| Titel: | Neuerungen in der Tiefbohrtechnik; von E. Gad in Darmstadt. | 
| Autor: | E. Gad | 
| Fundstelle: | Band 273, Jahrgang 1889, S. 151 | 
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                        Neuerungen in der Tiefbohrtechnik; von E. Gad in
                           								Darmstadt.
                        Mit Abbildungen auf Tafel
                              									8.
                        Gad, über Neuerungen in der Tiefbohrtechnik.
                        
                     
                        
                           Die in meinem früheren Berichte (D. p. J., 1889 271 295) als bevorstehend erwähnte IV.
                              									Bohrtechniker-Versammlung hat am 9. bis 11. Juni 1889 zu Budapest stattgefunden.
                           Es kam daselbst ein sehr interessanter Bericht des Herrn Bergingenieur Gustav Dehnhardt zum Vortrage über die Tiefbohrung Jessenitz, II., welche bei Lübtheen in Mecklenburg
                              									mittels des combinirten Bohrsystems in der Zeit vom 18. März bis 8. August 1886 bis
                              										451m,5 Teufe durchgeführt worden ist.
                           Nachdem durch Kies und Gerölle abwechselnd mit Schappe und 22cm,5 starker Geröllstampfe unter Wasserspülung,
                              									bei gleichzeitigem Einpressen einer Röhrentour von 26cm,2 äuſserem Durchmesser, die Teufe von 135m,5 erreicht war, ging man behufs Durchbohrung der daselbst angetroffenen
                              									Gypsschicht zunächst zur Anwendung der Stoſsbohrung mit Fabian'schem Freifallinstrument über. Da man aber nach Arbeit von zwei
                              									Schichten mit der Teufe von 137m,9 glaubte
                              									festgestellt zu haben, daſs der angetroffene Gyps zu dem erwarteten Hauptlager
                              									gehöre, so hoffte man mit der Diamantbohrung noch günstigere Resultate zu erzielen.
                              									Diese Hoffnung ging in Erfüllung. Das Bohren mit 17cm,5 starker Federringkrone, sowie das Verrohren mit gleich starker
                              									Röhrentour machte bis 181m Teufe sehr gute
                              									Fortschritte, ohne Nachfall zu ergeben. Die Bohrkerne kamen tadellos zu Tage. Von
                              										181m bis 260m, woselbst man das Steinsalzlager erreichte, fand ein Vorbohren mit 7cm,5-Krone und Erweiterung mit 12cm,5-Krone, sowie Verrohrung bis zu Tage mit 12cm,5 starken Röhren statt. Bei Fortsetzung der
                              									Bohrung durch Salz mit 7cm,5-Krone führte die
                              									Laugespülung einige unwesentliche Klemmungen des Bohrapparates herbei, worauf
                              									besondere Sorgfalt auf Reinhaltung des Gestänges und des Bohrapparates verwandt
                              									wurde. Bei 360m,7 bis 414m,5 Teufe traf der Bohrer das erwartete Kalisalz,
                              									weiterhin bis zu 451m,4 das ältere Steinsalzlager.
                              									Von Gyps, Stein- und Kalisalzen wurden etwa 90 Proc. Kerne gefördert. Der
                              									Durchmesser der Salz- und Kalibohrkerne betrug 4cm, im Gesammtgewicht von 278k,45.
                           Die zur Arbeit gebrauchten Doppelschichten vertheilen sich wie folgt:
                           
                              
                                 1) Auf das Einlassen, Bohren und Ziehen des Gestänges
                                   65,8
                                 
                              
                                 2) Aufarbeiten des Nachfalles und verlorene Kerne
                                     8,4
                                 
                              
                                 3) Herstellung und Reparatur der Werkzeuge
                                   13,9
                                 
                              
                                 4) (Verrohrungen) Erweiterungen
                                   11,0
                                 
                              
                                 5) Verrohrungen
                                   10,3
                                 
                              
                                 6) Wiederinbetriebsetzen des Bohrloches nach Unfällen
                                     6,5
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 Summa
                                 115,9
                                 
                              
                                 
                                 Doppelschichten
                                 
                              
                           
                           Der Fortschritt in 24 Stunden war:
                           1) In Berücksichtigung der ganzen Arbeitszeit von 115,9 Doppelschichten: 3m,92.
                           2) In Betracht der auf das Bohren verwendeten Zeit: 6m,81.
                           Diese sehr glücklich verlaufene Diamantbohrung spricht durchaus dafür, diese Methode
                              									möglichst allgemein vor dem Schachtabteufen in Anwendung zu bringen, um die so
                              									wichtigen Deckgebirge klar zu legen und so für das folgende Schachtabteufen viel
                              									Geld zu ersparen.
                           Wesentlich zur Klärung der Frage betreffs zweckmäſsiger Anwendbarkeit der Diamantbohrmethode wird übrigens der inzwischen
                              									erschienene III. Band der Tiefbohrkunde von Tecklenburg beitragen, welcher gerade dieses Feld
                              									behandelt. Ich habe diesen Theil des verdienstvollen Werkes in D. p. J., S. 48 d. Bd. besprochen.
                           Herr Fauck stellte in der Bohrtechniker-Versammlung ein
                              									neues Bohrverfahren in Aussicht, worüber er u.a. auch schon öffentlich im Wiener Bergwerksverein am 7. Februar 1889 gesprochen
                              									hatte und dessen Patentirung in nächster Aussicht steht. Es handelt sich um die von
                              									ihm bereits erprobte Durchführung der Wasserspülung ohne Hohlgestänge, indem die
                              									Sicherheitsröhren als Spülröhren verwendet werden.
                           Groſse Vortheile dürften sich an dieses Verfahren knüpfen; so könnte man unter
                              									Beibehaltung des gewöhnlichen Bohrgestänges das Löffeln vollständig entbehren und
                              									die Verrohrung stets freigespült und gängig erhalten.
                           Ein fernerer Gegenstand von bedeutendem Interesse, besonders für die Verhältnisse des
                              									Oesterreich-Ungarischen Kaiserreichs, wurde von Herrn Julius
                                 										Noth auf die Tagesordnung gebracht, indem er auf die Entwickelungsfähigkeit
                              									der Erdölausbeute in der südlich der Karpathen in Ungarn gelegenen Oelregionen
                              									hinwies, welche bei rationellen Abbohrungen mindestens dieselben Ergebnisse
                              									versprächen, als die am Nordabhange der Karpathen in Galizien betriebenen
                              									Oelbrunnen.
                           Die nächste Bohrtechniker-Versammlung, die fünfte, ist für das nächste Jahr im
                              									September in Prag in Aussicht genommen.
                           Von den mannigfachen Bohrungen, welche neuerdings ausgeführt bezieh. in Betrieb
                              									gesetzt sind, verdienen folgende besondere Erwähnung:
                           Im Herzoglich Anhaltischen Salzbergwerke Leopoldshall
                              									ist am 15. Mai 1889 nach Arbeit von 1 Jahr und 5 Monat die durchaus gelungene
                              									Abbohrung eines Schachtes nach dem Kind-Chaudron'schen
                              									Verfahren zur Vollendung gekommen, welche Arbeit Herr Ingenieur E. Hülsbruch im Auftrage der Bohrunternehmer Haniel und Lueg in Düsseldorf seit dem December 1887
                              									geleitet hat.
                           Der Schacht wurde bis 104m Teufe von Hand abgeteuft
                              									und steht jetzt bis 100m bei 4m,65 Durchmesser in Mauerung.
                           Als bei 104m auf der Berührungsfläche zwischen
                              									blauen Letten und Gyps etwa 16cbm Wasser in der
                              									Minute angefahren wurden, stellte man das Abteufen von Hand ein und ging zum Kind-Chaudron'schen Bohrverfahren über.
                           Um den Schacht von den in ihm befindlichen Einstrichen, Bühnen, Pumpen u.s.w. frei zu
                              									machen, wurden die Wasser durch einen Betonpfropfen abgesperrt, welcher den Schacht
                              									bis zu 95m Teufe auffüllte. Nach Freilegung des
                              									Schachtes begann im December 1887 die Bohrung mit einem Vorbohrer von 2m,5 Durchmesser und 16000k Gewicht.
                           In Teufe von 95m bis 129m, also im Ganzen in 34m wurden durchsunken:
                           
                              
                                 Beton
                                   9m
                                 
                              
                                 Blaue Letten und Gyps
                                   3
                                 
                              
                                 Gyps und Anhydrit
                                 22
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                 
                              
                                 Summa
                                  34m.
                                 
                              
                           Diese Abbohrung dauerte 74 Tage mit 0m,46
                              									durchschnittlichem Fortgange im Tag und einer Maximalleistung von 0m,98 in Gyps an einem Tage. Gewöhnlich fand der
                              										Kind'sche Freifallapparat mit Bohrcylinder und
                              									Schwengel Anwendung, wobei durchschnittlich 17 Schläge in der Minute bei 35 bis
                              										40cm Hub erfolgten.
                           Nachdem etwa 16m abgebohrt waren, verursachte der
                              									Bruch des Bohrschaftes einen Aufenthalt von 128 Tagen. Herbeigeführt wurde der Bruch
                              									durch auſsergewöhnlich ungleichmäſsige Beanspruchung, da beim Verlassen des
                              									Schachtes Holz- und Eisentheile in demselben verblieben waren. Der Bruch trat an
                              									einer ganz ungewöhnlichen Stelle ein. Die vorhandenen Fanggeräthe reichten nicht
                              									aus, und während ein besonderer Fänger construirt und angefertigt wurde, setzte sich
                              									der Gypsschlamm um das Bruchstück so fest, daſs dieses bei einem Gewichte von
                              										8000k mit dem Fänger trotz einer Anwendung von
                              										50000k Zugkraft nicht los zu machen war.
                           Man sah sich daher genöthigt, die Fangarbeit einzustellen, das Bruchstück dagegen mit
                              									dem Erweiterungsbohrer freizubohren, wobei man noch mit einigen Dynamitschüssen
                              									nachhelfen muſste.
                           Die Erweiterung des Vorschachtes von 2m,5 Weite
                              									fand mit einem Bohrer von 4m,3 Durchmesser und
                              										18000k Gewicht statt, theils mit der
                              									Rutschschere, theils mit dem Kind'schen
                              									Freifallinstrumente, bei durchschnittlich 15 Schlägen in der Minute und etwa 30cm Hub. Durchgeführt wurde die Erweiterung 31m tief bis zu 126m Teufe, woselbst sich der Anhydrit völlig dicht und abschluſsfähig
                              									bewies. Es hatten dies schon vorausgegangene Versuchsbohrungen vermuthen lassen.
                              									Diese Durchbohrung von 31m mit dem groſsen Bohrer
                              									hatte 100 Arbeitstage beansprucht, so daſs sich eine Durchschnittsleistung von 0m,31 im Tage bei einem gröſsten Tagesfortschritte
                              									von 0m,48 ergab.
                           Da sich bei der Schachterweiterung die blaue Lette als nicht ständig genug zeigte, so
                              									wurde zur Sicherung der Schachtwandung eine schmiedeeiserne Röhrentour von 10m Höhe, 4m,33
                              									lichter Weite und 30mm Wandstärke eingebaut,
                              									welche mit 108m Teufe mit dem Fuſse in Gyps
                              									aufsteht und nach oben
                              									noch 2m in die Schachtmauerung hineinragt. Diese
                              									Verrohrung erforderte 35 Tage.
                           Nach Fertigstellung des gebohrten Schachtes erhielt derselbe eine eiserne Verrohrung
                              									von 50m unter Wasser, aus einzelnen Ringen von
                              										3m,65 lichtem Durchmesser, 1m,5 Höhe und von oben nach unten wachsenden
                              									Wandstärken von 33 bis 45mm. Das Einhängen der
                              									Verrohrung war nach 48 Tagen beendigt. Dann erfolgte die Ausfüllung des
                              									Zwischenraumes zwischen dieser Verrohrung und dem Schachtstoſs mit Beton mittels
                              									eines besonders zu diesem Zwecke construirten Betonlöffels; dies war in 11 Tagen
                              									durchgeführt, worauf die Arbeit etwa 6 Wochen bis zur Verhärtung des Betons ruhte.
                              									Nachdem alsdann das Abpumpen des Wassers stattgefunden hatte, konnte festgestellt
                              									werden, daſs die Absperrung des Wasserzudranges von 16cbm Wasser in der Minute vollständig gelungen war, so daſs einem weiteren
                              									Abteufen auf trockener Sohle von Hand nichts im Wege stand. Sämmtliche Arbeiten
                              									wurden in 3 Schichten zu 8 Stunden Tag und Nacht, auch Sonntags, betrieben. Bei den
                              									Bohrarbeiten arbeiteten in jeder Schicht 6 Mann auſser dem Maschinenführer,
                              									Kesselwärter und den Schmieden zur Anfertigung von Reparaturen.
                           In den Brucher Kohlenwerken bei Ossegg in Böhmen hat der
                              									Bohrmeister Herr Julius Thiele in der Zeit vom 12.
                              									November 1888 bis zum 2. März 1889, also in 112 Tagen, eine sehr glückliche Bohrung
                              									mit den einfachsten Mitteln niedergebracht. Mit Löffelbohrer, Spiralbohrer und
                              									Schmantbüchse am steifen Gestänge wurden von einem 4m tiefen, 2m weiten Bohrschacht aus
                              									durch drehendes Bohren mittels eines Handkrahnes und Menschenkraft 388m,6 Teufe erreicht, in abnehmenden Weiten des
                              									Bohrloches von 220 bis 75mm Durchmesser.
                              									Allerdings führte die Arbeit durch günstige Braunkohlenlette mit etwa 15
                              									Sphärosideritschichten von 100 bis 400mm
                              									Mächtigkeit, welche aber auch andererseits eine durchgehende Verrohrung
                              									beanspruchte, die mit patentgeschweiſsten Röhren von 220, 156, 120, 95 und 76mm Stärke durchgeführt wurde. Der
                              									Grundwasserspiegel lag 56m unter der Oberfläche.
                              									Das Resultat bestand im Anfahren eines etwa 32m
                              									mächtigen Braunkohlenflötzes. In Tag- und Nachtschichten waren im Ganzen 26 Mann
                              									beschäftigt, und diese erreichten stündlich einen durchschnittlichen Bohrfortschritt
                              									von 0m,14, welcher sich in einer Stunde auf 8m steigerte. Die ganze Bohrung kostete nur 8351
                              									M., von denen 280 M. auf Beschaffung des Handkrahnes, sowie 100 bis 140 M. auf
                              									Bohrer und Schmantbüchsen entfielen.
                           Seit Anfang April 1889 wird bei Gleiwitz sehr eifrig nach Kohle gebohrt. Der
                              									preuſsische Fiskus hatte zunächst im dortigen Kreise 4 Bohrungen bei Schönwald,
                              									Nieborowitz, Deutsch-Zernitz und Gieraltowitz unter Oberleitung des Herrn
                              									Oberberginspektor Köbrich mit dem geübten Personal und
                              									dem bewährten Geräth von Schönebeck begonnen, wozu im Mai noch eine fünfte Bohrung bei Sczyglowitz
                              									getreten ist. Die Versuche haben unter den bäuerlichen Besitzern der Umgegend ein
                              									förmliches Kohlenfieber entfacht, das sich in 10 oder 12 verschiedenen
                              									Bohrunternehmungen, oft mit recht unzulänglichen Mitteln, äuſsert. Inzwischen ist
                              									Anfang Mai in einem dem belgischen Groſsindustriellen Suermondt gehörigen Bohrloche bei Trynek in dortiger Gegend in 181m Tiefe Steinkohle gefunden worden, welche
                              									abbauwürdig zu sein scheint.
                           Der Fortgang der von der Königl. Württembergischen Regierung veranlaſsten Tiefbohrung
                              									bei Sulz am Neckar ist im vergangenen Jahre ein recht guter gewesen, indem das
                              									Bohrloch die Tiefe von 700m erreicht hat. Es ist
                              									eine mächtige Schicht des Rothliegenden getroffen.
                           Von den Tiefbohrungen, welche in Berlin auf dem Alexanderplatze, gegenüber dem
                              									Polizeipalaste, Luisenufer 11, Friedrichstraſse 8, Lützowstraſse 74, Wedding,
                              									Paulstraſse 6, Leibnitzstraſse 87, in Charlottenburg und Lichterfelde vor Jahr und
                              									Tag auf Veranlassung des glücklichen Soolefundes im Admiralsgarten in Betrieb
                              									gesetzt wurden, waren Anfang Mai 1889 die am Alexanderplatz, am Luisenufer, in der
                              									Lützowstraſse und in Moabit auf Soolquellen fündig geworden. Die gröſste Tiefe war
                              									in Lichterfelde mit 333m erreicht, und daſs die
                              									mit 260m angebohrten, aber damals noch nicht
                              									durchsunkenen Thone dem Unteroligocän angehören, findet darin Bestätigung, daſs aus
                              									der gleichen Formation in Moabit mit dem Bohrkerne die Versteinerung Natica
                              									hautoniensis gefördert ist.
                           Einen bedeutenden Erfolg hat Herr Olaf Terp vor kurzer
                              									Zeit als sachverständiger Bohrtechniker durch Begutachtung einer Tiefbohrung bei
                              									Bunzlau erzielt. Am 11. Mai 1889 wurde derselbe zur Untersuchung des Standes eines
                              									Bohrloches herangezogen, welches mit 400m Tiefe
                              									das gesuchte Trinkwasser nicht erschlossen hatte und dessen Aufgabe in Folge dessen
                              									in Frage stand. Es stellte sich heraus, daſs bereits bei einer Tiefe von 136m ein poröser, grobkörniger, weicher Sandstein
                              									vorhanden ist, welcher groſse Wassermengen, etwa 2cbm in der Minute, abgibt, die auch durch eigenen Druck über der
                              									Erdoberfläche ausströmen würden, wenn dies nicht eine 35m unter Tage mit dem Bober in Verbindung stehende Schliefersandschicht
                              									durch Aufsaugen verhinderte. Daſs das aufsteigende Wasser aber Zutritt zu der oberen
                              									ableitenden Schicht fand, ist dem verhängniſsvollen Umstände zuzuschreiben, daſs
                              									undicht genietete Blechröhren statt patentgeschweiſster Bohrröhren mit Verschraubung
                              									zur Bekleidung verwandt worden waren. Das ganz zweck- und nutzlose Tieferbohren von
                              									136 bis 400m mit einem Kostenaufwande von etwa
                              									25000 M. war mithin vielleicht die Folge einer falschen Sparsamkeit.
                           Ich habe schon in meinem Artikel: „Der neueste artesische Brunnen zu Paris“ (D. p. J., 1888 270 252) auf die groſse
                              									Wichtigkeit einer sorgfältigen Absperrung der höheren wasserableitenden Schichten durch gute Verrohrung bei artesischen Brunnen hingewiesen. Jener
                              									Brunnen auf dem Hébert-Platz zu Lachapelle im Nordtheile von Paris, welcher im
                              									Oktober 1887 718m Tiefe die wasserreiche
                              									Grünsandschicht erreicht hatte, läſst zur Zeit seine im Tage mit 3000cbm bemessene Wassermenge in einem Kanäle mit 4m unter Tage abflieſsen. Dieses Wasserquantum
                              									bleibt indeſs weit hinter dem zu erwartenden Resultate zurück, und es hat sich
                              									herausgestellt, daſs der gröſste Theil sich in den durchsunkenen Klüften der 583m mächtigen Kreideschichten und den durchlässigen,
                              										135m mächtigen Tertiärformationen verliert,
                              									was nur an der Undichtigkeit der Verrohrung liegen kann. Der Munizipalrath von Paris
                              									hat nun im Mai 1889 die Mittel zur völligen Herstellung dieses Brunnens bewilligt
                              									und den Plan des Bohrunternehmers desselben, des Herrn Ed.
                                 										Lippmann in Paris, zur Ausführung einer ausreichenden Dichtung des ganzen
                              									Brunnens angenommen.
                           Gelegentlich der Erweiterung der Wasserwerke für die Stadt Crefeld wurden in letzter
                              									Zeit unter Leitung des Wasserwerksinspektors Herrn Zschau Tiefbohrungen ausgeführt, bei denen einige technische Einzelheiten
                              									durchaus neu waren und für die Zukunft hohe Beachtung verdienen.
                           Es handelte sich zunächst um eine groſse Anzahl von Versuchsbohrungen in den
                              									gröſstentheils zum Tertiär gehörigen Schichten zwischen Crefeld und dem Rheine
                              									behufs Ermittelung der günstigsten Brunnenbohrstellen. Zu dem Zwecke wurden Schlagbrunnen (Fig. 1 und 2) durch Rammen von Röhren
                              									mit der einen Seiher tragenden Stahlspitze unter theilweiser Wasserspülung
                              									niedergetrieben. Die Construction der dazu verwendeten Pumpen kam dabei nicht in
                              									Betracht, falls nur deren Ausführung eine durchaus sorgfältige war und die Ventile
                              									besonders tadellos schlössen. Eine Spülung erfolgte in der Regel bei jedem Aufsetzen
                              									eines neuen Röhrenstückes und begann mit dem im Schachte angesammelten Grundwasser,
                              									nachdem eine zweite, engere Röhrentour innerhalb des äuſseren Röhrenzuges bis zur
                              									Bohrsohle geführt und oben mit den Pumpen verbunden war. Nach dem Verbrauche des
                              									meist nur geringen Wasservorrathes im Schachte fand das Pumpen dennoch, und zwar mit
                              										Luft Fortsetzung. Dies führte zu folgenden
                              									überraschenden Resultaten: Vor dem Ausspülen stand Grundwasser in den Rammröhren
                              									meist in einer gewissen Höhe, während der Boden mit Schlamm, Sand und solchen
                              									Partikeln erfüllt war, wie die Seiheröffnungen durchzulassen im Stande waren. Das
                              									eingeführte Spülrohr nahm sodann Wasser auf, welches eine Strecke von mehreren
                              									Metern unter Tage blieb. Ein durch die Wasserpumpen ausgeübter Luftdruck hatte
                              									nunmehr erst die auf dem Wasser ruhende Luftsäule zusammenzupressen, ehe die
                              									Wassersäule diesem Drucke nach unten weichend nachgeben muſste. Sobald darauf das
                              									Wasser unten aus dem Spülrohre herausgedrängt war, strömte die zusammengedrückte
                              									Luft nach und dehnte sich bei dem Austritte aus dem Rohre plötzlich aus, wobei sie den Bohrschmant
                              									kräftig aufwühlte und hoch oben zum Rammrohre herausschleuderte. Mit zunehmender
                              									Tiefe wuchs der Druck, z.B. bei 20m Tiefe bis auf
                              										2at Das ausgespritzte Material gab völlig
                              									ausreichenden Anhalt zur Feststellung der durchsunkenen Schichten.
                           Dieses Ausspülen und Ausblasen griff überdies die Bohrwand auſserhalb des Seihers
                              									kräftig an und lockerte dieselbe wesentlich zu einem erleichterten Fortgange der
                              									Rammarbeit. Der Bohrfortschritt betrug mindestens 6m im Tage, mitunter bis zu 12m, je
                              									nachdem in zähem Thon oder in günstigem Sand und Kies gearbeitet wurde. In ersterem
                              									Falle ging man nur etwa 20m tief, während man
                              									anderenfalls bis 40m tief bohrte.
                           Die Wasserbrunnen (Fig. 3), deren im Ganzen
                              									17 in Aussicht sind, fanden bereits zum Theil an besonders günstig erscheinenden
                              									Stellen ihre Ausführung. Bemerkenswerth hierbei war die Construction des Schuhs an
                              									der Verrohrung. Dieser trug einen inneren Verstärkungswulst, während sein
                              									geschärfter unterer Rand sich unten bis auf 1m,60
                              									erweiterte, so daſs derselbe 40cm über die 1m,20 äuſseren Durchmesser betragende Verrohrung
                              									überstand. Diese Erweiterung hatte den sehr wichtigen Zweck, während des
                              									Niederpressens der Verrohrung durch Wagenwinden einer Kiesschicht von 20cm Stärke Raum zu schaffen, die während des
                              									Niederganges stets nachgefüllt wurde. Dadurch erfolgte ein Schutz der Rohrwand vor
                              									der Berührung mit den zähen Thonschichten, welche sonst so oft das Versenken von
                              									Verrohrungen erschwert.
                           Die Sackbohrer (Fig. 4 und 5) dienten zum Ausschöpfen
                              									des Bohrmaterials in den Futterrohren.
                           Die Hebervorrichtung (Fig. 3 und 6), aus etwa 30cm starken Röhren gefertigt und mit Windkesseln
                              									versehen, holt 4m tief alles Wasser auf und leitet
                              									das Wasser sicher auf weiten Entfernungen nach dem Sammelbrunnen, von dem es in das
                              									Hochreservoir gepumpt wird. Von Zeit zu Zeit muſs die Luft aus dem Windkessel
                              									entfernt werden.
                           Die Abzweigungsröhren (Fig. 6) von dem
                              									Hauptstrange nach dem Brunnen sind aus Kupfer, damit sie federn und beim Setzen des
                              									Mauerwerks nicht brechen.
                           Mit groſsem Interesse wird man die projektirte Tiefbohrung in Teplitz verfolgen
                              									können, welche auf Grund des Stadtverordneten-Beschlusses vom 29. April 1889 gemäſs
                              									der Vereinbarung mit den Besitzern der inundirten Dux-Ossegger Schächte an den
                              									Bohrtechniker Herrn A. Fauck übergeben ist und am 1.
                              									Juli 1889 begonnen werden muſs. Die Aufgabe ist, mit einer Tiefbohrung bis zu 500m Teufe, bei oberem Minimaldurchmesser von 60cm und unterem Minimaldurchmesser von 15cm, eine möglichst reichlich ausströmende
                              									Thermalquelle zu erschlieſsen. Man wünscht die groſsen Kosten des Abpumpens des
                              									Heilwassers, wie es jetzt betrieben wird, und wohl auch das damit verbundene Vorurtheil zu vermeiden.
                              									Das Bohrloch selbst soll im Kurgarten und zwar zwischen der Jubiläumssäule und dem
                              									Theater in Angriff genommen werden, ein Platz, der nach anderen als geologischen
                              									Rücksichten gewählt zu sein scheint.
                           Zwei gelungene Schachtabteufungen nach der Poetsch'schen
                              									Gefriermethode sind folgende:
                           Die erste Arbeit kam im Kohlenwerke Houssu, Haine-Saint-Paul in Belgien am 12.
                              									December 1887 zum Abschlusse. Es war ein Schacht von 60m Tiefe, dessen Abteufung bereits 800000 M. Kosten verursacht hatte und
                              									durch schwimmende Sandschichten völlig in Stillstand gekommen war, als Herr Poetsch das Werk in die Hand nahm. Nach dem Abpumpen
                              									des Wassers wurde eine Erweiterung des Schachtes 54m tief von 4m Durchmesser auf 6m durchgeführt. Dann erfolgte in dem Triebsande
                              									auf der Schachtsohle das Niederbringen von 20 schmalen Bohrlöchern auf weitere 22m Tiefe. Als darauf die Gefrierröhren in
                              									Thätigkeit gesetzt wurden, trat der unerfreuliche Umstand ein, daſs nur die eine
                              									Schachthälfte zum Gefrieren zu bringen war. Als Erklärung stellte sich alsbald
                              									heraus, daſs Condensationswasser, welches von der Hebemaschine eines benachbarten
                              									Schachtes durchsickerte, die Erkältung verhinderte. Diesem Uebelstande wurde alsbald
                              									abgeholfen. Mit 77m Teufe traf man auf festen Thon
                              									und bekleidete nunmehr den Schacht mit guſseisernen Röhren, welche eine 0m,25 starke Cementhinterfüllung erhielten. Die von
                              									Herrn Poetsch ausgeführten Arbeiten verursachten 80000
                              									M. Kosten, das Doppelte von dem, was ohne den Unfall mit dem Condensationswasser
                              									erforderlich gewesen wäre.
                           Das zweite derartige Unternehmen wurde in der Zeit vom 1. Juni 1886 bis zum 5. Juli
                              									1888 im Kalisalzbergwerk zu Jessenitz bei Lübtheen in Mecklenburg durchgeführt. Hier
                              									war ein 5m weiter Schacht 80m tief durch klüftiges und wasserführendes
                              									Gestein, Kalk, Gyps und Anhydrit, herzustellen und mit Eisen zu bekleiden. Die
                              									Vorarbeit bestand in Abbohrung von 20 Bohrlöchern 70 bis 100m tief, theils mit Köbrich'schem Freifallinstrument und Meiſselbohrer, theils mit
                              									Diamantbohrung von einem 7m tiefen, 9m,28 weiten Bohrschacht aus, in welche Bohrlöcher
                              									die Gefrierröhren geleitet wurden. Die Herstellung des Frostcylinders von 9m Durchmesser und 77m Tiefe war in 108 Tagen mit 80000 Calorien stündlicher Leistung erreicht,
                              									worauf die Abteufung des Schachtes wie in festem, trockenem Gestein vor sich
                              									ging.
                           Andere Ausführungen stehen jetzt in England in Aussicht.
                           In der diesjährigen Ausstellung für Unfallverhütung in Berlin bietet der Poetsch'sche „Gefrierungssehacht“ einen der
                              									anziehendsten und belehrendsten Gegenstände der Ausstellung überhaupt.
                           Ein sehr wichtiger Fortschritt in Bezug auf das Stollen- bezieh. Tunnelbohren ist die
                              									Uebertragung des Poetsch'schen Gefrierverfahrens auf
                              									diese Arbeit. Herr Poetsch hat persönlich auf dem
                              									Allgemeinen Bergmannstag
                              									zu Wien im September 1888 eingehend seine Vorschläge zum Vortrage gebracht, wonach
                              										1m Tunnel von 6m Höhe und 6m Breite, fertig in Eisen
                              									ausgebaut, etwa 3000 bis 4000 M. Kosten beanspruchen soll.
                           In Bezug auf das maschinelle Stollenbohren überhaupt läſst sich schon jetzt die
                              									Ueberzeugung aussprechen, daſs die nächste Zukunft einen wichtigen Wandel insofern
                              									bringen wird, als neben dem alten Verfahren mit Vorbohren von Schuſslöchern und
                              									Absprengen des Gebirges ein neues Abbohren von Strecken
                              									im vollen Querschnitte immer mehr Eingang finden
                              									wird.
                           Von den alten Gesteinsbohrmaschinen hatte man besonders zwei Gruppen zu
                              									unterscheiden, die der Stoſsbohr- und die der Drehbohr-Apparate. Die Zahl der ersteren Constructionen
                              									ist sehr groſs, doch haben sich nur wenige im praktischen Gebrauche erhalten, von
                              									denen bei uns in Deutschland und Oesterreich die von Frölich, Meyer, Jäger, Schram und Ferroux zu
                              									nennen sind. Diesen steht von Drehbohrmaschinen eigentlich nur das System Brandt gegenüber, welches bisher durch kein weiteres
                              									überholt ist.
                           Neuerdings auf den Mansfelder Gruben stattgehabte Concurrenzversuche zwischen den
                              									Systemen Frölich und Brandt haben in Bezug auf Gestehungskosten und Fortschritte wesentliche
                              									Unterschiede nicht ergeben; in mildem Gebirge stellte sich beiderseitig der laufende
                              									Meter auf etwa 100 M., in festem Gebirge auf etwa 130 M., während der Fortschritt im
                              									Maximum 6m,5 in 24 Stunden betrug. Die Brandt sehe Drehbohrmaschine wird mit Wasserturbine
                              									getrieben und eignet sich daher für tiefe Schächte, wo natürlicher, wenn auch
                              									geringer Wasserdruck vorhanden ist, während die Frölich'sche Stoſsbohrmaschine ihrer Triebkraft durch comprimirte Luft
                              									wegen bei Stollenlängen bis 3000m vortheilhaft zur
                              									Verwendung kommt, weil das Auspuffen der gepreſsten Luft noch die nöthige
                              									Ventilation besorgt.
                           
                              (Schluſs folgt.)
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
