| Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. | 
| Fundstelle: | Band 273, Jahrgang 1889, S. 513 | 
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                        Neuere Verfahren und Apparate für
                           								Zuckerfabriken.
                        Patentklasse 89.
                        Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich hatte N. Rillieux im J. 1878 am 20. Februar
                              									ein Reichspatent (Nr. 3852) auf einen „Vacuumverdampfapparat unter Anwendung von mehr als drei Körpern für
                                 										Zuckersäfte und anderen Flüssigkeiten“, sowie (vom 14. Januar ab) im J. 1881
                              									das Reichspatent Nr. 15569 (abgedruckt mit den 11 Patentansprüchen in Stammer's Lehrbuch der
                                 										Zuckerfabrikation, 2. Aufl. S. 825 ff.) auf „Neuerungen an
                                 										Vacuumkochapparaten für Zuckersäfte und andere Flüssigkeiten“ erhalten.
                           In Folge der vielfachen Belästigungen, welche den Zuckerfabrikanten hierdurch
                              									erwuchsen, erhob F. Walkhoff in Magdeburg die
                              									Nichtigkeitsklage in Betreff der wesentlichsten obiger Patentansprüche, und das
                              									kaiserl. Patentamt hat durch Entscheidung vom 29. November 1888 das latent Nr. 3852
                              									eingeschränkt, sowie das Patent Nr. 15569 in Bezug auf die Ansprüche 2 und 3
                              									vernichtet.
                           N. Rillieux hat gegen dieses Urtheil beim Reichsgericht
                              									Berufung Angelegt, und zwar in Bezug auf die Einschränkung des Patentes Nr. 3852 und
                              									auf die Vernichtung des Anspruches 2 des Patentes Nr. 15569.
                           In der Sitzung vom 1. Juni 1889 hat jedoch das Reichsgericht, erster Civilsenat, die Entscheidung des Patentamtes vom W. November 1888
                                 										bestätigt
                              									und die Kosten des
                              									Berufungsverfahrens dem Berufungskläger auferlegt.
                           Hierdurch ist, auch nach dem Zugeständnisse Rillieux',
                              									endgültig entschieden, daſs dessen Patentansprüche auf die Verwendung gespannter
                              									Dämpfe, sowie auf die alternirende Brüdenentnahme zu Verkochzwecken nicht als
                              									patentfähig im Sinne der deutschen Patentgesetzgebung zu erachten sind.
                           Indem hier auf die Besprechung des sogen. Rillieux-Verfahrens in Stammer's oben genannten
                              									Lehrbuch S. 776, 825 und 834 verwiesen wird, mag noch mitgetheilt werden, daſs F. Walkhoff in einem Rundschreiben vom Juli 1889 den
                              									Wortlaut der Entscheidung des Reichsgerichtes mit der Begründung veröffentlicht und
                              									genau angegeben hat, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Patente auf die einzelnen
                              									Formen der Mehrverdampfkörper bezieh. die mehrfache Benützung der Wärme ertheilt
                              									worden sind. Es wird nun endgültig die Zuckerindustrie nicht weiter durch Ausnutzung
                              									von zu Unrecht ertheilten Patenten beunruhigt werden, und es können nun nicht mehr,
                              									wie in den letzten Jahren, die Verdienste anderer Erfinder herabgewürdigt und die
                              									Urheberschaft für Verdampfeinrichtungen unrechtmäſsiger Weise in Anspruch genommen
                              									werden.
                           J. Hyros in Böhm.-Brod berichtete über den neuen Kasalovsky'schen Vacuumverkochapparat für continuirlichen Betrieb (Oesterreichisch-Ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie, Bd. 18 Heft 2
                              									* S. 203). Dieser Apparat besteht aus zwei oder mehreren Abtheilungen, selbständigen
                              									Vacuums, und ist zu dem Zwecke abgetheilt, um bei Brüdendampf-Beheizung eine
                              									continuirliche Verkochung bezieh. eine ununterbrochene Entnahme der Dämpfe aus den
                              									Verdampfapparaten zu bewirken, also eine höhere Wirkung der letzteren zu erzielen.
                              									Gleichzeitig gewährt die ununterbrochene Verkochung auch den Vortheil einer
                              									rationellen Ausnützung der Heizfläche des Vacuumapparates.
                           Wie allgemein bekannt ist, muſs man im gewöhnlichen Vacuum zuerst auf Kornbildung
                              									verkochen, was in der Weise geschieht, daſs man den unteren Theil des Vacuums mit
                              									Dicksaft füllt und so lange mit dem untersten Theile der Heizfläche kocht, bis sich
                              									das nöthige Korn gebildet hat. Dabei wird, wie begreiflich, der gröſste Theil der
                              									Heizfläche durch längere Zeit gänzlich auſser Betrieb gelassen.
                           Beim Kasalovsky'schen Vacuum ist dies nicht der Fall, da
                              									sich stets in einer der Abtheilungen ein mit Korn durchsetzter Saft vorfindet, so
                              									daſs ein bestimmtes Quantum von diesem in den unteren Theil der eben entleerten
                              									Abtheilungen abgelassen werden kann, und es auf diese Weise möglich ist, beide
                              									Heizkammern bezieh. die ganze Heizfläche der betreffenden Abtheilung sofort in
                              									Thätigkeit zu setzen, wenn man zuvor noch frischen Dicksaft nachgezogen hat.
                           Es ist klar, daſs man mit einem solchen Vacuum unter sonst gleichen Umständen eine gröſsere
                              									Leistung zu erreichen vermag, bezieh. daſs man bei derselben Leistung mit Dampf
                              									niedrigerer Temperatur, welcher billiger zu beschaffen ist als der einer höheren
                              									Temperatur, sein Auskommen findet.
                           Das Kasalovsky'sche Vacuum mit continuirlichem Betriebe
                              									gewährt in Hinsicht auf die Art der Verkochung bezieh. der Kornbildung wenigstens
                              									dieselben Vortheile wie andere groſse Vacuums, die ebenfalls, wie dieses, darauf
                              									berechnet sind, den Sud weit längere Zeit hindurch andauern zu lassen, als es bei
                              									den alten Apparaten der Fall ist, wo mangels Heizfläche und Raum der Sud in einigen
                              									Stunden bei Anwendung von hochgespanntem Dampfe beendigt sein muſs.
                           Dieses Vacuum bietet nach dem Berichterstatter folgende Vorzüge:
                           1) Eine continuirliche Verwerthung der von den Verdampfapparaten kommenden
                              									Brüdendämpfe zur Beheizung des Verkochapparates durch die ununterbrochene
                              									Verkochung, daher eine günstigere Wirkung und eine gleichmäſsigere Arbeit der
                              									Verdampfanlage;
                           2) eine ökonomische Ausnützung der Brüdendämpfe mittels des Strahlapparates, da
                              									Dämpfe niedriger Ordnung vorwiegend Verwendung finden;
                           3) eine rationellere Benützung der Heizfläche und eine leichtere Wartung der
                              									Kocharbeit durch das Ueberziehen des mit Korn durchsetzten Saftes aus einer
                              									Abtheilung in die andere;
                           4) die leicht mögliche Vergröſserung des Vacuums durch Zustellung einer oder mehrerer
                              									Abtheilungen zu den vorhandenen zu dem Zwecke, um entweder von Retourdämpfen auf
                              									Brüdendämpfe zu übergehen oder um die Leistung zu erhöhen;
                           5) die kurze, daher sichere Lagerung der Heizrohre, die kleinen Dampfkammern (gegen
                              									Bruch), die Versteifung des ganzen Körpers durch die Scheidewände, als auch die
                              									rasche Entleerung des Sudes;
                           6) wegen abtheilungsweisen Ablassens kleinerer Raum- bezieh. Pfannenbedarf für die
                              									entleerte Füllmasse, oder die Möglichkeit, mit einem kleinen Kühler
                              									auszureichen.
                           Ein anderes Vacuum ist von Samuel Morris Lillie in Philadelphia construirt worden (* D. R. P. Nr.
                              									46377).
                           Diese Erfindung betrifft eine Vereinigung mehrerer, eine besondere Construction
                              									besitzender Verdampfer zu einem Mehrkörpersysteme, ferner eine Reihe von
                              									Oberflächenheizern, welche in Verbindung mit dem Mehrkörpersysteme angeordnet sind
                              									und in der Weise arbeiten, daſs ein Theil der von den verschiedenen Verdampfern
                              									ausgehenden Dämpfe zum Heizen entweder einer einzigen, von dem kältesten zu dem
                              									wärmsten Heizer übergehenden Flüssigkeit oder mehrerer in den verschiedenen Heizern
                              									untergebrachten Flüssigkeiten dient.
                           Die Patentansprüche lauten:
                           Ein Verdampfapparat, bei welchem nachstehende Einrichtungen gleichzeitig vorhanden
                              									sind:
                           
                           a) Zwei oder mehr Verdampfer 1, 2..., von welchen jeder
                              									eine Sammelkammer P an seinem Boden, eine mit Rohren
                              									und einer für diese Rohre dienenden Zuführungsvorrichtung G und Dampfabführungsrohren ausgestattete Heizkammer und ein die
                              									Verdampfer verbindendes Dampfrohr erhalten hat, um ein Mehrkörpersystem zu
                              									bilden;
                           b) die Anordnung von Rohren, welche die Kammer P des
                              									einen Verdampfers mit der Zuführungsvorrichtung G
                              									desselben und des nächsten Verdampfers verbinden, zu dem Zwecke, durch eine Pumpe
                              									oder gleichwerthige Mittel die Flüssigkeit entweder nach demselben oder nach dem
                              									nächsten Verdampfer überzuführen;
                           c) Oberflächenheizer, von welchen einer zu jedem Verdampfer gehört, und welche mit
                              									einander durch Flüssigkeitsrohre verbunden sind und mit Dampf von den verschiedenen
                              									Verdampfern versehen werden, in Combination mit einem Zuführungsrohre an dem ersten
                              									und einem Enleerungsrohre an dem letzten Heizer.
                           Das neue Seyferth'sche Reinigungsverfahren für Rohzucker, das sogen. Paraffinerieverfahren,
                              									beruht (v. Lippmann, Chemiker-Zeitung, Bd. 13 Nr. 61 S.
                              									995) nach einer Beschreibung, die Dr. Cunze, der
                              									Direktor der Zuckerfabrik Waghäusel, gelegentlich der
                              									Prüfung desselben gab, auf der Anwendung von Paraffinöl (vom Siedepunkte 220 bis
                              									250°). Rohzuckerfüllmasse wird in der Centrifuge nach dem Abschleudern des Syrups
                              									direkt mit einem breiten Strahle Paraffinöl ausgedeckt, welches den den Krystallen
                              									noch anhaftenden Syrup so vollständig verdrängt, daſs eine Nachdecke mit Wasser
                              									(Sprühregen unter Druck) entweder ganz unnöthig ist oder sich auf ein Minimum
                              									beschränken läſst. Syrup und Oel laufen gemeinsam in einen Behälter, in welchem das
                              									specifisch viel leichtere Oel rasch nach oben steigt, von dem schweren und darin
                              									ganz unlöslichen Syrupe abgezogen wird und sofort wieder zu neuer Verwendung bereit
                              									ist.
                           Den Zucker erhält man binnen 20 bis 30 Minuten in Gestalt fast weiſser und trockener
                              									Waare, und zwar entspricht sein Gewicht fast quantitativ jenem des in der
                              									ursprünglichen Füllmasse enthaltenen Krystallzuckers. Die Füllmasse wird also nicht
                              									in mehr oder minder syruphaltigen Rohzucker und in Syrup zerlegt, sondern direkt in
                              									Syrup und fast reinen Krystallzucker. Diesem haftet jedoch etwas Paraffinöl an,
                              									dessen übler Geruch die sämmtlichen Rohproducte des Verfahrens zum direkten Consum
                              									ungeeignet macht. Durch Auflösen und Kochen des Zuckers, also beim
                              									Raffinationsprozesse, verliert sich aber dieser Geruch vollständig. Nach genauen
                              									Versuchen mit entsprechenden Füllmassen und laut Berechnung, gemäſs den in Waghäusel
                              									herrschenden Verhältnissen, würde die neue Methode für 100k Rohzuckerfüllmasse etwa 2,48 M., oder für 100k Rübe etwa 40 bis 50 Pf. Mehrertrag geben, wenn
                              									man in beiden Fällen bestimmte, zu einer gewissen Zeit gültig gewesene Preise zu
                              									Grunde legt.
                           
                           Der zur Raffination bestimmte Rohzucker kann ebenfalls, trocken oder gemaischt
                              									(eventuell mit durch Auflösen festen Paraffines verdicktem Oele), in Centrifugen
                              									gefüllt und mit Paraffinöl ausgewaschen werden, wobei gleichfalls ein hoher
                              									Prozentsatz fast reinen Krystallzuckers gewonnen wird, der als Einwurf für die
                              									Verfeinerungsarbeit dient; der nöthige Deckzucker kann auf dem nämlichen Wege
                              									hergestellt werden. Die Analyse zeigte, daſs von den Aschenbestandtheilen
                              									vorzugsweise die Alkalisalze entfernt werden, indem z.B. das Verhältniſs derselben
                              									zu den Kalksalzen von 100 : 5,6 auf 100 : 39,1 stieg. Dies ist jedoch deshalb
                              									unbedenklich, weil die Knochenkohle gerade für die Kalksalze ein hohes
                              									Absorptionsvermögen besitzt, und daher schlieſslich trotzdem aschenarme Füllmassen
                              									gewonnen werden. Laut Versuch und genauer Berechnung liefern in Waghäusel 100 MC.
                              									Rohzucker von 95,8 Proc. Pol. bisher 65,24 Proc. weiſser Waare, 28 Proc.
                              									Nachproducte und 6 Proc. Melasse, während die neue Methode 86,22 Proc., 4,85 Proc.
                              									und 8,25 Proc. der nämlichen Producte ergibt, so daſs statt 25 Proc. nur mehr 4
                              									Proc. des Einwurfes wieder in den Arbeitskreislauf zurückgehen. Der reine Nutzen für
                              										100k Rohzucker berechnet sich hiernach auf
                              									1,26 M. bis 1,70 M.
                           Hiernach und durch den günstigen Ausfall gröſserer Versuche (mit einigen 100 Centner
                              									Zucker) bewogen, hat die Zuckerfabrik Waghäusel die
                              									sofortige Einführung des Seyferth'schen Verfahrens im
                              									Groſsen beschlossen. Bei den dortigen Verhältnissen wird dies für die
                              									Rohzuckerfabrik etwa 5 bis 6000 M., für die Raffinerie 100000 M. kosten. Die
                              									Befürchtungen, daſs der Paraffingeruch des Zuckers nicht zu vertreiben sei, daſs das
                              									flüchtige Paraffinöl groſse Verluste durch Verdunstung bedingen und feuergefährlich
                              									sein werde, sowie daſs sich das Verfahren für geringere Rohzucker und Nachproducte
                              									überhaupt nicht eigne, sollen nach den bisherigen Versuchen unbegründet sein; doch
                              									bedürfen diese Momente jedenfalls noch der genaueren Prüfung im Groſsbetriebe.
                           Das Steffen'sche Auslaugeverfahren dagegen (vgl. 1888 269 377)
                              									zerlegt Rohzucker oder Füllmassen gleichfalls durch Auswaschen in weiſse Waare und
                              									Syrup, bedient sich jedoch hierzu bloſs wässeriger Zuckerlösungen verschiedener
                              									Reinheit unter Anwendung des Gegenstromprinzipes. In Rübenzuckerfabriken wird direkt
                              									die Füllmasse ausgewaschen, in Raffinerien aber auſserdem noch der Rohzucker
                              									vorgereinigt und dann entweder dem üblichen Verfeinerungsprozesse zugeführt, oder in
                              									Form von Füllmasse nochmals dem Waschverfahren unterworfen. Zur Ausführung dieses
                              									letzteren dienen sogen. Wannen, welche 8 bis 10 Centner fassen, den beim
                              									Strontianitverfahren gebräuchlichen Nutschen nachgebildet und einzeln oder zusammen
                              									mit Luftpumpen verbunden sind. Die Füllmassen bezieh. die Rohzucker (letztere
                              									eventuell eingemischt) werden in dünner Schicht in die Wanne gebracht und dann
                              									systematisch mit 16 bis 32 einzelnen Antheilen Syrup von immer steigender Reinheit ausgewaschen,
                              									indem man jede derselben für sich aufbringt, sie mit Hilfe der Luftleere die Masse
                              									durchdringen läſst und dann wieder für sich auffängt. Bei vollem Betriebe wäre der
                              									Idealzustand erreicht, wenn die ersten Lösungen als Melasse abflössen, die
                              									folgenden, von langsam steigender Reinheit, bei der nächsten Arbeit als Vordecken
                              									Verwendung finden könnten, und die letzten Lösungen aus reiner, neu in Betrieb
                              									genommener Deckkläre beständen, so daſs schlieſslich weiſser, mit reiner Deckkläre
                              									durchtränkter Krystallzucker zurückbliebe. In der Praxis kann dies natürlich nicht
                              									erreicht werden. Weder besteht der ausgewaschene Zucker (das sogen. Waschgut) bloſs
                              									aus feuchtem Zucker, noch findet die Trennung vom Syrupe so quantitativ statt, daſs
                              									als anderes Endproduct wirkliche Melasse erzielt wird. Man erhält vielmehr Syrupe
                              									von 70 und mehr Quotient, aus denen noch 1 bis 2 Nachproducte gekocht werden können,
                              									und Waschgut von sehr hoher, aber nicht absoluter Reinheit. Die Dauer des
                              									Waschprozesses beträgt 12 bis 16 Stunden und mehr, wobei jedoch sehr viel auf die
                              									Güte und gleichförmige Beschaffenheit des Rohmaterials ankommt.
                           Was die Verarbeitung von Rübenfüllmassen anbelangt, so hat das Verfahren noch die
                              									Feuerprobe zu bestehen, insbesondere liegen über das Verhalten geringer Füllmassen
                              									(ohne Einwurf hergestellt) keine genügenden Erfahrungen vor. Für den Betrieb hat es
                              									sich indessen als sehr wichtig herausgestellt, möglichst gleichmäſsig
                              									zusammengesetzte und in gleichbleibender Korngröſse gekochte Füllmassen anzuwenden,
                              									da das Auswaschen, das sonst leicht und ohne besondere Schwierigkeit erfolgt,
                              									anderenfalls unangenehmen Störungen ausgesetzt ist. Für den Raffineriebetrieb gilt
                              									dasselbe bezüglich der Rohzucker; je gleichmäſsiger deren Korn und deren
                              									Zusammensetzung ist, desto glatter geht das Auswaschen von statten, während die
                              									Behandlung ungleichförmiger Mischungen schwierig, zuweilen selbst unmöglich, oder
                              									mindestens unrationell ist. Bis zu gewissem Grade kann man sich indessen durch
                              									vorheriges Einmaischen der Rohzucker, sowie durch Sieben oder Sortiren helfen.
                           Das Auswaschverfahren ist bereits in einer Anzahl von Raffinerien eingeführt, war
                              									jedoch in der eben zu Ende gehenden Campagne meist nur kurze Zeit in Betrieb, theils
                              									technischer Gründe wiegen, theils weil die Arbeit in Folge der Marktverhältnisse
                              									frühzeitig eingestellt wurde. Man wird daher über dieses, sowie auch über Seyferth's Verfahren jedenfalls erst im Laufe der
                              									kommenden Campagne genauere Aufklärung erhalten können und Klarheit darüber
                              									gewinnen, in welchem Umfange der Groſsbetrieb die gehegten ganz auſserordentlichen
                              									Erwartungen bestätigt und die hohen Patent- und Anlage-Kosten gerechtfertigt
                              									erscheinen läſst.
                           Die Bestimmung der Raffinose in Rohzuckern (vgl. 1888
                              										270 227) wird nach Th.
                                 										Breyer (New York) in Amerika folgendermaſsen (Chemiker-Zeitung,
                              									Bd. 13 Nr. 35 S. 499)
                              									auf etwas abgekürztem Wege ausgeführt: Die Zuckerlösung wird nach vollendeter
                              									Inversion durch Einstellen in kaltes Wasser rasch abgekühlt und dann in dem Raume,
                              									wo sie polarisirt werden soll, für einige Stunden sich selbst überlassen. Nach
                              									genauem Auffüllen bis zur Marke und vielleicht nothwendigem Entfärben mittels 0g,2 bis 0g,5 mit
                              									Salzsäure ausgezogener und getrockneter Knochenkohle wird durch ein gut bedeckt zu
                              									haltendes Filter in einen bedeckten Cylinder filtrirt. Die Lösung wird zum
                              									Polarisiren in ein Glasrohr gefüllt, das ein weites Ansatzrohr für das Thermometer
                              									hat.
                           Aus der Polarisation vor und nach der Inversion und der Thermometerablesung wird der
                              									scheinbare Rohrzuckergehalt nach Clerget's Formel
                              									berechnet. Ergibt sich eine Differenz von 0,5 oder darüber, so ist die Anwesenheit
                              									von optisch activen Substanzen neben Rohrzucker als erwiesen zu erachten. Ist der
                              									nach Clerget's Formel gefundene Rohrzuckergehalt
                              									geringer als die direkte Polarisation, und sind keine Fehling'sche Lösung reducirenden Substanzen vorhanden, so wird der wahre
                              									Rohrzuckergehalt nach folgender Formel, die eine Combination von Clerget's und Creydt's
                              									Formeln ist, berechnet. Die Differenz aus der so gefundenen Rohrzuckerzahl und der
                              									direkten Polarisation wird als von einem Gehalte an Raffinose herrührend angesehen
                              									und demgemäſs berechnet.
                           
                              
                                 
                                 Rohrzucker
                                 Raffinose
                                 
                              
                                 A. Direkte Polarisation
                                 + 100
                                 + 100
                                 
                              
                                 B. Pol. nach der Inversion bei t°
                                 
                                    -\left(44-\frac{t}{2}\right)
                                    
                                 + 50,7
                                 
                              
                                 C. Differenz für je 1° Ursprung-          licher
                                    											Polarisation
                                 
                                    \frac{100+44-\frac{t}{2}}{100}
                                    
                                 0,493
                                 
                              
                           
                              
                                 Z Proc. Rohrzucker
                                 R Proc. Raffinose
                                 
                              
                                 
                                    1)\ A=Z+1,85\,R.
                                    
                                    2)\
                                       												C=\frac{100+44-\frac{t}{2}}{100}\,Z+1,85\,R\,\times\,0,493.
                                    
                                    3)\ 0,493\,A=0,493\,Z+1,85\,R\,\times\,0,493.
                                    
                                    (2-3)\,C-0,493\,A=\frac{144-\frac{t}{2}}{100}\,Z-0,493\,Z.
                                    
                                    Z=\frac{C-0,493\,A}{\frac{100-\frac{t}{t}}{100}-0,493}=\frac{C-0,493\,A}{F_t}
                                    
                                    R=\frac{A-Z}{1,85}
                                    
                                 
                              
                           Ft wird aus
                              									nachstehender Tabelle entnommen.
                           
                           Tabelle für F_t=\frac{144-\frac{t}{2}}{100}-0,493.
                           
                              
                                 
                                    t
                                    
                                 
                                    Ft
                                    
                                 
                                    t
                                    
                                 
                                    Ft
                                    
                                 
                                    t
                                    
                                 
                                    Ft
                                    
                                 
                                    t
                                    
                                 
                                    Ft
                                    
                                 
                              
                                 15,0
                                 0,8720
                                 20,0
                                 0,8470
                                 25,0
                                 0,8220
                                 30,0
                                 0,7970
                                 
                              
                                 15,5
                                 0,8695
                                 20,5
                                 0,8445
                                 25,5
                                 0,8195
                                 30,5
                                 0,7945
                                 
                              
                                 16,0
                                 0,8670
                                 21,0
                                 0,8420
                                 26,0
                                 0,8170
                                 31,0
                                 0,7920
                                 
                              
                                 16,5
                                 0,8645
                                 21,5
                                 0,8395
                                 26,5
                                 0,8145
                                 31,5
                                 0,7895
                                 
                              
                                 17,0
                                 0,8620
                                 22,0
                                 0,8370
                                 27,0
                                 0,8120
                                 32,0
                                 0,7870
                                 
                              
                                 17,5
                                 0,8595
                                 22,5
                                 0,8345
                                 27,5
                                 0,8095
                                 32,5
                                 0,7845
                                 
                              
                                 18,0
                                 0,8570
                                 23,0
                                 0,8320
                                 28,0
                                 0,8070
                                 33,0
                                 0,7820
                                 
                              
                                 18,5
                                 0,8545
                                 23,5
                                 0,8295
                                 28,5
                                 0,8045
                                 33,5
                                 0,7795
                                 
                              
                                 19,0
                                 0,8520
                                 24,0
                                 0,8270
                                 29,0
                                 0,8020
                                 34,0
                                 0,7770
                                 
                              
                                 19,5
                                 0,8495
                                 24,5
                                 0,8245
                                 29,5
                                 0,7995
                                 34,5
                                 0,7745
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 35,0
                                 0,7720
                                 
                              
                           Gegen diese Art der Berechnung würde nun einzuwenden sem, daſs dabei die von Creydt für die Temperatur 20° C. und die Concentration
                              									16,575 festgestellte Drehungsconstante der invertirten Raffinoselösung bei anderen
                              									Temperaturen und Concentrationen als gültig angenommen wird. Dem ist das Folgende zu
                              									entgegnen.
                           Die Producte der Inversion der Raffinose sind Lävulose, Galaetose und vielleicht
                              									Dextrose.
                           Der Einfluſs der Concentration wird auch in Creydt's
                              									Formel vernachlässigt. Derselbe wird aber, wie aus Meissl's Formel für die spec. Drehung der Galactose hervorgeht, nur ein
                              									geringer sein können. Da nach der Inversion noch eine bedeutende Rechtsdrehung
                              									bestehen bleibt, und da die Galactose für mittlere Temperaturen nur wenig stärker
                              									nach rechts als die Lävulose nach links dreht, so muſs mehr Galactose als Lävulose
                              									vorhanden sein. Die Rechtsdrehung der Galactose und die Linksdrehung der Lävulose
                              									werden durch Temperaturerhöhung erniedrigt. Die Drehungsänderungen heben sich also
                              									theilweise auf. Der Einfluſs der Temperatur auf das Drehungsvermögen der Galactose
                              									ist geringer als auf das der Lävulose, andererseits ist aber mehr Galactose als
                              									Lävulose vorhanden. Aus diesem Grunde wird man nicht sehr fehl gehen, wenn man
                              									annimmt, daſs sich die durch Temperaturänderungen hervorgebrachten
                              									Drehungsänderungen nahezu aufheben.
                           Der direkte Versuch bestätigt die vorstehende Annahme. Die Drehung einer invertirten
                              									Raffinoselösung ist bei niederer Temperatur geringer als bei höherer, ist aber bei
                              									Weitem nicht in dem Maſse, wie die Drehung einer invertirten Rohrzuckerlösung, von
                              									der Temperatur abhängig. Da die Rohrzucker verhältniſsmäſsig wenig Raffinose
                              									enthalten, so kann die für die Temperatur nöthige Correctur innerhalb gewisser
                              									Grenzen vernachlässigt werden.
                           Die vorstehende Abänderung des Creydt'schen Verfahrens
                              									war für New Yorker Verhältnisse darum angezeigt, weil bei der dort im Sommer oft
                              									sehr hohen Temperatur und dem dabei sehr hohen Feuchtigkeitsgehalte der Luft die Polarisation bei
                              									20° C. nur mit groſsen Schwierigkeiten in Folge des Beschlagens der Deckgläser
                              									auszuführen ist. Auſserdem erlaubt diese Abänderung selbstverständlich ein rascheres
                              									Arbeiten.
                           T. L. Phipson berichtete (Chemical News, Bd. 59 S. 255) über die Gegenwart von Zinn in gewissen
                              									Zuckern (über Zusatz von Zinnsalze bei der Zuckerfabrikation vgl. 1886 259 322), den Einfluſs des Zinnes auf die Gesundheit und
                              									ein Mittel zu seiner Entdeckung.
                           Eine Dame, die den sogen. Demerara-Zucker in ihrem Haushalte verwandte, hatte heftige
                              									kolikartige Diarrhöe bei dessen Genuſs bekommen, die sofort ausblieb, als der
                              									Gebrauch dieses Zuckers ausgesetzt wurde. Auch die Dienerschaft der Dame hatte sich
                              									gegen den Genuſs des Zuckers gesträubt, wiewohl er von sehr angenehmem aromatischen
                              									Geruch und sehr süſsem Geschmack ist; die Farbe ist goldgelb. Bei der Untersuchung
                              									auf Metalle, die vorgenommen wurde, indem eine gröſsere Menge des Zuckers in Wasser
                              									gelöst, ohne Filtration mit Salzsäure und Schwefelwasserstoff versetzt und dann
                              									mindestens 48 Stunden im verschlossenen Gefäſs stehen gelassen wurde, ergab sich ein
                              									ziemlich reichlicher Niederschlag von Schwefelzinn, der einer Menge von 0,04 Proc.
                              									Zinnoxyd entsprach. Auſser dem Zinn war von fremden Substanzen nur noch etwas
                              									Glycose und 2,7 Proc. einer aus Kalk, Eisenoxyd und Kalkphosphat bestehenden Asche
                              									in dem Zucker vorhanden. Verfasser hatte selbst früher angegeben, daſs ein sehr
                              									kleiner Zusatz von Zinnchlorid, der vielfach angewandt wird, um dem Zucker eine
                              									goldgelbe Farbe zu geben, nicht schädlich sei, kann aber diese Ansicht nicht mehr
                              									für die, wie es scheint, jetzt ausgiebigere Verwendung von Zinnchlorid aufrecht
                              									erhalten, zumal nach den Untersuchungen von Ungar und
                              										Bodländer bewiesen ist, daſs durch die Aufnahme von
                              									Zinn in den Organismen nicht nur akute, sondern bei fortgesetzter Einführung kleiner
                              									Mengen chronische Vergiftungen, die selbst zum Tode führen, bewirkt werden. Bei der
                              									groſsen Verwendung des Zuckers ist die Gefahr vorhanden, daſs durch Aufspeicherung
                              									auch kleiner, täglich mit demselben aufgenommener Mengen Zinn eine ernstliche
                              									Gesundheitsstörung bewirkt werde, und Verfasser hält es deshalb für rathsam, bei
                              									Zuckeruntersuchungen, die im hygienischen Interesse vorgenommen werden, auf die
                              									Gegenwart von Zinn besonders zu prüfen.
                           Die Verwendung des „flüssigen Fruchtzuckers“, d.h. des jetzt fabrikmäſsig
                              									dargestellten Invertzuckers an Stelle des Rohrzuckers, soll für Haushaltungen bei
                              									Zubereitung von eingemachten Früchten, Fruchtsuppe, Crême, Compot, süſse Speisen,
                              									Bowle, Limonade u.s.w. nach Fühling's landwirthschaflliche Zeitung, Bd. 38 Heft 15 vom 1.
                              									August 1889 8. 548, folgende Vortheile gewähren:
                           1) Fällt das lästige, zeitraubende und verlustgebende Lösen und Läutern weg und es
                              									ist die Verwendung des Fruchtzuckers eine sehr bequeme, indem ll
                              									Fruchtzuekersyrup lk Fruchtzucker von 100 Procent
                              									enthält, somit 1l einem Kilo geläuterten, reinsten
                              									Zucker gleichzuachten ist; da jedoch der Fruchtzucker eine sehr starke versüſsende
                              									Wirkung übt, so hat die Erfahrung einen sparsameren Verbrauch des Fruchtzuckers
                              									ergeben.
                           2) Versüſst man Früchte mit derselben Zuckerart von mildem Geschmack, die sie bei der
                              									Reife natürlich enthalten, während Raffinade (Hutzucker) eine ganz andere Zuckerart
                              									ist.
                           3) Krystallisirt der Fruchtzucker nicht aus den damit versüſsten Producten aus, wie
                              									es bei Raffinade häufig der Fall unter Erzeugung ungleichmäſsiger Süſse, wie z.B. in
                              									körnig gewordenem Gelée.
                           4) Tritt das natürliche Aroma der Früchte, Speisen, Getränke u.s.w. beim Gebrauch des
                              									Fruchtzuckers weit mehr hervor als es bei Anwendung von Raffinade der Fall sein
                              									kann.
                           5) Indem man den flüssigen Fruchtzucker den einzumachenden Früchten hinzugefügt und
                              									allmählich und gleichmäſsig bei gelindem Feuer (besser noch im Wasserbade) erwärmt,
                              									wird die Form und Struktur der Früchte geschont und ein Weichwerden und Aufplatzen
                              									verhindert, wie es sehr leicht stattfindet beim Zusammenbringen heiſser
                              									Raffinadelösung mit kalten Früchten. In gut verschlossenen, sauberen Gefäſsen, vor
                              									Licht und Kälte geschützt, kann der Fruchtzucker unverändert bewahrt werden.