| Titel: | Die Raoult'sche Methode der Molekulargewichtsbestimmung; von Constantin Klinge. | 
| Autor: | Constantin Klinge | 
| Fundstelle: | Band 273, Jahrgang 1889, S. 272 | 
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                        Die Raoult'sche Methode der
                           								Molekulargewichtsbestimmung; von Constantin Klinge.
                        (Schluſs der Abhandlung S. 217 d. Bd.)
                        Mit Abbildungen auf Tafel
                              									11.
                        Die Raoult'sche Methode der
                           								Molekulargewichtsbestimmung.
                        
                     
                        
                           Dem Thermometer eigenthümlich ist das besonders (Fig. 5) abgebildete, an
                              									die Kapillare angeschmolzene, nach abwärts gebogene Quecksilberreservegefäſs.
                           Der Quecksilbervorrath in dem Thermometer ist so groſs, daſs davon beim Eintauchen in
                              									Eis die Kapillare bis zum oberen Theile der Scala gefüllt wird. Gesetzt nun, man
                              									wolle Gefrierpunktsbestimmungen in Eisessig ausführen, so muſs so viel Quecksilber
                              									aus der Kapillare entfernt werden, daſs bei 16° und darunter Ablesungen gemacht
                              									werden können. Zu dem Behufe taucht man das Instrument in Wasser von 17° bis 18° und
                              									schleudert darauf das aus der Kapillare ausgetretene Quecksilber durch einen kurzen
                              									Stoſs nach abwärts auf den Boden des Reservegefäſses. Beim Abkühlen wird nun die
                              									Temperatur auf der Scala
                              									ablesbar werden, wenn nickt, wird das Ausschleudern wiederholt. War zu viel
                              									Quecksilber entfernt, so läſst sich der Schaden schnell wieder gut machen, indem man
                              									durch leichtes seitliches Anklopfen an das Reservegefäſs Quecksilbertröpfchen in die
                              									Nähe der Kapillare verspritzt und diese mit dem durch Wärme überzutreibenden
                              									Quecksilberfaden zusammenflieſsen läſst, bis derselbe beim Abkühlen die gewünschte
                              									Länge zeigt. Die Vereinigung des gesammten Quecksilbervorrathes geschieht leicht,
                              									indem man das Thermometer umkehrt, etwas Quecksilber in das Reservegefäſs treten
                              									läſst und nun leicht nach unten aufstöſst. Ein Zurückfallen des abgetrennten
                              									Quecksilbers ist bei der getroffenen Anordnung natürlich ausgeschlossen, aber auch
                              									ein Loslösen des Quecksilbers von der Kapillare, wenn es theilweise in das
                              									Reservegefäſs übergetreten ist, findet beim Arbeiten niemals statt; man kann also
                              									ohne Entfernung des Thermometers schwerlösliche Körper sonder Bedenken durch
                              									Erwärmen und Rühren in Lösung bringen. Bei wagerechter Lage des Thermometers haftet
                              									natürlich das Quecksilber weniger fest.
                           Die Scala ist in 1/100 genaue Celsiusgrade getheilt, aber mit willkürlicher Bezifferung
                              									versehen und umfaſst etwa sechs Grade. Um die Kapillare, den theuren Theil des
                              									Instrumentes, für die Ablesung völlig auszunutzen, ist zwischen dieselbe und das
                              									Quecksilbergefäſs ein längerer Glasstiel eingeschaltet. Das Quecksilbergefäſs ist
                              									ziemlich groſs und stark im Glase ausgeführt worden, um einen leichten und sicheren
                              									Gang des Quecksilberfadens zu erreichen.
                           Nach diesem Verfahren sind bereits Hunderte von Versuchen ausgeführt worden, und
                              									gehören die ResultateBeckmann, Zeitschr. für phys. Chem., II,
                                    											717. wohl zu den genauesten, welche bis jetzt mit Hilfe der Raoult'schen Methode erzielt worden sind.
                           Ein äuſserst einfaches Verfahren hat ferner EykmannZeitschr. für phys. Chem., II,
                                       											964. in Vorschlag gebracht. Der Apparat (Fig. 6) besteht aus einem
                              									kleinen Kölbchen von etwa 10cc Inhalt, worin ein
                              									kleines Thermometer, über etwa 5° in Zehntel getheilt, eingeschliffen ist. Nachdem
                              									vorher mit dem Apparate der Gefrierpunkt des Lösungsmittels festgestellt worden ist,
                              									wird in das Kölbchen etwa 0,002 Grammmolekül (bis auf mg genau gewogen) der Substanz
                              									hineingebracht, ferner etwa bis zur Höhe d
                              									(entsprechend 6 bis 8g) Lösungsmittel eingegossen,
                              									das Thermometer eingesetzt und die Gesammtmenge des Lösungsmittels + Substanz durch
                              									Wägung des ganzen Apparates, dessen Tara bekannt ist, bestimmt. Nachdem die Substanz
                              									sich gelöst hat, wird der Inhalt zur partiellen Krystallisation gebracht und sodann
                              									durch Erwärmen wieder so weit aufgethaut, bis nur noch wenige Krystallnadeln in der
                              									Flüssigkeit schweben, wobei man Sorge trägt, daſs die Temperatur nicht erheblich
                              									über den Gefrierpunkt des Gemisches steigt. Durch Hin- und Herschwenken des
                              									Apparates, welchen man bequem zwischen drei Fingern (bei a,
                                 										b, c) faſst, wird der Inhalt sanft geschüttelt. Die Temperatur geht
                              									zunächst einige Zehntel unter den wahren Gefrierpunkt herab, um sodann unter
                              									theilweisem Ausfrieren des Lösungsmittels schnell zu steigen und nachher wieder zu
                              									sinken., wobei das genügend lange constant bleibende Maximum zu notiren ist (1/100 Grade sind
                              									zu schätzen, wo nöthig unter Anwendung einer Lupe). Durch Wiederaufbauen u.s.w. kann
                              									die Bestimmung öfters wiederholt werden, was nur wenige Minuten in Anspruch nimmt.
                              									Bei richtigem Handhaben bekommt man Resultate, die höchstens um ein paar 1/100-Grade
                              									differiren. Erfolgt die anfängliche Krystallisation des Lösungsmittels nicht ohne
                              									Weiteres von selbst, so wird dieselbe durch kurzes Eintauchen in eine kleine Menge
                              									eines Kältegemisches hervorgerufen. Die Luft, worin das Schütteln vorgenommen werden
                              									soll, kann, wo nöthig, mittels eines mit kaltem Wasser beschickten
                              									Kalorimetergefäſses abgekühlt werden, oder auch der ganze Apparat in eine weite
                              									Reagensröhre hineingesteckt und mittels Glaswollepfropfen oben und unten
                              									festgehalten, zu gleichem Zwecke in kaltes Wasser getaucht werden. Als Vorzüge des
                              									Verfahrens mögen hervorgehoben sein, daſs das Einwerfen von Krystallen und das
                              									Oeffnen des Apparates während der Operation, sowie die Rührvorrichtung umgangen
                              									werden, so daſs die Bestimmung mit derselben Menge Substanz ohne irgend welchen
                              									schädlichen Einfluſs öfters wiederholt werden kann.
                           Die molekularen Depressionen von PhenolZeitschr. für phys. Chem., II, 965.
                              									und NaphtalinZeitschr. für phys. Chem., III 113.
                              									sind, unter Anwendung dieses Verfahrens, von Eykmann
                              									festgestellt worden.
                           Der Vollständigkeit halber sei noch ein Apparat erwähnt, welchen R. Fabinyi zur Bestimmung der molekularen Depression
                              									des Naphtalins in Benutzung gezogen hat. Da derselbe jedoch schwerlich allgemeine
                              									praktische Anwendung finden dürfte, so sei bezüglich näherer Angaben auf die
                              									Originalarbeit (Zeitschr. für phys. Chem., III, 38)
                              									verwiesen.
                           Zum Schlusse sei noch ein Apparat von CiamicianBerichte, XXII, 31.
                              									beschrieben, welcher gestattet, das Raoult'sche Gesetz
                              									einem gröſseren Publikum zu demonstriren, und daher zu Vorlesungszwecken
                              									empfehlenswerth ist.
                           Der Apparat (Fig.
                                 										7), der im Wesentlichen aus einem Luftthermometer besteht, ist schon aus
                              									der Zeichnung leicht verständlich. Ein gröſseres Reagensglas von ungefähr 16cm Höhe und 2cm,5 Durchmesser, zur Aufnahme der Lösungen bestimmt, befindet sich in einer
                              									Kältemischung, die, weil die Versuche mit wässerigen Lösungen ausgeführt wurden, aus
                              									Schnee und etwas Kochsalz bestand. In die zu untersuchende Lösung taucht, in der aus
                              									der Zeichnung ersichtlichen Weise, ein Luftthermometer, dessen cylindrisches Gefäſs
                              									eine Länge von 12cm und einen Durchmesser von 1cm,5 besitzt; letzteres ist an ein enges, zweimal rechtwinklig
                              									gebogenes Glasrohr von etwa 1mm,5 Lichtweite,
                              									welches in ein Becherglas mit gefärbtem Wasser taucht, angeschmolzen. Das etwa 70cm lange Rohr ist an zwei Stellen kugelförmig
                              									angeblasen, die obere Kugel sichert vor einem Zurücksteigen der Flüssigkeit bei zu
                              									starker Abkühlung, die untere verhindert das Auftreten der Luft bei zu starker
                              									Erwärmung.
                           Man beginnt die Versuche mit der Bestimmung des Gefrierpunktes des Wassers; beim
                              									Eintauchen des Reagensrohres A in die Kältemischung und
                              									lebhaftem Rühren mit dem Rührer a steigt das gefärbte
                              									Wasser sehr rasch in dem engen Rohre, und da in der Regel Ueberkaltung eintritt,
                              									sinkt bei der beginnenden Eisbildung die Säule plötzlich auf eine bestimmte Höhe,
                              									auf welcher sie dann unverändert stehen bleibt. Auf diese Weise wird die Erscheinung
                              									sehr schön auch von der Ferne sichtbar, und man liest den Stand des gefärbten
                              									Flüssigkeitsfadens entweder auf einer papierenen Scala ab oder markirt ihn durch
                              									einen Gummiring.
                           Macht man jetzt den Versuch mit verschiedenen Lösungen, die in dem gleichen Volumen
                              									Wasser (etwa 100cc) molekulare Mengen
                              									verschiedener organischer Verbindungen enthalten, so stellt sich bei den einzelnen
                              									Bestimmungen die Flüssigkeitssäule ziemlich genau auf derselben Höhe ein, und zwar
                              									natürlich höher als bei Anwendung von reinem Wasser. Die Differenz betrug bei den
                              									Versuchen von Ciamician mit Lösungen von je 34g,2 Rohrzucker, 18g,2 Mannit, 5g,8 Aceton, 6g,0 Eisessig gelöst in 100cc Wasser mehrere Centimeter und war daher auch
                              									von der Ferne recht gut bemerkbar. Die Lösungen können während der Vorlesungen
                              									bereitet werden, und es läſst sich somit auf diese Weise recht schön zeigen, daſs
                              									isotonische Lösungen dieselbe Gefrierpunktserniedrigung besitzen.
                           
                        
                           
                              Lösungsmittel.
                              
                           Als lösende Mittel benutzte Raoult im Laufe seiner
                              									Untersuchungen Wasser, Benzol, Nitrobenzol, Aethylenbromid, Ameisensäure,
                              									Essigsäure, Thymol und Naphtalin.
                           In neuerer Zeit sind folgende Lösungsmittel in Anwendung gebracht worden.
                           
                              
                                 
                                 Mol./Depression T
                                 
                              
                                 Wasser
                                 19
                                 
                              
                                 Benzol
                                 49
                                 
                              
                                 Eisessig
                                 39
                                 
                              
                                 Phenol
                                 76
                                 
                              
                                 Naphtalin
                                         70 (80).
                                 
                              
                           Da die Zahl der organischen Verbindungen, welche hinreichend in Wasser löslich sind,
                              									eine relativ geringe ist, so kann das Wasser als Lösungsmittel keine ausgedehnte
                              									Anwendung finden, und würde dasselbe vornehmlich bei der Bestimmung des
                              									Molekulargewichtes von Alkoholen, Phenolen und Säuren zu gebrauchen sein.Auwers, Berichte, XXI, 705.
                              									Raoult schreibt vor, bei Anwendung von Wasser die Concentration so zu
                              									wählen, daſs die Depression etwa 1° beträgt. Da nun die molekulare Depression des
                              									Wassers 19 beträgt, so ergibt sich durch einfache Rechnung, daſs, um diesen
                              									Vorschriften Raoult's zu genügen, ziemlich groſse
                              									Substanzmengen erforderlich sind, namentlich wenn das Molekulargewicht der zu
                              									untersuchenden Substanz ein sehr hohes ist. Dagegen empfiehlt sich das Wasser durch
                              									seine stark dissociirenden Eigenschaften.Beckmann, Zeüschr. für phys. Chem., II,
                                    										742. Bedeutend günstiger liegen die Verhältnisse beim Benzol, welches
                              									in seiner Handhabung das bequemste und die relativ gröſsten Erniedrigungen liefernde
                              									Lösungsmittel ist. Bei seiner geringen dissociirenden Kraft ist bisweilen starke
                              									Verdünnung erforderlich, um zu normalen Werthen zu gelangen. Alkohole, Phenole und
                              									Säuren rufen in Benzol anormale Depressionen hervor. Für diese Körperklassen gibt
                              										Raoult die molekulare Depression des Benzols T = 25 an.
                           Die allgemeinste Anwendung hat Eisessig gefunden. Auch dieser wirkt stark
                              									dissociirend und liefert meist normale, von der Concentration unabhängige Werthe.
                              									Ein günstiger Umstand liegt ferner darin, daſs man in Folge der hohen
                              									Erstarrungstemperatur des Eisessigs mit ihm bei Temperaturen arbeiten kann, welche
                              									von der mittleren Zimmertemperatur wenig oder gar nicht abweichen. Hierzu kommt,
                              									daſs es im Allgemeinen nicht nöthig ist, den Eisessig für diese Bestimmungen absolut
                              									wasserfrei anzuwenden. AuwersBerichte, XXI, 708.
                              									empfiehlt daher, wo es nur irgend angängig ist, in erster Linie Eisessig als
                              									Lösungsmittel zu benutzen.
                           Phenol, das neben seiner Billigkeit und leicht zu habender Reinheit eine groſse
                              									Lösungsfähigkeit für die meisten Körper besitzt, ist von EykmannZeitschr. für phys. Chem., II,
                                       											964. mit groſsem Erfolge als Lösungsmittel angewandt
                              									worden.
                           Für die molekulare Depression des Naphtalins sind zwei verschiedene Werthe
                              									aufgestellt worden, und zwar T = 70. (Eykmann) und T = 80 (Fabinyi), doch dürfte wohl der kleinere Werth als
                              									richtiger angenommen werden, da derselbe mit dem aus der van
                                 										t'Hoff'schen Formel berechneten Werthe übereinstimmt.
                           Es ist schon im theoretischen Theile darauf hingedeutet worden, welche wichtige Rolle
                              									die Concentration des Lösungsmittels bezüglich der Schärfe der Resultate spielt. –
                              									Um sich daher vor Täuschungen zu sichern, erscheint es immer gerathen, sich durch
                              									den Versuch ein Urtheil über die Abhängigkeit der Werthe von der Concentration zu
                              									bilden. Man führt eine Versuchsreihe aus, welche sich über Depressionen von etwa 0,2
                              									bis 2 oder mehr Graden erstreckt. Ob gröſsere Abweichungen der niedrigsten Werthe
                              									auf Versuchsfehlern beruhen, wird durch Betrachtung der folgenden Werthe sofort
                              									ersichtlich. Je höher die Gehalte sind, um so leichter fallen durch theilweises Ausfrieren des
                              									Lösungsmittels die Erniedrigungen zu groſs aus.Beckmann, Zeitschr. für phys. Chem., II,
                                    											743.
                           ––––––––––
                           Die Resultate, welche bis jetzt durch die Methode erzielt worden sind, ergeben, daſs
                              									dieselbe nicht dazu dienen kann, etwa zwischen zwei nahe bei einander liegenden
                              									Formeln von wenig verschiedener procentischer Zusammensetzung eine Entscheidung zu
                              									treffen, wie dies häufig durch eine Dampfdichtebestimmung möglich ist. Dagegen wird
                              									die Raoult'sche Methode in einer groſsen Anzahl von
                              									Fällen, in denen eine Dampfdichtebestimmung unmöglich ist, als einzig überbleibendes
                              									Mittel zur Bestimmung der Molekulargröſse treffliche Dienste leisten, namentlich
                              									wenn es sich darum handelt, zwischen irgend einer Formel und einem Multiplum oder
                              									Submultiplum derselben zu entscheiden.Auwers, Berichte, XXI, 719.
                           Die Bedeutung der Methode wird am besten durch die Worte Victor Meyer'sBerichte, XXI, 539.
                              									:
                              									„Die Raoult'sche Methode der
                                 										Molekulargewichtsbestimmung ist ohne Zweifel die bedeutungsvollste Bereicherung,
                                 										welche der Vorrath an physikalischen Hilfsmitteln, über den die chemische
                                 										Forschung verfügt, seit der Entdeckung der Dulong-Petit'schen Methode der Atomgewichtsbestimmung erfahren
                                 										hat“, charakterisirt.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
