| Titel: | W. D. Sandwell's elektrischer Eisenbahnwagen mit Beiwagen für die Speicherbatterien. | 
| Fundstelle: | Band 273, Jahrgang 1889, S. 27 | 
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                        W. D. Sandwell's elektrischer Eisenbahnwagen mit
                           								Beiwagen für die Speicherbatterien.
                        Sandwell's elektrischer Eisenbahnwagen.
                        
                     
                        
                           Um namentlich den Uebergang von dem Betriebe mit Pferden bei Straſsenbahnen in
                              									Städten (vgl. Ward, Omnibus, 1889 272 335) zum Betriebe mittels Elektricität zu erleichtern, bringt W. D. Sandwell, Ingenieur der Victor Engineering Works in Holloway, London, die Speicherbatterien auf
                              									einem besonderen, niedrigen Beiwagen oder Karren an. Dadurch soll ein solcher
                              									Betriebswechsel mit möglichst wenig Aenderungen an den Bahnen und den vorhandenen
                              									Wagen durchführbar gemacht werden; zugleich läſst sich dann das Laden der Batterien
                              									in bequemster Weise bewirken, und es leiden dieselben keinen Schaden durch das
                              									Einsetzen und Herausnehmen aus dem Wagen; auch werden die Anlagekosten geringer, da
                              									man nicht entweder groſse Speicherbatterien anschaffen muſs, oder – wie bei
                              									Anwendung besonderer elektrischer Locomotiven – doppelte Motoren nebst Zubehör
                              									nöthig hat, ebenso wenig aber auch den Wagen zuzumuthen braucht, auch noch das
                              									schwere Gewicht der Speicherbatterien zu tragen. Mit einem solchen Wagen sind jüngst
                              									auf einer Straſsenbahn in Holloway (zwischen Holloway und Moorgate-Street) Versuche
                              									angestellt worden, wobei der Batteriekarren vor oder hinter dem den Motor und die
                              									Uebertragung enthaltenden Personenwagen angehängt wurde.
                           Sandwelt bringt aber nach dem Londoner Electrical Engineer vom 17. Mai 1889, * S. 390, ferner
                              									noch zwei Anker auf gemeinschaftlicher Welle an und lagert die Feldmagnete des
                              									Motors so auf einem Schlitten, daſs sie nach Bedarf auf den einen oder auf den
                              									anderen Anker wirken; dabei können entweder verschieden groſse Betriebskräfte
                              									beschafft werden, oder es wird der zweite Anker benutzt, sobald der erste beim
                              									Emporfahren auf Steigungen sich erhitzt hat oder irgendwie Schaden leidet; letzteres
                              									hat Sandwell besonders im Auge.
                           Der Batteriekarren läuft auf niedrigen Rädern, hat aber dieselbe Spurweite wie der
                              									Personenwagen; die Batterien stehen auf Bänken und bleiben beständig mit einander
                              									verbunden. Der Deckel läſst sich aufklappen, damit man die Batterien nachsehen kann;
                              									die Pole bilden biegsame Verbindungsstücke, die in geeigneter Entfernung an einem
                              									Griffe befestigt sind, der sich in eine doppelte Federverbindung einzulegen vermag.
                              									Die Batterie besteht aus 68 Zellen der jüngsten Form der Electrical Power Storage Elemente für Züge; die nutzbare elektromotorische
                              										Kraft während der
                              									Fahrt beträgt 130 Volt auf dem Wagen; das Leistungsvermögen der Batterie beziffert
                              									sich auf 140 Ampère-Stunden. Die Zellen bleiben beständig auf dem Karren und sind
                              									daher so leicht zu behandeln, daſs ihre Lebensdauer beträchtlich gröſser ist. Dazu
                              									tritt eine merkliche Arbeitsersparniſs. Endlich fallen die Belästigungen der
                              									Fahrenden durch die Säuren weg und ein gelegentliches Ausschnappen der Lösungen.
                           Der von Sandwell benutzte Personenwagen ist ein von der
                              										North Metropolitan Tramway Company geliehener
                              									Moorgate-Street-Straſsenwagen. Es sind zur Uebertragung der Bewegung auf die
                              									Radachse zwei Zahnräderpaare vorhanden, so daſs man zwei verschiedene
                              									Fahrgeschwindigkeiten erreichen kann. Von der Achse des Motors wird die Bewegung
                              									mittels eines Riemens auf eine Achse übertragen; auf letzterer sind aber zwei
                              									Riemenscheiben vorhanden, und es kann der Riemen auf die eine oder auf die andere
                              									Scheibe gelegt werden; diese Zwischenachse ist nun eigentlich doppelt, indem die
                              									eine Scheibe und das eine Zahnrad auf einer massiven Achse sitzt, während die zweite
                              									Scheibe und das zweite Zahnrad auf eine die massive Achse röhrenartig umgebende
                              									hohle Achse aufgesteckt ist. Die Umlegung des Riemens und dadurch die Umänderung der
                              									Geschwindigkeit kann sowohl von dem vorderen, wie von dem hinteren Wagentritt aus
                              									bewirkt werden; ebenso die elektrischen Umschaltungen, die Einschaltung der
                              									Widerstände und die Verschiebung der Feldmagnete; es wird dies durch geeignet
                              									angeordnete Hebel erreicht.
                           Der Motor besitzt einen Gramme'schen Anker, die
                              									Feldmagnete aber haben dieselbe Anordnung, wie bei den ersten Siemens'schen Dynamomaschinen (vgl. 1875 217 * 260). Der Anker ist 0m,241 lang, hat 0m,305 Durchmesser und
                              									besitzt 580 Windungen aus 0m,0023 dickem Drahte.
                              									Bei Verschiebung der Feldmagnete von einem Anker zum anderen werden auch die Bürsten
                              									in der nöthigen Weise verschoben. Auſserdem können die Bürsten zum Zwecke der
                              									Umkehrung der Bewegung verschoben werden. Zum Einschmieren des Räderwerkes benutzt
                              										Sandwell Vaseline und findet, daſs dasselbe
                              									befriedigend und sauber wirkt, ohne daſs das Schmiermittel umherspritzt.
                           Der dem Motor während der Fahrt zugeführte Strom hat 35 bis 45 Ampère; auf ebener
                              									Strecke sind zum Anfahren ohne Ladung 20, mit Ladung 30 Ampère erforderlich. Der
                              									Wagen fährt in seiner derzeitigen Einrichtung bequem mit gewöhnlicher
                              									Geschwindigkeit auf einer Steigung von 1 : 30 und kann, wenn nöthig, selbst eine von
                              									1 : 20 ersteigen. Bei sehr steilen Steigungen sollen am Fuſse derselben die
                              									Speicherbatterien zurückgelassen und der Strom mittels einer der Länge der Steigung
                              									gleichen Leitung zugeführt werden. Die angestellten Messungen haben für den Motor im
                              									Mittel 7,8183  und 9,4604 elektrische  ergeben, also einen
                              									Wirkungsgrad von 85 Proc. Der Motor und das Räderwerk wiegen nahezu 750k, der Wagen selbst 2750k; die volle Ladung mit Personen kann zu 2600k angenommen werden. Batterie und Batteriekarren
                              									wiegen 2000k. Der Wagen läuft mit einem frisch
                              									geladenen Karren 39km weit; der Karren soll für
                              									jeden Wagen täglich zweimal gewechselt werden.
                           Die Kosten können nur angenähert angegeben werden, es kann aber angenommen werden,
                              									daſs die Umänderung des Wagens 500 M. kostet. Die Batterien kosten 2200 M., da für
                              									jeden Wagen wegen des Wechsels und der Ausbesserungen 2½ Satz nöthig sind. Motor und
                              									Räderwerk kosten für jeden Wagen etwa 3600 M. Die Betriebskosten berechnen sich so,
                              									daſs Linien mit 1 : 30 nicht übersteigenden Steigungen zum Satze von 37,5 Pf.
                              									befahren werden können, sofern die Steigungen 20 Proc. der Länge nicht übersteigen.
                              										Sandwell hat seine Einrichtungen bisher nur für
                              									sich persönlich durchgeführt, da aber Geldmänner hinter ihm stehen, so werden sie
                              									jetzt in ihren Einzelheiten vervollkommnet und bald auf schon bestehenden
                              									Straſsenbahnlinien eingeführt werden.