei der
                              									Destillation in Rechnung zieht, man zu dem Schlusse gelangen muſs, daſs auch eine
                              									Neubildung desselben vor sich gehen muſste. Auffallend ist weiter die Procentzahl
                              									für den Rückstand und Gasverlust beim reinen Oele gegenüber den dunklen Sorten,
                              									welche dafür spricht, daſs reine Kohlenwasserstoffe im Allgemeinen keiner so
                              									gründlichen Zersetzung unterliegen als die oxydirten Bestandtheile.
                           Die mannigfaltigen bereits dargelegten Vorgänge bedingen, daſs rücksichtlich der
                              									Veränderung des Schmelzpunktes fester Bestandtheile vor und nach der Destillation
                              									keine feste Regel aufgestellt werde kann, obwohl im Allgemeinen das Bestreben einer
                              									Erniedrigung desselben zu verzeichnen ist. Ebenso unentschieden bleibt diese
                              									Erscheinung beim Destilliren nicht der Rohöle, sondern des daraus dargestellten und
                              									gereinigten Protoparaffines, gleichzeitig jedoch wird dieselbe von einer Erhöhung
                              									des specifischen Gewichtes begleitet und zwar wurde bestimmt
                           
                              
                                 I.
                                 II.
                                 
                              
                                 Protoparaffin
                                 = 0,891
                                 Protoparaffin
                                 = 0,887
                                 
                              
                                 Pyroparaffin
                                 = 0,913
                                 Pyroparaffin
                                 = 0,892
                                 
                              
                           Es drängt sich nun die Frage auf, welche praktische Bedeutung kann allen diesen
                              									Beobachtungen zugemessen werden und welche Vortheile für die technische Verwerthung
                              									des Erdölparaffines ergeben sich daraus?
                           Die richtigste Gewinnungsmethode, welche die gröſste Ausbeute versprechen würde,
                              									bestünde demnach in einer unmittelbaren Ausscheidung des Paraffines aus den vom
                              									Kerosine befreiten Erdölen. Der Weg dazu wäre vorgezeichnet durch die Methode der
                              									Paraffinbestimmung im Kleinen. Aber damit beginnen auch die Schwierigkeiten. Diese
                              									Operation erfordert einen groſsen Aufwand kostspieliger und vielleicht in solchen
                              									Mengen gar nicht zu beschaffender Substanzen (Aethyl- und Amylalkohol), dem freilich
                              									entgegengehalten werden muſs, daſs dieselben nicht nur zurückgewonnen werden können,
                              									sondern auch müssen. Weiter ist das auf diese Art erzeugte Paraffin in den meisten
                              									Fällen stark verunreinigt (stärker als Ozokerit) und seine Reinigung würde die
                              									Verwendung groſser Mengen Schwefelsäure und Entfärbungsmittel nach sich ziehen,
                              									obwohl auch dieser Zweck vielleicht auf anderem Wege sich erreichen lieſse, in der
                              									Art, wie dessen wiederholt Erwähnung geschehen, nämlich durch Behandlung mit dem
                              									Alkoholgemische in der Wärme, wobei das Paraffin löslich, der gröſste Theil der
                              									Verunreinigungen aber unlöslich ist. Im Ganzen und Groſsen stellt sich jedoch eine
                              									ähnliche Arbeitsweise ungünstig dar, doch bleibt es immerhin versuchswürdig, ob
                              									nicht etwa die Verarbeitung Paraffin reicher und mittelreiner Erdöle eine gute
                              									Calculation ermöglicht.
                           Eine zweite und ausnahmslos im Gebrauche befindliche Methode beruht auf der
                              									Destillation der Erdölrückstände und Gewinnung des Paraffines aus den Destillaten.
                              									Die Destillation wird über dem freien Feuer ausgeführt; ob zu diesem Zwecke
                              									überhitzter Wasserdampf oder luftverdünnter Raum in Anwendung kommt, ist nicht
                              									bekannt. Nach Duvin (Chem.
                                 										Centr., 1884 S. 384), welcher die Gewinnung von Paraffin und schweren Oelen
                              									aus Erdölrückständen beschreibt, erhält man durch Destillation derselben im Vacuum
                              									mit Hilfe von überhitztem Wasserdampfe 96 bis 98 Proc. Paraffinöl, während man bei
                              									einfacher Destillation nur 50 Proc. erhält. Diese bei gewöhnlicher Temperatur
                              									erstarrenden Oele enthalten etwa 50 Proc. Paraffin (?), wovon 20 Proc. gewonnen
                              									werden können. Zur Paraffingewinnung kann man das Oel auch mit Amylalkohol mischen,
                              									auf – 5° abkühlen und in Filterpressen behandeln.
                           Es ist nach dem früher Gesagten ganz klar, daſs die Art und Weise der Destillation
                              									auf die Ausbeute von groſsem Einflüsse ist, denn durch dieselbe wird erstens der
                              									Grad der stattfindenden Zersetzung des Paraffines bedingt und zweitens auch – das
                              									darf man nicht unberücksichtigt lassen – werden Neubildungen in Scene gesetzt. Weil
                              									aber, wie das auch früher schon besprochen ward, die Zersetzung die Neubildung in
                              									der Mehrzahl der Fälle überwiegt, so hat man bei der Wahl der Destillationsart
                              									darauf in erster Linie Rücksicht zu nehmen. Ganz entschieden wird die Sache bei
                              									Paraffin reichen, nicht stark gefärbten Oelen, deren Gehalt an festen Bestandtheilen
                              									man trachten muſs im möglichst unveränderten Zustande in das Destillat zu bekommen
                              									und anderenfalls auf eine Mehrausbeute durch Neubildung nicht viel zu rechnen
                              									Ausnahmsweise, wenn Asphalt reiche, Paraffin arme Oele vorliegen oder sogen.
                              									Bergtheere, könnte die Umkehrung dieser Bedingungen am Platze sein und dann eine
                              									zersetzende Destillation nützlich werden. Man ist auf dem Gebiete der
                              									Paraffingewinnung aus dem Erdwachse bereits auf diesen Standpunkt gelangt und die
                              									Praxis hat bewiesen, wie recht man daran gethan hat, denn durch Einführung der
                              									Destillation mit überhitztem Wasserdampfe hat man eine bis dahin nicht gekannte
                              									Ausbeute an Paraffin zu erzielen gelernt.
                           Eine, gröſseren Zersetzungen vorbeugende Destillation im Vacuum oder mit überhitztem
                              									Wasserdampfe hätte auch den groſsen Vortheil, daſs Destillate durch eine gröſsere
                              									Schmierfähigkeit gegenüber den zersetzten Oelen ausgezeichnet wären und mithin
                              									könnte die Fabrikation guter Schmieröle mit der Paraffindarstellung verbunden
                              									werden. Die in gewöhnlicher Weise destillirten Rückstände haben bekanntlich eine
                              									verhältniſsmäsig geringe Viscosität und sind nur ein minderwerthiges
                              									Schmiermaterial, während dieselben im nichtdestillirten aber gereinigten Zustande
                              									(Vaselin) diese Eigenschaften in hohem Grade besitzen. Sind feste Isoparaffine die
                              									Ursache der salbenförmigen (schmierbefähigten) Consistenz der Vaseline, so müssen
                              									sie analog im flüssigen Zustande auch einen gewissen Theil dieser Eigenschaften
                              									haben oder mit anderen Worten durch eine gröſsere Viscosität gegenüber den
                              									Normalparaffinen ausgezeichnet sein. Bei der Dampfdestillation oder im Vacuum können sie leichter
                              									theilweise ohne Zersetzung destilliren, wie über direktem Feuer und werden daher im
                              									ersteren Falle in gröſserer Menge im Destillate anwesend sein. – Der Grad der
                              									Viscosität wäre demnach von einem gröſseren oder geringeren Gehalte der Oele an
                              									Isoparaffinen abhängig. Auch ist die Reinigung solcher Oele wegen eines geringeren
                              									Antheiles der Zersetzungsproducte einfacher gemacht.
                           Zum Schlusse macht Zaloziecki darauf aufmerksam, daſs
                              									alle diese Ausführungen und Darlegungen in erster Linie das galizische Erdöl
                              									betreffen, daſs dieselben jedoch nach der groſsen Analogie desselben mit dem
                              									amerikanischen auch für letzteres vollständig oder theilweise gültig sein dürften.
                              									Wie sich das russische Oel, speciell das von Baku, welches durch Zusammensetzung und
                              									Eigenschaften von den beiden ersten unterschieden ist, allen hier erörterten Fragen
                              									gegenüber verhalten wird, können erst weitere Untersuchungen entscheiden. Daſs es
                              									feste Kohlenwasserstoffe, wenn auch in sehr geringer Menge enthält, ist erwiesen,
                              									aber ob dieselben der Sumpfgasreihe angehören, wie beim galizischen oder
                              									amerikanischen, oder feste Repräsentanten der im Bakuer Oele ermittelten
                              									hydrogenisirten aromatischen Kohlenwasserstoffe (Naphtene) sind, ist unbekannt. F. Beilstein und E.
                                 										Wiegand (Berichte der deutschen chemischen
                                 										Gesellschaft, 1883 S. 1547) haben im kaukasischen Ozokerite einen festen
                              									Kohlenwasserstoff Leken isolirt, dem etwas geänderte
                              									Eigenschaften zukommen.